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Praxismarketing nach dem Resonanzprinzip

Im Zuge meiner inzwischen jahrelangen Beratung von Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich Praxisgründung und Praxisführung im Kompetenz-Team des VFP sind mir einige energetische Zusammenhänge immer deutlicher geworden. Da wendet jemand sehr viel Mühe auf bei der Gestaltung seiner Flyer, bei der Formulierung von Anzeigen, bei bunten Animationen auf seiner Website – aber trifft offenbar nicht das Interesse oder den Geschmack seines Zielpublikums. Da hat jemand in die extravagante Ausstattung seiner Praxisräumlichkeiten jede Menge Zeit und Geld investiert – und nun stehen sie leer. Da beklagt und beschwert sich jemand immer wieder darüber, dass die Klienten so "blöd" sind und nicht einsehen wollen, dass sie eigentlich (seine) Hilfe brauchen.

Die Kernfrage zur Entschlüsselung solcher Schwierigkeiten ist leicht gefunden, im Grunde kennen wir sie aus unserer therapeutischen Arbeit:

"Was ist die  e i g e n t l i c h e Botschaft?

Was ist das, was wirklich ankommt?" Nach den Grundgesetzen der Kommunikation, wie sie von Paul Watzlawick und anderen formuliert worden sind, bestimmt stets der Empfänger die Bedeutung einer Botschaft – und zwar unabhängig von der (wohlmeinenden) Absicht des Senders! Wenn ich also meine Klienten für "blöd" und "uneinsichtig" halte – warum sollten sie dann ausgerechnet zu mir kommen? Wie offen und unvoreingenommen bin ich dann wohl ihnen gegenüber? Und wie stark brauche ich im Grunde nur jemanden, der hilfsbedürftig und "schwächer" ist als ich, damit ich mein Helfersyndrom an ihm ausagieren kann? Wie "blöd" und "uneinsichtig", wie starr und unflexibel bin ich vielleicht selbst, wenn ich darauf beharre, dass die Klienten für mich da sein sollen?

Nicht wir sind das Geschenk für unsere Klienten, sondern die Klienten sind das Geschenk an uns!2007-01-Praxismarketing1

In der Praxis zeigt sich dieser Grundsatz immer wieder, jedenfalls dann, wenn man etwas wach dafür geworden ist. Warum kommen in bestimmten Phasen gehäuft Klienten mit ganz bestimmten Problemen oder Symptomen? Was hat das dann gerade mit mir zu tun, mit meinen eigenen blinden Flecken, mit meinen eigenen ungelösten Konflikten und Lebensthemen? Ein Zahnarzt berichtete z.B., dass er monatelang auffällig viele Weisheitszahnbehandlungen machen musste, manchmal mehrere an einem Tag – so lange, bis er sich seine eigenen 8er- Zähne von einem Kollegen hatte reparieren lassen. Eine Kollegin wunderte sich darüber, warum sie plötzlich bei jeder zweiten Klientin mit dem Thema "sexueller Missbrauch" konfrontiert wurde – bis sie begann, in ihrer eigenen Kindheit noch einmal nachzuforschen.

Zu mir kam eines Tages ein Klient mit extrem heftigen Schulterschmerzen – und das gerade an einem Tag, als ich überlegt hatte, ob ich wegen meiner extrem heftigen Schulterschmerzen überhaupt in die Praxis gehen sollte! – Und merkwürdigerweise entdeckten wir in dieser Sitzung, dass wir ein gemeinsames oder doch ähnliches Thema hatten, nämlich den Wunsch und Impuls, schützend den Arm um eine Angehörige legen zu wollen, was aber in dieser Situation dann doch nicht passend gewesen und von der betreffenden Person jeweils zurückgewiesen worden war.

Es geht also bei solchen Resonanz-Phänomenen nicht um irgendwelche esoterischen Fantasien oder Rituale. Wir brauchen nicht in den Mondkalender zu schauen, nach Hoch- und Tiefdruckgebieten zu schielen oder andere Orakel zu befragen. Ein einfacher Spiegel reicht. Und meistens ist es gut, wenn dieser Spiegel von anderen gehalten bzw. gebildet wird. Konkret: wir sollten so viele Bekannte wie möglich fragen, wie denn unsere Werbung, unsere Selbstdarstellung, unsere Räumlichkeiten auf sie wirken! Und wir sollten sie um eine ehrliche, ungeschminkte Antwort bitten! Genauso können wir unsere Klienten, z.B. am Schluss einer Sitzung, bitten, uns zu erzählen, wie sie auf uns aufmerksam geworden sind, was sie speziell angesprochen hat, was sie vielleicht irritiert und gestört hat – usw. Oder wir können Kollegen und Kolleginnen um ein offenes Feedback bitten, wie denn unsere Präsentation in den verschiedenen Medien auf sie wirkt – z. B. im Rahmen eines VFP-Arbeitskreises oder Praxisgründungs- Seminars.

Praxis-Aufstellungen zeigen die wirksamen Kräfte wie in einem Spiegel

Die für mich effektivste Art, die Ausstrahlung und Wirkung eines Praxiskonzepts zu überprüfen, ist eine Praxis-Aufstellung. In Anlehnung an die Prinzipien der Familienaufstellung werden hier zunächst die verschiedenen Faktoren ermittelt, die zum System überhaupt gehören – wie z.B. die Praxis selbst, die Klienten, der Therapeut, die Methode usw. Je nach individuellen Gegebenheiten kommen dann Faktoren hinzu, die vielleicht nicht so offensichtlich sind und bislang noch im Dunkeln lagen. So kann evtl. eine Person aus der Herkunfts- oder Gegenwartsfamilie ein entscheidendes Hemmnis sein für das Florieren einer Praxis.

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Da hatte z.B. der oben schon genannte Zahnarzt seine Praxis von seinem Vater übernommen und geerbt. Eigentlich wollte er entsprechend seinen Interessen und Fortbildungen Homöopathie und Naturheilkunde in seine Behandlungen einbeziehen, erstickte aber doch immer wieder in Routinetätigkeiten, Notversorgungen und "Flickarbeiten", wie er sagte. Im Rahmen einer Systemaufstellung musste er erst die Lebensleistung seines Vaters würdigen, der die Praxis nach dem Krieg auf- und ausgebaut hatte, um dann von ihm die Erlaubnis zu erhalten, jetzt auch das Überlebenskonzept verlassen, erweitern und umgestalten zu dürfen.

Oder die erwähnte Kollegin, die ihre ganze Energie in die schöne Ausstattung ihrer Praxis gesteckt hatte und einfach nicht verstehen konnte, warum sich die wenigen Klienten, die zu ihr kamen, trotz aller Behaglichkeit nicht richtig wohl zu fühlen schienen, wurde im Rahmen einer Aufstellung plötzlich mit ihrer eigenen Angst vor den Klienten konfrontiert. Im Grunde machten ihr heftige Emotionen und Abreaktionen einfach Angst und sie fürchtete nichts mehr, als dass Klienten – und sie selbst – die "Fassung" verlieren, den schönen Schein nicht wahren könnten. In ihrer Fantasie hatte sie sich ihre Klienten regelrecht "gemalt": alles Menschen, die brav und geordnet ihre Probleme schildern, so dass sie die jeweils richtigen Fragen dazu stellen kann und beide zu einer vernünftigen Lösung kommen …

Als Beraterinnen und Therapeuten bleiben wir lebenslang Lernende – nicht nur fachlich, sondern gerade auch emotional und sozial! Das heißt nun nicht, dass wir erst alle eigenen Probleme gelöst haben müssten, bevor wir mit der Beratungsarbeit überhaupt anfangen dürften. Denn dieser Zeitpunkt könnte nie kommen! Vielmehr geht es darum, die eigenen Lebenserfahrungen immer wieder neu zu reflektieren und zu integrieren.

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So zeigte es sich auch bei dem zuerst genannten Kollegen, der sich so stark bei der Gestaltung seiner Werbung engagiert hatte. Seine Überlegungen dazu waren alle wohl berechtigt und fundiert. Er hatte auch Geschmack und Pfiff, so dass seine Werbeauftritte sehr wohl ankamen und neugierig machten. Dennoch fehlte ein entscheidender Baustein, den er im Rahmen einer Praxisaufstellung erkennen konnte: Er hatte sich nicht richtig klar gemacht, wer denn seine spezifische Zielgruppe sein sollte! Im Bemühen, möglichst viele Menschen anzusprechen und zu erreichen, wurde nicht recht deutlich, für wen er in seiner Praxis denn da sein wollte. Um das herauszufinden, ist es oft hilfreich, sich auch einmal die Gegenfrage zu erlauben: Welche Klienten will ich in meiner Praxis auf keinen Fall haben? Welche Typen und Probleme sind mir eigentlich unsympathisch? Wer sollte um mich lieber einen Bogen machen?

Nur wer hier ehrlich zu sich selbst ist, wird umgekehrt auch klar zum Ausdruck bringen, wer denn bei ihm richtig ist und uneingeschränkte Aufmerksamkeit, Zuwendung und Hilfestellung erwarten kann.

Man muss gut überlegen, was man haben will. Es könnte passieren, dass man es bekommt.

Nicht nur die systemische Sichtweise oder die energetische Betrachtung führen zur Erkenntnis solcher Resonanzphänomene. Mit allem, was heute aus der neuen Physik bekannt ist, wird klar, dass sich jeder von uns auch mit seiner Praxis, seinem Berufsbild und Berufsstand ein bestimmtes Feld aufbaut, worauf dann bestimmte Menschen ganz speziell reagieren.

Umgekehrt stehen wir natürlich auch unter vielen Einflüssen aus anderen Feldern, nicht nur der eigenen Familientradition, sondern ebenso aus dem Gesamtbereich der Psychologischen Beratung und Psychotherapie, des Gesundheitswesens generell, den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und Werten usw. Es ist immer wieder einmal sinnvoll, innezuhalten und zu überprüfen, wer da was will und wo in diesem Gesamtfeld wir mit unserem Angebot angesiedelt sind. Sind wir noch in Resonanz mit uns selbst? Und sind wir in Resonanz mit den Menschen und Kräften, die wir anziehen wollen? Die Antwort auf diese Fragen erscheint mir viel wichtiger als die nach der passenden Schrifttype auf meinem Flyer oder der Farbe meiner Couch. Natürlich will auch das bedacht werden, aber auf die Reihenfolge kommt es an!



Dr. paed.
Werner Weishaupt
VFP-Präsident
Seminarleiter und Supervisor
Leiter des "Zentrums für Angewandte
Kinesiologie, Psychotherapie
und Körpertherapie" in Salzgitter
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