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Übergabe des Eckpunktepapiers zum Heilpraktikerberuf an Gesundheitsminister Spahn

Redakteur Jens Heckmann (JH) im Interview mit VFP-Präsident Dr. Werner Weishaupt (WW)

heilpraktiker gesundheitsminister

Das Bundesgesundheitsministerium plant die Umgestaltung des Heilpraktikerberufs – bislang, ohne mit den Betroffenen selbst zu reden. Ende Juni meldeten sich Vertreter namhafter Heilpraktikerverbände zu Wort: In einem Eckpunktepapier fordern sie von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unter anderem die Einbindung in den Diskussionsprozess, die weiterhin unabhängige Berufsausübung und die Sicherung der Methoden- und Therapiefreiheit.
Dr. Werner Weishaupt, Präsident des VFP, erneuerte im Rahmen des Berlin-Besuchs seine Forderung, die Diskussion um die Arbeit der Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie (immer m/w/d) auf eine neue Basis zu stellen.

J.H.: Herr Dr. Weishaupt, der Bundesgesundheitsminister gilt nicht gerade als Freund des Heilpraktikerwesens. Hinzu kommt die intensive Lobbyarbeit bestimmter Interessengruppen gegen die Heilpraktiker. Vor diesem Hintergrund befürchten Patienten, aber auch Mitglieder, Jens Spahn wolle den Beruf ganz abschaffen.

WW: Diese Befürchtung ist unnötig. Eine Abschaffung ist mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren und ließe sich verfassungsrechtlich nicht durchsetzen. Viel eher steht die Frage im Raum, was Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie in Zukunft noch dürfen sollen und was nicht: Wie steht es künftig um die Methoden- und Therapiefreiheit? Und wie unabhängig können Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie künftig noch arbeiten?

J.H.: In dem an Spahn überreichten Eckpunktepapier haben die Verbandsvertreter diesbezüglich klar Stellung bezogen.

WW: Richtig. Ich spreche natürlich nur für die Heilpraktiker für Psychotherapie, kann aber sagen: Wir stehen mit unserer Forderung nicht allein. Auch aus der Politik – und damit meine ich auch die Regierungskoalition – kommt Unterstützung. Das Berliner Treffen wurde zum Beispiel vom Bundestagsabgeordneten Alexander Krauß initiiert, selbst ein CDU-Mann. Er hält es für wichtig, dass die Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie in dieser Diskussion geschlossen auftreten. Und natürlich setzen wir auf die Unterstützung durch die Patienten. Es kann nicht in ihrem Sinne sein, sich ein Stück Selbstbestimmung und Wahlfreiheit nehmen zu lassen. Gerade nicht, wenn es um die Gesundheit geht.

J.H.: Dass Pharma- und Gesundheitsindustrie wenig Interesse an einem unabhängigen Heilpraktikerwesen haben, liegt auf der Hand – damit können sie kein Geld verdienen. Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums spricht doch aber vieles für die Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie: Die Patienten bezahlen deren Leistungen selbst. Das entlastet das Gesundheitswesen. Und niemand würde für etwas bezahlen, was ihm oder ihr nichts bringt. Die Arbeit der Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie kann also nicht so schlecht sein. Woher rührt also wohl die Skepsis gegenüber dem Berufsstand?

WW: Wir sind Teilen der Politik und leider auch der Bundesregierung schlicht suspekt. Zum Teil liegt das an der – leider erfolgreichen – Arbeit finanzkräftiger Lobbyverbände. Dann sind wir der Kontrolle des Gesundheitsministeriums und der Krankenkassen weitgehend entzogen. Ein weiterer Grund ist, dass wir auch – keineswegs nur, aber eben auch – mit Methoden arbeiten, die in Deutschland wissenschaftlich nicht anerkannt sind. Und das ist oft das Totschlagargument unserer Kritiker.

J.H.: Aber eine wissenschaftliche Grundlage macht doch Sinn, oder? „Nur mithilfe der Mathematik …

WW: … kann man wirklich wissen. Denn in jeder Wissenschaft steckt nur so viel Wahrheit, wie in ihr Mathematik steckt“, Roger Bacon, ich weiß. Und genau das ist der Punkt: Es wäre doch wirklich vermessen zu glauben, die Wissenschaft hätte bereits sämtliche Wechselwirkungen in einem so komplexen Organismus wie dem Menschen erkannt. Jeder Mensch ist anders, wird von seiner Umgebung anders geprägt, ist anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Was mit dem Menschen und insbesondere mit seiner Psyche zu tun hat, ist keine exakte Wissenschaft. Kann es gar nicht sein. Dazu gibt es viel zu viele Parameter, Variablen und individuelle Wechselwirkungen zwischen Körper, Geist und Psyche. Und die wissenschaftliche Anerkennung ist ja auch keine Garantie für einen Behandlungserfolg.
Tatsache ist doch, dass nicht jede anerkannte Methode allen Menschen mit den gleichen Beschwerden gleichermaßen hilft. Wenn wir es hier mit einer exakten Wissenschaft zu tun hätten, dann müsste das aber ja so sein, oder nicht? Ich gebe Ihnen Recht, Wissenschaft ist wichtig. Wir wollen ja nicht zurück ins Mittelalter. Aber der Wissenschaft etwas zuzusprechen, was sie – noch – nicht leisten kann, ist schädlich. Und schadet übrigens auch der Wissenschaft.

J.H.: Woran sollen sich Heilpraktiker für Psychotherapie dann also orientieren, wenn nicht an der Wissenschaft? Oder soll jeder machen können, was er will?

WW: Natürlich nicht. Unsere Gegner behaupten ja gern, wir würden pauschal mit nicht wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten. Das ist Unsinn. Es gibt kaum einen Heilpraktiker für Psychotherapie, der nicht mit Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie, EMDR und Ähnlichem arbeitet. Aber wir verfügen eben noch über zusätzliche Methoden, die unsere Möglichkeiten erweitern und individuellere Therapien erlauben. Und, nicht zu vergessen: Einige dieser Methoden waren bis vor wenigen Jahren auch „wissenschaftlich nicht anerkannt“ – die Hypnosetherapie zum Beispiel oder die Akupunktur.

J.H.: Das bringt uns zu einem weiteren Kritikpunkt: Die Ausbildung zu Heilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie sei, wird behauptet, lächerlich einfach. Man müsse lediglich einen Multiple-Choice-Test bestehen.

WW: Von wegen! Wer Heilpraktiker für Psychotherapie werden will, muss sich zuallererst und vor allen Dingen umfangreiche schulmedizinische und psychologische Kenntnisse aneignen. Ohne dieses Wissen hat man nicht die leiseste Chance, die Prüfung zu bestehen. Das müssen wir auch gegenüber der Politik noch viel stärker deutlich machen. Und obendrauf, als Kür, kommen dann Methoden wie zum Beispiel die Kinesiologie oder die Osteopathie.

Ich will aber noch mal zurück zu all den – tatsächlich oder vermeintlich – wissenschaftlich nicht belegbaren Methoden. Zum Teil sind diese Methoden in Deutschland nicht anerkannt, in unseren europäischen Nachbarländern, in den USA usw. aber sehr wohl. Und dann gibt es immer wieder ernsthafte und gut geführte Studien aus dem Ausland, von denen die Schulmedizin in Deutschland wenig bis nichts erfährt – einfach, weil die Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht im Interesse der Lobbyisten aus dem Pharmaund Gesundheitswesen liegen. Und von dort kommt ein großer Teil der Gelder für Forschung, Entwicklung und Öffentlichkeitsarbeit.

J.H.: In Berlin haben Sie vorgeschlagen, die Diskussion um Zukunft und Arbeit der Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie auf eine andere Grundlage zu stellen.

WW: Ganz genau. So wie bisher kommen wir nicht weiter. Beide Seiten haben ihre Argumente zigmal ausgetauscht. Im Kern muss doch die Gesundheit der Menschen stehen. Das hat Priorität. Da muss es doch bei Licht betrachtet zunächst einmal völlig unerheblich sein, ob eine Methode anerkannt ist oder nicht. Dass die Krankenkassen nur anerkannte Therapieweisen bezahlen wollen, ist für mich nachvollziehbar, weil sie meinen, damit die Kosten im Rahmen halten zu können. Persönlich habe ich da Zweifel, aber aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann man das sicher so rechnen.

J.H.: Aber die Kostenfrage stellt sich doch bei den Heilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie ohnehin nicht?

WW: Eben! Wer sich an einen Heilpraktiker oder Heilpraktiker für Psychotherapie wendet, bezahlt dessen Leistung in der Regel aus eigener Tasche. Die erbrachte Leistung muss also ja wohl überzeugen, sonst würde sie doch niemand in Anspruch nehmen!

J.H.: Wie sollte also die von Ihnen geforderte „andere Grundlage“ aussehen?

WW: Das Beharren auf der wissenschaftlichen Anerkennung wird für ein künstliches Gegeneinander instrumentalisiert, für ein „Wir oder die“. Das ist überflüssig und schädlich. Überflüssig, weil es zum einen eine Vielzahl von Schulmedizinern gibt, die gerne und schon seit Jahren eng mit Heilpraktikern für Psychotherapie zusammenarbeiten und weil sich Schulmedizin und Komplementärmedizin eben nicht ausschließen, sondern ganz hervorragend ergänzen. Das zeigen auch aktuelle Studien aus Patientensicht: Kaum jemand, mag er oder sie auch noch so überzeugt vom Heilpraktiker für Psychotherapie sein, geht nur zu diesem. In über 90 % der Fälle nutzen die Menschen beide Angebote – und das, obwohl sie, wie gesagt, den Heilpraktiker für Psychotherapie in aller Regel selbst bezahlen müssen.

Und schädlich ist das Beharren auf der wissenschaftlichen Belegbarkeit zunächst natürlich aus Patientensicht: Ihnen bliebe dann nur noch die Schulmedizin. Wer dort als austherapiert gilt und immer noch Beschwerden hat - und das ist ja nun nicht so selten - der hätte bezogen auf unseren Fachbereich ohne die Heilpraktiker für Psychotherapie und ihre Möglichkeiten schlicht Pech gehabt und müsste mit seinem Leiden leben. Davon ganz abgesehen würde sich die Medizin kaum noch in die Breite entwickeln: Wie gesagt, galten die Wirkung von beispielsweise Hypnose und Akupunktur vor einigen Jahren ebenfalls noch als nicht belegt. Wenn solche Methoden gar nicht mehr angewandt werden dürften – warum sollte man sich die Mühe machen, ihre Wirkweise nachzuvollziehen? Es geht nicht um „entweder – oder“ sondern um „sowohl – als auch“.

J.H.: Sie sprechen sich also für einen Dialog auf Augenhöhe zwischen Vertretern der Schul- und der Komplementärmedizin aus.

WW: Richtig. Wenn die Politik tatsächlich das Wohl der Patienten in den Fokus nimmt, ist ein offener Dialog der Weg. Dabei muss es natürlich Regeln zum Schutz der Patienten geben und der VFP ist ganz klar für eine Vereinheitlichung von Ausbildungsund Qualitätsstandards. Es wäre aber Unsinn, die Heilpraktiker für Psychotherapie zu einer Art medizinischer Hilfskräfte zu degradieren. Dadurch würden wir in Deutschland eine wichtige Komponente für die Versorgung der Patienten verlieren. Bei allen Reformen der krankenkassenfinanzierten Psychotherapie liegt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapiebeginn immer noch bei 4-5 Monaten! Hier können Kollegen in aller Regel innerhalb einer Woche einen Termin anbieten und den Betroffenen Entlastung verschaffen.

J.H.: Wie werden der VFP und Sie als sein Präsident mit dem Thema weiter umgehen?

WW: Wir bleiben im Gespräch mit den Politikern und hier zunächst vor allem mit jenen, die uns offen gegenüberstehen und Argumenten zugänglich sind. Derzeit erarbeiten wir gemeinsam mit anderen Berufsverbänden eine umfangreiche juristische Stellungnahme zum offiziellen Gutachten des BMG. Parallel appellieren wir an die Patientinnen und Patienten, „ihren“ Bundestagsabgeordneten gegenüber deutlich zu machen, dass und warum sie gegen eine Einschränkung der heilpraktischen psychotherapeutischen Arbeit sind.

Dr. Werner WeishauptDr. Werner Weishaupt
Heilpraktiker für Psychotherapie, Dozent, Präsident des VFP

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Jens HeckmannInterviewer Jens Heckmann
Mitglied im Serviceteam des VFP e. V.

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Bildquelle: BMG/Bundesministerium für Gesundheit