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Marketing - viel mehr als Werbung

2011-01-Marketing1

Welches Marketingkonzept würden Sie mir empfehlen? Das ist die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird.

Als HP Psy darf ich doch gar keine Werbung machen! Das ist die Behauptung, die ich am häufigsten höre.

Zwei kurze Antworten:

fotolia©Nikolai Sorokin1. Ein Konzept ist kein Rezept!
Man nehme 200 Flyer, 500 Visitenkarten, ein Praxisschild und rühre dies kräftig mit Mundpropaganda – das funktioniert nicht. Es ist wichtig, über Grundlegendes nachzudenken, sein eigenes Konzept zu entwickeln und dieses dann umzusetzen.

2. Marketing ist viel mehr als Werbung!
Man muss alle Komponenten beachten, um Erfolg zu haben. Und: Natürlich dürfen auch HP Psy wie alle Mediziner werben – nur mit Einschränkungen.

Zwei ausführliche Statements:

Wenn mehr Menschen in Ihre Praxis oder Beratungsstelle kommen sollen und Sie diese zu dauerhaften Patienten/Klienten machen wollen, nehmen Sie sich etwas Zeit, mit mir in dieser und der folgenden Ausgabe gemeinsam über Marketing nachzudenken.

Was bedeutet eigentlich Marketing? Es gibt mehrere verschiedene, komplexe, u. U. schwer verständliche Definitionen. Ich bevorzuge diese:

Als Marketing bezeichnen wir sämtliches unternehmerisches Denken und Handeln, was sich am Markt orientiert.

Eigentlich sehr einfach. Trotzdem – oder gerade darum – möchte ich die Definition auseinandernehmen.

Das Wort „sämtliches“ zeigt uns bereits, dass es nicht nur um Werbung geht. Angebot, Service, Preis, Standort, Arbeitsweise, Erscheinungsbild ... Eine Vielzahl von Dingen spielt eine Rolle.

„Unternehmerisch“ – es geht um Sie als UnternehmerIn. Nicht als Mutter oder Vater, Freund oder Freundin ... Vielleicht empfinden Sie es nicht so, aber sobald Sie als FreiberuflerIn arbeiten, sind Sie UnternehmerIn. Ihren Lebensunterhalt können Sie künftig nur sichern, wenn Sie Gewinn erzielen. Wenn Ihnen diese Anschauung widerstrebt, kann es sein, dass die Selbstständigkeit nichts für Sie ist. Sie können sicher hervorragend ehrenamtlich arbeiten. Ihnen ist Dank wichtiger als Geld? Das ist grundsätzlich verständlich, nur wird man von Dank nicht satt.

„Denken“ – Ja, natürlich sollte man erst einmal nach-denken: analysieren, Vermutungen und Hypothesen aufstellen, auswählen, Brainstorming ... Damit Ihre Aktivitäten Ihre (potenziellen) Patienten erreichen und sich nicht in endloser Leere verlieren – Anregungen folgen.

„Handeln” So einfach wie schwierig. Immer wieder begegne ich Mandanten, die sich vieles überlegt haben, dies aber nicht umsetzen. Sie haben tausend Gründe: kein Geld, keine Zeit, nicht erlaubt, „ob das was bringt?“, „ich weiß nicht“ – eine Antwort erhalten Sie nur, wenn Sie es probieren.

„Am Markt orientiert“ – Ein Eisverkäufer am Nordpol hat es schwer. Hätte er im Vorfeld „seinen Markt“ analysiert, hätte er besser Glühwein mitgebracht.

Was ist Ihr „Markt“? Definieren Sie ihn zielgruppenorientiert und territorial. Analysieren Sie äußere Umstände, Entwicklungen und Mitbewerber.

Als Erstes wollen wir Ihre potenziellen Kunden, also Ihre Zielgruppe, definieren:

  • Welche spezielle Dienstleistung bieten Sie?
  • Auf welche Zielgruppe ist diese ausgerichtet (z. B. Kinder, Frauen, Senioren)?

Spezifizieren Sie Ihre Zielgruppe hinsichtlich:

  • des Bedarfs/Erkrankung (z. B. Menschen, die unter Verlust des Partners leiden)
  • des Alters (z. B. Kinder mit ADHS im Vorschulalter)
  • des Geschlechts
  • der sozialen Situation
  • der familiären Situation

Vielleicht denken Sie jetzt: Damit schränke ich mich ein. Nein – damit geben Sie Ihrer Praxis Profil! Nachdem Sie diese Charakterisierung so spezifisch wie möglich durchgeführt haben, stellen Sie sich daraus ableitend weitere Fragen:

Territorium

Welches Territorium sollte ich einbeziehen, um genügend Patienten/Klienten zu gewinnen? (Wollen Sie sich Managern mit Burnout widmen, ist Ihr Einzugsbereich sicher territorial größer, als wenn Sie Kinder mit ADHS behandeln wollen.)

Bedarf & Nachfrage

  • Ist überhaupt ein Bedarf für mein Angebot vorhanden?
  • Erwächst aus diesem Bedarf eine Nachfrage?

Wo liegt der Unterschied?

Die erste Frage können Sie sicher mit einem ganz deutlichen ja beantworten.

Bei der zweiten sieht das schon anders aus.

Ein Beispiel: Wenn Sie Hunger haben (Bedarf) gehen Sie zum Bäcker, Metzger oder Imbiss und holen sich etwas zu essen (Nachfrage). Unser Manager spürt auch, dass Stress, Erwartungen, Enttäuschungen usw. an ihm nagen (Bedarf). Geht er zu einem Berater oder Therapeuten? Eher seltener. Gerade im Bereich der Psychotherapie haben wir mit Scheu und Vorurteilen zu kämpfen. Auch wenn der potenzielle Patient den seelischen Druck spürt, ist da oft die innere Stimme, die ihm suggeriert: „Du bist doch nicht verrückt!“

Es gibt Möglichkeiten, eine Nachfrage zu schaffen. Dazu brauchen Sie Durchhaltevermögen und Geld. Prüfen Sie selbst.

Finanzielle Mittel

  • Kann meine Zielgruppe meine Leistung bezahlen?
  • Will meine Zielgruppe meine Leistung bezahlen?

Um als selbstständige/r Psychologische/r- BeraterIn/HeilpraktikerIn für Psychotherapie „überleben“ zu können, müssen Sie ein angemessenes Entgelt verlangen. Ich möchte keine Personengruppe verunglimpfen, Ihnen aber Wesentliches vor Augen führen: Wollen Sie sich z. B. Alleinerziehenden widmen, ist es durchaus nachzuvollziehen, dass diese wirklich keine Mittel haben, um Sie angemessen zu bezahlen. Wiederum kann es durchaus sein, dass Ihrer Zielgruppe genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, sie aber lieber die kostenfreien Angebote von Diakonie oder Familienberatungsstellen in Anspruch nimmt.

Zu all diesen Fragen gibt es territorial unterschiedliche Antworten. Die Offenheit ist in einer Großstadt anders als in ländlichen Regionen, die Mentalität im Norden anders als im Westen. Sie als ausgebildete/r Psychologische/ r BeraterIn/HeilpraktikerIn für Psychotherapie können die Menschen in Ihrer Umgegend am besten einschätzen.

Sie konnten Ihre Zielgruppe sehr genau definieren und alle sonstigen Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten? Sehr schön! Dann denken wir weiter.

Jetzt stellen Sie sich folgende Frage:

  • Wo finde ich meine potenziellen Patienten/Klienten?

Bei den ADHS-Kindern ist dies relativ einfach. Theoretisch auch bei unseren von Burnout geplagten Managern. Aber: Während Sie sicher gern in die Kita kommen und mit der Leiterin über Ihr Angebot sprechen können, sind Sie in der Firmenzentrale schneller draußen, als Ihnen lieb ist, wenn Sie fragen, ob nicht einer unter Burnout leidet. Also charakterisieren Sie Ihre Zielgruppe so genau wie möglich, um andere Treffpunkte oder Kommunikationsmöglichkeiten zu finden.

Warum die ganze Mühe? Um potenzielle Patienten/Klienten zu erreichen!

Warum setzen wir nicht einfach eine Anzeige in die Zeitung? Dagegen gibt es mehrere Gründe. Einer der wichtigsten ist:

Um Patienten/Klienten zu gewinnen ist Vertrauen sehr wichtig. Das gilt für alle Freiberufler und im Bereich Psychologie ganz besonders. Ihr/e PatientIn/KlientIn will jemandem von seinem großen Leidensdruck berichten. Dazu möchte er Sie als Mensch kennenlernen und einschätzen können. Und: Er stützt sich auf Personen seines Vertrauens, die Ihre Leistung kennen und Sie empfehlen.

In der Fachsprache würde man sagen: Suchen Sie Multiplikatoren und Partner.

Multiplikatoren: Orte, Institutionen, Personen, wo viele Angehörige Ihrer Zielgruppe anzutreffen sind und die ein Interesse an Zusammenarbeit haben, weil deren Angebot anders ist als Ihres. Beispiel: In einer Kita gibt es sicher mehrere Kinder mit ADHS-Symptomen. Doch haben die BetreuerInnen gar nicht die Zeit und Möglichkeit, sich allumfassend speziell diesen Kindern zu widmen, da in einer Gruppe viele Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen sind.

Partner: Sie empfehlen sich gegenseitig, vermitteln Kontakte, ohne sich – wie Konkurrenten – die Patienten/Klienten „wegzunehmen“. Beispiel: Sie arbeiten mit einer Kinderärztin zusammen. Diese klärt den körperlichen Befund. Aufgrund der Vorgaben der Kasse hat die Ärztin nicht das Budget und sicher auch nicht die Zeit, umfassend auf die ADHS-Problematik einzugehen. Genauso schicken Sie Ihre kleinen Patienten zu ihr, wenn die Beschwerden in den somatischen Bereich tendieren.

Mit einem stabilen Netz von Multiplikatoren und Partnern kann die Praxis „ganz von selbst“ laufen. Bis das so weit ist, sind unter Umständen weitere Bemühungen notwendig. Mehr zum Thema Marketing in der nächsten Ausgabe.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Analysieren und bei der „Partnersuche“!

PS: Zum Schluss noch ein krasses Gegenbeispiel: Sie kennen den Spruch vom „Propheten im eigenen Land“. Der eine oder andere Patient/Klient kommt zu Ihnen, gerade weil er Sie nicht kennt. Weil er anonym bleiben will und Sie keine Gelegenheit haben sollen, in seinem Umfeld Informationen über ihn weiterzugeben (auch wenn Sie dies natürlich nie tun würden).

Eva Jakob Eva Jakob
Jahrgang 1966. Diplompädagogin, geprüfte Psychologische Beraterin, Burnout-Beraterin. 14 Jahre Leitung eines eigenes Unternehmens, danach Industrie- und Handelskammer- Beratung von Selbstständigen zu Gründungs- und Rechtsfragen. Fasziniert von Psychologie in Arbeit und Management. Seit 2009 freiberufliche Unternehmensberaterin und Dozentin.
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