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Urteil des Amtsgerichts Dortmund gegen die Signal-Iduna Krankenversicherung: Gleichstellung von Vollheilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie

2011-04-Urteil1

Das Urteil des AG Dortmund vom Juni 2011 (Az: 405 C 1913/11) hat in den letzten Wochen und Monaten für viele Nachfragen gesorgt – nicht zuletzt weil m. E. viel zu weit reichende Schlüsse daraus gezogen wurden. Worum ging es?

fotolia©ImageteamDie Singal-Iduna Privat-Krankenversicherung verweigerte einem Patienten die Erstattung von psychotherapeutischen Leistungen, die von einem Heilpraktiker für Psychotherapie durchgeführt worden waren. Begründung: „Personen, denen eine Erlaubnis gemäß § 1 Heilpraktikergesetz für einen kleinen und eng begrenzten Bereich erteilt wurde, dürfen nicht die Berufsbezeichnung ,Heilpraktiker‘ führen. Sie zählen deshalb nicht zu den Heilbehandlern im Sinne unseres Vertrages.“

Diese durch nichts zu rechtfertigende, willkürliche Behauptung hatte die Signal-Iduna auch in vielen anderen Fällen angeführt, offensichtlich, um sich um eine Erstattung zu drücken. Seit 2004 haben wir darüber schon mehrfach berichtet und auch mit dem Vorstand der Versicherungsgesellschaft gestritten. Der betroffene Patient hatte nun gegen diesen Bescheid Klage eingereicht.

Das Amtsgericht Dortmund hat in seinem o. g. Urteil festgestellt, dass nach seiner Auffassung der (lediglich) als Psychotherapeut tätige Heilpraktiker berechtigt ist, die Gebührenpositionen aus dem GebüH von 1985 geltend zu machen, die unter Ziffer 19 „Psychotherapie“ aufgeführt sind. Zitat: „Die vom Gericht vorgenommene Einstufung der Leistung des als Psychotherapeut tätigen Heilpraktikers entspricht der Systematik der Gebührenordnung und erscheint sachlich gerechtfertigt.“

Das bedeutet auch, dass die von der Signal- Iduna vorgenommene künstliche Trennung von Vollheilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie keinen rechtlichen Bestand hat. Darüber hinaus war das Gericht der Meinung: „Erst falls in diesem Gebührenfeld (Ziff. 19.1 ff.) Behandlungsmaßnahmen nicht enthalten sind, die medizinisch zwingend durchzuführen sind, darf der als Psychotherapeut tätige Heilpraktiker auf die allgemeine Leistungsumschreibungen der Ziffer 1 bis 8 zurückgreifen.“

Welche Konsequenzen sind nun für die Abrechnung mit Privatkassen daraus zu ziehen?

1. Dieses Urteil hat zunächst einmal nur Geltung für den strittigen Einzelfall. Dementsprechend hat die Signal-Iduna auch schon andere Versicherte schriftlich beschieden, sie könnten sich nicht darauf berufen.

2. Wahrscheinlich müssen noch weitere Klagen folgen, bis ein höheres Gericht hier einmal eine Grundsatzentscheidung fällt.

3. Die Gewohnheit mancher Kollegen, bei Privatkassen, die eine Erstattung von Psychotherapie nach Ziff. 19.1 ff. vertraglich ausgeschlossen haben, gleich nach den Ziffern 1 bis 8 abzurechnen, ist zumindest bei der Signal-Iduna so nicht mehr möglich.

4. Es ist aber weiterhin möglich, dass der Heilpraktiker für Psychotherapie z. B. Leistungen nach Ziff. 2 (Homöopathische Repertorisation) abrechnet – zumindest in den elf Bundesländern, die das bislang erlaubt haben.

5. Das Gericht hat sich nicht zu anderen Ziffern des GebüH geäußert, die z. B. für körperpsychotherapeutische Methoden durchaus infrage kommen, wie

20.1 = Atemtherapeutische Behandlungsmaßnahmen

20.4 = Teilmassage (Massage einzelner Körperteile)

20.5 = Großmassage

21.1 = Akupunktur/Akupressur

Insgesamt bleibt aber zu erkennen, dass besonders die Signal-Iduna sich weiterhin „mit Händen und Füßen“ dagegen wehrt, Leistungen der Psychotherapie zu erstatten, wenn sie von Heilpraktikern durchgeführt wurden. Dabei wird ein Argument nach dem anderen „aus dem Hut gezogen“:

1. Es wird die medizinische Notwendigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bei den Patienten bestritten. Dabei wird auch argumentiert, es müsse erst eine fachärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, obwohl wir Heilpraktiker doch auch berechtigt sind, Diagnosen zu stellen und dementsprechende Behandlungspläne aufzustellen.

2. Es wird die Vielfalt möglicher Psychotherapieformen, die wir prinzipiell anwenden dürfen, vertraglich eingeschränkt auf die drei „Richtlinienverfahren“ Psychoanalyse, Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie, obwohl die modernen Formen der Kurzzeittherapie (z. B. lösungsorientiert, systemisch, hypnotherapeutisch etc.) in den meisten Fällen viel effektiver und damit auch deutlich kostensparender sind.

3. Es wird dann weiterhin in Ablehnungsbescheiden behauptet und unterstellt, dass die Heilpraktiker für Psychotherapie die Richtlinienverfahren gar nicht anwenden könnten, da ihnen dazu die Ausbildung fehle ... Man sieht: Manche Privatkassen wollen um die Erstattung einfach herumkommen!

Welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen kann man daraus ableiten?

1. Bitten Sie jeden Patienten, der über eine private Voll- oder Zusatzversicherung verfügt, sich vor Beginn der Behandlung bei seiner Versicherung genau zu erkundigen, und am besten schriftlich geben zu lassen, welche psychotherapeutischen Leistungen in welcher Höhe erstattet werden, wenn der Therapeut ein Heilpraktiker ist.

2. Oft stehen in den Versicherungsverträgen uneinheitlich und unvereinbar nebeneinander generelle Leistungszusagen für Behandlungen durch Heilpraktiker (nach dem GebüH – und ohne dass hier z. B. die Ziff. 19.1 ff. ausgenommen wären!) und allgemeine Bestimmungen über die Erstattungsgrundsätze bei Psychotherapie, aus denen dann Einschränkungen der Erstattungspflicht abgeleitet werden. Ermutigen Sie Ihre Patienten, hier ihre Rechte wahrzunehmen und die Versicherer in die Pflicht zu nehmen. Denn bei Vertragsabschluss wurde bislang in keinem der uns bekannten mittlerweile zahlreichen Fälle darauf hingewiesen, dass Psychotherapie durch Heilpraktiker aus der Leistungspflicht ausgenommen sei. Und sehr viele Kunden schließen ja eine Volloder Zusatzversicherung aus genau diesem Grunde ab, damit sie persönlich die freie Wahl zwischen verschiedenen Therapeuten und auch (ganzheitlich-komplementären) Therapieverfahren haben! Hier erneut zu klagen, hat für die Patienten gute Chancen, wie das o.g. Urteil auch zeigt.

Übrigens: Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof die Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Solche Aufwendungen sind dann absetzbar, wenn sich bei einem Prozess hinreichend Aussicht auf Erfolg ergibt und keine Mutwilligkeit vorliege. Die Kosten sind natürlich um etwaige Erstattungen (z. B. Leistungen aus Rechtschutzversicherung) zu kürzen und nur insoweit abzugsfähig, als sie die zumutbare Belastung übersteigen.

Dr. Werner Weishaupt, Präsident des VFP e.V.