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Die Ursprungstherapie: eine Therapie, die Brücken baut

320214716Brcke3„Das Gefühl kann viel feinfühliger sein als der Verstand scharfsinnig.“ Viktor Frankl Das Erste, was mir auffällt, ist der gesenkte Blick, verbunden mit einer leisen, aber trotzdem sehr energischen Stimme: „Guten Tag. Reimann, Ulrike Reimann. Wir haben einen Termin!“.

Dieser kurze Moment zwischen dem ersten Blick und dem Betreten der Praxis: Er bereitet bereits den Weg für die gemeinsame Arbeit. Die meisten Klienten haben sich vorher genau zurechtgelegt, was sie sagen – und was nicht. Sie überlegen sich, was sie anziehen und haben in vielen Fällen sogar schon Fluchtpläne parat, für den Fall, dass die Chemie zwischen Therapeut und Klient (immer m/w/d) einfach nicht stimmt.

Auch was meine Wahrnehmung betrifft, spielt sich in diesen kurzen Momenten unter der scheinbar eingeübten, neutral-freundlichen Oberfläche so unglaublich viel ab. Seit den Anfängen meiner Praxisarbeit habe ich immer viel auf mein Bauchgefühl gegeben. Es bildet die Quintessenz dessen, was ich in diesen Augenblicken wahrnehme. Auch wenn vieles davon weniger ein diffuses Gefühl denn die Summe meiner Erfahrungen und meiner Wahrnehmungen ist.

Vielleicht ist es sogar dieser zwischenmenschliche Moment, der zur Grundlage meiner therapeutischen Arbeit wurde. Aus all den Puzzleteilen, die ein Klient mit in die Arbeit einbringt, formt sich in mir die einmalige Geschichte eines Menschen. Sie gilt es aufzunehmen und zu einem Bild zu formen.

Diese Vorbemerkungen sind wichtig, um die Geschichte der Ursprungstherapie wie auch ihre Wirkweise wirklich zu verstehen. Erst aus dem Gesamtbild heraus entwickelt sich bei der Ursprungstherapie das ganzheitliche Erfassen des Grundproblems.

Als die Klientin sich setzt, nehme ich weitere Details wahr. Sie wartet nicht, bis ich ihr einen Platz anbiete. Ich nehme neben der Kleidung auch ihre Mimik, Gestik, ihre Bewegungen, ihren Atem wahr. Aber das Bild ist noch lange nicht vollständig. Ihr Blick fixiert mich, sie sagt zunächst gar nichts. Doch schon die ersten freundlichen Nachfragen bringen den Ball ins Rollen.

So wie in diesem Fall ist es meistens. Zunächst sind die Klienten vollkommen davon überzeugt, dass sie zwar ein klar umrissenes Problem haben. Die Ursache dafür kennen sie nicht. Und doch habe ich im Laufe der Jahre gelernt, dass alle Klienten sehr wohl die Ursachen für ihre Probleme stets dabeihaben. Sie haben sich stark und unsichtbar in ihrem Lebens-Rucksack eingenistet.

Manchmal nutze ich die von mir entwickelten Ursprungskarten, um einen sanften Übergang, hin zum Dialog, herzustellen. Sie sind dafür gedacht, dem Unterbewusstsein einen Köder hinzuwerfen. Das funktioniert eigentlich immer, ist aber nicht jedes Mal notwendig.

„Ich verstehe es einfach nicht. Ich mache mir seit eh und je meine Beziehungen selbst kaputt. Ich bin vollkommen beziehungsunfähig. Und ich weiß einfach nicht mehr, was ich da tun soll.“

„Woran hakt es denn?“

„Die erste Zeit ist eigentlich immer ganz schön. Die berühmten Werbewochen … Aber wenn es enger wird, verbindlicher, dann fange ich an abzublocken …“

Schnell sind wir im Gespräch und arbeiten aus ihren Erinnerungen einen roten Faden heraus, dem sie seit viel zu langer Zeit folgt. Im Rahmen der Ursprungstherapie geht es darum, Verletzungen aus der Kindheit aufzuspüren, die sich im Unterbewussten des Klienten manifestiert haben und selbst nach langer Zeit mit aller Macht die Geschicke des Klienten bestimmen.

Als Therapeutin ist es mir wichtig, die familiären Kräfte zu verstehen, die manchmal zurück bis zu unseren Ahnen reichen. Diese Kräfte speisen unser ICH und bilden die Basis unserer Persönlichkeitsstruktur. Es ist diese Erkenntnis, aus der sich die wesentlichen Bestandteile der Ursprungstherapie herausgeformt haben.

Ich betrachte die Geschichten, Beziehungen, Muster und Wahrnehmungen, die den Inhalt des Unbewussten ausmachen, und die machtvollen unbewussten Entscheidungen, die der Patient (immer m/w/d) vor so langer Zeit getroffen hat (oder zu denen er gezwungen wurde), dass er sich meist nicht mehr daran erinnert. Und trotzdem bestimmen sie sein aktuelles und – wenn wir nicht daran arbeiten – sein zukünftiges Leben.

Das verletzte Grundgefühl

Ein verletztes Grundgefühl tritt immer wieder dann in Erscheinung, wenn vergleichbare Situationen im Leben auftreten. Abwehrmechanismen, die in der Kindheit ausgebildet wurden und die als Kind Sicherheit boten, um emotional in der Umgebung zu überleben, die aber fortan die weitere Entwicklung hemmen, lösen sich erst auf, wenn die Ursache des verletzten Grundgefühls gefunden wird.

Wenn wir über Emotionen reden, geht es meist entweder um ein bestimmtes Gefühl oder um einen ganzen Ozean von Wahrnehmungen. Tatsächlich setzt sich die große Vielzahl aller Gefühle immer aus unterschiedlichen Anteilen der vier BasisEmotionen oder Grundgefühlen zusammen: Freude, Angst, Wut und Trauer.

Die Freude aktiviert Lebensenergie. Wenn wir uns nicht mehr freuen können, haben wir nicht genug Ressourcen, um mit den ernsten Seiten des Lebens umzugehen.

Die Angst weist auf Gefahren hin. Sie macht deutlich: Hier stimmt etwas nicht. Sie sieht ihre Zukunft in Gefahr.

Die Wut macht deutlich: Hier muss etwas geschehen. Sie ist Impulsgeber für Neuerung in der Gegenwart. Wichtig ist jedoch, den Impuls wahrzunehmen und dann die Steuerung zu übernehmen.

Die Trauer brauchen wir, um Vergangenes zu würdigen und den Verlust zu empfinden. Das ist die Grundlage, um Raum für Neues zu schaffen.

Die Grundgefühle bilden eine Brücke, weil wir damit unser Gegenüber berühren. Sie bilden somit auch die Grundlage der Begegnung miteinander.

In der Praxisarbeit erzählt mir meine Klientin ihre Geschichte, aus der ich dann Hinweisen nachgehe, die mich zu ihrem Grundgefühl führen. Manchmal liegt die ursprüngliche Verletzung offen da und es ist einfach, das Bedürfnis dahinter zu erkennen. Nicht immer wird es allerdings gleich sichtbar. Vieles ist mit der Zeit verschüttet oder wird umgedeutet, damit es erträglicher ist. Dann sind die richtige Fragestellung und ein genaues Hinschauen notwendig.

Die Ursprungstherapie – eine empathische Therapie

Eine empathische und wertschätzende Psychotherapie kann Heilungs- und Selbstheilungsprozesse in Gang setzen, die aus einer größeren Tiefe und Weite stammen als die unserer Einsichten und Techniken. Wahrscheinlich ist es die Berührung der Ganzheit, der Tiefe und Weite unserer Seele mit unseren Verletzungen und Störungen, die das Heilsame ausmacht. Wenn wir das Leiden unserer Patienten in seiner Ursprünglichkeit erfassen, schenken wir ihnen die Möglichkeit, ihr Leben und ihre Verletzungen sichtbar zu machen. Wir bringen ihre tief liegenden Verletzungen aus dem Unterbewusstsein ins Bewusstsein. Wir heilen.

Es geht darum, offen für diese völlig andere, vielleicht zerrüttete, Erlebens- und Bewusstseinswelt des Klienten zu sein. Es geht darum, diese zu realisieren, ohne sie abwehren zu müssen. Vielleicht kann der Patient sich dann selbst im Spiegel dieser Bewusstheit erkennen als der, der er ist, wie er sich selbst versteht, was ihm selbst wesentlich ist und an welcher Stelle seines Lebens er steht.

Viele Probleme sind Generationsprobleme. Sie werden erst sichtbar, wenn der Patient es aus einem anderen Blickwinkel betrachten kann. So wie es bei einer Rückführung oder Imagination der Fall ist. Es wirken überlieferte Glaubenssätze aus vergangenen Familiengenerationen nach, die ungelöst sind und nichts mit der Gegenwart zu tun haben.

Die Kriegsgenerationen mit ihren einschneidenden Erfahrungen etwa trugen ihr Trauma in die nächste Generation. Sie waren deshalb oft nicht in der Lage, die Liebe zu geben, die ein Kind braucht, um sich angenommen zu fühlen. All diese Erfahrungen sind nicht verschwunden, sind aber im Unterbewusstsein gespeichert und müssen gelöst werden. Nur so können Folgegenerationen den Rucksack des vorherigen Generationsdramas ablegen und unbelastet aufwachsen.

Bei meiner Klientin finden wir Hinweise auf ein traumatisches Erlebnis als sechsjähriges Mädchen. Im Rahmen einer Imagination entdecken wir gemeinsam die Ursache für ihre Beziehungsprobleme, die sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zogen und ziehen. Wir besprechen die Schritte, die notwendig sind, um in eine langfristige Lösung zu kommen. Als wir einen Folgetermin vereinbaren, löst sich die Anspannung bei meiner Klientin endgültig und wir umarmen uns zum Abschied.

Die wesentlichen Abschnitte, in die sich die Ursprungstherapie unterteilt, sind: Biografiearbeit, die Ermittlung des Lebensthemas, das Erkennen des eigentlichen Bedürfnisses, das Hinspüren und Hinschauen, das Akzeptieren und die Stärkung der Selbstempathie. Dabei geht es immer darum, die Probleme der Klienten ganzheitlich zu erfassen. Die Ursprungstherapie baut im Rahmen weniger Stunden eine Brücke und erfasst das Problem vom Ursprung bis zur aktuellen Lebensphase. Kurz: Es gilt, das in einer früheren Lebensphase verletzte Grundgefühl aufzuspüren und den damit verbundenen „Knoten“ zu lösen.

Die daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen meinen Klienten dabei, die aktuelle Lebenssituation hin ins Positive zu wandeln. Mithilfe dieser Therapieform werden die Klienten heraus aus alten Verhaltensmustern, Glaubenssätzen und Verstrickungen geführt. Der typische Kreislauf des immer wiederkehrenden Problems wird durchbrochen.

Mein Buch enthält Hintergründe über die Entstehung und Entwicklung der Ursprungstherapie, die theoretischen Grundlagen dieser Therapieform, praktische Anleitungen zum Selbsttesten, sowie zahlreich Beispiele aus der Praxis. Es ist für Therapeuten und Klienten gleichermaßen geeignet.

Die Ursprungstherapie bietet einen schnellen Einstieg, ist effizient und auch langfristig erfolgreich. Und das Buch dazu musste ich einfach schreiben. Ich hatte einfach viel zu lange vergeblich danach gesucht …

FP 0621 komplett app Page16 Image1Diana Badenius:
Die Ursprungstherapie,
tredition Verlag

FP 0621 komplett app Page16 Image2Diana Badenius
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Lebens- und Sozialberaterin in eigener Praxis, Autorin
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Foto: ©Eye Em