Benji – der Co-Therapeut
In einem Workshop auf dem Psychotherapie-Symposium im April 2006 in Hamburg kam die Frage auf, wie ein Therapeut einen Zugang zu den Kindern finden kann. Nachdem diese Frage die Workshop-Runde bewegte, spürte ich ganz bewusst eine sehr große Dankbarkeit, denn mir bzw. meinem Co-Therapeuten gelingt es immer sofort einen sehr intensiven Kontakt mit dem Kind bzw. mit Kindern aufzubauen.
Seit ein paar Jahren arbeite ich als psychotherapeutische Heilpraktikerin mit Kindern in der Einzelarbeit. Ich habe mich intensiv im Bereich der Kinderpsychologie und -psychotherapie weitergebildet. Ebenso habe ich eine Ausbildung im klinisch orientierter Psychomotorik angeschlossen, um auch ein motorisches und neurologisches Verständnis für das, was ich an den Kindern wahrnehme zu bekommen. Meine Arbeit mit den Kindern sehe ich mehr als "Kinder-Coach", ich versuche den Kindern zu helfen, bei ihren schwierigen Aufgaben eine Lösung zu finden – also das Problem zu lösen. Zu meiner Arbeit als Kinder-Coach gehört die Aufarbeitung von Problemen innerhalb der Familie und des Umfeldes, aber auch die Stärkung des Selbstbildes und – ganz wichtig: das Bearbeiten von Ängsten. Ich bin immer wieder neu betroffen, welchen Ballast an Ängsten und negativen Bildern von sich selbst die Kinder mit sich tragen. Wie sollen diese kleinen Menschen mit so vielen Ängsten und Selbstzweifeln denn in dieser stressbeladenen und schnelllebigen Zeit zurecht kommen? Wie immer häufiger in den Medien zu erfahren ist: Die Kinder von heute decken mittlerweile die gesammte psychosomatische Palette der Erwachsenen ab. Bauchschmerzen, Spannungskopfschmerz bis hin zu Depressionen sind heute keine Seltenheit mehr. Viele Kinder stehen wie auf einem Abstellgleis und werden sich selber überlassen.
Ich versuche auf keinen Fall die Kinder zu verbiegen, oder sie der Gesellschaft anzupassen, im Gegenteil: ich versuche die Kinder von heute in ihrem Selbst zu stärken und ihnen das Gefühl von Entspannung zu vermitteln.
Im letzten Jahr besuchte ich eine Fortbildung an der Universität Leipzig. Dort arbeitet und forscht man seit über zehn Jahren tiergestützt mit Hunden in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Zu diesem Zeitpunkt war mein Hund "Benji" schon ein ausgebildeter und geprüfter Therapiebegleithund. Aus meinen Kindheitserinnerungen sind mir meine Kaninchen als Seelentröster sehr in Erinnerung geblieben. Über den Kontakt mit Delfinen begann ich mich für die Delfintherapie und die tiergestützte Therapie mit Hunden zu interessieren. Mein Hund Benji wurde von klein an auf seine Aufgabe vorbereitet. In der Einzeltherapie mit Kindern arbeiten Therapiebegleithunde als "Eisbrecher", sie öffnen die Herzen der Kinder. Ein Hund nimmt jedes Kind bedingungslos ernst, er wertet und bewertet nicht. Die Kinder fühlen sich dem Therapeuten nicht so ausgeliefert. Der Hund ist auch gleich der Motivator, die Kindern zum Tun anzuregen. Auf diese Weise übernimmt der Hund in der psychoanalytischen, verhaltensund systemtherapeutischen Arbeit unterschiedliche Funktionen in Diagnostik und Therapie. Sozial unsichere oder sehr unter Spannung stehende Kinder, zum Beispiel mit den so genannten Tics, – bekommen mehr Selbstvertrauen und Gelassenheit durch die Arbeit mit dem Hund. Kinder mit motorischen oder taktilen Defiziten dürfen am "Kuschel-therapeuten" Berührungen üben und für den Hund auch einen Übungsparcours gestalten, den sie dann gemeinsam beschreiten. Unruhige Kinder oder Kinder mit ADS-Symptomen oder motorischen Defiziten erlernen in der Therapie mit Hund u. a. neue Strukturen im Umgang miteinander. Sie lernen aber auch, was es bedeutet, ein Ziel zu verfolgen und wie sie es vor dem Erreichen umsetzen müssen. Es ist eine schöne Erfahrung zu beobachten, wie ein Kind durch meinen Benji gelernt hat, sich selber neu zu erfahren, und aus dem "Wischi- Waschi-Modus" zu einer neuen Struktur gelangt ist und dieses neue Selbstbewusstsein und diese innere Stärke über den Umgang mit dem Hund neu umgesetzt hat. Der Hund fördert zugleich auch die Konzentration und die Aufmerksamkeit, denn das Kind will das Gelernte dem Hund ja auch richtig vermitteln. Zwischen Kind und Hund läuft auch sehr viel in der nonverbalen Kommunikation; die Kinder werden aufmerksamer und sensibler in ihrem Verhalten. Ein Hund fördert zudem das Empathie-Verhalten. Was sich natürlich auch im Alltagsleben positiv auswirkt. In sehr vielen Schulen werden Schulhunde eingeführt, weil sich gezeigt hat, dass zudem auch das Aggressionspotential sinkt.
Die tiergestützte Therapie wirkt nicht nur auf ein Symptom, sondern auf allen Ebenen. Die Tiere sind scheinbar in der Lage auf einer Schwingungsebene die Bedürfnisse der Menschen zu erfühlen. Die ersten Aufzeichnungen gab es schon ab dem 8. Jahrhundert. Die tiergestützte Therapie mit Hund stammt aus den Wurzeln des Kinderpsychologen Boris Levinson: Er prägte den Begriff "pet therapie". Sogar bei Sigmund Freud hatten Kind und Tier eine Affinität:
"Woher es kommt, dass diese kleinen Wesen (Kinder) so reizend sind. Wir haben doch allerlei von ihnen zu erfahren, was nicht zu unseren Idealen stimmt, und müssen sie als kleine Tiere ansehen, aber freilich erscheinen uns auch die Tiere reizend und weit anziehender als die komplizierten, mehrstöckingen und erwachsenen Menschen (Brief von Freud an J. Lampl-de Groot, 22.2.1927). Mit seinem Hund Wolf erfuhr Freud, "wie man durch einen Hund Gefühle auszudrücken vermag, die man sich sonst nicht erlauben konnte".
Benji und ich haben sehr viele positiven Veränderungen bei Kindern bewirken können, die mich in meiner Arbeit bestärken. Zum Beispiel bekomme ich von kinderpsychiatrischen Praxen Anfragen, wie es sein kann, dass sich bei den Kindern so schnell etwas verändert, was in der eigenen Therapie über einen langen Zeitraum nicht möglich war. Oder ich werde gefragt "wie ich die Kinder denn verzaubere", sie seien so schnell positiv verändert ...
Wenn ich die Kinder wirklich "verzaubern würde", dann wäre ich lediglich der Zauberstab. Das Geheimnis meiner "Zauberei" möchte ich mitteilen:
Ich lasse die Kinder sein, so wie sie sind.
Ich helfe ihnen, wieder bewusst mit ihrem Körper in Kontakt zu kommen.
Ich versuche, Sie in ihrem Selbst zu stärken.
Ich spreche mit Ihnen über Ihre Ängste
Ich helfe ihnen, "komische Gefühle" aufzulösen.
Und mein Co-Therapeut berührt sehr intensiv die Kinderseelen, denn die Kinder von heute sind die Zukunft von morgen.
Sabina Pilguj
Psychotherapeutische Heilpraktikerin, Yogalehrerin mit Zusatzausbildung für Kinderyoga, klinisch orientierte Psychomotorik, tiergestützte Kindertherapie, Buchautorin, Arbeitsschwerpunkt Kinder: Stress- und Konfiktbewältigung/Ängste/ Unruhe, psychosomatische Beschwerden, Hundeangst
Telefon/AB 0 41 33 / 40 45 60
www.pilguj.de