Zum Hauptinhalt springen

Sinnvoll kommunizieren

Für den Behandlungserfolg von Mensch zu Mensch!

Die Ursachen einer Krankheit, deren Verläufe und Heilungsmöglichkeiten sind bekanntermaßen höchst individuell, oft komplex und vielfältig. Für den ersehnten Behandlungserfolg ist es von entscheidender Bedeutung, die gesundheitliche Verfassung der Patienten (immer m/w/d) mit größtmöglicher Transparenz begreifen zu können. Damit meine ich nicht die Möglichkeiten der Daten-Analytiker, die mithilfe künstlicher Intelligenz die Auswertungen von Röntgen- und Ultraschallbildern revolutionieren. Es geht um die Beziehungsebene von Mensch zu Mensch!

Vertrauen als Basis für eine wertvolle Patientenbeziehung

Offenheit auf Basis von Vertrauen ist dabei ein wichtiger Faktor. Je genauer die persönliche Situation besprochen wird, desto besser können Heilungsmethoden analysiert und abgestimmt werden. Doch genauso komplex wie das Krankheitsbild sind auch die Persönlichkeitsmerkmale und die Bedürfnisse der Patienten.

Jeder Mensch ist einzigartig, verbunden mit seiner ganz individuellen Geschichte. So sehr diese Vielfalt unseren Alltag und unsere Gesellschaft bunt und interessant machen können, so schwer kann es sein, unter Zeit- und Erfolgsdruck den richtigen Zugang zum Patienten zu finden.

Menschen in Heilberufen führen im Laufe ihres Berufslebens tausende Gespräche und schnell vergisst man dabei, dass schon ein unpassendes Wort, eine mehrdeutige Betonung, Sorgen und Ängste beim Patienten auslösen können. Emotionen, die einem Heilungserfolg nicht dienlich sind, oft sogar einen Behandlungserfolg verhindern. Doch wie kann man diesem Strudel entgegenwirken bzw. ihn erst gar nicht entstehen lassen? Es lohnt sich, genau hinzuschauen.

Sehnsucht nach Verständnis, Anerkennung und Wertschätzung

Zwischen Menschen werden Informationen ausgetauscht. Dabei spielen jeweils unterschiedliche Wahrnehmungen und Wirkungen eine entscheidende Rolle. Diese können geprägt sein von unterschiedlichem Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung oder Identitätsempfinden.

Jede Seite im Patientengespräch erhofft oder erwartet Verständnis, Anerkennung und Wertschätzung. Ein Gespräch kann sich dabei schnell in eine unerwartete Richtung entwickeln, oft begleitet von Missverständnissen und den damit verbundenen negativen Gefühlen. Gerade wenn es um das höchste Gut, die Gesundheit, geht, ist es besonders wichtig, den Kommunikationsprozess bewusst wahrzunehmen, diesen bei Bedarf schon während des Gesprächs zu hinterfragen, anzupassen und gegebenenfalls zu verändern.

Jeder Mensch beschreibt mit seinen verbalen und nonverbalen Äußerungen die Welt, wie er sie ganz subjektiv, sozusagen durch seine Brille, wahrnimmt. „Sie leben in Ihrer ganz eigenen Welt.“, klingt manchmal wie ein Vorwurf. Hinter einem: „Sie hören nur das, was Sie hören möchten.“, steckt vielleicht eine tiefe Sehnsucht, ein Hilferuf nach einem besseren gemeinsamen Verständnis. Wenn man etwas ausdrückt, möchte man verstanden werden. Was kann man also tun, um den Gesprächspartner besser zu verstehen?

Sinnsuche

Die Welt, wie man sie wahrnimmt, wird unter anderem stark von den Erlebnissen der Erziehung beeinflusst, speziell von jener in den ersten Lebensjahren, und unseren fünf Sinneskanälen. Mit diesen wird seit unserer frühesten Kindheit unsere subjektive Realität erfasst. Diese Wahrnehmung wurde und wird im Gehirn abgespeichert und stellt gleichzeitig ein Abbild der subjektiv geprägten Welt als die eigene Wirklichkeit dar.

Gleichzeitig speichert man auch imaginäre und selbst erschaffene Erlebnisse im Gehirn ab. Diese Wahrnehmungen oder Fiktionen werden wie in Schubladen nach Sinneskanälen gespeichert und stehen bei Bedarf zur Verfügung. Zu manchen Erinnerungen hat man ein klares Bild vor Augen, bei anderen kann man sich an jedes Wort und an die dazugehörende Stimmfarbe erinnern oder man fühlt sofort eine Empfindung, die der Körper verankert hat und die einen berührt.

Aus diesem Grund ist jedes Patientengespräch anders. Dabei geht es um weit mehr, als über das Krankheitsbild zu informieren oder Verständnis für die Erkrankungen zu zeigen. Schauen wir uns die Sinneskanäle genauer an, die von so entscheidender Bedeutung für eine positive Beziehungsebene sein können. Die Beschränkung auf drei unserer fünf Sinneskanäle reicht für den Großteil unserer alltäglichen Wahrnehmungen meist aus. Das sind unsere Augen, der visuelle Sinneskanal, unsere Ohren, der auditive, und unser Gefühl, der kinästhetische Kanal.

Der visuelle Sinneskanal

Menschen, die bevorzugt visuell wahrnehmen, verfügen über ein sog. fotografisches Gedächtnis. Das heißt, die Personen haben die Fähigkeit, bestimmte Ereignisse, die sie über ihr Auge wahrnehmen, wie ein Foto vor ihrem geistigen Auge zu sehen. Um diese Motive in all ihren Formen und Farbschattierungen auszudrücken, benötigen sie viele Worte. Sie teilen im Austausch gern, verbal wie nonverbal, viele innere Bilder und Sichtfelder mit, die prachtvoll, bunt und facettenreich sein können. In der Folge bevorzugen die dominant visuell Wahrnehmenden eine schnelle Sprechweise und kurze Pausen, um all das Beschriebene zum Ausdruck bringen zu können. Oft reden sie ohne Punkt und Komma, wobei die Stimmlage meist etwas höher ist.

Deshalb hören wir Sätze wie:

„Ich möchte Ihnen meine Krankheit genau beschreiben.“
„Ich habe zu meinem Krankheitsverlauf in der Zeitung gelesen.“
„Haben Sie die rötliche Stelle an meinem Rücken gesehen?“

Wenn man visuell wahrnehmende Personen unterbricht, dann verlieren sie oft den roten Faden im Gespräch und finden nicht mehr zeitnah die für sie richtigen Worte, um das Bild weiter beschreiben zu können. Die Reaktion kann dann wie folgt lauten:

„Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich Ihnen sagen wollte.“
„Jetzt haben Sie mich ganz durcheinandergebracht.“
„Ich weiß gar nicht mehr, wo ich stehen geblieben bin.“

Es kann aber auch sein, dass die Person gerade selbst keinen Zugang zur eigenen Sprache hat, um den inneren Bildern mit passenden Worten gerecht zu werden. Dann hören wir Sätze wie:

„Jetzt fehlen mir die Worte.“
„Ich weiß gerade nicht, wie ich es beschreiben soll.“
„Gerade weiß ich nicht, wie ich es sagen soll.“

Noch schwieriger ist es, wenn die inneren Bilder ganz in sich zusammenbrechen. Das geschieht dann, wenn der visuelle Mensch im wahrsten Sinne „aussichtslos“ ist. Ergänzend zur verbalen Sprache folgt oft die Körpersprache, um die Bilder zu beschreiben. Vor allem, wenn der Patient sehr emotional ist, malt er die Bilder mit seinen Armen und Händen nach und nutzt mit ausladenden Bewegungsabläufen seinen Gestaltungsraum. Dazu kommt, dass er auch gerne mit dem Zeigefinger hinweist und zeigt.

Verbundene Hirnregionen und Augenbewegungen

Menschen, die Informationen visuell verarbeitet haben und auf Bilder aus ihrer Erinnerung zurückgreifen, sind ständig mit den entsprechenden, darauf spezialisierten Hirnregionen unbewusst in Kontakt. Man unterscheidet zwischen konstruierten, also selbst zusammengebastelten, und visuell erinnerten Bildern. Diese Beziehung zwischen Erinnerungen und den zuständigen Hirnregionen lassen sich anhand von Augenbewegungen des Gesprächspartners verfolgen. Die Augen bewegen sich dabei nach oben links oder oben rechts, je nachdem, ob das Bild erinnert = links oder neu konstruiert = rechts ist.

Stellt man diesem Menschen eine Frage, lässt er gerne die Blicke schweifen. Diese Reaktion ist vor allem nach „W-Fragen“ oder offenen Fragen zu beobachten. Der Kommunikationspartner beginnt zu sinnieren. Die Augen von bevorzugt visuellen Menschen wandern dann nach oben. Manchmal ist es sogar so, dass das Kinn bzw. der ganze Kopf der Blickrichtung folgt. Man bekommt somit Augenzugangshinweise von seinem Gesprächspartner.

Ich sage das mit Bedacht, weil es sich um einen von mehreren Hinweisen handelt, wie der Gesprächspartner gerade wahrnimmt. Es gilt, auf die Worte und die damit beschriebenen Bilder zu achten, auf die Körpersprache und auf die Sprache der Augen. Erst das Gesamtbild gibt Klarheit! Auf den Punkt gebracht: Wenn man eine Frage stellt, dann empfiehlt sich, darauf zu achten, wie sich die Augen des Gegenübers bewegen. So erhalten wir einen Hinweis, welcher visuelle Suchprozess in ihm vorgeht.

Beachte: Bei Linkshändern ist dieses Verhalten manchmal seitenverkehrt.

Visuell wahrnehmende Menschen bevorzugen den bildhaften und schriftlichen Austausch als Basis für die ersehnte Heilung.

Ganz Ohr sein

Kommen wir nun zu Menschen, denen das gesprochene Wort, und zwar jedes einzelne, besonders wichtig ist: dem auditiven Typus.

Mit bewusst ausgesprochenen Worten, einer entsprechenden Betonung und angenehmer, vielleicht sogar sonorer Stimme, äußert sich der auditive Patient. Er bevorzugt eine eher langsamere Sprechweise, die immer wieder Pausen beinhaltet. Die Atmung ist entsprechend ruhig. Für einen visuell wahrnehmenden Menschen kann das sehr schwierig werden, weil er sich dabei nicht mitgenommen fühlt, denn die Sprechrhythmen sind völlig anders gelagert.

Auditive Menschen diskutieren gerne, suchen das Gespräch, den Austausch mit Worten und jenen mit sich selbst. Sie führen häufig innere Dialoge. Dabei wird vieles mit dem „inneren Diktiergerät“ besprochen. Das ist eine Bezeichnung für das auditive Erinnerungsvermögen, worüber diese Menschen verfügen. Sie treten quasi mit Aussagen, die sie aus der Vergangenheit abgespeichert haben, in Dialog. Das kann ungewollte Folgen haben: Unklarheit, Unverständnis und Unsicherheit können so entstehen.

In Gesprächen von „Auditiven“ werden gerne Sätze formuliert wie:

„Das hört sich gut an, was Sie sagen ...“
„Das klingt gut, was Sie mir empfehlen ...“
„Lassen Sie uns bitte noch mal über die Nebenwirkungen diskutieren ...“

Nonverbale Kommunikation des auditiven Typs

Körpersprachlich kann man oft beobachten, dass die Finger beim Hinhören auf den Lippen ruhen und beim Sprechen gerne von den Lippen zum Ohr wandern. Sich also nur in geringer Distanz vom Körper wegbewegen.

Bei diesem Typus bewegen sich die Augen des Sprechenden nach links unten, wenn dieser nach den passenden Worten sucht. Diese Verhaltensweise kann auf den Gesprächspartner mitunter irritierend wirken, denn nicht selten hieß es schon in der Kindheit: „Schaue den anderen an, wenn du mit ihm sprichst!“ Auditiv veranlagte Menschen ziehen das Telefongespräch mit klaren Aussagen und besprochenen Vereinbarungen einem persönlichen Treffen oder einer ausgiebigen visuellen Kommunikation vor.

Mehr als „nur“ ein Bauchgefühl

Kinästhetisch veranlagte Menschen benötigen die persönliche Begegnung. Ihnen ist die Nähe durch Berührung z. B. durch einen längeren Handschlag wichtig. Während eines Patientengesprächs kann es daher durchaus vorkommen, dass sie durch eine Berührung ihre Aussagen bekräftigen. Ein Dialog, der ausschließlich innerhalb der digitalen Welt oder am Telefon stattfindet, wirkt für sie eher distanziert und ist nicht im gleichen Maße erfüllend wie eine reale Begegnung. Oft sind sie einfühlsam und empathisch und nehmen auch die Stimmungslage des Gesprächspartners schon sehr früh wahr. Es ist ihnen wichtig, sich in ihrer eigenen Haut, Umgebung und Kleidung wohlzufühlen. Sie sprechen eher langsam, weil sie ihre Worte nachfühlen möchten, und dazu stehen, was sie sagen.

Typische Sätze können sein:

„Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Behandlungsmethode.“
„Die Krankheit bewegt mich.“
„Mir läuft es eiskalt den Rücken runter.“

Während des Sprechens wandern dabei die Pupillen gerne nach rechts unten.

Fazit

Wenn Sie nach diesen Kriterien hinhören und hinsehen, dann erhalten Sie wertvolle Hinweise über die Nutzung des jeweiligen Sinneskanals.

Sie können dann Ihre verbale oder nonverbale Sprache entsprechend anpassen, damit die „Chemie stimmt“ bzw. die „richtige Wellenlänge“ gegeben ist.

Ein Versuch lohnt sich, da eine gleichgesinnte Kommunikation eine wirklich heilbringende Form des Miteinanders ist.

Volker Siegle
Kommunikationstrainer, Moderator, Speaker

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. 

Fotos: ©WavebreakmediaMicro | adobe stock.com, ©Jimena | adobe stock.com, ©insta_photos | adobe stock.com, ©Volka | adobe stock.com