Vorteile und Besonderheiten der Teilzeit-Selbstständigkeit
Sie machen eine Ausbildung zum/zur Heilpraktiker/in oder Psychologischen Berater/in und fangen während der Ausbildung an, die eine oder andere Beratung durchzuführen.
Wenn Sie das mit eigenem unternehmerischem Auftreten, auf Dauer angelegt und mit Gewinnerzielungsabsicht tun und Ihre Kundschaft nicht zu Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis gehört, dann sind Sie selbstständig mit allen Pflichten und Rechten.
Die Gründung in Teilzeit geschieht neben einer Anstellung oder neben der Familientätigkeit oder neben dem Studium. Für Teilzeitselbstständigkeit gibt es immer Gründe.
Im Jahr 2011 haben 835 000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren eine selbststständige Tätigkeit im Voll- oder Nebenerwerb begonnen. 392 000 Personen (47 %) haben sich im Vollerwerb und 443 000 Personen (53 %) im Nebenerwerb selbststständig gemacht.
(KfW-Gründungs-monitor 2012)
Haben Sie zunächst nur einzelne Kunden/Kundinnen, fühlt sich das nicht wie eine Existenzgründung an. Wir werden als Unternehmensberaterinnen oft gefragt: „Ja, ich mache das schon länger, so ein bis zwei Klienten/Klientinnen pro Woche: Muss ich da irgendetwas bedenken?”
Zunächst fallen Ihnen sicher die Steuern ein oder die Sozialversicherungen. Die Wahrheit ist, in Deutschland ist man nie nur ein bisschen selbstständig, wie eine Frau auch nicht nur ein bisschen schwanger sein kann. Sie sind selbstständig oder Sie sind es nicht. Wenn Sie fünf Stunden als Heilpraktiker/in oder Freie/r Psychotherapeut/in tätig sind, sind Sie genauso selbstständig wie mit fünfzig oder sechzig Stunden pro Woche.
Zeitliche Flexibilität
Sie entscheiden selbst, wie viele Stunden Sie für Ihre Tätigkeit zur Verfügung haben. Beratungen und Therapiesitzungen können morgens oder abends stattfinden, Seminare können Sie am Wochenende geben. Das ist ein Freiraum, den Sie selbst gestalten können. Nur fühlt sich das nicht immer so frei an, denn es bleibt eine Tätigkeit neben vielen anderen Dingen.
Sie kennen vielleicht das Gefühl: „Ich würde ja gerne viel mehr machen, wenn nicht noch ... wäre.“ Die Grenzen setzen Sie selbst. Das kann schwierig sein oder auch eine Chance. Es kann Ihnen sehr schnell passieren, dass Sie mehr Angebote bekommen, als Sie mit Ihrer begrenzten Zeit bewältigen können. Dann gilt es abzuwägen, wie Sie Ihre Prioritäten setzen wollen.
Persönliche Motivation
Die Motivation, zusätzlich etwas selbstständig zu machen, ist vielschichtig. Ein Grund ist der starke Wunsch, etwas zu tun, was Sie selbst bestimmen können, sowohl inhaltlich als auch strukturell.
Während für Männer dieser Schritt in erster Linie eine berufliche Entscheidung bedeutet, steht bei Frauen dahinter oft eine Lebensstrategie. Frauen versuchen, sich über die Selbstständigkeit erstmals einen maßgeschneiderten Arbeitsplatz zu schaffen, um alle ihre Aufgaben als Partnerin, Mutter, Hausfrau und Unternehmerin unter einen Hut zu bekommen.
Vielleicht sind Sie angestellt und haben eine Tätigkeit, die Sie nicht hundertprozentig erfüllt. Sie sind unterfordert oder unzufrieden mit hierarchischen Strukturen. Dann ist die nebenberufliche Selbstständigkeit z. B. als HeilpraktikerIn für Psychotherapie ein wunderbarer Ausgleich, wenn Sie genau das machen, was Ihnen am Herzen liegt.
Für die einen soll durch die Tätikeit das Einkommen aufgebessert oder der Lebensunterhalt gesichert werden. Für die anderen ist der Zuverdienst gedacht, um etwas Besonderes zu finanzieren wie Urlaub, größere Anschaffungen oder die Refinanzierung einer kostenintensiven Ausbildung.
Wirtschaftliches Risiko
Wenn Sie klein starten, sind in der Regel keine großen Investitionen erforderlich. Ihre Hauptinvestition haben Sie schon getätigt, d. h., Sie haben Ihre Therapieausbildung finanziert. Sie können die Kosten überschaubar halten, wenn Sie im kleinen Umfang zu Hause arbeiten oder sich in einer anderen Praxis stundenweise einmieten. Oder Sie nutzen Ihr zusätzliches Einkommen dafür, in neue Fortbildungen zu investieren. Wenn Sie nur Verluste machen, unterstellt Ihnen das Finanzamt „Liebhaberei“, wie Sie später lesen können.
Schwankungen bei den Einnahmen gibt es immer, wenn Therapien zu Ende sind und neue nicht direkt anschließen oder durch Ausfälle in Ferienzeiten. Das ist für Sie nicht existenziell, wenn Sie noch andere Einkünfte haben. Es lässt Sie ruhiger schlafen.
Testphase
Oft ist der Einstieg über die Teilzeit ein Test, ob dass, was Sie sich vorgenommen haben, auch funktioniert. Haben Sie ausreichende betriebswirtschaftliche Kenntnisse und sind Sie von Ihrer Persönlichkeit her geeignet für die Selbstständigkeit?
Für eine spätere Vollzeittätigkeit ist es leichter, wenn Sie Ihren aufgebauten Kundenstamm erweitern, als von jetzt auf gleich so viele Klienten/Klientinnen zu akquirieren, dass Sie davon leben können. Oder Sie wägen nach einer Anlaufphase ab, was für Sie die günstigere Variante ist: angestellt zu sein mit einem Minijob bzw. sozialversicherungspflichtig oder weiterhin Beratungen und Seminare selbstständig anzubieten.
Kommen wir zu den Besonderheiten, die Sie wissen sollten, um die richtige Entscheidung treffen zu können.
Teilzeit und Krankenversicherung
Als Selbstständige/r sind Sie zur Krankenversicherung verpflichtet. Wenn Sie privat versichert sind, richtet sich der Beitrag ausschließlich nach Ihrem Gesundheitszustand und Ihrem Alter. Es spielt keine Rolle, wie Ihr Einkommen sich zusammensetzt. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden alle Ihre Einkommen zugrunde gelegt und dort gibt es folgende Besonderheiten!
Die Familienversicherung: Ist Ihre Ehepartnerin/Ihr Ehepartner in einer gesetzlichen Krankenversicherung, können Sie sich dort mitversichern, wenn Sie unter 18 Stunden pro Woche tätig sind und Ihr Gewinn nicht mehr als 375 Euro (im Durchschnitt pro Monat), d. h. im Jahr nicht mehr als 4 500 Euro beträgt.
Die nicht hauptberufliche Selbstständigkeit: Diese Teilzeittätigkeit ist für die Krankenversicherung begrenzt auf max. 18 Stunden pro Woche. Wenn Sie also neben der Familie Ihre Praxis aufbauen und dafür nicht mehr als 18 Stunden investieren, nicht angestellt sind und Ihr Einkommen im Durchschnitt 875 Euro im Monat nicht überschreitet, dann zahlen Sie selbst Krankenversicherungsbeiträge mit einem Sondertarif von ca. 150 Euro. Fragen Sie gezielt danach bei Ihrer Krankenversicherung.
Die Selbstständigkeit neben einer Anstellung: Wenn Sie neben Ihrer Anstellung psychotherapeutisch arbeiten, zahlen Sie dort Krankenversicherungsbeiträge, wo der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit liegt. Gemessen wird der Schwerpunkt an Zeit und Geld. Da Zeit ein dehnbarer Begriff ist, zählt hier unterm Strich das Geld. Sprich: Verdienen Sie mehr Geld mit Ihrer Anstellung, zahlen Sie keine zusätzlichen Krankenversicherungsbeiträge. Es ist also ein echter Vorteil, wenn Sie das Gleichgewicht Ihres Einkommens aus der abhängigen und der selbstständigen Tätigkeit im Blick behalten. Sollte sich der Schwerpunkt verlagern, weil Ihre Selbstständigkeit finanziell überwiegt, dann zählen für die Berechnung des Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von 15,5 % alle Ihre Einkommen. Dazu gehört auch das Brutto aus der abhängigen Beschäftigung. Ihr Arbeitgeber muss sich nicht mehr beteiligen.
Teilzeit und Einkommensteuer:
Die Liebhaberei
Wenn Sie als Selbstständige nur Verluste machen, hat das Finanzamt in zwei bestimmten Lebenssituationen ein Auge auf Sie:
a) Sie haben eine/n gut verdienende/n Ehepartnerin/Ehepartner oder
b) Sie verdienen in Ihrer Haupttätigkeit gut.
In beiden Fällen würde der Verlust die Steuerlast mindern. Das macht das Finanzamt nur mit, wenn eine realistische Aussicht besteht, dass Sie auch einen Gewinn erwirtschaften. Steuervorteile werden nicht für „Hobbys“ erteilt und man unterstellt Ihnen Liebhaberei. In diesem Fall wird es wichtig, Ihre Gewinnerzielungsabsicht deutlich zu machen. Sollten Sie Ihre Ausbildung als vorweggenommene Betriebskosten geltend gemacht oder am Anfang hohe Investitionen gemacht haben, dann bemühen Sie sich, in den nächsten drei Jahren, Gewinne zu erzielen. Es zählen Ihr Auftreten am Markt und der Nachweis von Maßnahmen, die Sie ergriffen haben, um Ihren Umsatz zu steigern.
Teilzeit und Umsatzsteuer:
Die Kleinunternehmerregelung
Bis zu einem Umsatz von 17 500 Euro gehören Sie nach §19 UStG zu den Kleinunternehmern. Diese Summe bezieht sich auf das volle Jahr (zwölf Monate). Gehören Sie dazu, sind Ihre Leistungen umsatzsteuerfrei. Da die meisten Klienten/Klientinnen Privatzahlende sind und keinen Vorteil aus der Mehrwertsteuer ziehen, werden Sie für Ihre Kundschaft teurer, wenn Sie diese Umsatzsteuergrenze überschreiten. Wenn Sie also Kleinunternehmer/in bleiben wollen, kontrollieren Sie mindestens jedes Vierteljahr Ihre Umsätze, damit Sie noch rechtzeitig dagegensteuern können.
Als Heilpraktiker/in für Psychotherapie sind Ihre Leistungen nach § 4 Nr. 14a UStG umsatzsteuerfrei. Die Kleinunternehmerregelung trifft nur auf Sie zu, wenn Sie zusätzlich viele andere Dinge anbieten, wie Seminare oder Supervision.
Teilzeit und Arbeitsrecht
Nebenberufliche Tätigkeit ist grundsätzlich freigestellt. Es gibt ein paar Besonderheiten.
Für Beamte/Beamtinnen gibt es eine Genehmigungspflicht und Einkommensgrenzen (§ 42 BRRG Beamtenrechtsrahmengesetz). Wenn Sie im öffentlichen Dienst angestellt sind, haben Sie eine Informationspflicht nach TVÖD § 3 Absatz 3.
Für private Arbeitsverhältnisse gilt: Nur wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers bedroht sind, kann die Nebentätigkeit untersagt werden. Das bezieht sich darauf, ob Sie Ihrem Arbeitgeber mit der psychologischen Beratung Konkurrenz machen und ob Sie Ihre Arbeitskraft gefährden.
Die Arbeitszeit ist geregelt in § 3 ArbeitszeitG und schreibt vor, wie viel Schlaf und Erholung Sie brauchen. Mit einer Vollzeitstelle kommen Sie hier schnell an die Grenze. Sie dürfen dann die generelle wöchentliche Arbeitszeit max. 20% überschreiten.
Fazit: Sie sind auch in Teilzeit Unternehmer/in und damit für sich und Ihr Handeln verantwortlich. So ist die Teilzeitselbstständigkeit ein Balanceakt zwischen Freiraum und strukturellen Grenzen. Genießen Sie, dass Sie selbst bestimmen, wie Sie Ihre Selbstständigkeit gestalten und machen Sie das Beste daraus.
Petra Welz
Dipl.-Sozialpädagogin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Supervisorin, seit 1994 Bildungsarbeit, seit 2007 Unternehmensberatung. Mitinhaberin von Geld & Rosen GbR, Unternehmensberatung für Frauen und soziale Einrichtungen.
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