Skip to main content

Hypnotherapie: kein Genesungsschlaf!

friedrich-4


 

 

 

 

 

Hypnotherapie bei "hoffnungslosen" Fällen


Jeder Therapeut, der mit Hypnose arbeitet, kennt das: Klienten mit unterschiedlichsten Störungsbildern wenden sich an uns, weil sie sich von Hypnose Heilung oder zumindest Besserung versprechen. Dabei trägt jeder Patient eine ganz eigene Vorstellung in sich, was denn die "Trance" sei. Nicht selten ist diese subjektive Erwartung stark von dem Bild der Showhypnose geprägt.

Hypnotherapie: ein umgekehrter Weg

friedrich-1 "Normalerweise" wendet sich ein Klient an uns, weil er glaubt, bei der Bewältigung einer konkreten Aufgabe oder einer kritischen Lebensphase Unterstützung zu benötigen. Manchmal suchen uns Klienten auf, weil sie ihr Potenzial verwirklichen wollen. Hier ist das Procedere stets ähnlich: Therapeut und Klient betrachten die Herausforderung und suchen dann nach therapeutischen Möglichkeiten, in Abhängigkeit von den Erfahrungswerten und Kompetenzbereichen des Therapeuten, dieses Ziel zu erreichen. Nicht so bei der Hypnose: Wenn Sie "Hypnotherapie" anbieten, suchen Sie Klienten mit dem expliziten Wunsch nach Hypnose auf. Haben Sie dazu im Gegensatz schon einmal erlebt, dass jemand zu Ihnen kommt, weil er "Verhaltenstherapie" wünscht?

Das Bild im Kopf

Oft gleichen sich die Geschichten der Patienten, die mit dem Wunsch nach einer Hypnosebehandlung zu Ihnen kommen, in den Rahmendaten: Meist haben diese Klienten eine langjährige Leidensgeschichte hinter sich, versuchten sich in diversen Therapiearten, nicht selten bildeten sie sich selbst mit unzähligen Laien-Psychologiebüchern fort. Kurz: Sie sind Experten in ihrer eigenen Störung, egal, um welche es sich handelt. Von der Hypnose erwarten sie nun, nachdem alle anderen Therapieversuche in ihrer subjektiven Evaluation scheiterten, schnelle Heilung. Hier verbirgt sich eine der Gefahren in der Hypnotherapie: Der Patient nimmt eine durch und durch passive Haltung ein, erwartet implizit von Ihnen als Therapeuten, dass Sie ihm, sozusagen, indem Sie ihm die Hand auflegen (metaphorisch gesprochen), eine Spontanremission bescheren. Im Rahmen einer ethisch vertretbaren Therapie jedoch fordern Sie von Ihrem Klienten aktive Mitarbeit, Sie animieren ihn zur Eigenverantwortlichkeit. Nur ein Klient, der erkennt, dass er aktiv an seinem Genesungsprozess beteiligt ist, wird sich dauerhaft in seinem Leben, auch angesichts späterer kritischer "life events", zurechtfinden. Schlussendlich ist es unsere Aufgabe als psychotherapeutische Heilpraktiker, unseren Klienten das nötige Handwerkszeug mitzugeben, dass er als autonomer Mensch späteren Konflikten und Krisen gegenüberzutreten weiß.

Mehr als Antirauchersuggestion: Hypnotherapie funktioniert anders

Bereits zwei Jahrtausende vor Christus wurde Hypnose von griechischen Priestern eingesetzt. Das älteste bekannte Schriftzeugnis für hypnotische Induktionstexte ist das ägyptische Papyrus Eber (geschätzt auf circa 1500 v. Chr.). Hypnose leitet sich aus dem griechischen hypnos, Schlaf, ab – und meint dennoch etwas anderes.

Auf physiologischer Ebene ist der hypnotische Zustand folgendermaßen gekennzeichnet:

Hirnphysiologisch
Nachgewiesene Zunahme der Theta-Aktivität, eine Zunahme der Alpha-Aktivität ist nicht gesichert

Endokrinologisch
Abnahme von Katecholaminen, die Abnahme von Kortisol ist nicht gesichert.

Physiologische Änderungen/autonomes Nervensystem
Die Dämpfung des sympathischen Erregungsniveaus führt zu entsprechenden Veränderungen autonomer Reaktionen (Atemrate, Blutdruck, Temperatur etc.).

Unsere Klienten beschreiben in der Retrospektive oft eine Einengung der Aufmerksamkeit mit einem geänderten Körperempfinden, das manchmal den Zustand der Dissoziation, auch vom Leib, erreicht, sie berichten über eine intensivierte Emotionalität und "Insight"-Erlebnisse.

Keine therapeutische Machtdemonstration: Hypnose ist Hilfe zur Selbsthilfe

Dies bedeutet, dass wir als Therapeuten den Klienten in der Hypnose zwar anleiten, die Hauptarbeit leistet er jedoch selbst. Dies wiederum erfordert eine gründliche Vorbesprechung der Hypnosetherapie im Sinne einer exakten Absprache und Erläuterung der Vorgänge, wie sie in der Trance selbst wahrscheinlich erlebt werden.

Nur nach einer arbeitsintensiven Vorarbeit lassen sich in den "Härtefällen", die sich uns präsentieren, die geeigneten Suggestionen und Metaphern finden, die dem Klienten helfen, seine "innere Wahrheit" zu finden und seine psychischen Ressourcen zu mobilisieren.

Ein Fallbeispiel: Der Blindwurm stirbt

friedrich-2 Eine 48-jährige Klientin, die seit mehr als 14 Jahren unterschiedlichste psychotherapeutische Therapien "ausprobierte", suchte mich mit dem Wunsch nach einer Hypnosetherapie auf: Sie lebte diverse Phobien gekoppelt mit Panikattacken, z. B. angesichts eines (mit Badezusatz gefärbten) roten Wassers. Sie war subjektiv betrachtet bindungsunfähig und litt unter selbst verletzendem Verhalten (wie Trichotillomanie und anorektischen Phasen). Der akute Leidensdruck, der ihre Therapiemotivation bewirkte, entstand aus einer unglücklichen Liebe zu einem 20 Jahre jüngeren Mann heraus (Freund des erwachsenen Sohns).

In den ersten Therapiesitzungen, die ich auf Gesprächstherapiebasis durchführte (auch, wenn die Hypnotherapie als Kurzzeittherapie zu sehen ist, sollte sich der Therapeut in vorhergehenden klärenden Sitzungen die Zeit nehmen, die Dimensionen der psychischen Problematik des Klienten abzuschätzen), zeigte sich, dass die dreifach Geschiedene (Mutter von drei erwachsenen Kindern) als 6-Jährige von ihrem Großvater, in dessen Haushalt sie aufwuchs, mehrfach missbraucht wurde. Als Jugendliche und Erwachsene lebte sie in ihren sexuellen Partnerschaften stets Gewaltbeziehungen.

Paradoxerweise empfand die Klientin keinen Hass auf ihren Großvater, im Gegenteil: Sie versuchte, den sexuellen Missbrauch mit dem Alkoholismus des Mannes zu entschuldigen: "Er war immer betrunken und hat mich wohl mit meiner Großmutter verwechselt."

In vier Gesprächssitzungen (hoch frequent und intensiv, d. h. innerhalb von 10 Tagen, eine Sitzung dauerte hier 1,5 Stunden) klärten wir diese diffizilen und selbst schädigenden Emotionen der Klientin in Bezug auf ihren verstorbenen Großvater: Erst als sie in der Lage war, die unsinnigen Entschuldigungsversuche des großväterlichen Verhaltens nicht nur kognitiv, sondern auch emotional zu durchschauen, zu "verstehen", entschied ich mich für eine Hypnobehandlung. (Der praktizierende Therapeut wird wissen, dass hier unter anderem das unbewusste, zuerst nicht rational zugängliche Gefühl der eigenen Schuld aufgearbeitet werden muss.)

In der Vorbesprechung setzten wir uns als Ziel, dass in dieser Hypnosesitzung das Gefühl des befreienden Abscheus, der Verachtung des Großvaters erlebt und eventuell kanalisiert werden sollte. Die Übertragung des Hasses vom Großvater auf sich selbst sah ich hierbei als Hauptgrund für das selbstschädigende Verhalten meiner Klientin. Das Szenario, in das ich die Klientin führen würde, wurde vorab nicht besprochen: Ich verließ mich auf meine Intuition, die durch den eigenen Trancezustand, in den sich der Therapeut in der Behandlung begibt, intensiviert werden würde.

Nach der Induktion des hypnotischen Zustands beschrieb ich das mentale Szenario, das sich vor meinem inneren Auge ausbreitete: Ich führte die Klientin hinter einen Steinwall in Sicherheit, aus dieser Deckung heraus konnte sie große Steine, auf die sie vorher ihre Gefühle für den Großvater übertrug, hervorschleudern. Mit jedem Wurf nahmen ihre Emotionen für den Großvater eine andere Gestalt an: Aus der zuerst erklärenden und damit entschuldigenden Haltung wurde Wut, schließlich Hass. Nun trafen diese Steinbrocken den Großvater, der hinter dem Wall erschien, und während sie ihn trafen, zeigte er seine "wahre Gestalt", wurde vom allmächtigen Erzieher und Bestrafer zu einem "Blindwurm". (Wenn mich jemand fragen würde, was ein Blindwurm sei, so wüsste ich es nicht – doch in diesem Trancezustand konnte die Gestalt, die ich sah, als der Großvater mutierte, nur mit dieser Bezeichnung beschrieben werden.) Der Blindwurm löste sich auf. Und damit der Hass, den die Patientin die ganze Zeit über unbewusst empfand, den sie sich jedoch nicht erlaubte und auf sich selbst übertrug.

Nach der Sitzung berichtete mir meine Klientin, dass sie während der Hypnose tatsächlich ihr eigenes Szenario entwickelte, und ich wundersamerweise das, was sie sah, simultan beschrieb (geändertes Zeitempfinden ist mit ein Merkmal des Trancezustands – wahrscheinlich hörte sie zuerst meine Worte und konstruierte daraufhin das entsprechende Bild, wobei sie "dachte", dieser Prozess würde gleichzeitig vonstatten gehen.) In der Folgesitzung konnten wir die Therapie beenden: Die Klientin hatte das selbstschädigende Verhalten unter Kontrolle, nahm an Gewicht zu und konnte ihre phobischen Stimuli nun angstfrei konfrontieren.

Fazit

Wenn Sie als Hypnotherapeut arbeiten, werden sich Klienten, die eine langjährige Therapie- Historie und damit Leidensgeschichte hinter sich haben, an Sie wenden: Sie werden explizit den Wunsch nach Hypnose äußern, zumeist, weil sie ihre "letzte Hoffnung" in diese Therapieart setzen, oft, weil sie sich "passive Heilung" versprechen. Insbesondere bei den Klienten, die Ihnen als Therapeut die komplette Verantwortung für ihre psychische Stabilisierung bzw. Heilung übertragen, muss der sekundäre Krankheitsgewinn genau unter die Lupe genommen werden. Hier ist die Frage zu stellen, welche die krankheitaufrechterhaltenden Variablen sind und ob der Klient bereit ist, auf den "Vorteil", den er sich unbewusst durch das Fortbestehen der Symptomatik verschafft, zu verzichten.

In intensiven Gesprächen muss geklärt werden, was sich der Klient von der Hypnose verspricht, seine aktive Mitarbeit muss gefordert werden, seine Eigenverantwortung muss betont werden.

Merke: Der Therapeut ist nicht der omnipotente Magier, der durch seine Macht via Suggestionen dem Klienten Heilung zukommen lässt. Nur wenn der Klient mit Ihnen zusammen an der Behebung seiner psychischen Konflikte arbeitet, kann er künftigen Krisen als autonomes Individuum mit einem erweiterten Handlungsspielraum begegnen. Und ein eigenverantwortlicher Mensch, der in der Lage ist, sich selbst zu helfen, sollte das Ziel einer jeden Therapie sein.



friedrich-3 Dr. phil. Marion Friedrich
Praxis für Psychotherapie (HpG)
Rehmstraße 4, 86161 Augsburg
Telefon 0821/ 9 07 2714
Mobil 0160 / 96 81 2615
www.hypnotherapie-augsburg.de