Skip to main content

Wenn die Seele Trauer trägt

2012-04-Geduld3

Fallstudie: Trennungsschmerz und Trauerarbeit

fotolia©Dadurev MikhailHäufig werden Therapeuten aufgesucht, wenn der Verlust eines Partners zu betrauern ist, sei es durch Todesfall oder Ende einer Lebensgemeinschaft. In beiden Fällen steht der Alleingelassene unter einer großen Belastung und für viele ist es ein traumatisches Erlebnis, das einen rat-, orientierungsund hilflos zurücklässt.

Den ersten Schmerz kann kein Therapeut nehmen, ja in den meisten Fällen noch nicht einmal lindern. Was der Therapeut allerdings kann, ist dem Klienten oder der Klientin aus dem Tal der Tränen herauszuhelfen.

Zunächst wird er aufmerksam zuhören und dem Klienten oder der Klientin ermöglichen, sich die Last im wahrsten Sinne des Wortes „von der Seele zu reden“. Denn dies ist bereits der erste Schritt der Therapie. Der Klient oder die Klientin darf sich über ihre/ seine Belastungssituationund den emotionalen Stress ungefiltert mitteilen, denn Belastung und Stress verursachen unmittelbaren seelischen Schmerz. Macht ein Mensch diese Erfahrung zum ersten Mal, ist es, als hätte er einen Arm oder ein Bein verloren. Er fühlt sich regelrecht behindert und verliert sein Gleichgewicht. Er kann sich nicht mehr helfen (Verlust des Armes) oder er kann nicht mehr alleine durchs Leben gehen (Verlust des Beins). Oft drücken solche Sprachbilder tatsächliche Empfindungen und Erfahrungen aus.

Die ersten Gefühle, die ein solcher Schmerz hervorrufen kann, sind entweder Zorn und Wut als aggressive Formen oder Scham und Furcht als ihre passive Entsprechung. Schon hier kann der Therapeut ansetzen, wenn er mit dem Klienten oder der Klientin bestimmte Formen der Selbstwahrnehmung und Selbstbeobachtung einübt. Es sind Übungen zur Selbstachtsamkeit.

Der Klient oder die Klientin kann sich bereits hier entscheiden, welchen Weg er oder sie einschlagen will. Denn sowohl Zorn und Wut auf der einen Seite als auch Scham und Furcht auf der anderen beeinflussen, ja bestimmen sogar, spätere Handlungen des Klienten, sein Verhalten und seine folgenden Einstellungen.

Er kann einerseits versuchen Kontrolle über sich und seine Situation zu gewinnen, also seine Selbstwirksamkeit zu aktivieren, oder seine Lage weiterhin als Chaos empfinden und weiterhin in Angst und Schrecken erstarren. Auch hier liegt es am Therapeuten, dem Klienten oder der Klientin zu einer Entscheidung zu verhelfen, indem er wiederum Übungen zur Selbstachtsamkeit anleitet. Dies kann in der Regel durch eine intensive Gesprächstherapie geschehen oder durch eine kognitive Verhaltenstherapie.

In beiden Fällen, Kontrolle oder Angst, können Maßnahmen der Emotional Freedom Therapy (EFT) helfen, die ersten Symptome zu mildern und den Klienten oder die Klientin therapiewillig und therapiebereit zu stimmen. Denn ohne die Bereitschaft (Compliance) des Klienten oder der Klientin ist auch der beste Therapeut hilflos.

Der Klient muss sich also entscheiden, ob er sich handlungsorientiert – also aktiv – seiner Situation nähern will, oder ob er passiv – also leidensorientiert – die Dinge so hinnehmen will, wie sie kommen. Den ersten Typ kann man eine „Kämpfernatur“ nennen, den zweiten Typ eine „Opfernatur“. Der erste nimmt den Kampf auf, zeigt seinen Willen zur Selbstbehauptung. Der zweite tritt den Rückzug oder die Flucht an – ein Weg, der nur allzu oft in Depression, Abhängigkeit oder gar Selbstzerstörung endet.

Dem Klienten oder der Klientin muss nachdrücklich vermittelt werden, dass dies immer auch eine Frage der Selbstverantwortung ist. Deswegen muss der Therapeut bereits in der psychoedukativen Phase der Therapie einfühlsam, aber nachdrücklich den Klienten oder die Klientin darauf aufmerksam machen, dass nur er oder sie sich selbst aus dem Teufelskreis befreien kann. Dass es ist, ein langsamer und schmerzreicher Weg, oft begleitet von Rückschlägen, sein wird, der gegangen werden muss. Der Therapeut ist hier ein wertvoller, zuverlässiger und verständiger Begleiter.

Haben Klient und Therapeut diese einleitenden Schritte erst einmal hinter sich gebracht, ist der Rest nur noch eine Frage der Zeit und des gemeinsamen Bemühens.

Als vielversprechend haben sich erwiesen: eine intensive Gesprächstherapie zu Beginn, gefolgt von Übungen zur Selbstachtsamkeit in Form von Tages- und Wochenprotokollen, Rechercheaufgaben zum Thema Stressbewältigung sowie zum Abschluss der ersten Phase hypnosetherapeutische Maßnahmen zur Wiederentdeckung und Aktivierung der Ressourcen des Klienten oder der Klientin.

In einem Fall zeigte eine Reflexion erstaunliche Wirkung. Diese Reflexion wurde statt einer eigentlichen Suggestion oder Affirmation angewandt. Sie stammt aus dem Buch „Perfect Days. Kleine Anleitung für mehr Gelassenheit“ von Bärbel Fening.

Die Reflexion war eine perfekte Vorlage, sie musste aber, wie jede Affirmation oder Suggestion, speziell auf die Klientin etwas umgeschrieben werden.

Der Vorteil dieses Vorgehens war, dass das Selbstbild oder das Symbolbild der Klientin ausgedrückt werden konnte. So konnte die Klientin ihr augenblickliches Empfinden zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig konnten durch Verwendung positiver Affirmationen eventuelle Schwächen oder Defizite, die im Symbolbild geschildert wurden, in Stärken umgedeutet werden.

Das Bild, das es zu vermitteln galt, war das eines Baumes als Symbol der persönlichen Stärke und solider Verwurzelung, als persönlicher Kraftquelle.

Die Klientin wurde nach der üblichen Entspannung in eine Trance mit Rapport versetzt. Sie ging mit dem Therapeuten auf einen Spaziergang in einen sonnendurchfluteten Park mit vielen Bäumen, von denen sie sich einen wählen sollte als ihr Sinnbild.

Die Reflexion von Bärbel Fening enthielt die Fragen, die die Klientin im Verlauf der Hypnose beantworten sollte.

Reflexion: Der Boden, Ihre Wurzeln

In welchen Boden wurden Sie gepflanzt, guter Mutterboden oder leichter Sandboden?
(Zeit geben, da die Klientin die Metaphern erst auf ihr Leben „übersetzen“ muss. Nach Möglichkeit nachfragen, was die Metaphern in ihrem Leben bedeuten. Unter Umständen nachfragen, warum sie nicht die andere Metapher gewählt hat.)

Hatten Sie viele Fröste zu überstehen?
(Zeit geben, da die Klientin vielleicht zurück in ihre Vergangenheit geht. Nachfragen, ob sie bereit wäre, darüber zu erzählen.)

Konnten Sie sich verwurzeln? Strecken sich Ihre Wurzeln weit in die Tiefe oder sind sie eher flach? Geben Ihre Wurzeln den nötigen Halt bei kräftigen Winden?
(Zeit geben und nachfragen, ob sie darüber sprechen möchte. Der Plural „Winde“ ist deswegen gewählt, weil die Klientin sich an mehrere Situationen erinnern mag und diese positiven Erfahrungen als Ressource genutzt werden können.)

Mit ruhiger und fester Stimme als Affirmation: Ein Baum, jeder Baum streckt seine Wurzeln so weit aus, bis er bekommt, was er zum Wachsen braucht. (Pause und Affirmation wiederholen.)

Woraus ziehen Sie Ihre Kraft?
(Zeit geben und nachfragen, ob sie darüber sprechen möchte. Da es sich um Ressourcenarbeit handelt, suggerieren, dass es sicher die eine oder andere Quelle gibt, aus der die Klientin schöpft.)

Was tut Ihnen gut?
(Auch hier wieder Zeit geben und unter Umständen nachfragen, bis die Klientin zwei oder drei Dinge nennen kann, auch wenn diese Dinge ihr zunächst unwichtig oder unbedeutend erscheinen mögen.)

Ihr Stamm, Ihre Rinde

Schauen Sie sich in Ruhe den Stamm an. (Pause).

Ist er gerade gewachsen oder beeinflusst von Wind und Gegenwind?
(Zeit geben und nachfragen, ob die Klientin darüber sprechen möchte).
Schauen Sie sich die Rinde an. (Pause).

Ist sie glatt oder knorrig? (Pause).

Wo hat sie Verletzungen? (Pause und bei Bedarf nachfragen, ob die Klientin darüber sprechen möchte, woher die Verletzungen rühren.)

Ihre Äste und Zweige

In welche Richtungen haben sich die Äste und Zweige entwickelt? Konnten Sie/sie sich so entwickeln, wie Sie/sie es wollten, oder sind Sie/sie oft gestutzt worden?
(Zeit geben und die Doppeldeutung „Sie“ und „sie“ eindringen lassen. Möglicherweise kommt die Frage: „Ich oder die Äste und Zweige?“ Die Wahl lassen: „Sie persönlich oder Äste und Zweige oder beides.“)

Ging es für Sie/sie immer nur nach oben oder haben Sie/sie sich auch in die Breite entfaltet? Haben Sie verschiedene Dinge ausprobiert?
(Zeit geben und darüber sprechen lassen, da sich auch an dieser Stelle wieder Ressourcen entdecken lassen.)

Wo möchten Sie noch stärker wachsen?
Sie können in Ihrem Bild des Baumes bleiben oder auch über sich persönlich und die Wirklichkeit sprechen. (Zeit geben, denn hier bietet sich unter Umständen die Möglichkeit Ansatzpunkte für konkrete Zukunftspläne zu entdecken. Diese können dann im Anschluss in einer gesprächstherapeutischen Abrundung in einer zirkulären Fragerunde der Klientin vorgelegt werden. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Partner/ Ihr Kollege/ein Freund die Idee hätte?)

Welches sind Ihre stärksten Äste?
(Zeit geben, sprechen lassen, später im Sinne der gesprächstherapeutischen Abrundung als Ressource nutzen.)

Welchem starken Ast haben Sie schon lange keine Beachtung mehr geschenkt?
(Zeit geben, da es sich um eine unter Umständen wichtige Ressource handeln könnte.)

Ihre Blätter

Wofür stehen Sie/sie? Was bewegt Sie/sie? Werfen Sie Ihre Blätter manchmal ab und besinnen sich auf sich selbst? Was tun Sie dann?
(Zeit geben; dies stellt sich in der Praxis als sehr schwierige Frage heraus; man muss nicht auf eine Antwort oder Reaktion bestehen. Dies würde die Klientin unter Druck setzen und es könnten falsche Antworten, sogenannte Pflichtantworten gegeben werden.)

Ihre Blüten, Ihre Früchte

Es geht um Sie persönlich. (Kurze Pause).

Welche Blüten oder Früchte haben Sie hervorgebracht?
(Im Unterschied zu Fenings Ja/Nein-Frage in der Reflexion, wird die Frage hier so gestellt, dass die Klientin im Sinne der Ressourcenorientierung motiviert wird, sich an positive Dinge in ihrem Leben und bereits erbrachte Leistungen oder erzielte Erfolge zu erinnern.)

Wer schätzte diese Früchte/Leistungen/Erfolge?
(Die Frage bringt Personen wieder ins Gedächtnis und lässt ein Gefühl der Wertschätzung wach werden.)

Was haben Sie geschafft, hervorgebracht, auf den Weg gebracht, auch wenn Sie es wieder verloren haben?
(Diese Frage vermittelt das Bewusstsein, dass kein Mensch mit leeren Händen dasteht, dass immer etwas Positives vorhanden ist, auf das man sich berufen und auf dem man aufbauen kann.)

Wovon träumen Sie, was möchten Sie zum Blühen bringen?
(Diese Frage in Verbindung mit der Antwort auf die Frage „Wo möchten Sie noch stärker wachsen?“ kann als Ausgangspunkt der gesprächstherapeutischen Abrundung dienen.)

Je nach Verlauf der Therapie kann dieses Vorgehen durchaus mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen. Vorab muss vereinbart werden, in welchen Abständen die Sitzungen stattfinden sollen und in welchem Umfang.

Da nach jedem der 5 Abschnitte (Boden – Stamm – Äste – Blätter – Blüten) und je nach Umfang der Antworten der Klientin ein jeweils vorläufiges Abrundungsgespräch geführt werden sollte, ist eine zweistündige Sitzung zu empfehlen.

Es ist weiterhin zu beachten, dass in dem einen oder anderen Abschnitt, insbesondere bei „Boden/Wurzel“ und „Stamm/Rinde“ frühe Verletzungen aufgedeckt werden. Hier ist ein hohes Maß an Vorsicht geboten und es muss viel Zeit eingeplant werden.

Am Ende der Therapie sollte der Therapeut der Klientin ein Bild eines Baumes überreichen, der seiner Meinung nach die Klientin am besten im positiven Sinn repräsentiert.

Eine andere Möglichkeit wäre, einen Baum malen zu lassen, der sie selbst am besten repräsentiert.

Beide Wege eröffnen die Möglichkeit, das Positive noch einmal hervorzuheben und die noch vorhandenen Defizite noch einmal zu besprechen.

Im beschriebenen Fall erhielt die Klientin als Vorlage ein laminiertes Bild aus dem Band:

  • „Glücksmomente für die Seele. Gute Gedanken für jeden Tag. 5. April“. (Weltbildverlag, S. 202/203. ISBN 978-3-8289-8148-5).

Walter Lenz, Ph. D. Walter Lenz, Ph. D.
Privatpraxis für Psychologie & Psychotherapie (HPG)
Hasslocher Straße 73, 65428 Rüsselsheim
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.