Die heilsame Kraft der Achtsamkeit
Kennen Sie das? Sie hetzen den ganzen Tag von einem zum nächsten, gönnen sich kaum eine Verschnaufpause, fühlen sich wie ein Hamster im Laufrad, erledigen drei Sachen gleichzeitig und während Sie sie erledigen, überlegen Sie schon, was Sie als nächstes tun müssen. Am Abend fallen Sie dann todmüde ins Bett, der Rücken schmerzt und Sie fragen sich vielleicht, wie lange Sie den Wahnsinn noch aushalten. Trösten Sie sich, so wie Ihnen geht es sehr vielen Menschen.
Nur selten kommt uns zu Bewusstsein, wie viel Energie wir gewohnheitsmäßig und aus Unwissenheit mit automatischen, unreflektierten Reaktionen auf unsere Umwelt oder das eigene innere Erleben vergeuden. Hier kann uns die Achtsamkeit helfen. Achtsamkeit zu kultivieren, bedeutet zu lernen, wie man seine Energien konzentriert und bewusst lenkt, anstatt sie zu verschwenden. Gleichzeitig gewinnt man ein klareres Verständnis hinsichtlich des eigenen Lebens und ist so fähig, Veränderungen herbeizuführen, die der Gesundheit zuträglich sind und die Lebensqualität entscheidend verbessern.
WAS IST ACHTSAMKEIT?
Achtsamkeit ist eine einfache und zugleich hochwirksame Methode, die ursprünglich dem südostasiatischen Buddhismus entstammt und bedeutet, aufmerksam und bewusst im gegenwärtigen Augenblick zu verweilen. Sie ist eine offene, annehmende und nichtwertende Haltung gegenüber allem, was von Moment zu Moment geschieht.
Achtsamkeit fördert eine gelassenere, positive Lebenseinstellung, die Entwicklung neuer Perspektiven sowie kreative Handlungsmöglichkeiten, die helfen, jeder Lebenserfahrung, auch den schwierigen, mit mehr Gleichmut, Klarheit und Weisheit angemessen und wirkungsvoll zu begegnen.
Über die Achtsamkeit kommen Menschen wieder in Kontakt mit sich selbst, beginnen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren, lernen, körperliche Symptome als hilfreiche Signale zu erkennen und mit schwierigen Gefühlen wie Wut und Angst konstruktiv umzugehen. Sie lernen, Grenzen zu setzen, angemessen zu kommunizieren und Lösungen zu entwickeln.
EINSATZGEBIETE DER ACHTSAMKEIT
Achtsamkeitsbasierte Interventionsansätze finden mehr und mehr Beachtung sowohl in der Behandlung von körperlichen oder psychischen Erkrankungen (Mind/Body- Medicine) als auch im Bereich der Prävention und im Umgang mit Stress im privaten und beruflichen Leben. Achtsamkeit wird in mehrwöchigen Gruppen-Trainings vermittelt, oder auch erfolgreich in der Beratungs-Praxis in Psychotherapie und Coaching eingesetzt.
IMPRESSION EINES ACHTSAMKEITSTRAININGS
Acht Personen haben es sich auf dem Boden auf Sitzmatten und Meditationskissen bequem gemacht. Manche sitzen noch etwas wackelig und müssen sich erst einmal an diese ungewohnte Art des Sitzens gewöhnen. Stühle stehen bereit für diejenigen, die sich entscheiden, doch lieber auf einem Stuhl zu sitzen. Acht unterschiedliche Schicksale treffen heute zusammen. In einer ersten Austauschrunde kann jeder ein bisschen von sich erzählen, die anderen hören aufmerksam zu. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Menschen sich entscheiden, an einen achtwöchigen Achtsamkeits-Programm teilzunehmen. Häufig ist es beruflicher Stress, der bereits körperlich wie seelisch Spuren hinterlassen hat, aber auch chronische Schmerzen und Erkrankungen sowie Probleme in der Beziehung oder mit den Kindern. Nicht selten waren Schlüsselerlebnisse, wie ein Unfall, Krankheit oder der Tod eines nahen Angehörigen, der Anlass, sich wieder mehr um sich selbst zu kümmern, mehr Achtsamkeit ins Leben zu bringen und damit wieder mehr Sinnhaftigkeit.
Für die meisten ist der Begriff Achtsamkeit noch sehr unspezifisch, hat mehr mit Aufpassen zu tun, wie im Straßenverkehr auf rote Ampeln zu achten. Erst mit der Zeit erschließt sich der Begriff wirklich und zeigt, worum es eigentlich geht. Nämlich den jetzigen Augenblick mit all seinen Facetten vollkommen wahrzunehmen. Achtsamkeit bedeutet bei Sinnen sein. Für einen Moment nur, für das Jetzt, das genauso lange dauert wie ein Fingerschnipp. Und so reiht sich Moment an Moment, Jetzt, Jetzt, Jetzt ... Meistens bekommen wir das Jetzt aber gar nicht mit, da wir mehr im Gestern, d. h. in Erinnerungen leben oder in der Zukunft, in Träumen und Plänen. "Hätte ich gestern doch bloß meinen Mund gehalten. Das war aber auch ein Blödmann. Ach, eigentlich hätte ich noch viel mehr sagen sollen. Der soll sich mal nicht so anstellen! …Was muss ich morgen noch gleich einkaufen? Ach ja, und ich muss dringend den Wagen in die Werkstatt bringen. Haben die morgen überhaupt auf? Oh, wenn das nicht klappt, habe ich ein Problem …" So geht es pausenlos. Permanente Selbstgespräche über gestern und morgen, was jetzt ist, kriegen wir selten mit.
Am ersten Abend des Kurses nähern wir uns der Achtsamkeit über eine Übung an, die Rosinen-Übung genannt wird. Die Teilnehmer werden aufgefordert eine kleine Rosine zu essen, aber nicht nur zu essen, sondern sie mit all ihren Sinnen zu erforschen. Angefangen mit dem Ertasten der Oberfläche, genaues Betrachten, Riechen, Hören, wahrnehmen von Gedankenaktivität, wie z.B. Vorabbewertungen, Ablehnung oder auch Erinnerungen. Dann das Schmecken der Rosine im unzerbissenen Zustand und das Wahrnehmen der Geschmacksexplosion, wenn die Rosine zerbissen wird. "Wenn ich alles so intensiv wahrnehmen würde wie diese kleine Rosine, der ich in meinem Leben bisher noch nie so viel Beachtung geschenkt habe, wie erst würde sich mein Leben verändern, wenn ich ab jetzt allem, dem ich bisher keine große Aufmerksamkeit geschenkt habe auf einmal so vollkommen wach begegne? Das wäre ja unglaublich spannend!", lautet eine häufige Reaktion auf diese Übung. Und ja, es trifft genau den Punkt. Wir leben unser Leben nur halbherzig, oft funktionieren wir nur noch, damit alles irgendwie weitergeht.
Im Kurs wechseln sich meditative Übungen wie Body-Scan, Yoga, Sitzmeditation, kleine Impulsvorträge, Erarbeitung von stressrelevanten Themen in Kleingruppen und der Austausch in der ganzen Gruppe untereinander ab. Es entsteht hierbei ein sehr lebendiger Prozess, in dem sich jeder einzelne mit seinen persönlichen Erfahrungen einbringt und daran wächst. Viele Erkenntnisse über die eigene Herangehensweise in stressigen Situationen entstehen in der Reflektion mit den anderen Kursteilnehmern. Die Atmosphäre ist locker, es wird meistens viel gelacht, obwohl die Schicksale der einzelnen Personen manchmal alles andere als einfach sind. Diese Atmosphäre wird von den Teilnehmern sehr geschätzt, auch der wertschätzende und respektvolle Umgang untereinander. Jeder lernt vom anderen. Am Ende des Abends gibt es die Hausaufgaben für die nächste Woche, wie z. B. eine Mahlzeit in Achtsamkeit zu essen oder sich für eine Woche lang eine kleine tägliche Tätigkeit zu suchen, wie z. B. das Zähneputzen und diese in konzentrierter Achtsamkeit durchzuführen. Meditative Übungen, wie Yoga, Body-Scan und Sitzmeditation gehören immer mit zum Übungsprogramm. Damit die Übungen erleichtert werden, gibt es für jeden eine CD mit nach Hause, auf der die Übungen exakt genauso raufgesprochen sind, wie wir sie im Unterricht bereits geübt haben. Die Erfahrungen mit den Übungen werden dann in der nächsten Woche wieder besprochen.
Achtsamkeit ist ein lebenslanger Prozess, der nach den acht Wochen nicht abgeschlossen ist. Während der Wochen wird solides Handwerkszeug vermittelt, das dann jeder für sich selbst in seinem individuellen Alltag integrieren und seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten anpassen muss. So entsteht bei jedem eine sehr individuelle persönliche Achtsamkeits-Praxis. Die einen haben in der Meditation ihre Lieblingspraxis gefunden, für die anderen ist es Yoga oder Body-Scan. Manche besuchen nach ein paar Monaten einen Fortsetzungskurs, da sie gemerkt haben, wie sie sich durch die Achtsamkeitspraxis entwickeln, und wollen gerne tiefer gehen. Andere schließen sich zur Unterstützung ihrer Praxis einer Meditations-Gruppe an, oder besuchen vielleicht auch noch einen Yoga-Kurs.
KERNÜBUNG DER ACHTSAMKEIT, DIE MEDITATION
Sie schult den Geist aus Gedankenketten auszusteigen. Es ist ein bewusstes Training, die Aufmerksamkeit immer im gegenwärtigen Moment zu halten. Der Fokus liegt im Spüren des Atems, und sobald man merkt, dass man nicht mehr beim Spüren des Atems ist, sondern vielleicht gerade wieder mal Pläne für morgen macht oder über den Tag nachdenkt, bemerkt man es und bringt sich sanft, aber bestimmt wieder zurück in den gegenwärtigen Moment, zurück zum Spüren des Atems. Es ist eine sehr einfache Technik und doch nicht ganz leicht, wie viele nach einiger Zeit feststellen. Über die Meditation bekommen wir einen Einblick darüber, wie unser Geist funktioniert. Wie er pausenlos vor sich hin plappert, nach allem greift und Gedankengebilde schafft, die in kleinen Katastrophen oder Horrorfilmen enden. Durch das permanente Training, aus Gedanken wieder auszusteigen und zurück zum Atem zu kommen, trainieren wir unsere Fähigkeit, immer präsenter zu werden und uns immer weniger zu verstricken. Das beruhigt mit der Zeit den Geist und wir bleiben auch in unserem Alltag selbst in schwierigen Situationen, die uns normalerweise total mitreißen würden, präsent und handlungsfähig.
ABSCHLIESSEND SEI BEMERKT
Achtsamkeit ist kein Allheilmittel. Vielmehr ist es harte Arbeit und erfordert viel Disziplin, Training und Engagement. Wer schnelle Lösungen erwartet oder gar auf einmal von all seinen Leiden erlöst und ganz entspannt sein möchte, wird unweigerlich enttäuscht werden. Achtsamkeit ist eine lebenslange Praxis und ist weit aus mehr als nur eine Stressbewältigungs- oder Entspannungstechnik. Achtsamkeit lädt uns ein, uns selbst immer tiefer kennen zu lernen und mit uns selbst und dem Leben Frieden zu schließen. Kontakt aufzunehmen mit problematischen Situationen und Gefühlen, anstatt vor ihnen wegzulaufen und sie zu betäuben. Daraus entsteht wahrhaftige Stärke, auch die schwierigen Momente des Lebens, die sich unweigerlich immer wieder einstellen, zu meistern. Man kann die Berge nicht ohne die Täler haben, lautet ein sehr weiser Spruch, denn das Leben ist ein permanentes Auf und Ab. Mit Hilfe des Achtsamkeits-Trainings, stärken wir die Muskeln der Achtsamkeit und unsere Fähigkeit, auch in den schwierigen Momenten unseres Lebens voll präsent, mutig und zuversichtlich zu bleiben und den wahren Reichtum des Augenblicks voll zu erfassen. Schmerzen und Probleme verschwinden deswegen nicht einfach, aber wir sind in der Lage, uns nicht mehr so davon vereinnahmen zu lassen, so haben sie uns weniger im Griff und wir sind wieder freier im Geist und im Leben.
Literaturempfehlung:
- Jon Kabat-Zinn, Im Alltag Ruhe finden, Fischer Verlag
- Jon Kabat-Zinn, Gesund durch Meditation, Fischer Verlag
Jon Kabat-Zinn.
Begründer der Stressreduction Clinic in Massachusetts (USA), entwickelte vor über 25 Jahren auf Basis der Achtsamkeit das Programm MBSR-Mindfullness-based Stress Reduction (Stressbewältigung durch Achtsamkeit), welches mittlerweile in zahlreichen Kliniken und Gesundheitszentren auf der ganzen Welt angewendet wird.
Maren Schneider.
Zertifizierte Lehrerin für MBSR (Stressbewältigung durch Achtsamkeit) und Meditation, ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin, Entspannungspädagogin und Stressverhaltenstrainerin.
Sie ließ sich im November 2003 erfolgreich mit einer eigenen Praxis in Düsseldorf nieder. Sie ist kurs- und seminarerfahren und arbeitet schwerpunktmäßig mit der Achtsamkeit. Neben ihrer Praxistätigkeit arbeitet sie als freiberufliche Trainerin, Beraterin und Coach in Unternehmen, Schwerpunkt: Stressbewältigung, betriebliche Gesundheitsförderung, Work-Life- Balance und Persönlichkeitsentwicklung. Fortbildungen in Coaching, Systemische Beratung, Lösungsorientierte Kurzzeittherapie und Transaktionsanalyse stärken Ihre Beratungskompetenz. Zur Zeit bildet sich Frau Schneider bei den Paracelsus-Schulen im Kombistudium zur Psychologischen Beraterin weiter.
Relax Body & Mind
Institut für ganzheitliche Gesundheit
Maren Schneider
Bahlenstraße 42, 40589 Düsseldorf
Telefon 0211/8 89 33 01
Mobil 0163/2 82 94 30
www.relax-body-and-mind.de
Beim nächsten Psychotherapie-Symposium des VFP in Berlin, 14. bis 16. Oktober 2007, wird Maren Schneider dieses Thema als Referentin vorstellen.