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Psychotherapie beim Heilpraktiker für Psychotherapie? Muss ich da verrückt sein?

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Sendung Psyche kompakt vom 1. Oktober 2012

2012-04-Verrueckt1„Bin ich verrückt, wenn ich eine Psychotherapie mache, oder kann ich da tief durchatmen ... ?“

Diese Sorge konnte mir mein Gast Dr. paed. Werner Weishaupt, Präsident des Verbandes Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e. V., sowie Leiter des Zentrums für Angewandte Kinesiologie in Salzgitter-Bad, nehmen:

Es sei eine weit verbreitete Befürchtung, dass Psychologen und Psychotherapeuten ein Hauptinteresse daran hätten, die Menschen einzuteilen in normal und verrückt. Das jedoch liegt diesen Berufsgruppen völlig fern. Dem Heilpraktiker für Psychotherapie gehe es allein darum, Menschen zu unterstützen, die mit bestimmten Lebensschwierigkeiten alleine nicht mehr klarkämen und dafür professionelle Hilfe bräuchten und wünschten.

Mit welchen Problemen kommen die Menschen am häufigsten in die psychotherapeutische Praxis?

WW: Laut Statistik sind das Menschen mit

  • Angststörungen
  • Depressionen
  • Burnout-Zuständen (= chronischer Erschöpfung)
  • psychosomatischen Symptomen, bei denen Beschwerden vorliegen, die den Betroffenen quälen, ohne dass organische Befunde vorliegen

In der Regel ist bei psychosomatischen Beschwerden schulmedizinisch alles abgeklärt, aber die lästigen Symptome sind trotzdem da und machen dem Einzelnen zu schaffen. Da lohnt es sich, einmal die psychischen Hintergründe auszuleuchten.

Mit welchen psychosomatischen Erkrankungen kommen die Menschen in die Praxis?

WW: Das kann alle Organsysteme betreffen

  • Haut
  • Atmung, Lunge, Bronchien, Asthma
  • Herzrhythmusstörungen
  • unklare Magen-Darm-Probleme
  • Verdauungsschwierigkeiten
  • Kopfschmerzen/Migräne

Im Grunde genommen gibt es kein Organ, das nicht betroffen sein kann.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Heilpraktiker für Psychotherapie und einem klassischen Psychologen?

WW: Die Unterschiede liegen in verschiedenen Ausbildungen. Der klassische Psychologe hat dieses Fach an einer wissenschaftlichen Hochschule studiert. Er kann im Bereich der Psychotherapie tätig werden. Aber viele Psychologen sind auch in anderen beruflichen Bereichen beschäftigt: in der Werbung, im kaufmännischen Bereich usw. und machen dort z. B. Tests und Persönlichkeitsforschung.

Für die Psychotherapie gibt es insgesamt drei relevante Berufsgruppen

  • die ärztlichen Psychotherapeuten
  • die psychologischen Psychotherapeuten (mit Psychologiestudium und anschließender therapeutischer Weiterbildung)
  • den Heilpraktiker für Psychotherapie (mit staatlicher Prüfung durch das Gesundheitsamt für den Bereich der psychologischen und psychotherapeutischen Heilkunde)

Gibt es für den Heilpraktiker für Psychotherapie irgendwelche gesetzliche Grenzen?

WW: Die sind ziemlich genau definiert. Menschen mit Krankheitsbildern, die den Psychiater brauchen – noch eine Berufsgruppe in diesem ganzen Feld –, die also medikamentös behandelt werden müssen, deren Erkrankung gehirnorganische Ursachen hat, sind keine Patienten für den Heilpraktiker für Psychotherapie. Dieser beschränkt sich auf die leichteren, alltäglichen Störungen, die trotzdem das Leben zur Qual machen können.

Welcher Patient muss vom Heilpraktiker für Psychotherapie konkret zum Arzt geschickt werden?

WW: Es ist genau festgelegt, welche Menschen ärztliche, fachärztliche und gegebenenfalls auch medikamentöse Hilfestellung brauchen und welche Patienten in stationäre Behandlung aufgenommen werden müssen.

Das sind Menschen mit

  • ganz schweren Depressionen
  • Schizophrenien, also Psychosen, bei denen zwischen Denken, Fühlen und Handeln etwas so im Menschen ver-rückt worden ist, dass er seinen Alltag nicht mehr alleine meistern kann

Der Heilpraktiker für Psychotherapie konzentriert sich auf die sogenannten neurotischen Störungen, die jeder von uns mehr oder weniger zu eigen hat: kleine „Verrücktheiten“, die sich aber manchmal so auswachsen können, dass die Lebensqualität auch dadurch sehr beeinträchtigt wird.

Wie finde ich einen guten Heilpraktiker für Psychotherapie?

WW: Viele Heilpraktiker für Psychotherapie stehen im Telefonbuch, annoncieren in den Zeitungen. Das Internet ist aber sicher die umfangreichste Quelle. Hier gibt es verschiedene Suchmaschinen.

Wenn man den Begriff „Heilpraktiker für Psychotherapie“ und z. B. die Region „Hannover“ eingibt, dann wird man eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen finden, mit ihren persönlichen Praxisschwerpunkten, mit ihren speziellen Ausbildungen und Therapiemethoden usw. und kann dann unmittelbar per E-Mail oder Telefon Kontakt aufnehmen und einen Termin machen.

Der Vorteil unserer Kolleginnen und Kollegen ist, dass es so gut wie keine Wartezeiten gibt, oder minimale, je nach Auslastung, im Unterschied zur Liga der approbierten Therapeuten, die in der Regel überlastet sind, wo Wartezeiten bis zu einem halben Jahr keine Seltenheit sind.

Kann ich, wenn ich auf der Warteliste für einen Psychologen stehe, aber jetzt Hilfe brauche, trotzdem den Heilpraktiker für Psychotherapie in Anspruch nehmen und zahlt das die Kasse?

WW: In Anspruch nehmen kann man unsere Kolleginnen und Kollegen auf jeden Fall und sei es auch nur zum Überbrücken einer solchen langen Wartestrecke. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen diese Behandlungen in aller Regel nicht. Ausnahmen sind möglich. Da kann man mit der einzelnen Kasse verhandeln. Solche Ausnahmen werden auch immer wieder mal bewilligt. Aber grundsätzlich werden nur die approbierten Therapien bei den psychologischen Psychotherapeuten regelmäßig von den Krankenkassen erstattet.

Kann ich die Kosten nicht eventuell auch steuerlich absetzen?

WW: So wie alle Aufwendungen, die wir für die Gesundheit/Gesunderhaltung haben, können auch die Honorarkosten für psychotherapeutische Sitzungen bei der Steuer geltend gemacht werden unter: Sonderausgaben. Da gibt es bestimmte Freibeträge. Aber wenn man darüber kommt, dann lohnt sich das auf jeden Fall, alle diese Belege zu sammeln und bei der Steuer einzureichen.

Wie kann ich mir den Ablauf einer Psychotherapie vorstellen?

WW: In aller Regel kommt der Klient oder Patient zum verabredeten Termin in die Praxis und erzählt erst mal sein Anliegen, das, was ihn eben hergeführt hat. Die psychotherapeutischen Kollegen werden zunächst zuhören, werden gezielte Fragen stellen, um sich ein vorläufiges Bild zu machen, eine gewisse diagnostische Einschätzung vornehmen, um dann die passenden Therapiebausteine herauszufinden, die für diesen Patienten/diese Patientin genau passend sind.

Im Weiteren wird dann verabredet, in welchem Rahmen diese Therapie stattfindet, ob als Einzeltherapie, Paartherapie oder Familientherapie.

Denn viele Dinge, die uns zu schaffen machen, hängen ja mit den Menschen zusammen, mit denen wir im Clinch liegen, mit denen wir Konflikte haben, die uns dann auf den Magen schlagen usw.

Deshalb ist es relativ häufig, dass man Mutter und Kind zusammen nimmt oder Vater und Kind oder die Eltern, auch wenn nur das Kind Symptome zeigt. Diese Dinge werden in der ersten Sitzung besprochen und von da an geht dann die eigentliche Therapie los, nach den ersten Klärungen.

Wichtig ist dann, mit welcher Methode gearbeitet wird, und da haben wir Heilpraktiker für Psychotherapie gegenüber dem Kassenpsychologen einen großen Vorteil, weil wir methodisch sehr frei arbeiten können und dürfen.

Welche Therapieangebote finde ich beim Heilpraktiker für Psychotherapie, die ich beim Psychologen nicht finde?

WW: Da gibt es eine ganze Fülle: Das sind die Methoden der Körperpsychotherapie, also bei mir speziell z. B. die „Angewandte Kinesiologie“. Wobei wir über den Muskeltest Fragen stellen, an das Unbewusste, an den Körper und hier sehr schnell die entscheidenden Dinge herausfinden können, die dem Einzelnen zu schaffen machen, die er bislang noch nicht allein verarbeiten konnte.

Das können auch Rollenspiele sein. Das kann Familienaufstellung sein. Das kann Mal-, Kunst-, Gestalttherapie sein. Die wissenschaftliche Forschung hat mittlerweile viele Methoden für gut befunden.

Durch politische Gründe dürfen die Kassentherapeuten vieles davon nicht anwenden. Aber wir sind davon, wie gesagt, völlig frei.

Dr. paed. Werner Weishaupt Gast
Dr. paed. Werner Weishaupt
Dozent und Heilpraktiker für Psychotherapie,
Praxis im Zentrum, Petershagener Str. 50, 38259 Salzgitter,
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Sonja Kohn Moderatorin
Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Dozentin, Freie Redakteurin, Mitglied der AG Haut.
Peiner Straße 29, 31319 Sehnde
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http://sonjakohn.blogspot.de

Psyche kompakt
jeden 1. Montag im Monat auf Radio Leinehertz 106.5, 17:05 Uhr

Buchtipp zur Sendung

Abbas Schirmohammadi/Dr. Werner Weishaupt: „Die große Welt der Freien Psychotherapie“, mit Beiträgen der besten Heilpraktiker/innen für Psychotherapie und Psychologischen Berater/innen Deutschlands, 226 Seiten, Shaker Media Verlag, ISBN 978-3-8685-8874-3

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Ein rechtlich wichtiger Hinweis

Die Tipps der Sendung Psyche kompakt dienen Ihrer Information und sind zur Selbsthilfe gedacht! Sie ersetzen keine Psycho- oder psychosomatische Therapie durch speziell ausgebildete Fachleute – und sind nicht oder nur teilweise wissenschaftlich durch Studien belegt.