Zum Hauptinhalt springen

Depression: Freund oder Feind?

2010-01-Depression1

Mit einer Depression müssen Sie sich nicht abfinden – Sie können was tun!

Die Frage "Depression: Freund oder Feind?" stelle ich am Anfang einer Psychotherapie gerne meinen Patienten. Die Antwort kommt schnell: „Natürlich Feind!“, „Auf die Depression kann ich gerne verzichten!“ Am Ende einer Therapie fällt die Antwort oft anders aus. Die Patienten lernen die Depression kennen, den Begleiter, der oft die Rolle und den Umfang eines zusätzlichen Familienmitgliedes einnimmt.

Ich biete Hilfe im Setting der Systemischen Therapie und der Verhaltenstherapie an. Die Therapie als Hilfe zur Selbsthilfe. Ich möchte Mut machen, aktiv zu werden und aufzeigen, dass es sich lohnt. In der Fachsprache sprechen wir davon, das Problem zu „externalisieren“, (nach außen verlagern), d. h., die Depression gedanklich wie einen Menschen zu behandeln.

Auszug aus einer Therapiesitzung

In der Praxis nehmen wir gern einen Stuhl als Hilfsmittel, um das „Familienmitglied“ sichtbar zu machen. Um die Nähe zur Depression aufzuzeigen, platzieren sie viele direkt neben sich, manche halten sich richtig daran fest, als biete die Krankheit Halt oder Schutz. Manche stellen die Depression auch vor sich, als wollten sie sich dahinter verstecken. Auf die Frage, wer der Depression denn den Platz verschafft hat, kommen die Betroffenen ins Überlegen. Ich antworte dann gern: „Ich jedenfalls war es nicht!“ „Na ja", antworten viele Patienten, „ich habe den Platz selber geschaffen.“

©Eric Gevaert-fotoliaTherapeutin (T): „Was denken Sie, wie es Ihrer Depression auf dem Platz neben Ihnen geht?“
Patientin (P): „Na ja, die scheint sich wohl zu fühlen.“
T: „Wie ein Untermieter?“
P: „Ja, vielleicht.“
T: „Haben Sie die Depression denn eingeladen?“
P: „Nein, die soll verschwinden!“
T: „Haben Sie dies Ihrer Depression schon einmal mitgeteilt?“
P: „Okay, Depression verschwinde!“
T: „Moment, wenn wir mal davon ausgehen, dass Ihr Körper die verrückte Absicht hat, Ihnen helfen zu wollen, wofür könnte die Krankheit in Ihrem jetzigen Leben eine Lösungsmöglichkeit bieten?“
P: „Hm, ich habe mir in den letzten Jahren viel zugemutet und musste immer die Starke sein, hab viel gearbeitet, mich wenig um mich gekümmert – immer nur um die anderen, meine Familie, meine Freunde, meine Arbeit.“
T: „Sicherlich können Sie mir die Nachteile der Depression aufzählen.“
P: „Klar, ich kann mich schwer konzentrieren und fühle mich oft schlapp und müde. Ich habe an nichts mehr Freude. Dinge, die ich früher mit ,links‘ erledigt habe, z. B. meinen Haushalt, strengen mich heute sehr an. Ich habe Ängste, und manchmal möchte ich am liebsten den ganzen Tag im Bett bleiben. Freunde habe ich kaum noch, wer versteht mich schon? Ich bin doch nur noch eine Last!“
T: „Alles im Leben hat Vor- und Nachteile, wie sieht es denn mit den Vorteilen aus?"
P: „Wie? Vorteile? (Die Patientin überlegt eine ganze Weile.) Zuerst dachte ich, es gibt keine, aber seit ich die Depression habe, nehmen alle in der Familie mehr Rücksicht auf mich, sie kümmern sich um mich. Mein Mann spricht wieder mehr mit mir und will wissen, wie es mir geht. Meine Tochter nimmt mich öfter in den Arm. Endlich kann ich mich mal ohne schlechtes Gewissen hinlegen, denn ich bin ja jetzt krank ...“

Meinen Patienten sage ich gerne: „Der erste und wichtigste Schritt ist, die Depression anzunehmen und sich einzugestehen, dass Sie Hilfe brauchen! Viele Menschen sind depressiv! Sie brauchen sich dafür nicht zu schämen!“

Heute bietet die Therapie so tolle Möglichkeiten, die Betroffenen sollten sich die Chance nicht entgehenlassen! Es ist, wie es ist! Der richtige Weg ist der zu einem Psychiater oder Arzt und einem Psychotherapeuten. Therapie sollte immer zweigleisig stattfinden.

Medikamente können zumindest in der Anfangszeit eine Hilfe sein. Begleitend muss aber unbedingt eine Psychotherapie stattfinden, damit die Ursachen gefunden werden können, denn die Depression soll ja dauerhaft wegbleiben. Also geht es darum, neue Werkzeuge an die Hand zu bekommen, um künftig mit Situationen und mit sich selber anders umzugehen. Annehmen heißt vor allem am Anfang der Krankheit, auch eine Zeit lang nichts zu verändern, denn diese Energie bringt die Depression ja mit, „ich will und kann gerade nichts verändern“ – Nichtkönnen und Nichtwollen – „es ist okay, wie ich bin, auch mit der Krankheit!“. Später geht es darum zu überlegen, „was muss ich mir bieten, damit die Depression wieder gehen kann?“.

Beispiele:

  • Aufmunterung und Trost: lernen, diese auch ohne die Krankheit bekommen zu können
  • Wer einsam ist: lernen, wieder auf Menschen zuzugehen
  • Wer alles übernommen hat: lernen, Verantwortung abzugeben
  • Wer immer JA sagt: lernen, NEIN zu sagen
  • Wer immer auf Achse war: lernen, sich Ruhepausen zu nehmen
  • Wer kein Selbstvertrauen hat: lernen, seine ganz persönlichen Talente und Stärken zu erkennen Wer immer der Starke war: lernen, dass schwach sein auch eine Stärke ist
  • Wer Gefühle runterschluckt: lernen, dass sich Gefühle nicht in Luft auflösen, sondern einen Platz brauchen. Lernen, dass unser Gegenüber die Chance braucht, davon zu wissen, was mit uns los ist, weil er kein Gedankenleser ist
  • Wer vor einer hohen Mauer steht: lernen, sie zu umgehen, zu erklimmen oder Stein für Stein abzutragen
  • Wer das Vertrauen in die Menschen verloren hat: lernen, Vertrauen in sich selbst und damit auch wieder in die anderen Menschen zu bekommen

Wer sich selber nicht annehmen kann, kann sich schwer vorstellen, dass andere ihn mögen. Wer sich selber akzeptiert – dies kann gelernt werden – wird wieder den Weg ins Leben finden. Denn, was wir erlernt haben, können wir auch wieder verlernen. In der Therapie bezeichnen wir die Depression auch als „gelernte Hilflosigkeit“! Die Patienten lernen den Blick über den Tellerrand. Das Wissen, dass Depression erlerntes Verhalten beinhaltet, eröffnet die wunderbare Möglichkeit, ein Leben ohne Depression erlernen zu können. Nicht aufgeben ist die Devise! Das Geschenk Leben ist zu wertvoll! Geht es wirklich darum, nicht mehr Leben zu wollen, oder darum, so nicht mehr leben zu wollen? Wenn die Betroffenen so nicht mehr leben wollen, dann sollten sie aktiv werden!

Sabine SuckrauSabine Suckrau
Jahrgang 1968.
Kaufmännische Ausbildung. Executive Search und Coaching Recruiter. Studium Einzel-, Paar- und Familientherapie.
Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie.
Forschungstätigkeit im Bereich Angehöriger geistig und körperlich behinderter Menschen.
Praxis im Holzhaus
Jägerstraße 12 , 71566 Althütte
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
www.praxis-im-holzhaus.de