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Wir schaffen das!

Der Konjunktiv ist dem Indikativ sein Tod!
Was wir könnten – statt zu tun!

„Ich müsste halt einfach mal damit anfangen.“
„Ich könnte ja auch versuchen, es durchzuhalten.“
„Wir sollten mal darüber nachdenken, wie es anders sein könnte.“

Kennen Sie diese Konjunktiv-Aktivitäten-Hemmer? Sie sind schlimmer als Spaßbremsen, denn sie schleichen sich fast unbemerkt in den Alltag. Viele Menschen scheinen davon betroffen zu sein – obwohl es keine Epidemie ist. Trotzdem vergleiche ich es mit einer Volkskrankheit, denn die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen sind massiv.

Mehr als die Hälfte meiner Klienten hängt im „Konjunk-Tief“ fest. Dieses Tief trägt entscheidend zur gedrückten Stimmungslage bei: Zwischen Worten, Gedanken und Handeln kommt es zu erheblichen Luftzirkulationen. In aller Regel handelt es sich dabei um „heiße Luft“. Dem Konjunk-Tief folgen keine Tätigkeiten, sondern nur weitere Stimmungstiefs. Diese Tiefs haben zur Folge, dass Aktivität durch aktive Passivität abgelöst wird. Was das ist?

Aktivität findet nur in der Möglichkeitsform statt, dafür aber umso lebhafter. Potenzial wird kultiviert, aber nicht abgerufen. Das Darübersprechen scheint für „Konjuk-Tiefere“ eine befreiende Wirkung zu haben, ähnlich einer Wort-Kur.

Viele Menschen scheinen sich über das Sprechen wenig Gedanken zu machen. Einige scheinen zuerst zu sprechen und dann zu reden, doch von denen soll hier nicht die Rede sein. Sicher die wenigsten denken beim Sprechen über die Grammatik nach. Dem Genitiv mag es noch ziemlich egal sein, wenn sich der Dativ in seine Zuständigkeit mengt („Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ von Bastian Sick). Psychologisch hat es jedoch massive Auswirkungen, ob wir im Konjunktiv oder im Indikativ sprechen.

„Ich fange damit an.“ oder „Ich halte es durch.“ oder „Wir denken darüber nach, wie es anders wird.“, fordert Energie. Eine Investition, die nicht jeder bereit ist zu tätigen. Der Konjunktiv schaut sich lieber Fotos an, statt selber hinzufahren. Unter ökonomischen Gesichtspunkten mag das sinnvoll sein – auf jeden Fall ressourcenschonend.

Um uns nicht zu überfordern, greifen wir wie selbstverständlich auf Verhaltenskonserven zurück. Wir folgen gern bekannten Mustern, die nicht viel Aufmerksamkeit von uns erfordern. Diese Verhaltensmuster sind auch in unserer Sprache lebendig. Wir sind Redewendungen gewohnt, weil sie uns ständig über die Lippen kommen. Bestimmte Wörter strapazieren wir immer wieder aufs Neue. Gut bedient ist hier, wer über einen großen Wortschatz verfügt.

Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick bringt das mit folgendem Spruch treffend auf den Punkt: „Wer nur einen Hammer hat, hält jedes Problem für einen Nagel.“ Im Konjunk-Tief ausgedrückt: „Wenn ich etwas anderes hätte als einen Hammer, gäbe es vielleicht eine Alternative zum Zuschlagen.“ Und zack, da saust der Hammer schon wieder auf den Nagelkopf.

Sprache schafft Wirklichkeit. Was wir wahrnehmen, ist tatsächlich nichts anderes als Wahr-Gebung. Wir legen unsere Wahrheit in die Dinge hinein und tun so, als wären sie dadurch unverrückbare Realität. Wie wirksam diese Wahr-Gebungen sind, kennen Sie vom Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Wenn Sie sich nur lange genug einreden, dass etwas nicht klappt, dann steigen Ihre Chancen, dass es auch kräftig in die Hose geht. Gott sei Dank funktioniert der Mechanismus auch in die erfolgreiche Richtung.

Unsere Sprache wirkt autosuggestiv. Vieles von dem, was wir sagen, versetzt uns in einen tranceähnlichen Zustand. Das ist vergleichbar mit Mantras, die wir ständig wiederholen. Circa 80 % der täglichen Kommunikation laufen als Selbstgespräche. Bei diesem Volumen ist es vorteilhaft, auf seine Worte zu achten. Anspruchsvolle Selbstgespräche setzen einen klugen Kopf voraus.

Wer sich regelmäßig im Konjunk-Tief aufhält, kommt nicht aus dem Möglichkeitsmodus heraus. Er bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Verpasste Chancen haben bei ihm Konjunk-Tour.

Das Konjunk-Tief wirkt zuverlässig auch zwischenmenschlich: „Könntest du vielleicht mal den Müll runter bringen?“ hat eben eine andere Wirkung als „Bringst du bitte mal den Müll runter.“

Möglichkeitsformulierungen haben die Qualität von Angeboten, die angenommen oder ausgeschlagen werden können. Einerseits wirken sie befreiend, weil sie nicht mit der Strenge des Tu‘s! daherkommen. Andererseits versuchen sie, Verantwortung zu delegieren an den Adressaten („Er wird die Botschaft schon verstehen“) oder in die Zukunft („Dann warte ich eben auf den richtigen Zeitpunkt!“).

Allerdings sind wir eben auch dafür verantwortlich, was wir nicht tun. Das ist die unangenehme Nebenwirkung des KonjunkTiefs: Verantwortlich für etwas zu sein, das wir doch gar nicht getan haben. Ich nenne es die Verantwortungs-Taten-Losigkeit. Kennen Sie die?

Um zum Gestalter unserer eigenen und eigenverantwortlichen Wirklichkeit zu werden, gibt es nur eine Wahl: Tuwörter. Ich gehe, frage, schreibe, kündige, klopfe, fahre, packe. Kurz gesagt: Ich tu‘s. Es gibt dazu keine Alternative, wenn Sie sich als Ihren persönlichen Life-Manager erleben möchten.

Der Indikativ ist initiativ. Er ist das „Ich mache“ statt das „Ich könnte“. Er setzt schöpferische Energie frei und bleibt nicht im Stand-by-Modus. Indikativ-Typen sind Tä- ter, weil sie tätig werden. Sie werden oft als besonders überzeugend und charismatisch erlebt. In ihrer Sprache nehmen sie durch den Indikativ die Wirklichkeit vorweg: „Packen wir´s an!“ wirkt kraftvoller als „Wir könnten es anpacken!“

Barack Obama hatte sich bewusst für seinen Wahlkampfslogan „Yes we can!“ entschieden. Denken Sie nur, was für einen Unterschied ein „Yes we could“ gemacht hätte. Auch Angela Merkel entschied sich für „Wir schaffen das!“ anstelle von „Wir könnten das schaffen!“

Sprache schafft Wirklichkeit. Ihre Wirklichkeit. Es gibt niemanden, mit dem Sie tauschen können.

Der Indikativ ist der Entwicklung ihr Freund.

Horst LempartHorst Lempart

Heilpraktiker für Psychotherapie, Psychologischer Berater, Systemischer Coach
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