Skip to main content

Konzept für eine kunsttherapeutisch orientierte Malgruppe

im Rahmen der ambulanten sozialpsychiatrischen Arbeit

Mein Verständnis von Kunsttherapie: Nach allgemeinem Verständnis handelt es sich bei dem Begriff "Kunsttherapie" um eine Sammelbezeichnung für kreative Arbeitsweisen, welche in Theorie, Methoden und Praxis äußerst vielfältig sind: "D I E Kunsttherapie gibt es nicht. Es gibt (fast) so viele Kunsttherapien wie Kunsttherapeuten" (Kraus 1998). Ganz allgemein, so kann man jedoch sagen, handelt es sich bei Kunsttherapie um (Psycho-)Therapie mit gestalterischen Mitteln. Das Anliegen der Kunsttherapie ist "der Mensch im schöpferischen Prozess – im äußeren Gestaltungsprozess von Bildern und im inneren Wandlungsvorgang seiner Psyche" (Mayer-Brennenstuhl, in: Bader et al. 1999).

2005-01-konzept1Dabei werden, wie schon erwähnt, die Mittel und Materialien der Bildenden Kunst verwendet: Farben, Formen, Bildinhalte. Die möglichen Arbeitsweisen können malerische, zeichnerische, plastische und andere Verfahren (wie z. B. Collagen-Technik) umfassen, wobei ich mich hier exemplarisch auf die Malerei beschränken möchte. Die Kunsttherapie will jedoch keine Kunstwerke hervorbringen, vielmehr ist das bildnerische Arbeiten Medium des therapeutischen Prozesses. In der Kunsttherapie kann der Klient unter anderem auch die Eigendynamik des kreativen Prozesses erfahren; das sinnliche Erleben der künstlerischen Mittel wirkt auf ihn. Im Zusammenspiel der therapeutischen und künstlerischen Komponenten ereignet sich Kunsttherapie.


Ein wichtiges Ziel der Kunsttherapie besteht darin, den Klienten bei der Wiedergestaltung seiner gestörten oder zerstörten Persönlichkeit zu unterstützen, indem schöpferische Impulse im Klienten gefördert werden. Für mein persönliches Verständnis von Kunsttherapie ist besonders hervorzuheben, dass der gestalterische Prozess als ein Vorgang der seelischen Strukturierung und Selbstorganisation verstanden wird. Insgesamt stellt die Kunsttherapie einen Raum zur Verfügung, dessen Inhalt eine Atmosphäre von Sinnlichkeit, Reizen und Handlungsimpulsen schafft und in dem sich ein Spielraum für Spüren, Schauen, Bewegen, Entfalten und Begegnung anbietet. Dieser innere Spielraum ist es, der als Kreativität erlebt und verstanden werden kann.

Die beim gesunden Menschen vorhandene, für Kreativität notwendige freie Energie benötigt der psychisch kranke Mensch jedoch gewöhnlich für seine inneren pathogenen Vorgänge. Somit sind die normalerweise verfügbaren Möglichkeiten des spielerischen Umgangs mit inneren Kräften eingeschränkt, und es kann infolgedessen kaum eine kreative Beziehung zwischen diesen inneren Kräften und den Anregungen von außen hergestellt werden. Der kreative bildnerische Prozess kann hingegen diese Fähigkeit zur Selbstregulation fördern bzw. wieder erlernbar machen.

Kunsttherapie bietet durch verschiedene Methoden bildnerischen Gestaltens vielfältige Möglichkeiten, seinen Emotionen (wieder) näher zu kommen und sich durch Entwicklung von Bewältigungskapazität den Lebensproblemen stellen zu können. Bildnerisches Gestalten ermöglicht neue Erfahrungen mit sich selbst und der Umwelt. Es verhilft zu Selbsterkenntnis und fördert schöpferische Impulse, durch die letztlich auch eine "Nachentwicklung" von degenerierten kognitiven und emotionalen Funktionen möglich wird.

2005-01-konzept2Bildnerisches Gestalten im kunsttherapeutischen Sinn kann dazu beitragen, unterentwickelte Ich-Strukturen auszubilden und mangelnde Grenzen zu entwickeln. Weiterhin ist Kunsttherapie in besonderem Maße dazu geeignet, die Lebensfreude aufs Neue zu aktivieren, dem Klienten nach und nach zu der Erfahrung von dauerhaftem, tiefergehendem "Glücklichsein" zu verhelfen und dadurch zu neuem Selbstvertrauen sowie einer positiven Einstellung zum Leben zu führen – denn: Durch bildnerisches Gestalten erfährt der Klient seine eigene Aktivität, er wird sich bewusst, dass er in der Lage ist, ein Werk zu erschaffen, das ihm gelingt. Diese Erfahrung des Gelingens ist maßgeblich an dem Erleben von Glück und Freude beteiligt (vgl. Limberg 1998).

Zum einen kann es das Werk an sich sein, das entstandene Produkt, mit dem man zufrieden ist. Dabei muss es sich keineswegs um ein "Kunstwerk" handeln. Es gibt zahlreiche bildnerische Verfahren, bei denen durchaus ästhetisch sehr ansprechende Ergebnisse entstehen können und bei denen der Klient in der Tat vom Gelingen seines Werkes überzeugt ist. Zum anderen ist aber gerade auch der bildnerische Prozess an sich von besonderer Bedeutung für eine Förderung und Stärkung der Selbstheilungskräfte bzw. der Bewältigungskapazitäten, welche prinzipiell bei jedem Menschen vorhanden, aber gerade bei Klienten mit psychischen Erkrankungen meist verkümmert oder "eingeschlafen" sind. Diese können durch verschiedene kunsttherapeutische Methoden wieder "erweckt" und neu aktiviert werden, so dass der Klient dadurch letztlich (neuen) Zugang zu seinen Emotionen gewinnen sowie seine Ich-Strukturen neu ausbilden und erweitern kann. Dies vollzieht sich natürlich nicht "von heute auf morgen", sondern es handelt sich um einen langfristigen Entwicklungsprozess, der sich meist über einen relativ langen Zeitraum erstreckt; er ist außerdem auch immer im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes zu sehen, bei dem verschiedene Methoden auf die jeweiligen Bedürfnisse des individuellen Klienten abgestimmt und integriert werden.

ZIELE DER KUNSTTHERAPIE

"Schöpferische Kräfte schlummern in jedem Menschen" (Bader 1999). Sie zur Entfaltung zu bringen ist vorrangiges Ziel der Kunsttherapie. Dies geschieht im praktischen Tun, im Umgehen, Ausprobieren, Experimentieren mit Farben – und darin, dann letztlich auch unsere eigenen, ganz persönlichen und individuellen Formen und Farbklänge zu finden.

"Das Anliegen der Kunsttherapie ist der Mensch im schöpferischen Prozess – im äußeren Gestaltungsprozess von Bildern und im inneren Wandlungsvorgang seiner Psyche." (Mayer- Brennenstuhl, in: Bader et al. 1999)

Das bedeutet:

  • 2005-01-konzept3Einerseits geht es um einen Ausdruck inneren Erlebens, somit um ein Sichtbarmachen (Gestalten – dem Erleben eine Gestalt geben!) wie auch – damit verbunden – um die Möglichkeit, ein Stück weit loszulassen von dem, was uns innerlich beschäftigt bzw. sogar vereinnahmt.
  • Andererseits dürfen wir auch nicht vergessen, dass der Gestaltungsvorgang (Prozess) wie auch das Gestaltete selbst (Produkt) wiederum Auswirkungen bzw. Rückwirkungen auf das seelische Erleben haben. Dies können wir uns in positiver Weise zunutze machen, indem wir herausfinden, welche Farben uns gut tun und diese in strukturierende, ebenfalls wohltuende Formen bringen. Auch dies bedeutet ein Stück weit "Loslassen", zumindest einmal für die Zeit des Malens.
  • Letzten Endes geht es auch nicht in erster Linie um bloße Anwendung moderner kunsttherapeutischer Methoden, sondern vielmehr um die Entfaltung kreativer Fähigkeiten in der Absicht, bei den Patienten Autonomie und Selbstachtung zu fördern und somit entscheidend zu ihrer Resozialisierung beizutragen.

DIE GEPLANTE MALGRUPPE

Die von mir geplante Malgruppe steht unter dem Motto:
"Freude an Farbe erleben – Malen als Weg, sich selbst zu entdecken"

Beim Malen mit Acrylfarben sollen die Teilnehmer individuelle Begleitung und Anleitung finden, insbesondere zu folgenden Grundgedanken bzw. Zielen:

  • 2005-01-konzept4spielerisches Umgehen und freies Experimentieren mit Farben und Formen
  • die eigene Kreativität entfalten
  • Lebensfreude und Selbstheilungskräfte aktivieren
  • sich befreien von Leistungsansprüchen, Blockierungen abbauen
  • neue Seiten an sich und in sich entdecken;
  • Gefühlen Ausdruck verleihen (Aktion von innen nach außen)
  • zur eigenen Mitte finden, positive Energie tanken (Aktion von außen nach innen)
  • Gelegenheit zum Austausch mit anderen – Unterstützung durch die Gruppe
  • die Farben und Vielfalt des Lebens neu entdecken

Im Wesentlichen kommt es also auch darauf an, den Teilnehmern ein strukturierendes, eher niederschwelliges Angebot im Rahmen einer sinnvollen Tagesgestaltung zu ermöglichen, in dem sie soziale Kontakte, Begegnung, Verständnis und Zuwendung erfahren können. Dies geschieht in einem schützenden Raum und in einer vertrauensvollen, Halt gebenden Atmosphäre, in der ein achtsamer, respektvoller Umgang eine wesentliche Rolle spielt. Das Malen bietet hierbei eine besondere Form der Aktivierung des individuellen Kreativitäts-Potenzials und damit letztlich der Selbstheilungskräfte. Im spielerischen Experimentieren mit Farben und Formen, d.h. im freien, ungegenständlichen Gestalten werden Ängste und Blockaden reduziert und das Selbstwertgefühl kann deutlich gesteigert werden. Dadurch bietet sich schließlich auch die Möglichkeit, das psychische Gleichgewicht so weit wie möglich zu regulieren und auch den meist blockierten oder gestörten Zugang zur eigenen Affektivität allmählich wieder zu erschließen.

PRAKTISCHE DURCHFÜHRUNG

Um meine Ausführungen zu konkretisieren, möchte ich an dieser Stelle zunächst meinen Entwurf zur Gestaltung der ersten Sitzung skizzieren. Im Anschluss daran füge ich noch einen allgemeinen Strukturplan hinzu, der die wesentliche Grundstruktur für jede Sitzung im Überblick darstellt. Eine Strukturierung des Ablaufs ist meines Erachtens sinnvoll, um den Teilnehmern einen Halt gebenden und Sicherheit vermittelnden Rahmen anzubieten, aus dem heraus sie dann ihre Kreativität möglichst frei zur Entfaltung bringen können. Das strukturierte Vorgehen ist keinesfalls einengend oder zwingend zu verstehen, sondern es dient lediglich als Anhaltspunkt und Unterstützung.

GESTALTUNG DER ERSTEN SITZUNG

Gedicht zum Einstieg
Die erste Sitzung möchte ich mit folgendem Gedicht eröffnen, das ich den Teilnehmern vorlese und mit dem das Motto der Malgruppe noch einmal explizit in den Raum gestellt wird:

2005-01-konzept5Die Freude an Farben,
einzeln oder in Zusammenstellung,
empfindet das Auge als Organ
teilt das Behagen
dem übrigen Menschen mit.

Die Freude an der Form
liegt in des Menschen höherer Natur,
und der innere Mensche
teilt sie dem Auge mit.

J. W. v. Goethe


Einführung und Vorstellungsrunde
In diesem Sinne bietet sich die Möglichkeit, zuerst eine lockere, ungezwungene Atmosphäre herzustellen und miteinander ins Gespräch zu kommen, um auch einen vertrauensvollen Rahmen aufbauen zu können. Über das Gedicht möchte ich die TeilnehmerInnen auf das Motto ansprechen und sie einladen, ihre persönlichen Erwartungen bzw. Vorstellungen kurz zu äußern:

"Farbe erleben": Was stellen Sie sich darunter vor? Was wünschen Sie sich, was ist Ihnen wichtig?... Dies möchte ich auch verbinden mit einer kleinen Vorstellungsrunde, indem ich mich zunächst selbst vorstelle und auch die Teilnehmer etwas über sich sagen – selbstverständlich jeder nur so viel, wie er möchte.

Leitgedanken, Anliegen
Weiter ist es mir wichtig, die Teilnehmenden auch über meine Vorstellungen und wichtigsten Anliegen aufzuklären, zunächst im inhaltlichen Sinn. Hierunter fallen folgende Aspekte:

     
  • 2005-01-konzept6Es gibt keine festen Themenvorgaben von mir, sondern Ziel ist es, dass Sie selbst den Farben und Formen nachspüren, die in Ihnen sind und gemalt werden "wollen".
  • Ich verstehe das Ganze als eine Art "Begleitetes Malen", wo ich Ihnen zwar durchaus Impulse und Anregungen sowie technische Hilfestellung gebe, wenn es nötig ist, jedoch steht an erste Stelle das, was von und aus Ihnen selbst kommt: "Das Bild stellt die Aufgabe".
  • In diesem Sinne geht es dann auch NICHT darum, möglichst "viel" - d. h. eine große Anzahl von Bildern – zu produzieren, auch nicht darum, jede Woche ein neues Bild malen zu müssen. sondern sich individuell auseinander zu setzen – so lange und so intensiv, wie eben für jede(n) einzelne(n) gerade wichtig ist. Das kann auch bedeuten, dass ich mich mit einem Bild über einen längeren Zeitraum beschäftige, oder eins, das ich schon als "fertig" erklärt habe, nochmals herhole und daran weiterarbeite...
  • Die Bilder werden von mir NICHT interpretiert bzw. gedeutet. Entscheidend ist, was das Malen (der Prozess) und auch das Gemalte (das Produkt) für Sie selbst bedeutet.
  • Grundsätzlich möchte ich eine lockere, ungezwungene Atmosphäre anregen, die von gegenseitiger Achtung und Respekt getragen ist und in der jeder so sein kann, wie er ist, wo jeder den anderen akzeptiert, wo jeder sich wohl fühlen kann.

Erläuterung der Grundstruktur für jede Sitzung
Daran anschließend bespreche ich mit den Teilnehmern die vorgesehene Grundstruktur, d. h. ich kläre mit den Teilnehmern gemeinsam, wie jede Sitzung im Wesentlichen ablaufen soll.

Fragen und Anmerkungen der Teilnehmer; organisatorische Fragen
An dieser Stelle ist Raum für eventuelle Fragen und Anmerkungen der Teilnehmer. Wichtig ist mir auch, die Teilnehmenden immer in den Ablauf und in die wesentlichen Entscheidungen, vor allem bezüglich des äußeren Rahmens, mit einzubeziehen. Hierunter fallen z.B. auch solche Fragen wie: Soll das Malen eher in Stille erfolgen oder ist eine beruhigende Hintergrundmusik erwünscht? Möchte jemand eher für sich arbeiten oder sind alle damit einverstanden, dass die Tische zusammen, als großer Gruppentisch, stehen?

2005-01-konzept7Einstieg in die Gestaltungsphase
Bevor mit dem eigentlichen Gestalten begonnen wird, gebe ich zunächst noch einige Informationen zur Handhabung des Materials. Ich stelle zunächst das vorhandene Material vor und erkläre die speziellen Eigenschaften von Acrylfarben (sind zunächst wasserlöslich, einfach zu handhaben, gut miteinander mischbar, gute Farbqualität, können nach dem Trocknen übermalt werden). Wichtig ist auch anzumerken, worauf konkret im Umgang mit dem Material zu achten ist: Pinsel müssen nach Gebrauch gründlich ausgewaschen und am Ende mit Kernseife gereinigt werden. Die nicht mehr benötigten Materialien sollen nach Gebrauch wieder an ihren Platz zurückgestellt werden.

Eigentliche Gestaltungsphase
Ich rege die Teilnehmenden dazu an, sich einen Bogen Papier zu nehmen und von jeder Farbe etwas in einen Becher zu geben. Vorhanden sind die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau, sowie Schwarz und Weiß. Diese Reduktion der Farbpalette hat den Sinn, die Malenden zum eigenen Mischen der Farben anzuregen und damit auch das freie Experimentieren zu fördern.

Das Papier hat zwar ein bestimmtes (relativ großes) Format (50 x 70 cm); dieses ist aber nicht zwingend beizubehalten. Bevor ich mit dem Malen beginne, kann ich mich also zunächst fragen, ob das gegebene Format für mich passend ist oder ob ich es kleiner bzw. mit anderem Seitenverhältnis haben möchte, und das Blatt entsprechend zuschneiden.

Wichtig ist vor allem auch, den Malenden die "Angst vor dem weißen Blatt" zu nehmen und sie zum freien Gestalten zu ermutigen. Hierbei können folgende Gedanken hilfreich sein:
"Das Bild stellt die Aufgabe!" (Bettina Egger)
Ich brauche am Anfang überhaupt noch kein fertiges Bild im Kopf zu haben – es ist sogar von Vorteil, wenn ich mich völlig unbefangen, unvoreingenommen und ohne konkrete Vorstellung auf den Malprozess einlasse.

     2005-01-konzept8
  • Ich weiß am Anfang überhaupt noch nicht, was entstehen wird und was dabei "herauskommt". Ich befreie mich von bestimmten Erwartungen und bin bereit, mich überraschen zu lassen.
  • Ich lasse mich führen: "Der Pinsel macht den nächsten Strich!"
Teilnehmern, denen es besonders schwer fällt, von sich aus einen Anfang zu finden, gebe ich bei Bedarf auch Anregungen oder Vorschläge, wie sie mit dem Malen beginnen können. Häufig ist es nur der Einstieg, der sich für manche problematisch gestaltet. Sobald jedoch ein Anfang gefunden ist, kommt der kreative Prozess in Gang und die Malenden können sozusagen "dem Pinsel freien Lauf lassen".


Reinigung der Arbeitsgeräte und Aufhängen/Auslegen der Bilder
Am Ende der Gestaltungszeit werden zunächst die Arbeitsgeräte sorgfältig gereinigt. Ein achtsamer Umgang mit den Materialien ist anzustreben; dies kann dann verinnerlicht und schließlich auch auf andere Lebensbereiche übertragen werden.

Schließlich werden die entstandenen Bilder (die nicht unbedingt "fertig" sein müssen) aufgehängt bzw. je nach räumlichen Möglichkeiten, auf dem Boden ausgelegt.

Abschlussrunde und Aufräumen
Die Abschlussrunde dient der abschließenden Reflexion über den erlebten Gestaltungsvorgang wie auch über das Gestaltete, also über die entstandenen Bilder selbst. Es besteht Gelegenheit. die einzelnen Bilder nacheinander zu betrachten und sich darüber auszutauschen.

Folgende Fragen können hierbei nützlich sein: Wie ist es mir beim Malen ergangen? Wie geht es mir jetzt? Was bedeutet mir das heute Gemalte? Was hat es bei mir bewirkt? Was hat es verändert? Wer möchte noch etwas dazu sagen? Wie soll es das nächste Mal weitergehen? Gibt es sonstige Fragen, Anliegen, Anmerkungen? Die Gruppe endet dann mit dem gemeinsamen Aufräumen.

BILDNERISCHE ANREGUNGEN

In der kunsttherapeutischen Arbeit kommt es immer wieder vor, dass manche Teilnehmenden zunächst "blockiert" sind, d. h. sie haben gewisse Hemmungen, mit dem Malen zu beginnen, da sie beispielsweise der Auffassung sind, "nicht malen zu können". Häufig ist dies auch auf unrealistische Leistungserwartungen zurückzuführen, beispielsweise den Anspruch, es müsse ein "besonders tolles Bild" entstehen. Eine solche Einstellung wird oft zum Hindernis, überhaupt einen Anfang zu finden. Daher lege ich mir einige Vorschläge zurecht, die solchen Teilnehmern eine Hilfe zum Beginnen sein können.

Vorschlag 1: Beginnen mit EINER Farbe
Ich wähle zunächst eine Farbe aus. Mit dieser Farbe beginne ich. Von folgenden Fragen lasse ich mich dann weiter leiten:
     
  • 2005-01-konzept9Wie möchte ich die Farbe haben? (Dickflüssig / deckend? Dünnflüssig/ transparent?
  • Gefällt mir der Farbton? Möchte ich ihn vielleicht etwas aufhellen/ abdunkeln/mischen?
  • Wo möchte ich beginnen? (Mitte? Rand?)
  • Wie möchte ich beginnen? (Punkt? Strich? Fleck? Fläche?)
  • Möchte ich dann weiter bei dieser Farbe bleiben?
  • Wenn ja: möchte ich sie verändern? (aufhellen/ abdunkeln/mischen)
  • Wenn nein: soll dann noch eine weitere Farbe dazukommen?
    • in diesem Fall zunächst die gleichen Fragen wie oben
    • dann weiter wie bei Vorschlag 2:
Vorschlag 2: "Farbklang/Farbklänge"
"Zusammenklang" von zwei Farben (oder auch mehreren Farben)
  • Sollen sich die beiden Farben berühren?
  • Wenn ja: auf welche Weise? (aneineinander anstoßen/sich nur leicht berühren/ ineinander übergehen/verlaufen/sich überlappen...)
  • Wenn nein: wie groß soll der Abstand sein?
  • Verschiedene Farbkombinationen ausprobieren (Harmonien – was ist für mich "stimmig")
  • Daraus kann dann auch eine "Serie" entstehen
Vorschlag 3: "Übergänge"
    2005-01-konzept10
  • Z.B. von Gelb nach Rot/Gelb nach Blau/ Rot nach Blau...
  • Auch hier zunächst die Fragen wie bei Vorschlag 1
  • Dann die Frage, wie sich der Übergang gestalten soll: eher streifenartig – oder eher ineinander mischend...
Vorschlag 4: Vorzeichnung
  • Zuerst freie Linien mit Kohle vorzeichnen, Kreuzungen, Überschneidungen
  • Dadurch erhält man eine gewisse "Grundstruktur" auf der Malfläche, es entstehen zufällige Formen
  • Anschließend freie farbige Ausgestaltung der entstandenen Flächen und Formen

Selbstverständlich gibt es noch unzählige weitere Möglichkeiten, um ein freies, spielerisches Beginnen zu fördern; bei den genannten vier Vorschlägen handelt es sich lediglich um Beispiele, die einen Einblick in mögliche Vorgehensweisen gewähren sollten.

STRUKTURPLAN (GRUNDSTRUKTUR FÜR ALLE "SITZUNGEN")

Hier soll nun abschließend noch einmal zur Übersicht der vorgesehene Strukturplan, der den einzelnen Sitzungen jeweils zugrunde liegt, stichpunktartig dargelegt werden.

Begrüßungs-/Einstiegsrunde:
Möglichkeit zum Austausch


Ggf. organisatorische Angelegenheiten als erstes klären; jeder hat die Gelegenheit sich zu äußern über:

  • Aktuelles Befinden, gegenwärtige persönliche Anliegen/Themen
  • Was gibt es seit dem letzten Mal zu berichten/ was hat sich in der vergangenen Woche verändert...
  • Ggf. bereits vorhandene Vorstellungen bzgl. der Gestaltung
  • Wenn gewünscht: Fragen an die anderen Teilnehmer
  • Herrichten des Arbeitsplatzes für jeden einzelnen und die Gruppe
Gestaltungszeit mit individueller Begleitung
    2005-01-konzept12
  • Wichtig ist vor allem der Aspekt des Kontakts – die Malenden sollen in Kontakt mit ihrem Bild kommen
  • Immer wieder auch Zwischenbetrachtungen; Bild immer wieder auch mal drehen/ von anderen Seiten betrachten
  • Frage ist vor allem: Stimmt es so für mich? Was stört, was will verändert werden?
  • Was ist gut? Gleichgewicht/Ungleichgewicht? "Es ist häufig eine Unstimmigkeit, die den Menschen zu einer kreativen Leistung anspornt."
  • Wichtig ist immer das subjektive Empfinden! Kontakt mit dem Bild! Was sagt mir das Bild? "Das Bild stellt die Aufgabe."
Aufhängen/Auslegen der Bilder
  • Die Bilder müssen in einer Stunde keinesfalls "fertig" sein, sondern können beim nächsten Mal weiter bearbeitet bzw. verändert werden
Abschlussrunde:
  • Betrachten der entstandenen Bilder
  • Austausch über das heutige Gestalten und die heutige Gestaltung/das Gestaltete

Fazit

Das Angebot der Malgruppe "Freude an Farbe erleben" wurde von den drei Teilnehmerinnen sehr positiv angenommen. Gleich von Beginn an konnte jede einzelne sich bereits relativ gut auf das freie und spielerische Experimentieren mit Farben und Formen einlassen. Die Gruppenatmosphäre war insgesamt sehr offen und locker, was sich auch in folgenden Kommentaren bestätigt: "Ich kann hier so sein, wie ich bin", "Ich fühle mich so angenommen, wie ich bin". So wirkte die Gruppe im gegenseitigen Austausch für jede einzelne durchaus unterstützend und sehr förderlich, gerade auch bei den abschließenden Besprechungen, wo die einzelnen Teilnehmerinnen sich gegenseitig fruchtbare, konstruktive Kommentare zu den entstandenen bzw. entstehenden Bildern lieferten. Dies geschah stets auf sehr achtsame Art und Weise.

Die bildnerische Arbeit war schwerpunktmäßig an den jeweiligen individuellen Bedürfnissen der Teilnehmerinnen ausgerichtet. Das bedeutet, je nach der aktuellen Verfassung bzw. Befindlichkeit standen für den Malprozess im Vordergrund entweder eher die Intention "Gefühlen Ausdruck verleihen – Wut und Ärger bzw. negative Energie abreagieren" (Aktion von innen nach außen) – oder aber eher die Intention "Zur eigenen Mitte finden – positive Energie tanken" (Aktion von außen nach innen). Letzteres beinhaltet eher meditative Elemente und die Malenden sollten sich in diesem Fall gerade bei der Farbwahl auch immer von der Frage leiten lassen, ob die jeweilige Farbe im Moment subjektiv als angenehm empfunden wird. Auf unangenehm empfundene Farben sollte hierbei möglichst verzichtet werden.

Dieses Vorgehen erwies sich dann auch als überaus förderlich und bereichernd für die Teilnehmerinnen. So konnte jede einzelne für sich jedes Mal wieder neue Erfahrungen und Entdeckungen im Umgang mit der Farbe machen, sich im spielerischen Umgehen und freien Experimentieren zunehmend von Leistungsansprüchen befreien und dabei auch die eine oder andere Blockierung allmählich auflösen oder abbauen. So erlebten die einen den Malprozess eher als einen Akt der "Befreiung und Loslösung", während es für die anderen eher ein Auftanken und "Neue- Kräfte-Schöpfen" bedeutete – oder auch beides zugleich. Die positiven Erfahrungen der Teilnehmerinnen kommen auch in den folgenden Äußerungen zum Ausdruck: "Das Malen tut mir jedes Mal gut", "Ich fühle mich jetzt (nach dem Malen) besser als zuvor", "war vorher müde, bin jetzt dagegen frisch und munter", "Auf die Malgruppe habe ich mich die ganze Woche wieder besonders gefreut."

Zwischenzeitlich zeigte sich für eine Teilnehmerin das Malen aber auch als Unterstützung in einem aktuellen Bewältigungsprozess; die spontane Gestaltung erhellte ihr die gegenwärtige Problematik, brachte ihr diesbezüglich zusätzliche Erkenntnisse und trug somit entscheidend dazu bei, das betreffende problematische Thema allmählich anzunehmen und sich zu versöhnen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die ursprünglich angestrebten Ziele - insbesondere als Hauptziele "die eigene Kreativität entfalten", "Freude an Farbe erleben", "Lebensfreude und Selbstheilungskräfte aktivieren" sowie "die Farben und Vielfalt des Lebens neu entdecken" – alle Erwartungen übertreffend und mit hohem persönlichen Gewinn für alle Beteiligten erreicht wurden.


Silke Brönner, Diplom-Heilpädagogin mit dem Studienschwerpunkt Kunsttherapie
Geboren 1972. 1992: Abitur mit Leistungskurs Kunsterziehung, 1992–1998: Studium des Unterrichtsfaches Kunsterziehung im Rahmen des Studienganges "Lehramt an Grundschulen" an der Universität Augsburg. 1998: Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Grundschulen in Bayern. 1998–1999: Lehramtsanwärterin in einer Grundschule mit eigenverantwortlicher Unterrichtstätigkeit in Kunsterziehung. 1999–2002: Studium der Kunsttherapie im Rahmen des Diplom-Studienganges Heilpädagogik mit dem Zusatzfach Psychiatrie und Psychotherapie in der Heilpädagogik an der Universität zu Köln, mehrmonatige Praktika in psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken, Diplomprüfung Ende 2002. Seit 2003 pädagogische Tätigkeit an einer privaten Förderungs-Einrichtung, daneben Ausbildung an der Paracelsus-Schule Würzburg. Februar 2005: Prüfung als Psychologische Beraterin (DPS). Im Oktober 2005 beabsichtige ich, die Heilpraktikerprüfung für Psychotherapie abzulegen.