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Behandlung von Ängsten

©Christoph WalterWie neue Technologien die Therapien verändern

Eines der wenigen Themen, über das alle Völker, Nationalitäten und Religionen reden können, ist die Angst. Weil sie jeder kennt.

Es gibt keine andere psychologische Diagnose, die sich im Volksmund so etabliert hat, wie die Phobie. Die einen attestieren sich selbst eine Spinnenphobie, andere reden ganz offen über Platzangst oder Höhenangst. Der Grund für diesen vergleichsweise tabulosen Umgang mit psychischen Problemen ist schlichtweg der, dass so viele davon betroffen sind. Konkret sprechen Experten von rund einem Drittel der Bevölkerung.

Während man sich mit manchen Phobien ein Leben lang ganz gut arrangieren kann, haben andere eine enorme Beeinträchtigung auf die Lebensqualität der Betroffenen, aber auch auf die Unternehmen, das Gesundheitssystem und die gesamte Gesellschaft zur Folge.

Eine alte Idee wird modernisiert

Eine der weltweit angesehensten Therapiemethoden ist die Expositionstherapie. Neben Vorbereitungs- und Begleitinterventionen ist die Hauptintervention die Konfrontation des Patienten mit angstauslösenden Situationen/Objekten. Sie gilt als die effektivste Methode, um den Angstreiz nach und nach „abzustumpfen“ und einen normalen Umgang damit zu ermöglichen. In der Vergangenheit stellte dies für die Therapeuten und Psychologen (immer m/w) einen enormen organisatorischen Aufwand dar. Denn die Konfrontation ist in vielen Fällen nicht innerhalb der Praxisräumlichkeiten möglich. Manche Konfrontationen konnten aber selbst außerhalb der Praxis nicht durchgeführt werden. Man denke an Flugangst oder an Auftrittsangst vor großem Publikum.

Dadurch, dass viele psychologische Praxen sehr ausgelastet sind, findet aus Zeitgründen eine Konfrontation außerhalb der Praxis ohnehin kaum noch statt. Die Anbieter können nur auf sehr leichte Maßnahmen setzen. Wie z.B. Fotos oder auf Vorstellungsübungen, in denen sich der Patient bei geschlossenen Augen selbst mit entsprechenden Situationen konfrontieren soll. Hier spricht man von einer abgeschwächten Form der Wahrnehmung. Der Grundgedanke der Konfrontationstherapie ist freilich ein anderer, dem aber aus den genannten Gründen kaum Rechnung getragen wird.

Die Lösung kann daher nur so aussehen, dass eine starke Form der Wahrnehmung, also eine möglichst realistische Konfrontation, auch innerhalb der Praxisräumlichkeiten möglich wird. Nur dann kann der Effekt dieser Therapieform voll ausgeschöpft und vielen Betroffenen in kurzer Zeit geholfen werden.

©paulrommer

Konfrontation in der Brille

Möglich wird das durch computergenerierte 3-D-Räume oder 360-Grad-Videos, in denen sämtliche angstauslösende Situationen/Objekte gezeigt werden. Durch diese Räume können sich die Patienten real bewegen und mit der Umgebung interagieren. Den Grad der Konfrontation können Patienten und Therapeuten dabei selbst steuern. Damit dieses Erlebnis real und immersiv auf den Patienten wirkt, besucht er diese 3-D-Räume mittels Virtual-Reality-Headset. Der Psychologe/Therapeut steht unterstützend zur Seite. Begleitinterventionen wie Entspannungsübungen werden weiterhin von ihm angeleitet.

Dass diese technologieunterstützte Therapieform weitaus effektiver ist als die schwächeren Konfrontationen, ist durch klinische Studien inzwischen mehrfach bestätigt. In Deutschland wurde und wird die VirtualReality-Therapie (VR) bei einigen Phobien bereits in Kliniken angeboten. Zum Beispiel bei Höhenangst und Spinnenphobien.

Für Psychologen und Psychotherapeuten in eigener Praxis stehen diese Programme aber nicht zur Verfügung. Jedoch gibt es erste Fortbildungen für diesen Bereich, in denen man lernt, eigene VR-Programme für verschiedene Phobien zu entwickeln, die anschließend bei Patienten angewendet werden können. Passende VR-Brillen gibt es inzwischen bereits ab 150 Euro.

Programme selber machen – ein Erfahrungsbericht

Manche Teilnehmer der Fortbildung behandeln in ihrer Praxis Patienten mit Sozialphobie, die sich kaum unter Menschen wagen. Für diese Klienten wurde ein Programm in einem Park entwickelt. Dabei befindet man sich zuerst allein auf einer Parkbank. Nach und nach gesellen sich weitere Menschen (die Teilnehmer) dazu und erzeugen eine menschliche Nähe. Für die Betroffenen wird dieses Szenario wohl eine echte Herausforderung sein.

Die Themen Prüfungsängste und Sprechen vor Publikum sind ebenfalls häufige Gründe, warum eine Praxis aufgesucht wird. Deshalb simulierte die Gruppe gleich selbst ein Seminarpublikum bzw. auch eine Prüfungskommission. All diese Szenarien schauen sich in Zukunft die Klienten der Absolventen in einer VR-Brille an und werden dort eine sehr authentische Atmosphäre vorfinden, durch die sie lernen, mit diesen Situationen souverän und sicher umzugehen.

Im abschließenden Modul wurden Zusatzinterventionen geübt, mit denen die VRProgramme kombiniert werden können. Zum Beispiel wie Ressourcen, die durch eine VR-Anwendung aktiviert wurden, immer wieder aufgespürt und ausgebreitet werden können. Oder auch Entspannungstechniken, um einen Klienten während eines angstauslösenden Szenarios zu unterstützen.

Vorbereitungen für ein Expositions-Szenario

Eine Herausforderung bei der Anwendung solcher Programme ist, dass manche Klienten VR-Szenarien zu Beginn gar nicht aushalten. Die große Stärke von VR ist das immersive Erlebnis, aber genau das kann für sehr leidende Menschen ein Nachteil sein.

Die Realität und ein VR-Szenario können als starke Formen der Wahrnehmung bezeichnet werden. Wenn diese zu stark ist, muss zu Beginn auf abgeschwächte Formen der Wahrnehmung gesetzt werden.

Schritt 1

Der Klient bleibt von den entsprechenden Situationen dissoziiert, während er sich trotzdem leicht damit konfrontiert. Das gelingt z.B. durch Bilder oder normale Videos. Auf Google können praktisch zu jedem Thema durch wenige Klicks Bilder und Videos gefunden werden. Hierzu müsste also mit einem Laptop oder Tablet gearbeitet werden. Bilder können aber auch ausgedruckt vorbereitet werden. Die meisten Klienten werden vermutlich kein Problem mit dieser leichten Form der Konfrontation haben.

Schritt 2

Noch dissoziiert. Aber bei diesem Schritt versucht der Klient mit geschlossenen Augen in seiner Vorstellungskraft gewisse Orte aufzusuchen, bei denen die angstauslösenden Situationen nicht mehr weit weg sind. Wie das Gebäude auf der anderen Straßenseite, in dem eine Prüfung stattfindet oder sich ein Aufzug befindet. Oder ein Fußballfeld, das man bald verlassen und durch ei nen engen Tunnel weiter vorne gehen muss. Oder ein menschenleerer Park, den man bald Richtung Stadt-zentrum verlassen wird.

Schritt 3

Jetzt versucht der Klient erstmals eine leichtere Form der Assoziierung mit der angstauslösenden Situation durch seine Vorstellungskraft. Er betritt das Gebäude und steigt in den Aufzug ein. Er betritt den Raum und beginnt seinen Vortrag oder begrüßt die Prüfungskommission. Er verlässt den leeren Platz und begibt sich in die Nähe anderer Menschen.

Schritt 4

Im vorletzten Schritt begibt sich der Klient in eine starke Form der assoziierten Wahrnehmung durch das VR-Szenario. Bevor Schritt 4 möglich ist, bedarf es bei manchen Betroffenen mehrerer Termine, in denen es um die Schritte 1 bis 3 geht.

Schritt 5

Der Klient begibt sich in der Realität in eine (ehemals) angstauslösende Situation. Je nach Feedback wird Schritt 4 mehrmals wiederholt.

Begleitend zu dieser langsamen Wahrnehmungssteigerung kann eine physische Entspannungsübung für den Klienten unterstützend sein, sobald er über Anspannungssymptome berichtet oder die Symptome auch ohne sein Feedback sichtbar werden.

Michael Altenhofer Dr. Marcus Täuber

Michael Altenhofer
Diplom-Lebensberater

Dr. Marcus Täuber
Neurobiologe

Gründer des Unternehmens „VR-Coach“, St. Johann im Pongau, Österreich
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Fotos: ©paulrommer, ©Christoph Walter