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Datingplattformen boomen

Während der Coronazeit boomen Datingportale. Doch viele Nutzer finden statt des ersehnten Prinzen nur den Frosch. Woran kann das liegen?

Im Januar 2020 gab es in Deutschland über 21,97 Millionen Singles lt. Statista (V. Pawlik, 2021). Gerade in dieser schwierigen Coronazeit ist es eine Herausforderung, alleine als Single zu leben, oftmals fehlen die Ressourcen, Freunde, denen man sich mitteilen kann, oder gemeinsame Feste, wo man sich austauscht und sich einen Trost, eine Umarmung holen kann.

Dann greifen viele Menschen zur Datingplattform, denn diese soll die Einsamkeit ersetzen. Die Vorstellung, eine Partnerschaft an Land zu ziehen, versetzt einige in einen Freudentaumel, mit der Hoffnung auf eine endlich ersehnte große Liebe.

Wenn dann der ersehnte Partner (immer m/w/d) auftaucht, kann es zuerst mal ganz nett und harmonisch sein, alles erscheint stimmig, die rosarote Brille wird aufgesetzt, Schmetterlinge flattern im Bauch. Aber plötzlich stellt sich heraus, dass der Mensch, in den wir uns verliebt haben, uns eher unglücklich macht, uns verletzt, die Kommunikation im Keller landet und letztendlich uns dieser Mensch nur noch schadet. Dies bekomme ich als Paartherapeutin in den letzten Jahren immer wieder zu hören.

Fallstudie

Nicole M., 55 Jahre, Single, ist lebensfroh, attraktiv und befindet sich in einem Job mit gutem Verdienst. Das Einzige, was ihr noch fehlt, ist ein Partner an ihrer Seite, sie sucht keinen kurzen Flirt, sondern einen Mann fürs Leben.

Nicole berichtet, dass sie schon einige Männer über ganz unterschiedliche Plattformen kennengelernt hatte, mit der Hoffnung, dass endlich mal der passende Prinz dabei sein würde. Tatsächlich hatte sie schon einige potenzielle Kandidaten kennengelernt, aber zu ihrem Bedauern gingen nach ein paar Wochen diese kurzen Beziehung wieder in die Brüche, denn die vermeintlichen Prinzen entpuppten sich schnell als Frösche.

Sie meinte: „Irgendwie habe ich doch immer Pech, ich ziehe nur die Nieten statt des Gewinns. Ich habe doch alles richtig gemacht, ja, auch um dem Mann zu gefallen!“ Nicole zog magisch diese Art Männer an, die sich am Anfang bei den ersten drei Dates sehr zuvorkommend, engagiert, freundlich verhielten, und ihr sogar viele Komplimente machten. Leider änderte sich schlagartig oder in kurzer Zeit dieses positive Verhalten und schlug in Arroganz, Dominanz oder Negierung um. Trotz vieler Bemühungen ihrerseits zogen sich die sog. Frösche wieder zurück, letztendlich waren sie genervt und gelangweilt von ihr, sie hingegen wieder mal enttäuscht und deprimiert, da es mit dem Traumprinzen erneut nicht geklappt hatte. Nicole verliebte sich leider immer wieder in die „vermeidenden Beziehungstypen“, ja, sie zog sie förmlich an.

Nicole berichtet: „Die meisten Männer waren erfolgreich, attraktiv, gut aussehend und strahlten eine Selbstsicherheit aus.“

Nicole ist schon seit geraumer Zeit bei mir in Therapie, es hat sich eine gute Compliance eingestellt und tatsächlich hat sie zum ersten Mal einen „sicheren Beziehungstypen“ kennengelernt, der ihr Aufrichtigkeit, Sicherheit und Geborgenheit vermittelt, und man könnte meinen, sie sei verliebt.

Therapeutisch arbeiten wir mit der Psychoedukation, also aufklärend, und fanden heraus, dass Nicole ein „ängstlicher Beziehungstyp“ ist (später noch mehr zum Thema Beziehungstyp), denn sie habe als kleines Mädchen immer um die Liebe ihres Vaters buhlen müssen. Nur wenn sie sich maximal an die Wünsche und Vorstellungen des Vaters anpasste, bekam sie die Liebe und Aufmerksamkeit, nach der sie sich so sehnte. Das Resultat war, dass Nicole sehr früh lernte, sich anzupassen, und sich gut benahm, es ja den anderen recht zu machen, nur so wurde sie geliebt.

Fazit: Nicole fehlte das Fundament der Sicherheit und der natürlichen Liebe, das Gefühl, auch geliebt zu werden, ohne gleich Leistung bringen zu müssen. Des Weiteren arbeiten wir mit tiefenpsychologischen Aspekten, um mehr aus der Kindheit zu erfahren, ganz wichtig ist das Selbstsicherheits-Training (Ressourcenaktivierung), um mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. Die kognitive Verhaltenstherapie binde ich erst später mit ein.

Vor Kurzen meinte Nicole: „Ich erfahre im Moment so viel Neues über mich und auch über meine neue Bekanntschaft und kann mich ganz anders reflektieren als die Jahre zuvor. Ich spüre mehr, was ich möchte und was nicht, und kann dies zum Ausdruck bringen, ich weiß aber auch, dass ich weiter an mir arbeiten muss!“

In der Kindheit entstehen viele Verhaltensmuster und Programmierungen

Es ist nun mal so, dass unser Bindungsverhalten in der frühen Kindheit geprägt wird, denn wir schauen uns die Eltern an und somit denken wir, diese haben alles richtig gemacht. In ihrer Sichtweise ist es auch total stimmig, auch wenn die Eltern Fehler gemacht haben. Aus dieser frühen Kindheit entstanden Verhaltensmuster, die dann später auf unsere Partnerwahl abfärben. Deshalb ist es immer lohnenswert, so wie ich das handhabe, tiefenpsychologisch in der Therapie einen Blick zurück in die Kindheit zu werfen, um mir schnell Zutritt zu verschaffen zu dem aktuellen Verhaltensmuster.

Eine Frau z. B., die von ihrem Vater nicht wahrgenommen wurde oder bei der ihr Vater oft einfach nicht präsent war, findet Männer unbewusst attraktiv, die kühl, machohaft oder unnahbar sind. So hat diese Frau das Gefühl, alles tun zu müssen, um Anerkennung, Lob und Liebe zu bekommen.

Zitat aus einer Dating-App: „Eine Frau ignoriert meist nette Männer, verliebt sich eher in Ars..., bereut es später und macht trotzdem so weiter!“

„Die meisten Beziehungen scheitern daran, weil der Partner bedürftig ist und den anderen häufig braucht, um sich wohlzufühlen. Das hat mit Liebe nichts zu tun.“ Häufig gehe es darum, dass der Partner einen vom allgemeinen Übel des Lebens erlöst!“2)

Die drei Beziehungstypen entschlüsseln: Welcher Beziehungstyp bin ich? 1)Forschungsergebnisse

Ängstlicher Typ

Sie sind Ihrem Partner besonders nah und können sehr offen sein. Aber oft haben Sie Angst, dass Ihr Partner nicht so viel Nähe möchte wie Sie. Häufig beansprucht die Beziehung einen großen Teil Ihrer emotionalen Energie. Kleine Stimmungsschwankungen und Änderungen im Verhalten Ihres Partners nehmen Sie sehr sensibel wahr und obwohl Ihr Gespür oft richtig ist, nehmen Sie das Verhalten Ihres Partners zu persönlich. Sie wittern viele negative Emotionen in der Beziehung und geraten leicht aus der Fassung. Das führt dazu, dass Sie ausrasten und Dinge sagen, die Sie später bereuen. Wenn der Partner Ihnen jedoch viel Sicherheit und Geborgenheit bietet, legen Sie ihre Besorgtheit ab und sind zufrieden.

Sicherer Typ

Für Sie ist es etwas ganz Natürliches, Ihrem Partner gegenüber herzlich und liebevoll zu sein. Sie genießen die Nähe, ohne sich um die Beziehung allzu große Sorgen zu machen. Die Liebe stellt Sie nicht vor Probleme und bei Irritationen regen Sie sich nicht gleich auf. Sie teilen Ihrem Partner Ihre Bedürfnisse und Gefühle mit und sind auch gut darin, die emotionalen Signale Ihres Partners zu deuten und auf Sie zu reagieren. An Ihren Problemen lassen Sie Ihren Partner genauso teilhaben wie an Ihren Erfolgen und sind für ihn da, wenn er Sie braucht.

Vermeidender Typ

Für Sie ist es sehr wichtig, unabhängig und autark zu bleiben und oft ziehen Sie die Autonomie einer verbindlichen Beziehung vor. Obwohl Sie anderen nah sein wollen, ist zu viel Nähe Ihnen unangenehm; deshalb neigen Sie dazu, den Partner auf Abstand zu halten. Große Sorgen um die Beziehung oder die Angst vor Ablehnung sind Ihnen fremd. Sie neigen dazu, sich Ihrem Partner gegenüber nicht zu öffnen, was dazu führt, dass dieser Ihre emotionale Distanziertheit beklagt. In einer Beziehung suchen Sie oft extrem wachsam nach allen Anzeichen, die darauf hindeuten könnten, dass Ihr Partner Sie kontrollieren möchte oder einen Übergriff auf Ihr Territorium vorhat.1)

Um alte Beziehungsmuster zu vermeiden, benötigen wir den Strategiewechsel

Man kann die Erlebnisse der Vergangenheit nicht mehr ändern, aber man kann Stellung beziehen, deshalb werden Sie Chef Ihres Gehirns. Treffen Sie bewusste Entscheidungen und lieben Sie sich so, wie Sie sind. Sehen Sie sich als Gesamtpaket mit allen Stärken und Schwächen und sind Sie bereit, Ihr Denken und Verhalten in die Hand zu nehmen, statt zu klagen und in miese Stimmung zu verfallen. Denken Sie immer wieder an diesen Spruch:

„Fake it till to make it“, so können Sie sich in eine gehobene, freundliche Stimmung bringen, somit wirken Sie selbstbestimmter und attraktiver.

Wie kann ich den Trennungsschmerz besser bewältigen?

Tipps und Tricks bei Liebeskummer

Ressourcen notieren und neu aktivieren

Sind Sie sich Ihrer Werte und Ihrer selbst bewusst, schreiben Sie sich Listen:

1. Wer/Was bin ich?

2. Was möchte/will ich für einen Partner?

Sie werden erstaunt sein, was Ihnen alles so einfällt, Sie werden sich im Klarem sein, welcher zukünftige Partner zu Ihnen passt mit all seinen Werten.

Bitte nehmen Sie sich Zeit und Muße bei diesem TO-DO!

Emotionale Briefe schreiben!

Wir alle kennen ja den gedanklichen Teufelskreislauf, in dem Fall einer Trennung, dass es sich schrecklich anfühlt – je nachdem, wo Ihr aktuelles Gefühlsbarometer gerade steht: ob auf Wut oder Sehnsucht. Schreiben Sie sich alles von der Seele, was Ihnen so einfällt. Aber schicken Sie diesen Brief auf gar keinen Fall ab, sondern legen Sie diesen in eine Schublade, so lange, bis Sie die alte Liebe losgelassen haben, dann werden die Briefe als Loslass-Ritual verbrannt.

Tagesresümee, was ist heute gut gelaufen?

Erinnern Sie sich am Abend, was alles gut gelaufen ist und von Erfolg gekrönt war, worüber Sie sich gefreut haben. Dies können kleine Ereignisse sein. Beginnen Sie schon am Morgen damit und sammeln Sie diese freudigen Ereignisse, diese kleinen Highlights. Für Ihre Achtsamkeit stecken Sie sich einige Kaffeebohnen in die rechte Jackentasche hinein und für jedes Highlight – ob ein freundliches Grinsen vom Chef oder ein Kompliment, ein netter Mensch winkt aus dem Auto zu ihnen rü- ber, ein lieber Anruf von der Freundin, eine sonnige Mittagspause – nehmen Sie aus der rechten Tasche eine Bohne raus und stecken sie in die linke Tasche.

Am Abend lassen Sie den Tag Revue passieren und nehmen die Kaffeebohnen aus der linken Tasche heraus, legen sie auf den Tisch und schreiben Sie Ihre positiven Ereignisse auf. Sie werden mit der Zeit feststellen, wie schnell Ihre Gedanken ins Positive umschlagen.

Zum Abschluss wünsche ich Ihnen eine gute Zeit und dass Sie Ihren passenden Beziehungstyp neu kennenlernen dürfen oder bereits schon kennengelernt haben.

Literatur
1) Psychiater Amir Levine/Psychologin Rachel S. F. Heller: Warum wir uns immer in den Falschen verlieben. Goldmann-Verlag
2) Verhaltenstherapeut Jens Corrsen: Lieben – Warum das größte aller Gefühle in Wahrheit eine Haltung ist. Kailash-Verlag

Regina Koch
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Paartherapie, Verhaltenstherapie, Coachin, Onlineberatung, Dozentin
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Fotos: ©Jeanette Dietl/adobe.stock.com, ©martialred/adobe.stock.com, ©Studio Romantic/adobe.stock.com