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Die "Traurige Liste" - In 20 Minuten auf dem richtigen Weg!

Zum Thema Gründe & Ursachen bei Alkoholmissbrauch. Mit der „Traurigen Liste“ erhalten Sie ein effektives Werkzeug, mit dem Sie in nur 20 Minuten wesentliche Aspekte des Alkoholmissbrauchs erfassen können – auch die Ursachen & Gründe, die dem Probanden noch gar nicht bewusst sind.

Bei Menschen, die mit einer Alkoholproblematik in die Praxis kommen, muss zwischen zwei Gruppen unterschieden werden. Zur ersten Gruppe gehören Personen, die wegen einer von ihnen bereits erkannten Alkoholproblematik Hilfe suchen. Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, denen noch gar nicht bewusst ist, dass bei ihnen eine Alkoholproblematik zu Grunde liegt. Sie kommen primär wegen unerwünschter und unangenehmer Ereignisse in die Praxis: Häufiger Streit mit dem Partner, Ärger am Arbeitsplatz, Führerscheinverlust usw.. Wenn Alkoholmissbrauch diesen unerwünschten Ereignissen zu Grunde liegt, fällt es diesen Personen oft außerordentlich schwer, im Verlauf der Gespräche Gründe für ihren verstärkten Alkoholkonsum zu erkennen.

Zu lange wurde „perfekt“ verdrängt.

So braucht es oft viel Zeit, diese Gründe im Gespräch zu erarbeiten. Darum habe ich all die Gründe / Anlässe, die sich bei Gesprächen mit meinen Klienten herausgestellt haben, über Jahre gesammelt und in der „Traurigen Liste“ zusammen gestellt. Im Praxisalltag setze ich die „Traurige Liste“ regelmäßig ein: Ich lese dem Klienten jeweils eine Aussage vor und frage dann, ob das bei ihm auch zutrifft bzw. zugetroffen hat. Bejaht der Klient, gehe ich kommentarlos zur nächsten Aussage und lese diese vor. Verneint der Klient, streiche ich kommentarlos die entsprechende Aussage und lese die nächste vor. Auf diese Weise wird eine Liste erstellt, die nur die Trinkanlässe und -gründe des Betroffenen enthält. Die „Traurige Liste“ enthält manchmal sehr ähnlich formulierte Aussagen, teilweise an unterschiedlichen Positionen. In der Praxis erlebe ich oft, dass Klienten beim Wiederholen einer Aussage, die dann anders formuliert ist, ganz unterschiedlich antworten, weil sie vieles noch nicht in vollem Umfang wahrhaben wollen. Durch diese Liste wird die Auseinandersetzung mit der Problematik angeregt.

Beispiel:

• Getrunken, weil ich nicht gut NEIN sagen konnte, wenn mir Alkohol angeboten wurde, um in der Klicke dabei zu sein, nicht ausgegrenzt zu werden.

• Getrunken, weil ich dachte, so mehr akzeptiert zu werden in der Gruppe, um „dazu zu gehören“.

Der einen Aussage wird heftig zugestimmt, die andere Aussage wird energisch verneint. Die „Traurige Liste“ lockert auch schwer zugängliche Menschen auf. Wortkarge Klienten werden offener, je mehr Items vorgelesen werden. Manchmal bemerke ich eine direkte Erleichterung beim Klienten, je mehr Trinkauslöser er hört. Oft erkennen Betroffene hier zum ersten Mal, was sie bisher nicht einmal vor sich selbst wahrhaben wollten, stimmen im weiteren Verlauf Aussagen zu, die Sie in ähnlicher Form zu Beginn der „Traurigen Liste“ noch verneint haben. Wichtig ist es, die Liste weitgehend zu personalisieren. Aussagen, die als besonders treffend vom Klienten empfunden werden, werden unterstrichen. Wenn der Proband Aussagen einschränkt z.B. durch „Manchmal…“ oder „Unterbewusst…“, schreibe ich diese Einschränkungen zu den entsprechenden Aussagen hinzu. Auch Erläuterungen wie z.B. „.. das war, als ich mich selbständig gemacht hatte“ notiere ich zur entsprechenden Aussage. So kann sich der Klient später viel leichter wieder mit der Liste identifizieren. Auch kann er zu einem späteren Zeitpunkt nicht behaupten, er hätte das so gar nicht gesagt. Erst nachdem alle 75 Items vorgelesen worden sind (Zeitaufwand etwa 20 Minuten), wird dem Klienten eröffnet, dass er zu den Aussagen, die er bejaht hat, jeweils schriftlich die Frage zu beantworten ist, welche tragfähigen Alternativen er hierzu heute hat. Dies soll in der Zeit bis zur nächsten Sitzung geschehen. So kann der Betroffene sich eigenständig mit den Fragen auseinander setzen. Wäre das dem Betroffenen schon vorher bekannt, würden vor allem Klienten, die der zweiten Gruppe angehören, aus Bequemlichkeit viel öfter die Aussagen verneinen. Dies ist ein ganz wichtiger Grund, warum die „Traurige Liste“ so gut funktioniert:

Beim Vorlesen muss der Klient erst einmal nur mit „Ja“ und „Nein“ antworten. Er findet sich in manchen der Aussagen wieder und hat so das Gefühl, recht bequem voran zu kommen. So ist er durchaus bereit, engagiert mit zu arbeiten. Bei der Hausaufgabe, der Frage nach den Alternativen heutzutage, wird im Fragebogen oft bewusst: „Was mache ich heute“ gefragt, obwohl „Wie ist das heute“ u.U. auf den ersten Blick logischer erscheint. So hat der Klient die Chance, beim eigenständigen Bearbeiten der „Traurigen Liste“ selbst zu erkennen, dass viele negativen Ereignisse heute ohne Alkoholmissbrauch ganz entfallen. Diese Erkenntnis ist besonders effektiv, weil sie eigenständig gewonnen wird und sich beim weiteren Ausfüllen des Bogens immer mal wieder bestätigt. Ggf. wird man bei der nächsten Sitzung noch gemeinsam Alternativen erarbeiten, um dem Klienten gutes Handwerkszeug an die Hand zu geben, sich in Zukunft bei kritischen Situationen selbst helfen zu können bzw. sich so zu verhalten, dass in Zukunft kritische Situationen minimiert werden. Da alle Aussagen schwarz auf weiß festgehalten sind, bietet die „Traurige Liste“ eine stabile Grundlage für weitere Gespräche. Die „Traurige Liste“ verdeutlicht nicht nur Alkoholmissbrauch (Trinken wegen der Wirkung) und offensichtliche Trinkanlässe & - gründe. Anhand der getroffenen Aussagen kann der erfahrene Therapeut sehr schnell Grundstrukturen erkennen. Durch das Isolieren bestimmter, vom Klienten gemachter Aussagen können dem Betroffenen tief liegende Gründe eröffnet bzw. verdeutlicht werden. Dem Klienten gelingt es hier leichter, diese Gründe nachzuvollziehen, da sie ein Extrakt seiner Aussagen sind, die ja zuvor schriftlich festgehalten wurden.

Beispiel: Bei einer Befragung wurden u.a. folgende Aussagen bejaht:

• Getrunken, weil ich dachte, ohne Alkohol nicht ausreichend beachtet zu werden.

• Ich konnte nicht gut NEIN sagen, wenn ich um einen Gefallen gebeten wurde.

• Ich fühlte mich oft ausgenutzt.

• Getrunken, weil ich geglaubt hatte, durch meine Trinkfestigkeit bei anderen mehr Anerkennung zu finden.

• Getrunken in der Gesellschaft, um mit den anderen „mitzuhalten“.

• Getrunken, weil ich dachte, dass es von mir erwartet wurde.

• Getrunken, weil ich im Mittelpunkt stehen wollte.

• Getrunken, weil ich dachte, so mehr akzeptiert zu werden in der Gruppe.

Wenn diese Aussagen dann so verdichtet zusammengestellt werden, fällt es dem Betroffenen viel leichter, zu erkennen, dass hier z.B. eine Selbstwertproblematik ursächlich ist. Besonders schwer fällt es im allgemeinen Menschen, die beruflich erfolgreich sind, sich vorhandene Selbstwertproblematiken einzugestehen, da sie oft der Meinung sind, beruflicher Erfolg würde eine Selbstwertproblematik ausschließen. Die „Traurige Liste“ hilft auch diesen Menschen, da sie im Berufsleben gelernt haben, Fakten zu akzeptieren. Und was man schwarz auf weiß hat… Abschließend möchte ich noch auf eine elegante Alternative zur Verwendung der „Traurigen Liste“ hinweisen. Wer mit dem Computer ein wenig vertraut ist, kann in der Therapie die Liste als Text-Dokument benutzen. Nicht zutreffende Aussagen werden komplett markiert & gelöscht, zutreffende Aussagen ggf. entsprechend modifiziert. So erhält der Klient eine individuelle Liste ausgedruckt, die kompakter ist und wird nicht ablenkt durch ausgestrichene Items.

Die „Traurige Liste“ als Word-Dokument können Sie unter folgender Adresse kostenlos herunterladen: www.geholfen.com/download.

Bei der Beratung / Therapie auffällig gewordener Kraftfahrer spielt das Thema Alkohol eine zentrale Rolle. Ich habe im Laufe der Jahre in meiner Praxis viele Gespräche mit Betroffenen geführt. Sehr oft stellt sich heraus, dass es für meine Klienten, die ja meist zur zweiten Gruppe gehören, schwierig ist, Gründe für ihren übermäßigen Alkoholkonsum zu erkennen. Seit ich die „Traurige Liste“ einsetze – von der es auch eine BTM-Version gibt – erkennen Betroffene wesentlich schneller und einfacher die wirklichen Gründe für ihren Alkohol bzw. BTM Konsum.

In nur 20 Minuten auf dem richtigen Weg – mit der „Traurigen Liste“ kein Problem!


Ein Artikel von Peter Schmidt, Verkehrstherapeut, Gremiumsmitglied des Arbeitskreises Verkehrspsychologie im VFP

Bei Fragen zum Thema oder Interesse am bundesweit tätigen Arbeitskreis Verkehrspsychologie rufen Sie mich bitte an:
0700 – 434 65 336.