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Von Widerstand und Eigensabotage

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Jeder Therapeut - ganz gleich ob er er mehr somatisch oder mehr psychisch arbeitet – kennt das Phänomen, dass seine Maßnahmen beim Patienten einfach nicht anschlagen und die beklagten Beschwerden mehr oder weniger bestehen bleiben. Nicht selten führt das zu Zweifeln an unseren eigenen Fähigkeiten, an den eingesetzten Methoden und Mitteln oder aber auch zu Schuldzuweisungen an den Patienten nach dem Motto: "Der will gar nicht gesund werden!" Damit ist jedoch die Chance vertan, noch zu einer sinnvollen Kooperation und zu einer erfolgreichen Behandlung bzw. Heilung zu kommen.


Natürlich lässt sich das genannte Phänomen bei unseren Patienten immer wieder einmal beobachten und kann auch Anlass zu einer kritischen Überprüfung des eigenen Vorgehens, der gewählten Methoden und der Therapeut- Patient-Beziehung sein.

2006-03-widerstand2Verschiedene psychologische und kinesiologische Richtungen haben jedoch auch hilfreiche Erklärungen gefunden, deren Kenntnis uns vor negativen Urteilen bewahrt und gleichzeitig Möglichkeiten eröffnet, doch noch zum
Ziel zu gelangen. So haben Sigmund Freud und andere Psychoanalytiker
schon früh auf die Phänomene des "Widerstands" in der Therapie sowie des "primären" und "sekundären Krankheitsgewinns" aufmerksam gemacht. Dabei werden unter "Widerstand" Verhaltensweisen des Patienten verstanden, die ihm unbewusst dazu dienen, sich vor dem Bewusstwerden bestimmter Triebwünsche, belastenden Erinnerungen oder innerseelischen Konflikten zu schützen. Der "primäre" Krankheitsgewinn besteht dann darin, dass die Balance im innerseelischen Haushalt gewahrt bleiben kann – allerdings um den Preis, dass die ausgeprägten psychosomatischen Symptome, die in der Regel zugleich symbolischer Ausdruck und neurotischer Konfliktlösungsversuch des Patienten sind, in dieser Doppelfunktion bestehen bleiben. Unter dem "sekundären" Krankheitsgewinn versteht man dagegen die Vorteile, die ein Patient aus seiner sozialen Umgebung bekommen kann – wie vermehrte Rücksichtnahme, Schonung und Entlastung einerseits und verstärkte Zuwendung, Aufmerksamkeit und sogar Wertschätzung andererseits. Diese Erfahrungen mit dem Kranksein machen wir meist schon als Kinder und greifen dann unbewusst in Krisenphasen und vor allem auch bei chronischen Erkrankungen darauf zurück. Allein diese primären und sekundären Gewinne können im innerseelischen Haushalt schwerer wiegen als die Leiden, Schmerzen und sonstigen Einschränkungen, die mit einer bestimmten Krankheit verbunden sind.


Die Schwierigkeit im therapeutischen Umgang mit solchen Mustern besteht nun gerade darin, dass sie dem Betroffenen nicht bewusst sind und dass er sie auch ableugnen würde, wenn man sie ihm quasi unterstellt. Außerdem können wir – auch bei bestem Einfühlungsvermögen – nicht sicher wissen, welche Art von "Gewinn" unser Patient bei einer bestimmten Symptomatik vielleicht hat. Hier bietet nun die Kinesiologie mit ihrem Muskeltestverfahren entscheidende Vorteile: Durch die eigene Muskelreaktion als Körperbiofeedback erlebt der Patient selbst, wie seine innere Haltung zu seinen Beschwerden ist, ob er mit all seinen inneren Anteilen gesund werden will oder ob es hier einen "Haltungskonflikt" oder eine "psychologische Umkehr" gibt.

2006-03-widerstand3Diese beiden Begriffe stammen aus den Forschungen und therapeutischen Erfahrungen von Dr. Roger Callahan, einem amerikanischen Psychologen, der Anfang der 80er Jahre die Kinesiologie kennenlernte und einige wichtige Elemente daraus in sein praktisches Vorgehen übernahm. In seinem Buch "Leben ohne Phobie" (Freiburg 2002, VAK) beschreibt er anschaulich, wie er in der Behandlung einer übergewichtigen Patientin diese Phänomene entdeckte: Nachdem sie schon länger auch bei wechselnden therapeutischen Strategien keinerlei Fortschritte hinsichtlich ihrer Gewichtsreduktion gemacht hatte, ließ Dr. Callahan sie einfach mal folgende Statements aussprechen: "Ich will 20 kg abnehmen und mein Zielgewicht erreichen!" und umgekehrt: "Ich will noch 20 kg zunehmen und mein Zielgewicht nicht erreichen!" Zur Verblüffung beider zeigte der Muskeltest nach dem ersten Satz ein inneres "Nein" – die Patientin konnte dem gleichmäßig ausgeübten Testdruck des Behandlers nicht standhalten – und nach dem zweiten Satz ein inneres "Ja" – die Arme blieben bei gleichem konstanten Druck in derselben Höhe und die Spannung in den Testmuskeln änderte sich nicht! Dass solche ideomotorischen Signale verlässlich innere Einstellungen und unbewusste Haltungen zeigen können, ist aus der hypnotherapeutischen Arbeit schon lange bekannt. Der Vorteil der Kinesiologie besteht darin, dass die getestete Person im Wachzustand bleibt und ihre eigene Körperantwort unmittelbar an sich spüren und beobachten kann. Damit wird ihr auch klar, dass es sich hier nicht um irgendwelche Unterstellungen oder "Deutungen" des Therapeuten handelt, sondern um ein Spiegelbild ihrer eigenen inneren Verfassung.

 

2006-03-widerstand4Nun kann man sich lebhaft vorstellen, wie entsetzt Dr. Callahans Patientin über ihre eigene Körperantwort und die sich darin zeigende "psychologische Umkehr" war – hatte sie doch schon viel Zeit, Mühe und Geld in verschiedene Therapien investiert! Und das scheinbar völlig vergebens!

Callahan erklärte sich und seinen Patienten dieses Phänomen vor allem mit der "Angst vor Veränderung", die innerseelisch nicht selten stärker sei als der Mut, etwas Neues zu wagen – nach dem Moto: "Manchmal lieben wir bekannte Höllen mehr als unbekannte Himmel". Ihm kam es deshalb zuallererst darauf an, diese Angst vor Veränderung zu minimieren, damit dann der Weg zur Bearbeitung und Lösung des eigentlichen Problems frei wird. Dazu bediente er sich einer neuen Technik, bei der einerseits der sog. "Befreiungspunkt", der Akupunkt "Dü 3" am Kleinfingergrundgelenk auf der Außenkante der Hand, beklopft wird und andererseits gleichzeitig Affirmationen zur Stärkung der Selbstachtung gesprochen werden – denn die kann doch in dem Moment sehr beeinträchtigt sein, in dem man bei sich entdeckt, dass man mindestens unbewusst sein Leiden behalten will! Die klassische Affirmation lautet dann z. B.: "Trotz dieses inneren Widerspruchs liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz!"


Diese einfache und geniale Technik verringert ganz offensichtlich die hemmende Angst vor einer noch unbekannten Veränderung und polt uns in die richtige Richtung – wenigstens für eine gewisse Weile. Und diese Zeitspanne kann und sollte nun therapeutisch genutzt werden, um weitere Schritte auf die Heilung zuzugehen. In vielen Verfahren der sog. "Energetischen Psychotherapie" und Selbsthilfe, z. B. bei der "Emotional Freedom Technique" (EFT) des Callahan-Schülers Gary Craig spielt die Auflösung der "Psychologischen Umkehr" eine herausragende Rolle. Und auch nach meinen eigenen Erfahrungen in 18 Jahren Praxis mit der psychosomatischen Kinesiologie hat sich Callahans Grundsatz immer wieder bestätigt, dass es nämlich ohne Auflösung des inneren Widerstandes oder der inneren Widersprüche beim Patienten keinen therapeutischen Erfolg und keine Heilung gibt – und das unabhängig von der Art der Beschwerden, ob sie nun mehr körperlicher oder mehr seelischer Art waren. Nicht verheilende Wunden sind dafür insofern ein anschauliches Beispiel, als man nach Auflösung der Haltungsumkehr der Heilung quais zuschauen konnte, aber auch sonst schwer zu beeinflussende Phänomene wie etwa Morbus Suddeck verschwanden innerhalb von Wochen. In gleicher Weise zeigen sich therapeutische Fortschritte bei (kindlichen) Verhaltensstörungen (wie etwa Bettnässen, Nägelkauen etc.), bei allen Arten von Ängsten und Zwängen, Allergien und Süchten stets erst dann, wenn die innere Ausrichtung geklärt ist.

Dies kann man, wie gesagt, kurzfristig durch die Klopfakupressur erreichen. Um meinen Patienten zu helfen, sich selbst in ihrer Lebensgeschichte und in ihren Lebensmustern besser zu verstehen, bin ich in meiner Praxis jedoch mehr und mehr dazu übergegangen, die genaueren Hintergründe für das Festhalten an bestimmten Symptomen kinesiologisch herauszutesten und mit den Patienten detailliert zu besprechen. Das Bewusstmachen lässt dann, wie der Nachtest zeigt, das Klopfen von Akupunkten meist überflüssig werden. Die Patienten lernen zu verstehen:

Das Herausbilden von und Festhalten an bestimmten Symptomen körperlicher Art (z. B. Schmerzen, Allergien, Funktionsstörungen) und seelischer Art (z. B. Ängste, Zorn, Groll, Hass, Schuldgefühle usw.) schien uns in einer bestimmten Lebenssituation und Konfliktlage als bester "Ausweg". Oft hat sich die Situation aber schon längst verändert, so daß wir unpassenderweise noch an den alten unbewussten Mustern festhalten. Solche Symptome dienen nach meiner Erfahrung in der Regel einer der folgenden vier Funktionen:

AUSDRUCK:
Das Sypmtom drückt etwas Innerseelisches aus, das es zu verstehen und zu entschlüsseln gilt.

VERMEIDUNG:
Das Symptom hilft etwas zu vermeiden, von dem wir fürchten, dass es noch schlimmer ist als das Symptom selbst.

KOMPENSATION:
Durch das Symptom wird etwas anderes ersetzt, es findet eine Verschiebung statt, z. B. Angst statt Zorn oder körperlicher Schmerz statt Schuldgefühl. Eine solche Kompensation kann sowohl im innerseelischen Raum geschehen wie auch im systemischen Raum, z. B. innerhalb einer Familie ("Einer trägt des anderen Last").

SELBSTBESTRAFUNG:
Innere Ankläger und Richter "produzieren" Symptome als Strafe für etwas, was wir irgendwann einmal getan oder versäumt haben – jeweils nach unseren eigenen Wertmaßstäben!

Wenn wir diese Funktionen kinesiologisch austesten, was ohne Weiteres möglich ist, sollten wir als Testende beachten, unseren Testpartnern vorsichtig und respektvoll zu helfen, sich selbst besser zu erkennen. Dabei sollten wir uns selbst möglichst frei halten von eigenen Bewertungen!

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Mögliche Fragestellungen

? Haben wir die Erlaubnis, diesen Haltungskonflikt genauer zu erforschen?

? Wieviel Funktionen hat das (teilweise) Festhalten an dem Symptom?

? Welche Funktionen sind das? Geht es um: Ausdruck, Vermeidung, Kompensation, Selbstbestrafung?

? Was genau soll da ausgedrückt, vermieden, kompensiert oder bestraft werden?

(Hinweise bekommen wir über Stichworte in verschiedenen Testlisten emotionaler Zustände, wie z.B. in den "Gefühlskarten zur Psychologischen Kinesiologie". Diese können für € 25,- bestellt werden bei VFP-Mitglied Renate Held, Albstraße 22, 72813 St. Johann, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

? Wann in deiner Lebensgeschichte ist das Muster entstanden? – (Mit Erlaubnis des Klienten können wir im Lebensalter zurücktesten und fragen: Was hat sich damals in deinem Leben ereignet, verändert? Welcher Art war der Konflikt damals? Welche Personen oder inneren Anteile waren daran beteiligt? Welche Glaubenssätze hast du dir damals zu eigen gemacht? usw.)

? Wenn du das heute alles weißt: Musst Du immer noch an dem Symptom festhalten? Bist du jetzt zu 100 % bereit für eine positive Veränderung auf allen Ebenen – bis in die Gegenwart und Zukunft? – In der Regel zeigt sich, dass die anfängliche "psychologische Umkehr" jetzt nicht mehr besteht, weil der Klient sich selbst – auch in seinen unbewussten und manchmal "verdrehten" Beweggründen – verstanden hat und sie nicht länger braucht. Entweder sind die ursprünglichen Konflikte und Konstellationen längst überholt und waren nur noch im Unbewussten unverarbeitet gespeichert oder der Klient kann sich nun bewusst entscheiden und neue Verhaltensmöglichkeiten ergreife n.Deshalb ist in der weiteren kinesiologischen Balance des eigentlichen Themas, Symptoms oder Ziels, mit dem der Klient in die Praxis kam, meist gar nicht mehr viel zu tun!

 

Dr. Werner Weishaupt
Dozent für Psychotherapie und Kinesiologie
Mitglied im Vorstand des EvfK: Europäischer Verband für Kinesiologie e. V.
Zentrum für Angewandte Kinesiologie
Schlopweg 14, 38259 Salzgitter
www.kinesiologie-sz.de