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Schamanische Praktiken für die moderne Zeit

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Als Ergänzung in der Psychotherapie und der psychologischen Beratung

Nach vielen Jahren intensiver Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Seite der Psychologie und ihrer praktischen Anwendung, begann ich nach den Wurzeln unserer heutigen Methoden zu forschen und landete beim Schamanismus.

Viele meiner Klienten haben, bevor sie zu mir kommen, schon eine oder gar mehrere Psychotherapien oder therapeutische Ausbildungen hinter sich gebracht. Sie haben über sich selbst und ihr Leben reflektiert, ihre Vergangenheit bearbeitet und zahlreiche Veränderungsversuche unternommen. Manch einer gerät dabei an eine Grenze und ist dennoch auf dem Weg nach Lösungsmöglichkeiten.

In solchen Fällen sind für mich schamanische Methoden ein ergänzender Weg, nämlich genau dann, wenn der Klient nicht mehr reden möchte.

Die Arbeit auf der spirituellen Ebene bereichert den Prozess von psychologischer Beratung und Psychotherapie und lässt den Klienten wieder seine Lebendigkeit spüren, damit er wieder in der Welt wirken kann.

Schamanismus

2010-04-Schamane2In Europa fast schon ausgestorben, erfährt der Schamanismus seit den 80er Jahren eine Renaissance. Verwunderlich ist es nicht, stehen wir doch an einem Punkt, der dringend einer Neuorientierung der Beziehung zu unserer Umwelt bedarf. Der moderne Schamanismus greift dabei auf altes Wissen der Naturvölker zurück und bezieht die Erkenntnisse aus der modernen Wissenschaft ein.

Den Schamanismus selbst gibt es schon etwa seit 40.000 Jahren. In jeder Kultur dieser Erde waren Schamanen die ersten Ärzte, Priester, Heiler und Therapeuten in einer Person. Bei den Naturvölkern begleiten Schamanen durch ihre Heilarbeit seit Jahrtausenden Kranke, gestalten Rituale und Zeremonien und erhalten Hilfe aus der geistigen Welt.

Man nimmt an, dass das Wort „Schamane“ aus dem sibirischen Raum stammt und so viel bedeutet, wie der „Wissende“ oder der „Sehende“. Ein Schamane ist ein Sehender, ein Reisender zwischen den Welten und dadurch auch ein Vermittler. Auf seinen Reisen wird der Schamane von Trommeln, Rasseln, Rhythmen oder psychoaktiven Substanzen in die Trance begleitet. In diesen anderen Bewusstseinsebenen lässt er sich von seinen spirituellen Helfern leiten.

Ziel ist es, andere Aspekte der Realität hinzuzuziehen, die sich dem Zugang über die reale Welt entziehen.

Unsere moderne Gesellschaft hat das schamanische Wissen durch die Wissenschaft verdrängt und durch die Schulmedizin und Psychotherapie ersetzt. So gibt es für den Schamanen in unserer Gesellschaft auch keine echte Entsprechung. Authentisch schamanisches Wissen finden wir heute nur noch bei einigen wenigen Naturvölkern.

Unsere europäischen Wurzeln

Mit dem Begriff „Schamanismus“ verbinden wir meist indianische oder afrikanische Medizinmänner. Aber auch Europa hatte eine schamanische Tradition. Kräuterkundige, Heilerinnen und Hebammen lebten dem Schamanismus vergleichbare Vorstellungen. Mit der Christianisierung und die spätere Inquisition kamen uns unsere Wurzeln abhanden. So ist uns aus unserem europäischen Raum kaum etwas aus der Zeit vor der Christianisierung überliefert. Übrig sind nur einige schamanische Fragmente. Diese aber wieder mit unserer modernen Kultur zu verbinden, und in eine Form zu bringen, die in unseren modernen Alltag passt, halte ich für einen heilsamen Prozess. Wir brauchen wieder eine Verbundenheit zu Umwelt und Natur und für mehr Gemeinschaft. Wir haben keine Gemeinschaftsstruktur mehr, in der sich der Einzelne angenommen und zugehörig fühlt.

Dazu können uns erst einmal andere Kulturen helfen, denn die Grundstrukturen schamanischer Heilkunde ähneln sich, das hat Michael Harner mit seinen Forschungen herausgefunden. Von der Verbundenheit zur Natur, von den alten Bräuchen, Initiationsriten oder Heilungsritualen können wir heute wieder viel lernen. Dieser Weg beginnt mit der inneren Einkehr, der Selbsterkenntnis und dem darin enthaltenen Verständnis von der Verbundenheit aller Dinge.

Die Einheit erleben

Während die westliche Welt Mensch und Natur einander gegenüberstellt, ist der Mensch aus Sicht des Schamanen eins mit der Welt. Der Mensch selbst ist die Natur, die Erde ein lebendiger Organismus. Vom Stein über die Pflanze zum Tier oder Menschen, alles ist beseelt.

Der Schamanismus will den Menschen wieder in Kontakt mit dem großen Ganzen bringen, ihn mit der heiligen Natur verbinden, so dass er sich als Bestandteil von etwas Größerem erlebt.

Im Schamanismus ist die Heilung des Selbst und die Heilung von Mutter Erde eins. Heilen wir uns selbst ein Stück weit, heilen wir damit auch unseren Planeten. Wer selbst heil ist, wird darauf achten, die Erde nicht zu zerstören. Nicht selten verhalten wir uns, als seien wir von der Natur und damit vom Empfinden des Einsseins abgespalten. Gefühle von Lebensangst, innerer Leere oder einer tiefen, ungestillten Sehnsucht sind im schamanischen Sinne ein Hinweis auf den Verlust eines „Seelenanteils“.

Psychologisch wie schamanisch sind uns in solchen Fällen häufig Teile unseres Selbst nicht mehr zugänglich. Damit verlieren wir aber häufig auch einen Teil unserer Fähigkeiten, Lebenskraft und Motivation. Sie fehlen uns, solange wir von den Teilen unseres Selbst abgeschnitten sind.

Um Heilung einzuleiten, ermöglicht der Schamane dem isolierten Menschen einen neuen Erfahrungsprozess, sich wieder als Teil der Natur zu erleben.

Die verschiedenen Wirklichkeiten für Lösungsprozesse nutzen

Die Welt wird im schamanischen Verständnis häufig durch einen Baum dargestellt, der verschiedene Welten in sich trägt. Gleichzeitig steht der Weltenbaum aber auch als Symbol für den Menschen, der das Oben des Himmels mit dem Unten der Erde verbindet. So wird die schamanische Welt auch in die obere, die mittlere und die untere Welt eingeteilt. Die mittlere Welt ist die reale Welt, die beiden anderen eher geistige Welten. Diese verschiedenen Wirklichkeiten existieren in der schamanischen Vorstellung gleichrangig nebeneinander. Zum Klang der Trommel reisen schamanisch Tätige in diese nicht alltäglichen Wirklichkeiten, um Lösungen für den Klienten zu finden, meist begleitet von spirituellen Helfern, einem Krafttier oder einem Geistführer.

Zu den Fragen der geistigen Ebene geht die Reise eher in die obere Welt, indem meist mit Hilfe des Krafttieres die Wolkenschichten durchdrungen werden. Physische oder materielle Fragen sind eher auf der unteren Ebene zu klären. In diese Welt gelangt man durch eine Öffnung im Boden, ein Erdloch beispielsweise, einen Teich oder eine Höhle und gräbt sich durch die Gänge bis man eine Landschaft erreicht. Auch diese Parallelwelten sind Wirklichkeiten, die für jeden Menschen praktisch erfahrbar sind. Wer geübt ist, kann problemlos zwischen den Welten hin und herpendeln. Im ursprünglich schamanischen Sinne gibt es die Trennung der Welten, wie wir sie heute leben, gar nicht.

Archaische Praktiken für die moderne Beratung und Psychotherapie

Der Schamanismus bietet vielfältige Möglichkeiten der Integration in den therapeutischen oder beraterischen Prozess. Z. B. die durch die Reinigung der Aura, die schamanische Reise, die Begleitung durch ein Krafttier, die Einbindung von Ritualen, die Seelenrückholung oder die Ahnenarbeit.

Ein wichtiger Unterschied zur Psychotherapie und zur klassischen Beratung ist: Der Klient kann mitarbeiten – er kann aber auch einfach geschehen lassen.

Die Beschäftigung mit dem Schamanismus ist gleichzeitig eine Reise in die eigene innere Welt. Man kehrt zu heilsamer Ruhe zurück und wird empfänglicher für die natürlichen Aspekte des Lebens. Auch so kann man sich Veränderung und Ausgleich schaffen. Öffnet sich das Herz erst einmal wieder für die natürlichen Aspekte des Lebens, sind auch unsere grundlegenden Herzensgaben wieder fühlbar und spürbar, die Energie kann ohne Blockaden fließen und das Vertrauen zur Welt und den Menschen ist wieder hergestellt. Schamanische Methoden können fließend in Beratung und Psychotherapie integriert werden. Gleichzeitig ist die schamanische Arbeit auch spirituelle Arbeit.

Literaturempfehlungen

  • Alberto Villoldo: Die Macht der vier Winde: Eine Reise ins Reich der Schamanen. Goldmann 2009.
  • Alberto Villoldo: Das geheime Wissen der Schamanen: Wie wir uns selbst und andere mit Energiemedizin heilen können. Goldmann 2001.
  • Michael Harner: Der Weg des Schamanen. Das praktische Grundlagenbuch zum Schamanismus. Ariston 2007.
  • Sandra Ingerman: Heilung für Mutter Erde. Wie wir uns und unsere Umwelt verwandeln können. Ansata 2003.

Dörthe HuthDörthe Huth (M.A.)
Psychologische Beraterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie, Seminarleiterin und Autorin von „Lass los und werde glücklich“.
www.doerthe-huth.de