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Gehirnaktivität bei Videospielen: Kann uns Zocken sogar schlauer machen?

Videospiele galten lange als sinnbefreite Zeitfresser. Eine willkommene Ausrede, um sich vor Hausaufgaben, Abwasch oder Steuererklärung zu drücken. Doch diese Spiele sind nur ein Teil des Gamingkosmos, sie sind die digitalen Snackformate fürs Gehirn, die eher für zwischendurch gedacht. Also perfekt, um mal eben ein paar Zombies zu zerlegen, eine Runde Book of Dead zu spielen oder Bonbons zu sortieren, ohne groß nachzudenken. 

Allerdings existieren daneben auch ganz andere Spiele. Titel, die das Gehirn fordern, es kitzeln, trainieren, reizen und plötzlich stellt sich eine Frage, die noch vor einigen Jahren wie ein schlechter Scherz geklungen hätte. Kann Zocken tatsächlich klüger machen?

Wenn sich im Kopf etwas verändert und das Spielen mehr bewirkt als man denkt

Im Inneren des Schädels passiert während einer Gaming-Session nämlich weit mehr als reines Konsumieren bunter Pixel. Das Gehirn arbeitet auf Hochtouren, koordiniert, plant, reagiert, speichert und erinnert. Dabei kommen einige ziemlich interessante Regionen ins Spiel. Der Hippocampus zum Beispiel ist für das räumliche Gedächtnis zuständig und wird immer dann aktiv, sobald eine Spielfigur durch komplexe Level navigiert. Die mentale Orientierung, die in „The Legend of Zelda“ gefragt ist, aktiviert exakt diesen Bereich.

Zusätzlich ist der präfrontale Kortex beteiligt, also das Planungszentrum, das Entscheidungen abwägt und Handlungen kontrolliert. Genau der Teil, der beansprucht wird, wenn in Strategiespielen Ressourcen verteilt oder Gegner taktisch ausgehebelt werden. Auch das Kleinhirn bleibt nicht untätig, denn es koordiniert motorische Abläufe und reagiert besonders bei schnellen Jump'n'Runs oder Shootern.

Ein entscheidender Begriff in diesem Zusammenhang lautet Neuroplastizität. Das Gehirn ist kein starres Konstrukt, es ist ein lernfähiges System, das sich durch neue Reize umbauen kann. Videospiele gehören zu den stärkeren dieser Reize. Wer regelmäßig spielt, betreibt damit neuronales Muskeltraining und das mit nachweisbaren Effekten, wie bildgebende Verfahren eindrucksvoll zeigen.

Action, Strategie oder Denkspiel – Genre entscheidet über Wirkung

Natürlich hängt die Wirkung des Spielens stark davon ab, welches Spiel konkret genutzt wird. Zwischen hektischen Shootern, entschleunigten Aufbauspielen und kniffligen Puzzlern liegen ganze kognitive Welten. Actionspiele treiben die Sinne in den roten Bereich. Es zählen Reaktionsgeschwindigkeit, Multitasking und visuelle Wachsamkeit. Wer in Sekundenbruchteilen Feinde ausmacht, ihre Bewegungen analysiert und blitzschnell reagiert, trainiert das Gehirn auf einem Niveau, das einem Sprinttraining gleicht.

Völlig anders wirken Strategiespiele auf die Psychologie der Spieler, denn sie verlangen Geduld, Weitblick und strukturiertes Denken. Ressourcen müssen geplant, Züge durchdacht und langfristige Entwicklungen berücksichtigt werden. Wer sich auf „Civilization“ oder „StarCraft“ einlässt, managt in Wirklichkeit komplexe Prozesse, nur eben in virtuellen Welten.

Puzzlespiele, Gedächtnistrainer und Logikrätsel fordern das Arbeitsgedächtnis heraus, fördern Konzentration und regen kreatives Denken an. Simulationsspiele wiederum verbinden Unterhaltung mit strategischer Planung, da sie Entscheidungsprozesse in offenen Systemen abbilden, so zum Beispiel beim Städtebau oder in Lebenssimulationen.

Nicht entscheidend ist die Plattform oder das Gerät, aber viel mehr die Komplexität und geistige Herausforderung. Spiele, die mehrere Sinne gleichzeitig ansprechen und dabei mentale Flexibilität verlangen, bieten besonders intensives Training für das Gehirn.

Von der schnellen Reaktion bis zum klaren Kopf – was Zocken tatsächlich leisten kann

Doch was genau wird beim Spielen geschärft? Die Liste ist erstaunlich lang. Visuelle Aufmerksamkeit wird trainiert, weil Spielende ständig zwischen relevanten und irrelevanten Reizen unterscheiden müssen. Genaues Hinschauen ist gefragt, besonders in hektischen Spielsituationen mit vielen beweglichen Elementen. Die Hand-Auge-Koordination verbessert sich, denn Fingerbewegungen orientieren sich in Echtzeit an visuellen Informationen. Gleichzeitig steigt die Reaktionsgeschwindigkeit, da viele Spiele unmittelbares Handeln unter Druck erfordern.

Das Arbeitsgedächtnis kommt ebenfalls nicht zu kurz. Spielerinnen und Spieler müssen sich Regeln, Ziele, Positionen und Abläufe merken, manchmal gleichzeitig. Spiele mit mehreren parallelen Aufgaben fördern das Multitasking, da ständig die Herausforderungen gewechselt werden.

Auch räumliches Denken wird gestärkt, besonders 3D-Spiele fordern Orientierung, Kartenverständnis und das mentale Vorwegnehmen von Bewegungen. Die Fähigkeit, unter Zeitdruck fundierte Entscheidungen zu treffen, entwickelt sich fast beiläufig mit. Spiele sind in diesem Fall ein anspruchsvolles Workout für die grauen Zellen.

Serious Games fordern das Gehirn heraus

Während viele Spiele nebenbei das Gehirn mittrainieren, zielen sogenannte Serious Games direkt auf bestimmte kognitive Fähigkeiten ab. Dabei handelt es sich um gezielte Anwendungen mit Lerneffekt. Sie werden in der Schule, im medizinischen Bereich oder in der Rehabilitation eingesetzt.

Exergames zum Beispiel kombinieren körperliche Bewegung mit geistiger Herausforderung. Sie fördern Koordination, steigern die Aufmerksamkeit und aktivieren gezielt bestimmte Hirnfunktionen. Auch VR-basierte Lernspiele sind auf dem Vormarsch. Sie schulen das Gedächtnis, simulieren Alltagssituationen oder verbessern soziale Interaktion, zum Beispiel bei Menschen mit Autismus.

Was diese Spiele auszeichnet, ist ihre präzise Zielsetzung. Sie sprechen definierte Prozesse an. Regelmäßigkeit, direkter Fortschritt und spielerischer Ehrgeiz führen dazu, dass sich messbare Trainingseffekte ergeben. In Kombination mit Motivation und Feedback entstehen Lernprozesse, die weit über das Spiel hinaus Wirkung entfalten können.

Digitale Intelligenz hat Grenzen – was beim Spielen auch schiefgehen kann

Spiele sind mächtig, aber eben nicht grenzenlos. Insbesondere bei exzessiver Nutzung können sich unerwünschte Nebenwirkungen zeigen. Wer täglich stundenlang spielt, entwickelt möglicherweise Suchtverhalten, vernachlässigt soziale Kontakte oder verliert den Bezug zur Außenwelt. Das Gehirn kann sich anpassen und zwar in jede Richtung.

Wenn der Hippocampus weniger aktiviert wird, weil Aufgaben automatisiert werden, übernimmt stattdessen das Gewohnheitszentrum. Lernen weicht Routine. Das hat zur Folge, dass Fortschritt stagniert und das Spiel zur Gewohnheit ohne Nutzen verkommt.

 

Text und Bild erstellt mit Unterstützung von KI