Schwimmen lernen - nebenberuflich gründen
Jede Frau hat ihre Träume – die eine wünscht sich ihren eigenen Salon, die nächste ein kleines gemütliches Café und Sie – Ihre eigene Praxis? Ja, das wäre schön! Aber ich kann doch meinen Job nicht aufgeben und bleibt da genug zum Leben und ich hab doch auch die Kinder und ... Die Realität reißt uns leider allzu oft aus unseren Träumen und dann geben wir auf ... Leider!
Ich möchte Sie auf eine Denkreise einladen – der nebenberuflichen Gründung. Nicht trotzdem, sondern gerade weil wir den Job haben und die Kinder und leben wollen!
Warum wollen Sie eine Praxis oder Beratungsstelle gründen? Was ist Ihr Hauptziel? Sicher wollen Sie anderen Menschen zur Seite stehen, sie bei der Bewältigung von Lebenskrisen unterstützen.
Und jetzt denken Sie bitte an sich: Was ist Ihnen für sich selbst wichtig? Vielleicht haben Sie kleine Kinder oder pflegen Angehörige. Sie möchten sich aber auch beruflich beweisen. Nur: Eine Arbeitsstelle, wo sie Familie und Job so verbinden können, wie es sein müsste, finden Sie nicht. Vielleicht sind Sie bereits jenseits der 50 und möchten sich den täglichen Arbeitsstress von morgens bis abends einfach nicht mehr antun. Oder: Ihr Partner verdient sehr gut, trotzdem möchten Sie etwas zum Familieneinkommen beitragen. In allen diesen Fällen ist eine Selbstständigkeit im Nebenerwerb für Sie „goldrichtig“.
Vielleicht ist Ihr großes Ziel aber doch die hauptberufliche Selbstständigkeit. Endlich mit gutem Gewissen das tun, was man selbst für notwendig und richtig erachtet; für seine Leistung Anerkennung erhalten; die Dankbarkeit der Patienten spüren; freie Gestaltung der Arbeitszeit … Wenn da nur nicht das finanzielle Risiko wäre! Zwar federt der Gründungszuschuss den „Sprung ins kalte Wasser ab“, aber genau genommen verschiebt er ihn um neun Monate. In diesen neun Monaten müssen Sie „schwimmen lernen“ oder „Sie gehen unter“. Neun Monate können fühlbar kurz sein (das wissen wir Frauen wohl am besten)!
Vor allem ist das Schwimmenlernen in völlig unbekannten Gewässern ziemlich gefährlich. Man hat mit sich zu tun, wie man sich verhält, muss sich den Ablauf der (Schwimm-)Züge erst einprägen. Und dann die unbekannte Umgebung; man weiß nicht, wo ein gefährlicher Strudel wartet oder wie man eine sichere Sandbank erreicht. Ähnlich fühlt es sich an, wenn man sich selbstständig machen will. Was muss ich nacheinander tun, wofür muss ich wirklich Geld ausgeben und was kann ich mir sparen, wo erhalte ich Unterstützung … Und das alles unter dem Druck, Miete, Krankenversicherung und Lebensunterhalt erwirtschaften zu müssen.
Deshalb mein Rat: Starten Sie in seichtem Gewässer – nebenberuflich! Freunden Sie sich erst einmal mit dem Gefühl an, wenn Ihnen das Wasser um die Füße plätschert (wie Sie sich als Unternehmerin fühlen). Dass Sie Freunde und Bekannte beraten, ist Ihnen vertraut. Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie Fremde beraten? Können Sie nach der Beratung Abstand wahren? Wie fühlt es sich an, für diese Beratungsleistung ein Honorar zu verlangen? Können Sie für Ihre eigene Leistung werben – diskret und doch wirkungsvoll? Viele neue Eindrücke stürmen auf Sie ein. Es braucht Zeit, sich damit auseinanderzusetzen ... bevor man den Boden unter den Füßen verliert.
Nun aber zum Geschäftlichen und den Vorschriften: Welche Vorteile bietet der Nebenerwerb? Es gibt vieles, was gleich, und vieles was unterschiedlich ist zur hauptberuflichen Selbstständigkeit. Das Gravierendste sind die Finanzen. Ein kleiner Wermutstropfen zu Beginn: Es gibt keine Fördermittel (außer Sie verpflichten sich, innerhalb eines Jahres in Haupterwerb umzuwandeln). Das ist aber nicht schlimm! Das große Plus: Sie bleiben nach wie vor finanziell abgesichert wie bisher. Sind sie jetzt z. B. Studentin, Mutter oder Angestellte, dann erhalten Sie – wenn sie alles Folgende beachten – nach wie vor BAFöG, Elterngeld oder Gehalt. Außerdem erhalten Sie die Fördermittel auch dann, wenn Sie sich nach der „Testphase“ entschließen, in die volle Selbstständigkeit zu wechseln. Es geht Ihnen also nichts verloren.
Eine große Rolle spielen die Krankenkassen. Diese definieren: Ein (hauptberuflicher) Unternehmer muss seinen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst leisten. Ein (hauptberuflicher) Arbeitnehmer ist durch seinen Arbeitgeber, ein (hauptberuflich) Arbeitsloser durch die Agentur für Arbeit bzw. ARGE und ein Ruheständler aufgrund seines Rentnerstatus krankenversichert. (Hauptberufliche) Studenten oder Hausfrauen sind familienversichert.
Der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht gering! Der niedrigste Beitrag (für Gründer) liegt derzeit bei ca. 220 € pro Monat. Er kann je nach Kasse, Leistung und Versichertem differieren. Es ist also Achtung geboten, dass Sie den jeweiligen Status nicht aufs Spiel setzen. Mangels Gesetz gilt das Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 21. März 2006 als Richtlinie: „… Vom zeitlichen Umfang her ist eine selbstständige Tätigkeit dann als hauptberuflich anzusehen, wenn sie mindestens 18 Stunden in der Woche umfasst. Dabei ist neben dem reinen Zeitaufwand für die eigentliche Ausübung der selbstständigen Tätigkeit auch der zeitliche Umfang für eventuell erforderliche Vor- und Nacharbeiten zu berücksichtigen. Bei einem geringeren Zeitaufwand als wöchentlich 18 Stunden ist die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bilden …“
Schwieriges Beamtendeutsch! – Was bedeutet das im Klartext:
- Alle Tätigkeiten rund um die Selbstständigkeit müssen in weniger als 18 Std./ Woche erledigt werden.
- Wenn Sie zwar weniger als 18 Std./Woche selbstständig arbeiten, aber „zu viel Geld verdienen“, ist die Zeit irrelevant.
Was heißt also „zu viel Geld verdienen“? Als Verdienstobergrenze für die Familienversicherung gilt allgemein 365 € pro Monat. Daran sollten sich Hausfrauen oder Studenten halten, die beim Partner oder bei den Eltern versichert sind.
Sind Sie aber z. B. arbeitslos, gelten andere Grenzwerte. Dann dürfen Sie in der nebenberuflichen Selbstständigkeit nicht mehr als 14,9 Stunden pro Woche arbeiten, denn ab einer Arbeitszeit von 15 Stunden gilt man lt. SGB als nicht mehr vermittelbar. Sie würden den Bezug Ihres Arbeitslosengeldes aufs Spiel setzten, im Umkehrschluss aber nicht die üblichen Förderungen erhalten. Warum? Weil man vor Beginn der Selbstständigkeit nachweisen muss, dass man auch in Lage ist, ein Unternehmen zu führen (Businessplan schreiben, Gründerseminar besuchen ...). Als Arbeitslose(r) dürfen Sie grundsätzlich unschädlich 165 € (bei ALG I) bzw. 100 € (bei ALG II) dazuverdienen. (Die Werte können sich aufgrund individueller Besonderheiten erhöhen.) Alles was darüber ist, wird vom ALG gekürzt.
Haben Sie einen Job, müssen sowohl die Arbeitszeit als auch der Verdienst der Selbstständigkeit wesentlich(!) unter dem des Hauptverdienstes liegen. Außerdem benötigen Sie vorher das Einverständnis Ihres Arbeitgebers. Dieser darf Ihnen die nebenberufliche Selbstständigkeit durchaus untersagen, wenn er „ein berechtigtes Interesse“ hat.
Sicher haben bereits viele von Ihnen gedacht: „Das lohnt sich ja gar nicht.” Doch! Bitte lesen Sie weiter!
Alle finanziellen Grenzwerte, die bisher genannt wurden, beziehen sich nicht auf die Einnahmen! Als Unternehmer – auch nebenberuflich – zählt nur der Gewinn! Von all ihren Einnahmen ziehen sie alle Ausgaben ab, die mit Ihrer Selbstständigkeit im Zusammenhang stehen, z. B.
- Miete & Nebenkosten (auch für ein Zimmer im eigenen Haus)
- Einrichtung (Sitzecke, Schreibtisch, Pflanzen ...)
- Hard- und Software (PC inkl. Betriebssystem, spezielle Software)
- Aus- und Weiterbildungskosten, Literatur (auch Zeitschriften)
- Büromaterial, Telefonkosten (falls kein extra Anschluss: 1/2 der Gesamtkosten)
- Fahrtkosten (30 Cent/km)
- Werbung (Website, Visitenkarten, Flyer, Anzeigen …)
Die Aufzählung ließe sich noch verlängern. Prüfen Sie also bei jeder Ausgabe, ob diese zu Ihrer (nebenberuflichen) Selbstständigkeit zugeordnet werden kann. Sie sehen also, dass Sie 800 € im Monat einnehmen können, als Gewinn bleiben trotzdem nur die erlaubten 365 € übrig. Das ist für die Vollselbstständigkeit zu wenig, im Nebenerwerb aber nicht schlecht.
Noch ein Hinweis zum Schluss: Auch im Nebenerwerb muss man an Buchhaltung und Steuern denken. Damit dies relativ einfach bleibt, empfiehlt sich meist die sogenannte Kleinunternehmerregelung. Sie müssen keine Mehrwertsteuer abführen, können aber bei Ihren Ausgaben auch keine Vorsteuer geltend machen. Dies wäre aber nur nachteilig, wenn Sie viel investieren (z. B. Praxiseinrichtung). Was auch entfällt, ist die Steuererklärung für die Umsatzsteuer.
Ihre Buchhaltung führen Sie als Einnahme-Überschuss-Rechnung (EÜR). Sammeln Sie alle Quittungen und listen Sie diese nach Datum getrennt in Einnahmen und Ausgaben auf. Privateinlagen oder Privatentnahmen interessieren nicht! Das heißt eine EÜR kann ins Minus kommen (im Gegensatz zum Kassenbuch), denn sie spiegelt den Geschäftsverlauf eines Monats wider.
Träumen Sie nicht nur vom großen weiten Meer der Selbstständigkeit! Halten Sie mal den großen Zeh ins Wasser; spüren Sie, wie die Wellen um ihre Beine plätschern … und entscheiden Sie dann, ob Sie den nächsten Schritt wagen wollen!
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!
Eva Jakob
Jahrgang 1966. Diplompädagogin, geprüfte Psychologische Beraterin, Burnout- Beraterin. 14 Jahre Leitung eines eigenes Unternehmens, danach Industrie- und Handelskammer- Beratung von Selbstständigen zu Gründungs- und Rechtsfragen. Fasziniert von Psychologie in Arbeit und Management. Seit 2009 freiberufliche Unternehmensberaterin und Dozentin.
www.unternehmensberatung-chance.de