Der Gang zum Steuerberater und Marketingfachmann ist eine weise Entscheidung
Die Prüfung ist bestanden, die Räume für die Praxis sind gemietet – der erfolgreichen Arbeit als Heilpraktiker steht nichts mehr im Wege. Oder?
Im Auftrag des VFP ist Jens Heckmann, Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit, dieser Frage nachgegangen:
Schön wär’s, wenn man sich schlicht auf sein Wissen, seine Berufung konzentrieren könnte. Doch mindestens zwei berufsfremde Aspekte werden auch selbstständige Heilpraktiker ihr ganzes Arbeitsleben hindurch begleiten, und sie werden großen Einfluss auf dieses Arbeitsleben haben: Steuern und Marketing.
Gerade wer sich zu helfenden und heilenden Berufen hingezogen fühlt, hat in der Regel wenig Interesse, sich ausgerechnet mit steuerlichen Aspekten seines Tuns auseinanderzusetzen. Häufig lässt sich sogar eine regelrechte Abneigung dagegen erkennen. Zumindest werden Fragen nach Steuern, Abschreibungen, Werbungskosten, Betriebsprüfungen und Ähnlichem gern verdrängt: „Ich hab ja gerade erst angefangen. Für mich interessieren sich die vom Finanzamt noch nicht.“ Zwar ist das Interesse der Finanzverwaltung für kleine und gerade neu gegründete Unternehmen in der Tat nicht so ausgeprägt wie für einen Betrieb mit 80 oder 800 Mitarbeitern. Trotzdem ist man gut beraten, sich in steuerlichen Fragen frühzeitig kompetente Hilfe zu sichern.
Ingrid Kruse-Lippert, Diplom-Ökonomin und Steuerberaterin aus Hannover, bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: „Man ist nicht mehr nur Therapeut, sondern muss immer mehr auch Unternehmer sein.“ Und wie für jeden Unternehmer ist auch für den Heilpraktiker der Gang zum Steuerberater eine weise Entscheidung. Das fängt schon bei der Datensicherung an: Welcher frisch gebackene Heilpraktiker weiß schon sicher, welche Daten er wie lange vorhalten muss? Nicht selten wird in diesem Zusammenhang seitens der Therapeuten auf ihre Schweigepflicht verwiesen. Die steht auch nicht zur Diskussion. Die steuerrechtlich relevanten Datensätze müssen aber nichtsdestoweniger vorgehalten werden, und zwar mit „geschwärzten“ Persönlichkeitsdaten. Viele der in Frage kommenden EDV-Programme verfügen über eine entsprechende Funktion, „und häufig“, so Kruse-Lippert, „kennen die Prüfer diese Programme besser als der Anwender selbst.“
Stichwort Prüfer: Wann „droht“ eine Betriebsprüfung? Was darf der Prüfer, was darf er nicht? Und wie sollte ich mich dem Mitarbeiter des Finanzamtes gegenüber verhalten? Auch auf diese Fragen kennt der Steuerberater die Antworten. So sind die Mails auf dem Rechner für den Prüfer tabu – es sei denn, es besteht der begründete Verdacht auf eine Steuerstraftat, und dann bleibt es ohnehin nicht bei gelesenen Mails. Zur Frage nach der Häufigkeit lehrt die Erfahrung, dass ein Kleinstunternehmen im Schnitt alle 88 Jahre mit einer Betriebsprüfung zu rechnen hat. Also eigentlich nicht unbedingt ein Thema mit Priorität.
Nicht so eigentlich kann eine Betriebsprüfung aber viel früher ins Haus stehen. So bei der Aufnahme oder dem Ausscheiden von Gesellschaftern, bei schwankenden Gewinnen gegenüber konstanten Umsätzen oder schlicht, wenn die notwendige Steuererklärung unnötig lange hinausgeschoben wird (was im Übrigen auch deshalb keinen Sinn macht, weil sich damit auch die Verjährungsfrist verschiebt). Ebenfalls interessiert zeigt sich die Finanzverwaltung, wenn ein auffällig schlechtes Umsatz-Gewinn- Verhältnis vorliegt. Eine bereits terminierte Prüfung lässt sich in der Regel noch verschieben – beispielsweise aus Urlaubsgründen. Lehnt die Finanzverwaltung einen solchen Wunsch um Verschiebung ab, kann das dagegen ein ziemlich schlechtes Zeichen sein.
Kongressreisen, die Absetzbarkeit von Geschäftsessen, das immer wieder thematisierte heimische Arbeitszimmer („Haben Sie einen Schreibtisch in der Praxis?“) oder auch das weite Feld der „Gutachten“ sind ebenfalls Themen, bei denen ein Steuerfachmann dem Therapeuten buchstäblich „wertvolle“ Dienste leisten kann. Ingrid Kruse-Lippert zitiert den legendären John Davison Rockefeller: „Manchmal bringt es mehr, eine Stunde über Geld nachzudenken, als einen Monat für Geld zu arbeiten.“ Da ist etwas dran. Und die meisten Therapeuten arbeiten sehr lange für ihr Geld. Warum also sollten sie sich nicht eines Fachmanns bedienen, um auch etwas von ihrer Arbeit zu haben?
Aus einem ähnlichen Blickwinkel lässt sich auch das Praxismarketing sehen: „Tue Gutes und rede darüber.“ Wer sich selbstständig macht, muss von seinem Können, seiner Berufung, seiner Gabe überzeugt sein. Wenn dem aber so ist, dann sollte man auch hingehen und den Menschen deutlich machen, warum ein Klient gerade in meine Praxis kommen sollte, wenn er wirklich Hilfe sucht.
Bloß, wie mache ich das? Klug ist, sich möglichst schon vor der Praxiseröffnung entsprechende Gedanken gemacht zu haben, z. B. zum Logo. Das Logo ist die Marke des Unternehmens, es sollte deshalb einprägsam, positiv und nicht zu kompliziert sein. Dörte Kruse, Business Coach und Geschäftsführerin von Tafuro&Team aus Hamburg, findet einen kompletten Zahn mit Wurzel für eine Zahnarztpraxis bspw. nicht sehr glücklich: Abgesehen davon, dass diese Symbolik nicht eben originell ist, „sehen die Menschen einen Zahn so nur, wenn er draußen ist. Und dazu soll es ja gerade nicht kommen.“ Doch zum Marketing gehört mehr: „Verfüge ich über ein attraktives Beratungskonzept? Wen will ich vor allen Dingen ansprechen?“ Diese Fragen sollten nach Ansicht Kruses weit vorn auf der To-do-Liste stehen. Gerade für Heilpraktiker macht ein professionell erstellter Flyer mit einem Überblick über Kompetenzen und Angebote der Praxis Sinn. Wobei auf das „professionell erstellt“ besonderer Wert gelegt werden sollte, denn so ein Flyer hat einen ähnlichen Effekt wie die Visitenkarte. Er soll zwar „menschlich“ sein – schließlich geht es ja nicht um die Abwicklung eines Immobiliengeschäfts in St. Petersburg – aber dennoch seriös, zuverlässig und vertrauensbildend wirken. Ähnliches gilt für den Internetauftritt, weiß auch die Fachfrau aus Hamburg: „Sie sind Profi. Also bitte auch ein professioneller Auftritt!“
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist es, mit einer Praxis in bester Großstadtlage – vorzugsweise am Jungfernstieg im Hamburg oder der Georgstraße in Hannover – besonders gute Voraussetzungen für den Erfolg zu schaffen. Denn tatsächlich ist die Ballung von Praxen tendenziell in den Großstädten am höchsten; Mieten, die komplizierte Anfahrt und Parkplatznot machen den vermeintlichen Vorteil vollends zunichte. Die Lage – Großstadt oder nicht – wirkt sich auch bei der Suche nach weiteren Marketinginstrumenten aus. So weiß Dörte Kruse, dass es in Großstädten inzwischen wenig Sinn macht, mit Patienten– bzw. Klientenveranstaltungen zu werben – es gibt viel zu viele davon. Auf dem „platten Land“ sieht das unter Umständen noch anders aus.
Wie auch im Falle steuerlicher Aspekte macht beim Marketing die Zusammenarbeit mit Fachleuten Sinn. Das nicht nur mit Blick auf Flyer und Internetseiten. So ist Medienpräsenz selbstredend von enormem Wert für die Praxis eines Heilenden – der Marketingfachmann hat Tipps parat, wie diese erreicht werden kann. Die Profis machen auf Bereiche aufmerksam, auf die man selbst kaum achten würde: Wie wird in meiner Praxis telefoniert – wie (einfach und verlässlich) bin ich überhaupt erreichbar? „Achten Sie auf eine effektive Beratung!“, sagt Dörte Kruse: „Reden Sie kein Fachchinesisch, aber seien Sie professionell!“
Viele Heilpraktiker sind „Einzelkämpfer“. Wächst die Praxis, stellt sich die nächste Herausforderung: „Das ganze Team sollte einheitlich beraten/werben/beschreiben.“ Auch wenn gerade Menschen aus Heilberufen das vielleicht nicht gern denken: Aber man ist nicht nur Unternehmer, man ist auch Verkäufer in eigener Sache. Und das gilt auch für das Team.
Stichwort „Verkäufer“: Auch für Heilpraktiker ist die Empfehlung zufriedener Klienten von hoher Bedeutung. Tafuro&Team empfiehlt deshalb die aktive Abfrage der Kundenzufriedenheit. Und wenn ein Klient aufgrund einer Empfehlung in die Praxis kommt, sollte man sich beim Empfehlenden aktiv bedanken.
Menschen aus heilenden Berufen müssen in der erfolgreichen – und für sie wirtschaftlich lohnenden – Arbeit einen Spagat vollziehen. Einerseits ist Professionalität unumgänglich, sei es, wie geschildert, beim Steuerrecht, sei es in der Werbung. Andererseits klingt „Professionalität“ leicht nach einem unpersönlichen Geschäft, und gerade dazu dürfen Helfen und Heilen nicht verkommen. Wird „Professionalität“ aber aus dem Blickwinkel des Klienten gesehen, ergibt sich ein anderes Bild: Dann wirkt sie beruhigend und Vertrauen schaffend. Auch das ist Marketing. Der Klient soll sich in der Praxis gut aufgehoben fühlen – eine Herausforderung für das Team. Für die Leitung der Praxis bedeutet das, die Behandlungszeiten im Auge zu behalten (und schon sinnvoll zu planen), aber sich auch um das Team zu kümmern (falls eines vorhanden ist): Gute Arbeit und Ideen nicht nur im Vorbeigehen loben; ein echtes Lob motiviert ungemein. Auf der anderen Seite aber „auch nicht zu lieb sein“, wie Dörte Kruse weiß: Nicht selten sorgt ein „Quertreiber“ für dauerhaft schlechte Stimmung in der Praxis. Das wirkt sich oft genug auf die Klienten aus. Wird die Stimmung dauerhaft schlecht, sollten Konsequenzen folgen.
Jens Heckmann
Langjährige Berufserfahrung als Redakteur bei verschiedenen Tageszeitungen, seit vier Jahren Leiter Öffentlichkeitsarbeit bei einem Unternehmen in Nienburg. Er berät Unternehmensgründer, Firmen und Vereine in PR und entwickelt Marketingkonzepte. Schwerpunkt: Praxen für Psychotherapie. Autor verschiedener Bücher, schreibt für Tages- und Verbandszeitungen.
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