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"Bin ich eine Gefahr für die Volksgesundheit?"

Viele abweichende und verwirrende Modalitäten und Berichte rund um das Thema Erteilung einer Erlaubnis nach § 1 Heilpraktikergesetz sind uns bekannt. Die Tatsache, dass das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung aus dem Jahr 1939 stammt und das neue Berufsbild "psychotherapeutische Heilpraktiker" die Folge eines Gerichtsurteils aus dem Jahr 1993 ist, zeigt deutlich, welcher Raum für Unterschiede zu bestehen scheint. Seit dem 1. April 2007 gibt es nun auch modifizierte Zulassungsregeln für niedersächsische Antragsteller …


Ich habe mich lange für diese schwierigen Umstände und unguten Prognosen zum Bestehen interessiert: Neben Horrorszenarien aus Erzählungen ehemaliger Prüflinge und angeblichen Durchfallquoten, habe ich mich noch durch diverse Online-Plattformen gegoogelt und alles Negative aufgesogen. Dem versierten Leser ist klar, welche Ängste mich in Richtung "Aufschub" gebracht und meinen Körper und Geist um vielfältige Vermeidungsstrategien erfahrener gemacht haben. Jetzt, einen kleinen, aber feinen Schritt weiter in meiner Identitätsfindung, kann ich mit einem Lächeln auf chaotische Wochen mit geschwollenen Augen, heftigen Tag- und Nachtträumen sowie mehr oder weniger berechtigten Existenzsorgen zurückblicken. Das beständige, verständnisvolle und ehrliche, wenngleich auch kritische, konsequente und anregende Verhalten meiner mutigen, treuen und allerliebsten Mitmenschen hat mich im Erleben der Wechselwirkung von Reiz und Reaktion zu der einzig und entscheidenden, in diesem Fall der wichtigsten Frage gebracht:

WARUM MÖCHTE ICH DIE ZULASSUNG?

Was banal klingt, bedingt nach eindeutiger Beantwortung jedoch das Ja zum gewählten Weg, die daraus resultierende Planung zum sinnvollen Lernen und dem erfolgreichen Abschluss dieses Vorhabens. Und plötzlich steht die Prüfung in einem positiven Licht
– weil ich es so möchte!

Da ich mich im März der amtsärztlichen Überprüfung meines Kenntnis- und Fähigkeitsstandes unterzogen habe, war eine vorhergehende schriftliche Überprüfung im Multiple-Choice-Verfahren noch nicht notwendig. Insofern kann ich nichts über die 28 zu beantwortenden Fragen und deren Antwortmöglichkeiten berichten, verweise hier auf die entsprechende Lektüre zur Vorbereitung (vgl. Verband, Buchhandel, Internet). Ich kann nicht einschätzen, ob sich mit der Verabschiedung des aktuellen Erlasses das Setting der mündlichen Prüfung verändert oder sich lediglich die Spekulationen darum verschärfen, nehme dennoch an, dass folgende Kriterien weiterhin sehr wichtig sind:

FACHWISSEN UND PERSÖNLICHER GESAMTEINDRUCK

Nachdem ich mein Ziel klar definiert hatte, war ich bemüht, in der Kürze der mir noch verbleibenden Zeit bis Tag X möglichst regelmäßige Lernphasen an meinem ungestörten, ständig mit Sauerstoff versorgten Arbeitsplatz zu absolvieren. Während des Elaborierens und Organisierens der vielen Skripte, Psychiatrie-Lehrbücher, ICD-10 und Gesetzestexte habe ich mein LZG bzw. KZG enorm beansprucht und meinem Körper als Ausgleich dazu unterstützende Ernährung (Wasser!) und Entspannungsübungen gegönnt. Welcher Weg der Vorbereitung gewählt wird, ist individuell, jedoch ist ein fundiertes Fachwissen absolut notwendig. Die Kenntnis um die Menge prüfungsrelevanter Sachgebiete hat mich unter Druck gesetzt, dessen ungeachtet stand wieder die Antwort zur o. g. Frage im Vordergrund.

Zu einigen persönlichen Motivationsaspekten kommt das Bewusstsein hinzu, dass ich mich als ein Teil des Systems sehe. Die Stellung als "kleiner HP" soll nach außen klar zu Ärzten und Dipl.-Psychologen abgegrenzt und vor allem für die Klienten deutlich zu verstehen sein. Das tatsächliche Spektrum der effektiven psychotherapeutischen Behandlungsmethoden ist viel größer als die bekannten Regelverfahren und psychotherapeutische Heilpraktiker schließen diese Lücke. Um diesen bewährten Mitteln eine angemessene (An-)Erkennung zu geben, sehe ich mich in der Verpflichtung, eine hohe Qualität zu gewährleisten. Da es für Heilpraktiker keine verbindlichen Ausbildungsrichtlinien gibt und – im Extremfall – ein solcher ohne jede psychotherapeutische Zusatzausbildung psychotherapeutisch tätig werden kann, ist es durchaus wichtig, dass es ernsthafte Überprüfungen gibt (Stichwort: Sorgfaltspflicht). Und plötzlich steht die Prüfung in einem positiven Licht
– weil ich es so möchte!

Da ich an Symposien, Fortbildungen mit einem hohen Selbsterfahrungsanteil sowie Intervisionsgruppentreffen teilnehme, stehe ich selbst in einem ständigen Entwicklungs- und Veränderungsprozess. Kinesiologie, Familienstellen und Körperarbeit sowie Reflektion von Interaktionen unterstützen den Zugang zu meinen eigenen Potentialen und die andauernde Steigerung meiner Kompetenzen bzw. das Erkennen meiner realen Schwächen. Und plötzlich steht die Prüfung in einem positiven Licht
– weil ich es so möchte!

Die langsam geschärfte Selbstwahrnehmung und die daraus resultierende Entwicklung von freien Handlungsoptionen hat mich bestärkt, die Prüfung nicht als notwendiges Übel zu sehen, sondern viel mehr als die Chance eines weiteren Schrittes auf meinem Weg. Es zwingt uns ja niemand, diesen Antrag zu stellen, oder? Außerdem wollte ich dann auch unbedingt zeigen, "was in mir steckt" …

Mit dem Fachwissen und dem Lebensgefühl von Echtheit in mir, bin ich nervös, aber zuversichtlich vor den Ausschuss getreten und hatte einen 60-minütigen freundlichen, aber hartnäckigen Dialog mit einem Psychologen, einer Psychiaterin und einem Juristen. Ja, es war sehr schwierig! Nein, es war nicht mitgeteilt wurde, stand ich fünf Minuten in meinem vollgeschwitzten Pulli einfach nur da und habe gehofft, dass meine Antworten ausgereicht haben. Ich hatte mir aber gleichzeitig vorgenommen, im ungünstigeren Fall den Antrag gleich noch einmal zu stellen. Und plötzlich steht die Prüfung in einem positiven Licht
– weil ich es so möchte!

Mit Blick auf die Überschrift dieses Textes kann ich übrigens jetzt, mehrere Wochen nach der Erlaubniserteilung, überzeugt mitteilen, dass die Ausübung der Heilkunde durch mich "keine Gefahr für die Volksgesundheit" darstellt. Ich drücke allen "Prüflingen" die Daumen, dass sie mit ethischer Ernsthaftigkeit und viel Auseinandersetzung mit der eigenen Person an ihre Ziele – und darüber hinaus – gelangen und wünsche allen Lesern viel Gutes!

FRAGEN AUS DER ÜBERPRÜFUNG

Was wollen Sie mit dem HP-Schein?

Wie wollen Sie arbeiten?

Sie sind anscheinend noch nicht festgelegt. Wie wollen Sie weiter vorgehen, um ihr Arbeitsgebiet zu finden?

Wenn ein Klient zu ihnen kommt, wie fangen Sie das Gespräch an?

Was ist eine Anamnese? Was gibt es für Anamnesen? Wofür ist eine Anamnese wichtig?

Gefahren in der Psychotherapie für Klienten?

Was darf Ihnen als Therapeut in der Psychotherapie nicht passieren?

Wie verläuft die Systemische Therapie?

Was meinen Sie mit Kommunikationsrollen?

Warum richten Sie den Fokus auf Kompetenzen?

Was sind psychische Elementarfunktionen und ihre Störungen?

Wo sehen Sie Ihren Arbeitsbereich?

Welches Problem gibt es bei der Erkennung von Alkoholabhängigkeit?

Was meinen Sie mit Co-Abhängigkeit und Dynamik der Aufrechterhaltung?

Welche Kriterien gibt es lt. ICD-10 für Abhängigkeit?

Kennen Sie Herrn Jellinek?

Wann hört ein Gamma-Trinker auf zu saufen?

Welche Gesetze verbinden Sie mit dem Thema Sucht?

Welche Störungen der Affektivität kennen Sie (hier ging es um die Pathologie)?

Welche psychomotorischen Auffälligkeiten gibt es bei der Manie?

Welche Formen der Depression kennen Sie?

Sie möchten Ihrem Klienten Wissen vermitteln, wie machen Sie das (hier habe ich das multifaktorielle Geschehen beschrieben)?

Welche Therapie gibt es bei Depressionen?

Trauen Sie sich zu, eine Depression zu behandeln?

Einteilungen der ICD-10?

F4 bitte im Detail?

Symptome der Angst- und Panikstörungen?

Haben Sie Ideen für die Differenzialdiagnostik?

Was ist eine spezifische Phobie?

Was ist eine Panikstörung?

Was ist eine generalisierte Angststörung?

Geben Sie Ihrem Klienten Beruhigungsmittel (Fangfrage!)?

Was können Sie zur Entspannung machen?

Was ist das präsuizidale Syndrom nach Ringel?

Von welchen Suiziden haben Sie bisher gehört?

Wann besteht erhöhte Suizidgefahr?

Warum denn auch bei isolierten Personen?

Welche Maßnahmen treffen Sie nach Suizidankündigung?

Welches Gesetz ist angesprochen?

Wer entscheidet über eine Unterbringung?

Welche Rolle spielen Sie in dem Ablauf?

 

 

Regina Welzel
Abgeschlossene Ausbildung zur Psychologischen Beraterin an der Deutschen Paracelsus Schule.
Überprüfung nach 
Heilpraktikergesetz im März 2007.
Beendigung der Ausbildung Systemische Gestaltberatung im Juli 2007.
Koordination des VFP-Arbeitskreises in Braunschweig.
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