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Psychodynamik von Antreibern

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Vortrag auf dem „World Congress for Psychotherapy“, 12. bis 15. Oktober 2008, in Beijing, von Gabriele Frohme und Almut Schmale-Riedel

Herkunft des Konzepts der Antreiber

Das Konzept der Antreiber aus der Transaktionsanalyse (TA) ist ein sehr nützliches Modell, um die Psychodynamik des Selbstwertgefühls und dessen Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu verstehen. Die Transaktionsanalyse ist eine tiefenpsychologische Methode, gegründet vom Psychiater Eric Berne in den 50er und 60er Jahren in den USA.

Ein Kernstück der TA ist das Konzept der unbewussten Lebensskriptmuster, welche einen immensen Einfluss haben auf unser Denken, Fühlen und Verhalten. Antreiber sind ein Teil dieser Lebensskriptmuster. Antreiber können leicht entdeckt werden aufgrund unseres Verhaltens und typischer Denkmuster, wie sie sich in unseren inneren Dialogen zeigen.

In den 70er Jahren entwickelten Bernes Kollege Taibi Kahler und seine Mitarbeiter aus klinischen Beobachtungen heraus das Konzept der Antreiber. Durch das Studieren kurzzeitiger Verhaltenssequenzen wie Wortverwendung, Modulation, Mimik, Gestik, Körperhaltung und Wortwahl fanden sie die fünf typischen Antreibermuster heraus.

Definition von Antreibern

2009-04-Psychodynamik2Antreiber sind elterliche Botschaften an Kinder, die meist gutgemeint sind, aber ratschlagmäßig vorgeben, wie diese sich verhalten sollen, um den elterlichen Ansprüchen und Vorstellungen gerecht zu werden. Folgt ein Kind diesen Anweisungen, kann es sich der Anerkennung der Bezugspersonen ziemlich sicher sein. D.h., dann fühlt es sich akzeptiert. Mit den Antreibern hat das Kind quasi einen „Kompass“ zur Hand, der ihm in neuen Situationen sagt, wonach es sich richten kann, um die Zustimmung der anderen Menschen zu erhalten.

Antreiber gehen nach Taibi Kahler vom Eltern-Ich der Eltern/Bezugspersonen aus und richten sich an das Kind-Ich im Kind. So lernt dieses in der Beziehung durch entsprechende Verstärkung sozial erwünschtes Verhalten.

Das Kind verinnerlicht diese elterlichen Anweisungen in seinem Eltern-Ich, so wie es das Modell der Eltern introjiziert. D.h., in der Folge hat das Kind diese Antreiber in seinem eigenen Eltern-Ich abgespeichert und kann sie jetzt auch intrapsychisch abrufen.

Übersicht über die typischen Antreiber

In der transaktionsanalytischen Literatur werden vor allem die fünf von Taibi Kahler benannten Antreibern beschrieben:

Sei perfekt! Be perfect!

Beeil dich! Hurry up!

Mach‘s (anderen) recht! Please me (others)!

Sei stark! Be strong!

Streng dich an! Try hard!

Die Gestalttherapeutin und Transaktionsanalytikerin Mary Goulding hat die Liste ergänzt mit:

Sei vorsichtig! Be careful!

Die Antreiber treten als verbale und nonverbale Äußerungen in Erscheinung. Die Antreiber lassen sich nicht nur an der Verwendung bestimmter Floskeln, der Mimik, Gestik und Körperhaltung festmachen, sondern sie schaffen auch eine ganz besondere Atmosphäre.

„Sei perfekt!“

Worte: Oft werden von den Personen, die diese Antreiber haben, Einschübe verwendet: „Heute will ich Ihnen also, wie gesagt, etwas über die Antreiber erzählen“ oder: „Die Transaktionsanalyse ist, wie man sagen könnte, eine interessante Methode“.

Wortwahl und Satzbau für „Sei perfekt!“ weisen häufig Worte und Satzteile wie diese auf, mögen sie nun in Klammern gesetzt werden oder nicht. Sie sollen das Gesagte näher qualifizieren, weisen jedoch keine neuen Informationen auf. Typische Ausdrücke sind: sozusagen, wahrscheinlich, unter Umständen, gewiss, total, könnte man sagen, wie wir gesehen haben, …

Ein weiterer Hinweis liegt in der Eigenart des Sprechers, der einzelne Punkte dessen, was er zu sagen gedenkt, Ziffer für Ziffer oder Buchstabe für Buchstabe abhakt: „Wir befassen uns heute erstens …, zweitens …

Sprechweise: Die Stimme klingt oft nach ER. Satzmelodie und -rhythmus klingen ausgeglichen, die Tonhöhe ist weder besonders hoch noch besonders tief.

Gestik: Der Sprecher zählt die Punkte, die er mit Buchstaben oder Ziffern bei seinen Ausführungen gekennzeichnet hat, an den Fingern ab. Er streicht sich mit der Hand über das Kinn in der üblichen Geste des „großen Denkers“. Er legt die Fingerspitzen beider Hände so zusammen, dass sie einen spitzen Winkel bilden.

Gesichtsausdruck: Der Blick geht nach oben und zur Seite (weniger häufig nach unten), meist dann, wenn der Sprecher eine Pause macht. Es macht den Eindruck, als werde die perfekte Antwort oben an der Decke/an der Wand abgelesen. Gleichzeitig ist der Mund leicht verspannt und die Mundwinkel sind etwas nach außen gezogen.

Vorteile: Hier wird korrekt und akkurat gearbeitet, diese Menschen sind gut organisiert, können prima koordinieren und sind effektiv.

Nachteile: Vorschläge werden als negative Kritik aufgefasst, sie verlangen Perfektionismus und Vollkommenheit von sich und anderen, es fehlen Kreativität und Gelassenheit.

„Beeil dich!“

Worte: „Mach schnell!“ „Rasch, beeil dich!“ „Trödel hier nicht rum!” „Voran jetzt!” „Eben mal … machen!” „Kannst Du mal kurz …!” „Los jetzt!” „Auf geht’s!” „Aus Zeitgründen …!”

Sprechweise: Abgehackt wie ein Maschinengewehr. Die Sprecherin redet oft wahnsinnig schnell, dass sie Worte durcheinanderbringt oder verschluckt. Zuhörer schalten ab.

Gestik: Klopfen mit den Fingern, mit dem Fuß aufstoßen oder wippen, unruhig auf dem Stuhl herum rücken oder zappeln, und immer wieder schaut die Angetriebene auf die Uhr.

Gesichtsausdruck: ständig wechselnde und rasche Veränderung der Blickrichtung.

Vorteile: Die Vorteile sind, dass viel in kurzer Zeit erledigt wird, diese Menschen verfügen über eine hohe Auffassungsaufgabe.

Nachteile: Termine werden nicht eingehalten, es werden Fehler gemacht und diese Menschen werden schnell ungeduldig. Sie können nicht gut entspannen.

„Mach’s (anderen) recht!“

Worte: Jemand, der „anderen gefällig sein muss“, verwendet oft die Satzstruktur „hoch – aber tief“: „Ihr Vortrag hat mir sehr gut gefallen, aber ich weiß nicht, ob ich das alles behalten werde.“ „War doch ´ne tolle Party! Aber mein Gott, wie wird mir morgen der Kopf brummen!“ Häufig werden Worte eingefügt, mit denen der Sprecher sich nach der Reaktion erkundigt, z.B.: Nicht wahr? Hmhm? Verstanden? Verstehen Sie?

Sprechweise: In der Tonhöhe hoch, im Stimmklang etwas piepsend oder beinahe wimmernd, und die Satzmelodie geht am Ende jedes Satzes oder Satzteiles nach oben.

Gestik: Streckt die Hände aus, meistens mit der Handfläche nach oben. Nickt beim Sprechen mit dem Kopf und sitzt häufig nach vorn gebeugt.

Gesichtsausdruck: Jemand, der anderen „gefällig sein muss”, blickt sein Gegenüber sehr oft an und neigt den Kopf etwas. So muss er ihn mit hochgezogenen Augenbrauen von unten her ansehen. Das bedeutet wiederum, dass er seine Stirn in waagerechte Falten legt. Gleichzeitig nimmt der Mund eine Form an, die an ein Lächeln erinnert, doch im Vergleich zu einem echten Lächeln ist der Gesichtsausdruck bei „Sei gefällig / Mach’s recht!“ verspannter. Die obere Zahnreihe ist dabei oft entblößt und manchmal sieht man auch die untere.

Vorteile: Diese Menschen sind gute Teammitglieder, sie haben eine gute Intuition für zwischenmenschliche Beziehungen, sie fördern Harmonie und Zusammenhalt.

Nachteile: Sie entwickeln keinen eigenen Standpunkt, grenzen sich nicht ab, sind unsicher und können schlecht „nein” sagen (Burnout).

„Sei stark!”

Worte: Jemand mit dem „sei stark”-Antreiber gebraucht oft Worte, die die Botschaft andeuten: „Meine Gefühle und meine Handlungen habe nicht ich zu vertreten, sondern sind durch äußere Einflüsse hervorgerufen worden“, d.h. Gefühle werden versachlicht.

„Sie machen mich wütend!”
„Das Buch langweilt mich zu Tode!”
„ … und dann kommt diese Nervosität!”
„Sein Verhalten hat mich gezwungen, zurückzuschlagen!“
„Das Milieu dieser Stadt ruft Gewalttaten hervor!”

Spricht die Person von sich selbst, so verwendet sie meist das Wort „man“ oder entsprechende Ausdrücke, bei denen sie zu sich auf Distanz geht. Oder die Worte „Wie die Situation es erforderte …“,  „es”, „das” und dergleichen werden verwendet.

„Das tut wohl” (gemeint ist: Ich fühle mich jetzt wohl – oder: Ich fühle mich dabei wohl).

„Solche Situationen bringen einen ganz schön unter Druck.”
„Da kriegt man ja beinahe Angst.”
„Das freut einen ja dann auch.”

Sprechweise: Unbewegt, monoton, im Allgemeinen leise.

Gestik: Bei „Sei Stark!” wird jede Gestik möglichst vermieden.

Gesichtsausdruck: Das Gesicht wirkt eher starr, ausdrucks- und bewegungslos.

Vorteile: Diese Menschen bewahren Ruhe in Krisen und kritischen Situationen, sie treffen unpopuläre Entscheidungen und arbeiten gleichmäßig und zuverlässig.

Nachteile: Sie fragen nicht nach Hilfe, zeigen ungern Gefühle, sodass nach außen nur eine Maske sichtbar ist, überfordern sich auf Dauer (Burn-out).

„Streng dich an!”

Worte: „Versuchen” ist eines der Worte, die eine „Streng dich an!”-Angetriebene häufig verwendet.

„Was ich Ihnen zu sagen versuche, ist …” „Ich will mal versuchen, das, was wir ausgemacht haben, zu tun.”

Wenn das Wort „versuchen“ mit diesem Antreiber zusammenhängt, dann klingt dabei immer auch „Ich will versuchen, es zu tun – statt dass ich es wirklich tue“.

Weitere typische Ausdrücke sind. „schwierig“, „kann nicht“, „Wie bitte …?“, „Was war das noch?“, „Versteh ich nicht“, „Es fällt mir schwer“. Auch fragende Ausdrücke wie „Hää …?“

Sprechweise: Der Sprecher verspannt manchmal die Muskeln am Hals und um den Kehlkopfbereich, sodass die Stimme gequält oder belegt klingt. Das wirkt leicht unfrei, als müsse der Sprecher gegen irgendeinen Druck ankämpfen und sich zu jeder Silbe neu zwingen.

Gestik: Der Sprecher ballt oft die Fäuste oder legt die Hand an die Augen oder ans Ohr, als gäbe er sich die größte Mühe, etwas zu sehen oder zu hören.

Gesichtsausdruck: Wenn der Sprecher seine Stirn zusammenzieht, sodass senkrechte Falten entstehen, dann ist der „Streng dich an!“-Antreiber wirksam. Oft sind auch die Augen zusammengekniffen. Das ganze Gesicht wirkt dann oft verbissen, weil so viele Falten das Gesicht durchziehen.

Vorteile: Diese Menschen zeigen Initiative, sind interessiert und gehen neue Aufgaben an. Sie eignen sich dazu, schwierige Projekte in Gang zu bringen und sind bereit, viel Fleiß und Schweiß einzubringen.

Nachteile: Sie arbeiten zu viel, setzen keine Prioritäten. Es zählt nicht das Resultat, sondern die Anstrengung. Spaß darf nicht dabei sein.

Jede Familie, jede Kultur hat ihre bevorzugten Antreiber. In der Einschätzung der Klienten und in der Therapie ist das zu berücksichtigen, um Klienten nicht zu sehr damit zu pathologisieren.

Die Psychodynamik und die Auswirkungen der Antreiber

Die folgende Grafik zeigt, wie Antreiber innerpsychisch eine Dynamik auslösen, die auf der Basis eines mangelnden Selbstwertgefühls entsteht und diesen Mangel letztlich verstärkt, wie in einem Teufelskreis.

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Wird die Klientin vor eine Aufgabe oder ein Problem gestellt oder kommt sie in eine Situation, die neu oder stressig ist, kann bei Selbstunsicherheit bzw. mangelndem Selbstwert sofort die Frage auftauchen: „Was soll ich tun?“. Verinnerlichte Antreiber, wie automatische Gedanken, springen hier ein und geben einen Rat – nach alten Mustern, hier z.B. mit dem Antreiber: „Mach‘s anderen recht“. Die Erfahrung daraufhin fällt zuerst positiv aus: So werde ich akzeptiert. Die logische Schlussfolgerung allerdings zeigt dann bereits den Haken, das Dilemma: Unter dem Antreiber wird die Skriptbotschaft sichtbar: „Ich bin nicht wichtig“ – ein wohlbekanntes Gefühl folgt. Um aus dieser Negativschleife herauszukommen, wird die Klientin versuchen, es beim nächsten Problem besser zu machen, es diesmal wirklich den anderen recht zu machen, damit sie diesmal okay ist.

Antreiber stehen also häufig in direktem Zusammenhang mit darunterliegenden, meist unbewussten Skriptbotschaften, auch Grundgebote genannt. Die Antreiber können gegenläufig sein, also scheinbar das Grundgebot aufheben oder es direkt verstärken.

  • Der Antreiber hebt das destruktive Grundgebot auf bzw. bietet eine Möglichkeit, trotzdem Anerkennung zu bekommen. Beispiel: So lange Menschen dem Antreiber „Sei anderen gefällig“ folgen, müssen sie dem Grundgebot: „Sei nicht“ nicht gehorchen. Sie sind quasi „gerettet“ (Berne). Das Problem ist, dass die Menschen trotzdem oft eher der geheimen Botschaft folgen als der offenen (Gouldings).


  • Der Antreiber ist dem destruktiven Grundgebot entgegengesetzt. Z.B. einem Mädchen wird vermittelt „Sei nicht du selbst (Sei ein Junge)“ und wird aufgefordert, nur Röcke und Kleider zu tragen. („Streng dich an“, ein Mädchen zu sein – obwohl du keines sein solltest!). Die Folge ist ständige Ambivalenz gegenüber der eigenen Geschlechtsrolle.


  • Der Antreiber und das destruktive Grundgebot gehen in die gleiche Richtung. Dem Kind wird aus allen drei Ich-Haltungen der Eltern vermittelt, dass es „nicht sein soll“, oder „nicht wichtig sein soll“ oder „nicht groß werden soll“ etc.

In solchen Fällen hat es das Kind besonders schwer, die Botschaften zurückzuweisen.

Beispiel: „Sei nicht“ und „Arbeite hart“. Er arbeitet ununterbrochen hart, so hart, dass er eventuell vor Erschöpfung zusammenbricht oder einen Herzinfarkt bekommt.

Die Antreiber beeinflussen uns auch noch als Erwachsene. Sie sind uns oft auch nur zu einem kleinen Teil bewusst. Zumindest ihr Ausmaß und ihr Einfluss auf unser Selbstwertgefühl bleiben gerne verborgen – für viele Menschen ist es nach wie vor schwer, sich selbst bedingungslos anzunehmen.

Folgen wir unserem Antreiber, meinen wir, uns die Achtung oder die Liebe der anderen zu sichern, aber in Wirklichkeit können sie unseren Mangel an Selbstwert nur verstärken. „Werde ich auch geliebt und respektiert, wenn ich bin, wie ich wirklich bin?”

Antreiberverhalten kann also unsere Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe und Anerkennung nicht erfüllen.

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Therapeutischer Umgang mit Antreiberverhalten Grundsätzliches zur Arbeit an Antreibern

In Beratung und Coaching können wir gut mit den folgenden Methoden von Punkt 2 bis 6 arbeiten, die weiteren sind für das therapeutische Setting gedacht.

Antreiber können mit etwas Übung von Beratern/Therapeuten schnell erkannt werden. Wieweit die Klienten schon bereit sind zur Aufdeckung, ist eine grundsätzlich andere Frage. Und dies bedarf sorgsamer Überlegung, wenn wir berücksichtigen, welch wichtige Funktion die Antreiber haben in der inneren Psychodynamik und unter systemischen Aspekten: Sie sichern Anerkennung. Liegen tief verwurzelte negative Grundbotschaften zugrunde, so können diese durch Arbeit und Lockerung der Antreiber „aktiv“ werden und möglicherweise gegensteuern oder sabotieren.

Hören die Klienten auf, ihren Antreibern zu folgen, mag das erst mal eine neue Freiheit eröffnen, aber mitunter auch ein Angst- und Unsicherheitsgefühl hervorrufen: Woher bekommen sie jetzt die „sichere“ Anerkennung von außen? Und sind sie bereit, darauf zu verzichten zugunsten mehr eigener Freiheit, aber mitunter auch mehr Konflikten? Gute therapeutische Vertragsarbeit ist hier nützlich und schutzvoll.

Die Antreiber werden anhand der Worte, Gestik, Mimik, Körperhaltung und Sprechweise erkannt und können dem Klienten durch empathisches Feedback bewusst gemacht werden. Er kann dann reflektieren, ob er sich entsprechend verhalten will oder etwas daran ändert.

Enttrübungsarbeit

Durch kognitive Reflektion – angeregt durch unsere Fragen – können die Klienten die Herkunft ihrer Antreiber aufspüren. Hinweis auf die Lerngeschichte von Antreibern hilft auch, diese zu entpathologisieren. Wichtige Fragen an den Klienten:

  • Ist dies ein für sie typisches Kindheitsmuster, um die Anerkennung und Liebe der Bezugspersonen zu bekommen?
  • Ist es die angemessene Art und Weise, sich heute als Erwachsene zu verhalten?
  • Haben die Klienten eine freie und erwachsene Wahl,  sich heute zu verhalten?
  • Was wäre das angemessene und gesunde Verhalten für diese Situation im Hier und Jetzt?

Erlaubnisarbeit

Die Arbeit mit Erlaubnissen ist eine typische transaktionsanalytische Methode zur Entschärfung von Antreibern und darunterliegenden Skriptbotschaften. Es ist eine Interventionsmöglichkeit, die einem destruktiven Gebot oder Verbot der Eltern entgegengesetzt wird.

Zeigt ein Klient z.B. die Antreiberdynamik: „Ich bin nur okay, wenn ich stark bin“, können wir die Erlaubnis dahingehend geben, offen zu sein und die eigenen Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. So kann z.B. für eine Nachwuchsführungskraft die Erlaubnis erleichternd sein, Arbeiten zu delegieren und nicht mehr alles selber zu machen. Ziel ist es, dass der Klient die Erlaubnis, die wir in „elterlicher Funktion“ erteilen, in sein fürsorgliches Eltern-Ich integriert, damit er sich aus diesem künftig selber die Erlaubnis geben kann.

Noch mehr autonomiefördernd ist es, wenn wir den Klienten helfen und/oder darin unterstützen, sich ihre neuen Erlaubnisse selbst zu erarbeiten. Wenn sie guten Kontakt zu ihrem inneren Kind und ein gesundes Erwachsenen-Ich haben, ist ihnen dies meist möglich.

Auch die Gesprächstechnik der Dissoziation kann hier hilfreich sein: „Was würde eine Ihnen wohlgesonnene kompetente Person sagen bzw. Ihnen erlauben (bezogen auf den jeweiligen Antreiber)?“

Qualitätsmerkmale für effektive und heilsame Erlaubnisse

  • Der Erlaubnissatz ist dann treffend formuliert, wenn die Klienten das Gefühl haben, dass dieser Satz genau den Kern trifft.
  • Für o.a. Beispiel könnte einer der Erlaubnissätze auf das Antreiberverhalten „Sei stark!“ wie folgt lauten:
    Ich darf meine Gefühle und Empfindungen spüren und leben.
    Ich darf um Hilfe fragen.
    Ich darf Gefühle und Gedanken gleichzeitig haben.
  • Der Erlaubnissatz muss in der Realität im Hier und Jetzt angemessen sein.
  • Er muss den Klienten eine freie Wahl ermöglichen, wie sie denken, fühlen und sich verhalten wollen, und nicht eine neue Anweisung sein!
  • Die Klienten sollen in den Prozess der Entwicklung neuer Erlaubnisse involviert sein.
  • Die Klienten müssen den neuen Erlaubnissatz nicht nur kognitiv, sondern auch emotional spüren und annehmen können.
  • Das Anwenden neuer Erlaubnisse bedeutet nicht, nur nach dem Lustprinzip zu leben.

Gute und heilsame Erlaubnisse helfen, sich zu entwickeln und Probleme zu lösen mit Respekt für sich selbst und die anderen Menschen.

Beziehungsorientierte Therapie: antithetisches Beziehungsangebot des Therapeuten

In Verknüpfung mit dem Konzept der Erlaubnisse ist für den Beratungs- und Therapiebereich das sogenannte „antithetische Verhalten“ von großer Bedeutung. Die Antithese besteht aus einer ganz bestimmten und bewussten „Anti-Haltung“ des Beraters gegenüber dem Klienten bzw. gegenüber dessen Skriptsystem und seinen Antreibern. Es hilft der Therapeutin/dem Berater, eine andere Atmosphäre herzustellen, damit die Klienten ihre Antreiberdynamik deeskalieren können. Diese andere Atmosphäre kann so aussehen, dass wir bei einer Patientin/ Klientin mit dem Antreiber „Beeil dich!“ uns bewusst und entspannt zurücklehnen (nonverbale Transaktion) und durch langsames Reden (Stimulus) signalisieren, dass wir Zeit haben (antithetisch). So drücken wir aus, dass wir zuhören und die Klientin verstehen wollen.

Es gibt uns die Möglichkeit, auf das Antreiberverhalten der Klientin zu reagieren, ohne es verbal zu konfrontieren (gekreuzte Transaktionen auf der psychologischen Ebene). Das antithetische Verhalten wirkt auf die Klientin einladend, sich abweichend von ihrem Antreiber zu verhalten (hin zu verbalen und nonverbalen Paralleltransaktionen). Es kann bei Ankopplung des Klientenverhaltens an den Therapeuten/Berater der erste Schritt dazu sein, auch zukünftig immer öfter aus dem Antreiberverhalten auszusteigen.

Die Arbeit an der Grundeinstellung „ich bin okay – du bist okay“ ist ein weiterer wichtiger Bereich. Hier gilt es, bei dem Muster „Ich bin nicht okay“ die: „Ich bin okay“-Haltung der Klienten zu stärken, z.B. dadurch, dass mit den Klienten erarbeitet wird, dass sie auch ohne auf die Antreiber zu reagieren okay sind und neues Verhalten ausprobieren dürfen.

Bei Klienten, die die Grundeinstellung (+/-) haben, erfolgt die Arbeit an ihrer Haltung, warum sie evtl. andere abwerten müssen, um sich selbst aufzuwerten (darunterliegende Haltung: Ich bin nicht okay).

Verhaltenstraining

Haben sich die Klienten mit unserer Unterstützung neue Sichtweisen und Erlaubnisse erarbeitet, gilt es, diese in der Praxis umzusetzen und einzuüben. Alle methodischen Schritte des Verhaltenstrainings können hier angewendet werden: Rollenspiel in der Imagination, in der Therapiesituation, in der Realität, Hausaufgaben usw. Diese Arbeit kann durch Verstärker (Strokes) unterstützt werden.

Vertiefte therapeutische Arbeit mit darunterliegenden Skripteinschärfungen

Wenn in der Therapie Antreiber gemildert werden, kann das für viele Klienten sehr erleichternd sein. Es kann aber auch die darunterliegende Skriptdramatik sichtbar werden: Fehlt den Klienten jetzt die Sicherheit, wie sie Strokes und Anerkennung bekommen, dann kann vermehrt innere Unsicherheit, Selbstzweifel und Depression hochkommen. Das ist dann ein Hinweis auf darunterliegende Skriptbotschaften, die Basis der Selbstwertproblematik. Wird dieses sichtbar, dann ist hier weitere therapeutische Arbeit sinnvoll bzw. notwendig: die Analyse und Veränderung der zugrundeliegenden Lebensskriptmuster. Das ist in der Regel Aufdeckung der individuellen Entwicklungsgeschichte, meist auch in Zusammenhang mit den systemischen Verstrickungen und transgenerationalen Problemen. Auf die vielfältigen Möglichkeiten dieser therapeutischen Arbeit kann hier im Rahmen dieses Artikels nicht umfassend eingegangen werden.

Zwei therapeutische Konzepte sollen im Folgenden kurz gestreift werden. Auch hier verweisen wir auf weiterführende Literatur.

Neuentscheidungstherapie

Ist in der therapeutischen Arbeit ein grundlegendes Skriptmuster aufgedeckt worden, kann dieses mit der speziellen Technik der Neuentscheidungsarbeit bearbeitet und aufgelöst werden. Die Methode haben die beiden Gestalttherapeuten und Transaktionsanalytiker Bob und Mary Goulding entwickelt. Nach der Identifizierung der Skriptgrundbotschaft, der dazugehörigen Entstehungssituationen in der Lebensgeschichte, d.h. in der Ursprungsfamilie, können die Klienten in der therapeutischen Durcharbeitung dieser Ursprungssituation entdecken, was damals ihre kindliche Entscheidung war, die sich in das Lebensskript hemmend eingravierte. Dann können sie diese Entscheidung mit Unterstützung des Therapeuten verändern und zu einer neuen Entscheidung bezüglich sich selbst, des eigenen Wollens und Handelns kommen.

Dies kann in regressiver Arbeit mit frühkindlichen Szenen passieren und hier sind gestalttherapeutische Methoden eine gute Hilfe.

Aber auch im Hier und Jetzt können Klienten zu neuen Entscheidungen bezüglich ihrer Glaubenssätze und Grundmuster kommen, die sich befreiend und förderlich auf ihre Persönlichkeitsentfaltung auswirken.

Enttrübungs- und Entwirrungsarbeit des verinnerlichten Eltern-Ichs

Bei jeglicher Veränderung der Skriptglaubenssätze muss die Therapeutin darauf achten, wie die verinnerlichten elterlichen Botschaften in den Klienten deren innere Psychodynamik beeinflussen und welche Power und evtl. Unerbittlichkeit diese haben. Erarbeiten wir mit den Klienten statt der alten Antreiber neue Erlaubnisse, so kann das eine innerpsychische Bestrafung durch das Eltern-Ich zur Folge haben. Das sind natürlich unbewusste Prozesse. Die Klienten können in eine innere Ambivalenz geraten: Folgen sie den neuen Erlaubern aus der Therapie oder den alten Eltern-Ich- bzw. Über-Ich-Mustern. Dieser innere Loyalitätskonflikt kann sich auch so auswirken, dass Klienten die Therapie abbrechen, psychosomatisch erkranken oder sich unbewusst sabotieren bezüglich des Therapieerfolges.

Stellen wir ein stark beeinflussendes Eltern-Ich fest, ist dieses in die Therapie mit einzubeziehen. Dieses ist möglich durch Gestalt-Stuhlarbeit mit den verinnerlichten Eltern-Figuren, durch systemische Arbeit wie Aufstellungen oder durch gezielte Techniken der Transaktionsanalyse wie Eltern-Ich-Interview und Eltern-Ich-Lösung (s. Literatur Hennig/Pelz).

Vom Antreiber zur Autonomie

In Antreibermustern stecken neben den Einschränkungen auch Ressourcen und Stärken.

So kann jemand mit dem Antreiber „Sei perfekt“ auch wirklich sehr gute, d.h. perfekte Arbeit leisten, was in vielen Bereichen ja auch notwendig ist. Der Antreiber „Mach’s recht“ beinhaltet die Stärke, sich ganz auf einen anderen Menschen einzustellen und eigene Bedürfnisse zurückstecken zu können. Das ist eine wichtige Fähigkeit und Tugend, die für gelingende Beziehungen hilfreich ist, wenn sie nicht übertrieben und einseitig gelebt wird.

Der Schlüssel zur Entwicklung und Gesundung liegt in der Autonomie bzw. Selbstbestimmung: Ist sich die Person ihrer Antreiber bewusst? Und kann sie sich frei entscheiden, ob sie in den jeweiligen Situationen ihrem Antreiber folgen will und in welchem Maße, weil sie es bewusst und in autonomer Verantwortung tut?

Das Selbstwertgefühl steigt mit jedem Mal, wo Menschen sich authentisch verhalten, d.h. so, wie es ihnen entspricht und wie sie es frei wählen, und nicht nur aus (blinder) Anpassung an die Umgebung.

Mit dieser inneren Freiheit, sich zu verhalten, sind sie dann auch nicht mehr abhängig von der Zustimmung anderer, sie stimmen sich selber zu, schätzen sich selber. So leben sie sich, wie sie sind, und nicht nur, wie sie sein sollten, und lassen sich ein auf das Leben, auf Beziehungen, auf Liebe.

Literaturangaben:
Berne, Eric. Was sagen Sie, nachdem Sie Guten Tag gesagt haben? Fischer TB, 2007 Goulding, Bob und Mary. Neuentscheidung.
Ein Modell der Psychotherapie, Klett-Cotta, 2005 Hennig, Gudrun/Pelz, Georg. Die Transaktionsanalyse, Handbuch für Beratung und Psychotherapie, Junfermann Verlag, Juni 2002
Joines, Vann/Stewart, Jan. Die Transaktionsanalyse. Herder Verlag 2009

Gabriele FrohmeGabriele Frohme, Jahrgang 1960, Psychologische Psychotherapeutin, Heilpraktikerin, Lehrende Transaktionsanalytikerin unter Supervision (PTSTA) der DGTA und EATA, Leiterin des Wuppertaler Instituts für Transaktionsanalyse sowie eigene Heilpraktiker-Praxis: Einzel-, Paar- und Gruppentherapie, Supervision, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen und Autogenes Training nach Schulz. Transaktionsanalytische Seminare, Referentin auf verschiedenen Kongressen im In- und Ausland.

Almut Schmale-RiedelAlmut Schmale-Riedel, M.A., Jahrgang 1950, verheiratet, 2 erwachsene Kinder. Studium Pädagogik, Psychologie und Soziologie, TZI-Diplom, Heilpraktikerin, Supervisorin und Coach, (EAS e.V.), Lehr-Transaktionsanalytikerin (TSTA) für Psychotherapie und Beratung (DGTA, EATA, ITAA), Energetische Psychotherapie und Traumatherapie, ROMPC®-Therapeutin. Fortbildung in Methoden der Humanistischen Psychologie (Gestalt, Körperarbeit, Meditation, schamanische Arbeit, Systemische Aufstellungsarbeit, Integrative Psychotherapie).
Seit 22 Jahren Dozentin für Psychotherapie (HPrG) für die Deutschen Paracelsus Schulen, Psychotherapie in eigener Praxis (Einzeln, Paare, Gruppen), Leiterin des Fortbildungsinstitutes TEAM in Gilching, Supervisionsgruppen, Einzel- und Team-Supervision, als Lehrtherapeutin tätig in Deutschland, Österreich, der Schweiz und auf internationalen Kongressen.