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Neue Serie: Hilfreiche Interventionen neu oder bewährt - 1. Arm ausstreichen

Kommunikation mit dem Unbewussten über den Körper

Die grundsätzliche Zielsetzung jeder Intervention:

  • den Erfolg noch in der Sitzung wohltuend zu spüren
  • eine nachhaltige Wirkung durch Bedeutsamkeit
  • eine hohe Aufmerksamkeitsfokussierung

Dabei wird im Auge behalten:

  • die therapeutische Beziehung, gerade auch bei Provokationen
  • der Wunsch des Patienten
  • die Entwicklung des Patienten
  • Selbstwirksamkeit/Realisierungsgrenzen
  • systemische Wechselwirkungen bei Erfolg (Preis der sozialen Systeme)

Indikation: bei quälenden Gedanken (Zwangsgedanken) oder Bildern, auch bei Impulsen, die den Patienten fremd oder unerklärlich sind, oder überhaupt immer dann, wenn der therapeutische Prozess ins Stocken gerät. Auch sehr gut geeignet bei präverbalen Traumata.

Ziel: Die Patienten sollen innere Vorgänge nach der Behandlung besser verstehen und annehmen. Feindbilder sich selbst gegen- über sollen verschwinden. Und zwar eher nebenher, also ohne explizite Hinweise.

Dauer: 15 bis 30 Minuten, also noch viel Zeit zum Nachbesprechen.

Setting: Einzeltherapie im Sitzen. Aber auch in der Gruppe gut einsetzbar. Dann meist großer Andrang von anderen Patienten, die teilnehmen möchten.

Erlernen: für Kollegen (immer m/w) sehr schnell: Einmal zuschauen plus Nachbesprechung reichen meist.

Erfolg: fast immer schon in der Sitzung deutlich spürbar.

Motivation: Gerade bei zweifelnden Patienten erhöht dieses Feature deutlich die Motivation zur Psychotherapie, denn sie spüren sofort den Erfolg.

Voraussetzung: aufseiten der Patienten keine besonderen Voraussetzungen, außer die übliche Fähigkeit, sich auf einen „normalen“ therapeutischen Prozess einzulassen. (Allerdings: Anwendungen bei Psychose oder Autismus sind noch nicht erforscht.)

Körperkontakt: Bei diesem Format erfolgt eine Körperberührung am Arm.

Subtext: Ohne explizite Ankündigung ergibt sich eine deutliche Entschleunigung der inneren Impulse – also der Gedanken, Bilder und Gefühle.

Ablauf: Das Feature wird im direkten Dialog gestaltet. Es werden immer nur aktuelle Impulse, Bilder oder Gefühle abgefragt. Darauf erfolgt dann stets die gleiche therapeutische Einladung.

Also ein ständiges Wechselspiel zwischen willkürlicher(!) Aktivität und unwillkürlicher Passivität mit Öffnen des inneren Raums, um dort genau hinzuspüren.

Stolpersteine: Bislang sind keine besonderen Vorkommnisse, Abweichungen oder Risiken aufgetreten.

Konsequenz des Features: Anschließend traten, soweit bekannt, die anfangs angegebenen Symptome nicht mehr auf.

Metaebene: Anstatt in der Psychotherapie nur zu sprechen (womöglich nur zu sitzen), versuchen wir von der Grundidee her immer, nervlich gleichzeitig mehrere Kanäle anzuregen:

  • sensorisch-afferent: Augen, Ohren, Tasten
  • motorisch-efferent: Bewegung, Sprache, Augenfokussierung, Körperhaltung
  • modulierend: Nähe –Distanz, stehen – sitzen – gehen, laut – leise, schnell – langsam

Vor jeder Intervention wird um Erlaubnis gebeten; das heißt jedoch nicht, dass sie endetail vorgestellt wird. Ganz im Gegenteil: Gerade Überraschungs-Interventionen bewirken oft einen besseren Effekt.

Fallvignette/Erklärung des Vorgehens

Die Patientin kommt mit dem Auftrag, sie wolle mit ihrer Niedergeschlagenheit besser klarkommen. Wörtlich:

„Die tritt ganz plötzlich auf ohne ersichtlichen Anlass, aus dem Nichts, mir völlig unerklärlich.“

Therapeut: „Gibt es vielleicht Zusammenhänge mit deiner Biografie?“

„Ja, vielleicht der Tod eines Freundes? Der ist vor einigen Monaten verstorben. Er hat sich umgebracht.“

„Dann bin ich bereit zu beginnen.“

„Gut!“ (nickt dabei)

„Darf ich dich berühren?“

„Ja.“

Ich sitze im rechten Winkel zur Patientin, so, dass mein linker Arm nahe an ihrem rechten Arm ist. Knieabstand zwischen uns ca. 10 cm; ich lege meine Hände offen auf meine Knie. „Legst du deine dominante Hand bitte in eine meiner Hände?“

Sie legt ihre rechte Hand in die linke Hand des Therapeuten.

„Ich werde jetzt einen Satz mehrmals sagen, etwa zehnmal, und dir dabei den Arm ausstreichen – ist das in Ordnung?“

„Ja.“ (Sie nickt dabei mit Blickkontakt)

„Dein Freund ist gestorben!“ Dabei streiche ich ihren rechten Arm aus – von der Schulter bis zur Hand, die in meiner Hand liegt, und weiter bis in meine Hand – etwa zehnmal, immer gleichzeitig zu diesem Satz: „Dein Freund ist gestorben!“

Danach unterbreche ich das Ausstreichen und frage „Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“ immer fragen „welche… ?“, nicht „Sind jetzt Impulse da?“)

„Ja, der Schmerz und die Trauer sind da.“

„Der Schmerz darf hier sein.“ Dieser Satz wird fünf- bis zehnmal wiederholt, dazu wird parallel der Arm ausgestrichen.

Die Patientin bekommt Tränen in die Augen, der Satz und das Ausstreichen werden wiederholt; schließlich wird sie ruhiger.

Ich unterbreche erneut. „Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Jetzt kommt der Gedanke, dass meine Mutter gestorben ist.“

„Deine Mutter ist gestorben.“ (Satz-Wiederholung, Arm ausstreichen)

Bei der Patientin fließen die Tränen.

„Die Tränen dürfen sein.“ (Satz-Wiederholung, Arm ausstreichen)

Weitere Tränen folgen. (Satz-Wiederholung, Arm ausstreichen, dann erneute Unterbrechung)

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Ich war 17, als sie starb.“ (weint stärker)

An dieser Stelle sind verschiedene Varianten vonseiten des Therapeuten denkbar, immer mit Satz-Wiederholung und Arm ausstreichen:

a) Du warst 17, als deine Mutter starb.
b) Du bist 17, ...
c) Liebe 17-Jährige, deine Mutter stirbt ...

Ich entscheide mich für c), die Patientin weint noch heftiger. Ich lasse mir viel Zeit, weiterhin Satz-Wiederholung und Arm ausstreichen.

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Die Kirche, wir waren alle in der Kirche ...“

„Du in der Kirche ...“ (Satz-Wiederholung, Arm ausstreichen). Die Patientin schluchzt laut, ich gebe ihr sehr viel Zeit.

Variante 1

Ich ermutige die Patientin – i. S. der Selbstwirksamkeit – dazu, sich ab jetzt selbst mit dem bislang freien Arm den dominanten Arm auszustreichen bis hinüber zu meiner Hand (die anfangs ineinandergelegten Hände bleiben zusammen).

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Ich habe meine Mutter in der Klinik besucht.“

Ich spreche den Satz mehrfach („die Mutter in der Klinik besucht“), die Patientin streicht gleichzeitig ihren Arm selbst aus, weiterhin fließen Tränen.

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Ich habe den Sarg getragen.“

„Du hast den Sarg getragen.“ Mehrfach wiederholt, sie streicht ihren Arm selbst aus.

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Die Oma weinte am Grab.“

Variante 2

Die Patientin zieht ihre dominante Hand von meiner Hand zurück und legt sie auf das eigene Knie. Alles andere bleibt unverändert, ich wiederhole die prägnanten Sätze und sie streicht ihren Arm selbst aus, weiterhin unter Tränen.

„Wo ist die Mutter jetzt?“

„Im Himmel“

„Die Mutter ist im Himmel.“ Satz-Wiederholung durch mich, selbstständiges Armausstreichen der Patientin. Sie wird ruhiger.

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?“

„Sie wacht über mich und sieht mich.“

Variante 3

Die Patientin spricht den Satz selbst mehrfach aus (ca. 12- bis 15-mal) und streicht gleichzeitig ihren Arm aus.

Sie wird spürbar ruhiger (Körper, Stimme).

„Welche Impulse sind jetzt da? Welche Bilder, Gefühle, Gedanken?

“ „Jetzt ist alles gut.“ Satz-Wiederholung und Arm ausstreichen durch sie.

Damit war die Stunde zu Ende.

In der Folge werden weitere hilfreiche Interventionen vorgestellt, die sich in der Valere-Klinik sehr gut bewährt haben. Meist resultiert schon innerhalb einer Sitzung eine deutliche Besserung. Wie sie durchgeführt werden, ist live im Rahmen einer Hospitation bei uns zu sehen.

Dr. Walter HofmannDr. Walter Hofmann
Facharzt für Psychotherapie, Chefarzt Valere Privatklinik, Dachsberg im Südschwarzwald
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