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Flugangst - Natürlich begegnen

Text: HP Patrick Römer

Bei der Vorbereitung eines Seminares zum Thema Flugangst an der Volkshochschule in München begegnete ich zunächst zwei Schwierigkeiten: Wie schaffe ich es innerhalb von 4 1/2 Stunden mit einfachsten Mitteln kostengünstig und dennoch effektiv zu arbeiten? Die üblichen Flugangstseminare bewegen sich im Bereich von 2 Tagen und einem Seminarpreis von DM 1000,- bis 1500,-. Und: wie schaffe ich es, ohne dass ein Flugzeug vorhanden ist? Hierbei meine ich die angebotenen Linienflüge im Laufe eines Flugangstseminares. Lesen Sie meinen Bericht, und Sie werden sehen, wie einfach das ist.
Obwohl es sich bei der Flugangst der Definition nach um eine phobische Störung (ICD10: F40), genauer gesagt um eine Agoraphobie (ICD10:F40.0) handelt, hat sich der Begriff "Flugangst" im allgemeinen Gebrauch durchgesetzt und etabliert. Sie existiert meinen Beobachtungen zufolge als eine Form einer "legalen" Angst bis Panik, die in unserem Alltag durchaus ihre Berechtigung und Offenheit findet. Für mich als Heilpraktiker eine ideale Tür, welche ich heute wohlbewusst als Einstieg in die Begegnung mit der Angst nutze. Die Durchquerung des Mediums Luft ist eine sehr moderne Form der materiellen Reise. Was die Evolution des Menschen angeht, so blieb uns kaum Zeit und Geduld, uns an die neue Situation anzupassen. Aber nicht nur deshalb ist Flugangst für mich zunächst eine Realangst, die durchaus ihren logischen Sinn hat. Steigert sich diese Realangst jedoch mehr und mehr zu einer Störung bis Panik, z.B. durch mangelndes Konfliktbewusstsein, wird sie nutzlos. Sie beginnt im weiteren Verlauf den Betroffenen (und seine Umwelt) sogar zu schädigen. Die Angstreaktion ist ein wertvoller Einstieg in die Thematik, wenn auch nach einer solchen "Aufwärmphase" die kommenden persönlichen Äußerungen der Erlebnisse der Betroffenen als viel wichtiger zu bewerten sind. Meine Beobachtungen haben gezeigt, dass die Einbindung in das Thema nicht nur die Aktivität und Anteilnahme am Unterricht
steigert, sondern auch eine Möglichkeit bietet, endlich einmal andere am eigenen Problem teilhaben zu lassen. Das Gefühl "Ich bin nicht allein mit meiner Angst" schafft unbewusst eine gelöstere Stimmung. Auch ruhigere oder ganz stille Teilnehmer profitieren erstaunlicherweise von diesem ganz menschlichen Erfahrungsaustausch. Beeindruckend auch für mich war die Schilderung eines echten Notfalls miteinem Flugzeug. Die Beschreibung der Verhaltensweisen von Passagieren, die Arbeit der Crew einmal ausgenommen, bekräftigen meine Meinung, dass jeder Mensch in solchen Situationen zu seinem "ES" zurückkehrt. Während emotional betonte Menschen mehr dazu tendieren, überirdische Kräfte, Engel, Gott, die Schöpfung anzubeten, nutzen überwiegend rational handelnde Menschen die irdische Wirkung des berauschenden Alkohols. Zu beurteilen, welche Verhaltensweise nun besser ist, liegt nicht in meinem Interesse. Ein Thema, welches ich von seiner Wichtigkeit her zunächst weit unterschätzt

hatte, war die Beschreibung der einzelnen Flugphasen. Im Vordergrund standen dabei die Fragen: Wie geht das? Was passiert da gerade? Ist das nicht gefährlich? Die Erklärung und Erläuterung dessen, was unsere Sinne während eines Aufenthaltes an Bord eines Flugzeugs aufnehmen, wurde unerwartet zu einem weiteren wichtigen Ansatzpunkt. Geräusche von Motoren, Gerüche aus der Klimaanlage, Bilder von sich verändernden und wackelnden Flügeln, Vibrationen usw. können durch die Auflösung und Richtigstellung falscher Annahmen und Vorurteile vertrauensvoller angenommen werden. Hier kam mir meine 10-jährige Erfahrung als Linienflugzeugführer und Flugkapitän zugute, welche gleichzeitig den Gehalt und die Qualität der Informationen spürbar aufwertete. Die Ausschmückungen einer Teilnehmerin, was bei einem Unfall alles passieren kann, steckte schnell weitere Mitglieder der Gruppe an. Dieser Beginn eines Circulum vitiosus (Teufelskreislauf) während eines Unterrichts tages hat mich unvorbereitet überfallen. Zunächst war mir nicht bewusst, was ablief, zumal die dialogische Arbeit mit den Teilnehmern sehr intensiv war. Ich spürte nur ein aufkommendes Missbehagen. Als ich daraus meine Konsequenzen zog und mich aus dem Dialog herausnahm, begann ich alsbald klarer zu sehen. Ich ging zur Tafel, und als ich zu malen begann, malte ich wie in Trance einen Teufelskreislauf auf. Und ganz nebenbei begann ich selbige Unfallbilder und Schilderungen für einen Zusammenstoß auf einem Zebrastreifen zu nutzen. Ich habe spontan und unbewusst, aus meinem "ES" heraus, versucht, sämtliche Emotionen und Eindrücke, alle Illusionen und Gedanken auf eine alltägliche, ganz und gar normale Situation zu projizieren. Die Wirkung innerhalb der Gruppe war frappierend. So wie die Kraft und Dynamik der Gruppe in die Beklemmung gezogen war, genauso schnell orientierte sie sich wieder in die andere Richtung. Der unerfreuliche Kreislauf war durch die Begegnung mit der Absurdität des Geschehens durchbrochen. Was die Methoden der Entspannung angeht, habe ich mich bei der Vermittlung an dem orientiert, was ich selber gelernt habe und relativ regelmäßig praktiziere.Hier kann ich mit gutem Gewissen aus eigener Erfahrung heraus sagen: Mir helfen sie! Das gibt mir von vorneherein mehr Selbstvertrauen und Sicherheit, als wenn ich nur angelernte Theorie vermitteln müsste.

Mein Steckenpferd war, ist und bleibt die Palm Therapy. Den Seminarteilnehmern noch unbekannt, habe ich sie in die Technik dieser Handakupressur eingeführt. Die anfängliche Scheu und Zurückhaltung wich schnell einer immer mehr begeisternden Neugier. Die Übungen, die ich anleite, wurden für mich ein voller Erfolg. Die Methode wurde nicht nur von den meisten Teilnehmern im Unterricht akzeptiert, sondern darüber hinaus wurde die vorher eingeübte Anwendung auch in den normalen Alltag mit integriert. Die anschließenden Erzählungen und Berichte haben bei Weitem meine eigenen Erwartungen übertroffen. Eine Dame verpasste "Dank" der entspannenden Wirkung der Akupressur ihre heimische Haltestelle, während eine andere Person danach vor laufendem Fernseher einschlief. Sollte die Wirkung im Flugzeug auch nur annähernd so sein... Ein weiteres Hilfsmittel, das ich gerne anbiete, ist die kreative Visualisation. Sie ist ein sehr altes und sehr hilfreiches Mittel, das keiner weiteren Utensilien als der eigenen Gedanken und Bilder bedarf. Kreative Visualisation ist ein natürliches, leider meist verborgenes menschliches Talent und, wie die anderen auch, kostenfrei obendrein (Es gibt wahre Meister der Visualisation, die es schaffen, ganze Löffel zu verbiegen). Die Erzählungen einer Seminarteilnehmerin, dass sie sich bei aufkommender Angst während eines turbulenten Fluges an eine holprige  Fahrradtour zurückerinnert habe, bewies für mich die unbestreitbare Wirkung auch im Normalgebrauch. (Für mich als Gruppenleiter ist wichtig zu wissen, dass als Begleitwirkung und Komplikation bei visualisierenden Methoden vermehrt Unruhezustände und Angstgefühle auftreten können. Des weiteren können latente Psychosen aktiviert werden). Ein weiteres Entspannungsverfahren, auf das ich im Seminar eingehe, ist das Erlernen der richtigen Atmung. Auch hierzu lasse ich Übungen vornehmen. Denn: Wer sich auf seine Atmung konzentriert, kann sich keine anderen Gedanken machen. Zudem ist in
amerikanischen Studien die entkrampfende, also spannungslösende Wirkung einer langsamen Tiefenatmung bewiesen worden. Ganz nach dem Motto: Ein entspannter Mensch kann keine Angst haben!
Eines ist mir im Laufe der Jahre bewusst geworden: Die Nutzung der Fähigkeiten und Talente, die ein Mensch in sich trägt, ist von entscheidender Bedeutung für sein Wohlempfinden. Nutzt ein Mensch seine vorhandenen Fähigkeiten nicht aus, kann er auch der Flugangst nicht bestmöglich begegnen. Eine kurze, unvollständige Betrachtung der physischen und psychischen Reaktionen und Abläufe im Körper soll die Problematik noch einmal verdeutlichen. Die einsetzende Angst beginnt nicht nur die Atmung einzuschränken und die Muskulatur zu verhärten, sondern behindert sekundär auch die Sauerstoffaufnahme ins Blut. Der für einen gesunden Körper und Geist notwendige Metabolismus von Körper und Geist nimmt demzufolge ab, die eigentlich vorhandenen physischen und geistigen Fähigkeiten stehen nur noch eingeschränkt zur Verfügung. Die Muskulatur verkrampft weiter und wird "sauer", das kognitive Konflikt- und Lösungsbewusstsein wird gleichzeitig weiter beeinträchtigt. Das
Missempfinden, die Angst, wird noch größer und stärker, die Atmung wird noch weiter eingeschränkt usw. Hier hilft im Extremfall nur noch erlernte Routine, um diesem teuflischen Prozess ein Ende zu setzen, oder eine helfende Hand von außen. Bei Panikattacken, die auch beschrieben wurden, verhält sich die Situation anders. Hier geschieht alles auf einmal innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes. Der einige Minuten andauernde Prozess wird als totaler Zerfall der eigenen Person erlebt. Nach außen hin mögen unbeteiligte Passagiere interessanterweise nichts bemerken. Wer sich schon im Vorfeld einen
helfenden Automatismus im Bereich der Entspannung angeeignet hat, kann sich aus seiner Flugangst müheloser und leichter befreien. Es werden während der Reise keine komplizierten Denkprozesse mehr benötigt, um trotzdem eine hilfreiche Wirkung gegen die aufkommende Angst zu erzielen. Erlernte und eingeübte Verhaltens- und Entspannungstechniken sind jederzeit einsetzbar und rasch wirksam. Im
Vergleich hierzu: Die Durchführung der Handlungsabläufe eines Piloten wird im Simulator bei klarem Bewusstsein Schritt für Schritt "automatisiert", damit dieser in realen angstvollen oder stressreichen
Situationen nicht zuviel denken muss, sondern möglichst rasch hohe Leistung bringen kann. Sind die richtigen Handgriffe abgearbeitet, und ist die Gefahr abgewendet, kann wieder Ruhe und Besinnung einkehren. Angst zu ignorieren, zu vermeiden oder fortwährend zu verdrängen, ist nicht möglich. Sich ihr zu stellen und sich mit ihr zu einigen, ist indes ein Schritt in eine weisere und gesündere Zukunft.

Warnung: Die Beschreibung von Selbstbehandlungsmethoden und der Erfahrungsbericht sind kein Ersatz für den Besuch eines Arztes, eines psychologischen Psychotherapeuten, einer Psychotherapie nach HPG oder eines Heilpraktikers! Besonders auffällige, schmerzhafte und / oder exzessive körperliche oder geistige Symptome bedürfen zum Schutz und  Erhalt der eigenen Gesundheit professioneller Diagnose und Überwachung! Des weiteren sind durch Befragung der Teilnehmer krankheitsgeschichtlich auffällige Persones (z.B. bekannte exogene / endogene Psychosen) von solchen Seminaren auszuschließen!

Quellennachweis:
·  Brunnhuber/Lieb, Psychiatrie, mediscript Verlag, Bad Wörishofen, 1996
·  V. Dürr, Autogenes Training, Kreuz Verlag
·  L. Finken, Koreanische Handakupunktur, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 2000
·  M.R. Gach, Heilende Punkte, Knaur Verlag, München, 1998
·  D.P. Heinke, Akupressur, Südwest Verlag, München, 1998
·  ICD 10, Systematisch Pocket, Börm Bruckmeier Verlag, Grünwald, 1999
·  Legewie / Ehlers, Knaurs moderne Psychologie, Knaur Verlag, München, 1992
·  T. Payk, Psychiatrie u. Psychotherapie, Thieme Verlag, Stuttgart, 1998
·  Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, de Gruyter Verlag, Berlin, 1994
·  Rosmanneck / Ninnemann, Sommer Verlag, Teningen, 1993
·  R. Tölle, Psychiatrie, Springer Verlag, Berlin, 1996
·  M. Zwang, "Palm Therapy", Ultimate Mind Publisher, Van Nuys, California, 1995