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EMDR - Eye Movement Desensitiziation Reprocessing

2011-03-EMDR1

Einleitung: Elke Kohl kam aufgrund einer heftigen Burnout-Symptomatik in meine Behandlung. Sie war bereits wochenlang krankgeschrieben und auf längere Sicht arbeitsunfähig. Es ging ihr sehr schlecht – sie konnte nicht mehr schlafen, hatte heftige Herzbeschwerden, fühlte sich absolut energielos, deprimiert und unfähig, den kleinsten Anforderungen genügen zu können. Ihr Nervensystem hatte die Notbremse gezogen und ihr war klar, dass sie etwas verändern musste. Im Zuge der Ursachenforschung stellte sich heraus, dass es in ihrer Biografie viele belastende und traumatische Erfahrungen gegeben hatte, die es ihr unmöglich machten, sich gesund abzugrenzen, nein zu sagen und sich innerlich unabhängig und frei zu fühlen.

Da ich leidenschaftliche und überzeugte EMDR-Therapeutin bin, wollte ich die ursächlichen Ereignisse mit EMDR zunächst erkunden und die Belastungen dann natürlich auflösen. Eine dieser Sitzungen wird nachfolgend von Elke Kohl beschrieben.

Wir fokussierten eine aktuelle belastende Situation, die zunächst scheinbar nichts mit der „alten“ Erfahrung als kleines Mädchen zu tun hatte: Eine Kollegin zeigte sich ihr gegenüber verständnislos und beschwerte sich über ihre fortdauernde Arbeitsunfähigkeit, was sie sehr belastete und ihr beklemmende Schuldgefühle verursachte. Die dazugehörige negative Kognition war: „Ich bin gefangen“, die positive: „Ich bin frei“.

Sie fühlte sich minderwertig, mundtot gemacht, hilflos und eingeengt, was sich im Körper als Unwohlsein im Bauch und einem Druck im Kopf ausdrückte.

Beim Fokussieren gelangten wir sehr schnell in die Situation, in der sie den Blumenständer umwarf – die zugrundeliegende traumatische Erfahrung, die seitdem dafür sorgte, dass sie sich nicht angemessen wehren und verteidigen konnte. Aber lesen Sie selbst!

EMDR – Eye Movement Desensitiziation Reprocessing

fotolia©IKO

Wie bitte??? Den Fremdwortkram kann jeder nachlesen – das Internet macht’s möglich. Nur Verstehen wäre gut. Ich erkläre es mal mit eigenen Worten: Schnelle Augenbewegungen – eine hilfreiche Therapiemethode.

Voraussetzung: Ich bin bereit, mir helfen zu lassen! Ich brauche also meine eigene Bereitschaft, den Dingen, die mich belasten, auf den Grund zu sehen und ich brauche einen Therapeuten. Nicht irgendeinen – nein! Ich brauche einen, bei dem ich das Gefühl habe: Die Chemie stimmt! Dann lasse ich mich ein, voller Vertrauen, Skepsis jederzeit erlaubt!

Der Therapeut sitzt mir „versetzt“ gegenüber. Wir schauen fast aneinander vorbei. In diesem Fall darf(!) der Therapeut seinen Zeigefinger erheben, zusammen mit seinem erhobenen Mittelfinger einer Hand bewegt er diese vor meinen Augen.

Das erste Mal hatte ich Mühe, mich allein darauf zu konzentrieren, und ich sagte noch: Oh je, dabei soll ich jetzt auch noch reden?

Erstmal hatte ich genug zu tun, es richtig zu machen und mich wirklich einzulassen auf die Dinge, die da unbekannterweise auf mich zukommen. Aber, ich bin bereit, und das ist das Wichtigste!

Ich hab’s also geschafft, es hinzukriegen, den Hin- und Herbewegungen der Finger meiner Therapeutin zu folgen, und meine Augen liefen schön hin und her. Erst langsam mit den Hauspantoffeln, dann schneller mit den Turnschuhen. Ok, das klappt ja. Plötzlich tun sich Bilder auf – geleitet durch die Worte meiner Therapeutin – ich kürze das jetzt ab: EMDR ist ja auch eine Abkürzung!

Bilder tun sich auf – ich bin in der Zeit zurückgegangen.

Ach ja, sorry – an dieser Stelle flechte ich noch das „Vorspiel“ ein: Ich versuche vor der EMDR-Sitzung mein Problem, meine Angst, meinen Schmerz … klar zu definieren, bewusst zu machen. Mit einer Bewertung zwischen 1 und 10, wobei 10 die volle Kanonen-Bewertung ist, schätze ich für mich selbst die Belastbarkeitsstärke ein. Da ich ein Extremtyp bin und mich der Schuh allzu sehr drückt, bewerte ich stark – volles Programm. Mit anderen Worten: Die belastende Situation ist verfahren, eingefroren, ich halte es so nicht mehr aus! Dann finde ich treffende, beschreibende Worte für mein Teufelsproblem – etwa: Ich bin gefangen, es ist dunkel um mich herum.

Dann beginnt die Sitzung. Ein hilfreicher gut gemeinter Tipp von mir: Nehmen Sie sich ein Taschentuch und klemmen Sie es sich griffbereit an einen treuen Platz.

Nun zurück zum Scheibenwischer-Parcours. Ich gerate in ein tranceähnliches Feeling. Bilder, Situationen tun sich auf, Gedanken werden klarer. Ich bin voll und ganz bei mir und komme der Sache sozusagen auf den Grund. Ich konzentriere mich auf das (möglicherweise traumatische) Erlebnis und erlebe die „Geschichte“ im Hier und Jetzt noch einmal. Ich bin voll und ganz bei meinem Gefühl. Alles andere drum herum ist weit weg – ausgeblendet. Ich bin auf meinem Weg. Ich schildere meiner Therapeutin, was ich sehe, erlebe, fühle, denke … Sie hat es echt drauf – wird zwischendurch langsamer mit dem Scheibenwischer und ich halte kurz inne, spreche kurz mit ihr. Dann geht’s weiter, ich tauche wieder ein in das Bild (Bild kann hier auch einfach für Gedanken stehen). Ich mache da weiter, wo die Unterbrechung auf mein Bedürfnis hin stattgefunden hat. Ich komme also wieder dort an und fahre fort.

Hier ein wunderschönes Beispiel, damit Sie sich eine ungefähre Vorstellung machen können: Ich befinde mich im Wohnzimmer meiner Eltern, damals – vielleicht zwei oder drei Jahre alt. Ich stoße einen – für meine damalige Größe großen Blumenständer aus Holz um, der Blumentopf, mit seiner bisher üppig strotzenden Blumenpracht, fällt zu Boden … Ein fürchterlicher Streit bricht aus im Wohnzimmers meiner Eltern. Sie schreien sich an, schlagen sich – grauenvoll. Ich erlebe dieses Gefühl jetzt ganz genau, die Angst, die Verzweiflung, die mich damals in die hinterste Ecke des Wohnzimmers getrieben haben, und ich mache mir sprichwörtlich vor Angst in die Hosen. Was wichtig ist:

Ich fühle mich verantwortlich, schuldig – übertragen auf sämtliche Situationen, die mir in meinem Dasein begegnen, trage ich stets das Schild über meinem Kopf:

„Ich bin schuld. Ich hab’s verbockt. Ich muss die Situation retten!“

Der ganze Rotz lastete zeitlebens auf mir – bis zu dieser EMDR-Sitzung!!!

Dank meiner Therapeutin gehe ich erneut – nach dieser gewonnenen Erkenntnis – in die gleiche Ausgangssituation: Blumentopf, ich stehe als Pimpf dahinter, Jetzt kommt’s: Bitte stellen Sie sich zur erheiternden Untermalung gerade Mario Barth auf seiner Riesenbühne vor, wie er vor einem Millionenpublikum dasteht und sagt: „Ick schmeiß also den verdammten Blumenständer um, absichtlich, und ick bin so jespannt, wat passiert … Se streiten sich, se streiten sich, se strei … und weeste, wat det Beste iss? Ick hab’ Spass. Ick guck’ zu und hab’ Spass!! Sollen se sich doch de Köppe …, ick hab’ Spass!!!“

Was soll ich sagen, ich habe die Situation völlig anders, für mich gesünder, erleben dürfen, und das im Heute! Die Skalenbewertung fällt erheblich besser aus und vor allem das Gefühl! Meine Therapeutin hat Folgendes gesagt: „Das Schöne ist, Sie können die Vergangenheit verändern, jederzeit, heute, jetzt.“

Die Zuversicht ist mit mir, und EMDR hat mir geholfen, mehrmals, auch in Situationen mit meiner Familie, meinem vermeintlich autoritären Vater gegenüber, meinem Partner gegenüber, meinen Kollegen gegenüber, und sie hat mir Heilung gebracht, ganzheitlich. Ich bin dankbar für die Nächte, die ich wieder schlafen kann, dankbar für mein Leben, dankbar, dass Sie mir zuhören. Danke für Ihr Interesse an EMDR.

Elke Kohl

Martina Schmitz Martina Schmitz
45 Jahre, 3 Kinder, Psychologische Psychotherapeutin, Ausbildungen u. a. in Gestalttherapie, EMDR, traumazentrierter Psychotherapie, systemischer Therapie. In freier Praxis tätig mit dem Schwerpunkt EMDR/Trauma-Therapie.
54484 Marung-Noviand
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