Traumasensitive Transformation mit Hilfe der Pferde
Jeder Mensch, der schon einmal Kontakt mit Pferden hatte und sich von ihnen angezogen fühlt, kann es bestätigen: Die Anwesenheit eines Pferdes oder gar einer ganzen Herde beruhigt ungemein. Es wird plötzlich möglich, im Hier und Jetzt anzukommen, die Sorgen nach und nach gehen zu lassen und sich ganz im (Herden-)Verband aufgenommen zu fühlen – in Verbundenheit mit den Pferden, sich selbst und der eigenen Seele.
Pferde haben die Gabe, voll und ganz im Hier und Jetzt zu sein und als Fluchttier jede noch so kleine Veränderung zu erspü- ren, bereits wenn sie energetisch wahrnehmbar ist. Diese unvergleichliche Feinfühligkeit können wir für uns nutzen. Das Pferd, das völlig unvoreingenommen und wertfrei ist in jedem Moment, zeigt uns durch sein Verhalten, wenn sich etwas in uns verändert und sei es „nur“ auf der unterbewussten Ebene.
Dies ist sehr wertvoll, denn so können minimalste Änderungen, die in einem Klienten (immer m/w/d) stattfinden, nach außen transportiert und sichtbar gemacht werden. Dieses Sichtbarwerden ermöglicht dem Klienten eine klare Zuwendung im Bewusstsein und kann dann in einem durch den Coach geführten Prozess nach einer bewusst getroffenen Entscheidung letztlich Schritt für Schritt transformiert werden.
Das Konzept von Alexandra Rieger „Raidho Healing Horses“ ist besonders für Menschen mit Traumahintergrund hilfreich. Denn gerade bei diesen Menschen sind langjährige Mechanismen eingeschliffen, die sich im Unterbewussten und im Körper so verfestigt haben, dass sie meist durch einen Trigger von außen angestoßen werden und dann wie ein Automatismus ablaufen. Dies passiert nicht unbedingt unabhängig vom Bewusstsein, aber sie sind oft so machtvoll, dass sie durch das vorhandene Bewusstsein nicht oder erst sehr spät gestoppt werden können.
Es sind (Körper-)Reaktionen und Schutzmechanismen, die in bereits (lange) vergangenen Situationen ausprobiert wurden, damals funktionierten, immer wieder genutzt wurden und sich dann verfestigt und automatisiert haben. Mit dem Zweck, Sicherheit und Verbundenheit zu garantieren, in ganz und gar unsicheren und überfordernden Situationen.
Meine eigene Geschichte trägt ein frühkindliches Trauma in sich. Wegen eines angeborenen Herzfehlers, der operiert werden musste, wurde ich bereits mit drei Jahren mit einer für dieses Alter völlig überfordernden Situation konfrontiert. Ich musste mit meinen kindlichen, wenigen Mitteln kämpfen, damit ich das Krankenhaus, die Schmerzen und das Alleinsein überlebe. Meine mich liebenden Eltern waren so oft es ging an meiner Seite, aber eben nicht immer. Eine Folge war, dass ich mich von meinem Körper abspaltete, um einen sicheren Ort für mich zu kreieren.
Das hinterließ Spuren in mir. Spuren des Mich-nicht-fühlen-Könnens, des Funktionierens, des hohen Anspruchs an mich, ein großes Harmoniebedürfnis und vieles mehr. Alle Lösungsmuster, die ich mir früh angeeignet hatte, um für mich Sicherheit und Verbundenheit zu garantieren, ziehen sich durch mein ganzes Leben. Sie mündeten sogar in einer schweren, funktionalen Depression.
Den Wendepunkt brachte mein Pferd, das mich langsam an die Lehren der Pferde und meine Bewusstwerdung heranführte. Wobei der wirkliche Durchbruch mit „Raidho Healing Horses“ kam, da hier das erste Mal in meinem Leben wirklich sichtbar wurde, welche Mechanismen tief in mir ablaufen und gespeichert sind. Ohne dass ich sie durch mein Bewusstsein hätte rechtzeitig wahrnehmen oder steuern können.
Erst die Pferde haben durch ihre sensitive Feinfühligkeit minimale Nuancen und Veränderungen in mir erspürt und durch ihre Verhaltensänderung sichtbar gemacht – lange bevor mir überhaupt ansatzweise klar war, was da gerade passierte. Jegliche „üblichen“ Ansätze, die ich vorher ausprobierte, wie chemische Medikamente oder Therapien, hatten keinen oder einen geringeren Erfolg, da sie zu sehr an der Oberfläche blieben und ich nicht in Verbindung mit meinem Körper und Fühlen kam.
Erst das Sichtbarwerden meines Reaktionsmusters durch die Pferde, das eigene Bewusstwerden sowie die Einbeziehung aller Ebenen im folgenden Transformationsprozess mit ganzheitlicher Auswirkung auf Körper, Geist und Seele machten es mir möglich, nach und nach immer mehr in Balance zu kommen, zu einem Fühlen und Ankommen in mir.
Was macht Menschen mit Traumahintergrund, speziell einem Entwicklungs- und Bindungstrauma, aus?
Menschen, die ihr Leben lang ein Entwicklungs- oder auch Bindungstrauma mit sich tragen, sehnen sich ganz besonders nach Sicherheit, Geborgenheit, Verbundenheit und Liebe, da all das in der Vergangenheit nicht selbstverständlich, jederzeit und bedingungslos zur Verfügung stand.
Für gesunde Menschen ist es prinzipiell relativ einfach, sich zu zeigen und zu fühlen, wie es ihnen im jeweiligen Moment entspricht. Menschen mit Traumahintergrund dagegen sind fast nie sicher genug, um auszudrücken, welche Bedürfnisse befriedigt werden möchten, zu zeigen, welche Emotionen in ihnen vorgehen, und die Grenzen des eigenen Raumes und vielleicht sogar des eigenen Körpers zu wahren.
Sich auszudrücken und selbst sein zu dürfen, ist für sie gefährlich. Denn es birgt das Risiko, die Verbindung mit (geliebten) Menschen, Situationen und Lebewesen zu verlieren, alleingelassen zu werden, auf sich alleine gestellt zu sein, weit entfernt von der Erfüllung von (Grund-)Bedürfnissen.
Je früher im Leben traumatische Situationen vorkommen, umso tiefer sind sie im Menschen verankert. Denn ein Kind oder gar ein Baby hat noch kaum Möglichkeiten zu reagieren und sich auszudrücken. Zudem ist es auf seine Bezugspersonen angewiesen. Es ist auf Bindung, Verbundenheit und Sicherheit angewiesen, um gesund groß zu werden.
Passiert es in frühen Jahren, dass ein Kind mit teilweise (für ihn) überlebenswichtigen Situationen konfrontiert wird und diese alleine lösen muss, geht das körpereigene Nervensystem in den Notfall-Modus, um sich zu schützen und um zu überleben.
Sowohl das sympathische Nervensystem als auch das parasympathische Nervensystem gehen in extreme Zustände über, anstatt sich gesund über den Tag verteilt in Wellen abzuwechseln und auszubalancieren. Das kann zum Ergebnis führen, dass der Körper dann entweder nur noch Gas kennt, was sich zum Beispiel in ständiger Aktivität, Bewegung, Sport ausdrückt, bis hin zu dauerhaftem Stress, was in einem Burnout enden kann.
Oder das ganze Leben findet nur noch auf der Bremse statt, mit stetig zunehmender Müdigkeit, Erschöpfung, Energielosigkeit und Depressionen. Die vom Körper geforderten Ruhephasen können in diesem Zustand nur mit viel Spannung ausgehalten werden und die Energielosigkeit steigt weiter.
Sogar Mischformen gibt es, was die Komplexität der belastenden Körperreaktionen noch steigert. All diese Reaktionen sind Reaktionen des körpereigenen Nervensystems und laufen relativ unbewusst ab, sie haben sich im Körper verfestigt. Die gesunde, wellenförmige Abwechslung und Balance von Aktivität und Ruhe ist kaum zu erreichen.
Wie sieht die traumasensitive Arbeit mit Pferden aus und weshalb ist sie besonders hilfreich?
Die traumasensitive Arbeit mit Pferden ermöglicht es den Klienten zu erkennen, dass die Macht und Kraft in ihnen liegt und sie durch Bewusstsein in die Transformation gehen können, die sich schließlich auch im Außen zeigen wird. Sie werden durch diese Arbeit fähig, den bisherigen Handlungsstrategien, Gefühlsschleifen und Automatismen nicht mehr hilflos ausgeliefert zu sein, sondern diese bewusst in eigene Kraft und das wahre Sein zu transformieren.
Dies findet alles in einem absolut geschützten, sicheren, stabilen und kraftvollen Raum statt, den Coach und Pferd gemeinsam für den Coachee halten. Es werden dem Klienten verschiedene Aufgaben mit dem Pferd gestellt. Sobald der Co-Trainer, das Pferd, eine Verhaltensänderung zeigt, kann der Coach erkennen, dass sich etwas am Erregungszustand des Nervensystems des Klienten geändert hat und eingeschliffene Reaktionsmuster überhand genommen haben. Dies wird aufgegriffen und der Coach begleitet den Klienten über dessen Emotionen hinein in den Körper, wo sich diese verfestigt haben und der normale wellenförmige Energieflow des Nervensystems nicht mehr möglich ist.
Das bewusste Erkennen der Blockade im Körper ist der Zeitpunkt, an dem der Klient entscheiden darf, wie er weitermachen möchte – ob er diese lösen möchte oder nicht. Durch die bewusste Entscheidung lernt er zu verstehen, wie er sich selbst und sein Nervensystem regulieren und seinen Körper von Blockaden befreien kann. Und das alles unterstützt durch die wertvolle und gerade zu Beginn dieser Arbeit für den Traumaklienten so wichtige und stützende Co-Regulation des Coaches und Pferdes. Der wichtigste Schritt der Bewusstwerdung und des Auflösungswillens des Klienten wird sanft und kraftvoll durch die Energie der Pferde begleitet, sie geben einen unglaublichen Halt in dieser Situation und sind wie ein Fels in der Brandung.
Die Arbeit mit den Pferden ist in diesem Kontext doppelt hilfreich, denn zum einen machen sie Unsichtbares sichtbar und helfen dem Klienten, sich in Sicherheit bewusst zu werden.
Zum anderen unterstützen sie mit ihrer kraftvollen Verbindung zur Erde und ihrer Präsenz die Co-Regulation sowie die Transformationswirkung des energetischen Raumes, in dem sich alle Anwesenden zum Wohl des Coachees verabredet haben.
Petra Ladenburger
Raidho Trainerin mit Schwerpunkt traumasensitives Coaching und Persönlichkeitsentwicklung mit Pferden
Fotos: ©Jürgen Fälchle, ©Restless Mind Media