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Zur psychologischen Dimension von Schwangerschaft und Geburt – Teil 4

Pränatal fundierte therapeutische Überlegungen zum Erleben vor, während und kurz nach der Geburt

Durch das Erleben vor, während und nach der Geburt werden auf bio-psycho-sozialer Basis innere energetische Muster unterschiedlicher Qualität gebildet, die im Leben des Menschen „im Hintergrund“ lebenslang fortwirken können. Die lebensgeschichtliche und gesamtgesellschaftliche Prägung entsteht auch aufgrund persönlicher, transgenerationaler und kollektiver Dimensionen der vorsprachlichen Erfahrungen. Und – evidente interdisziplinäre theoretische und empirische Forschungsergebnisse der Pränatal-Psychologie belegen, für das Kind entsteht ein Geschenk fürs Leben, wenn es ab der Konzeption existenziell bestätigt und affektiv gestärkt wird. Es zeigt sich zudem, dass der Weg in ein erfülltes Leben geweitet werden kann, wenn nach frühen Traumatisierungen pränatal fundierte therapeutische Begleitung möglich ist.

Introspektive Zugänge erfordern Sensibilität und Erfahrung der Begleiter (immer m/w/d). Dabei kann auf die vielfältigen Erkenntnisse der Pränatal-Psychologie zurückgegriffen werden1).

Die Unterstützung kann bereits während der Schwangerschaft beginnen und Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder, Schüler, Jugendliche und Erwachsene bei ihrem vollständigen Ankommen in die Welt begleiten.

Einige von vielen möglichen Aspekten, aus denen sich Zusammenhänge zwischen seelischem Erleben in der Frühen Zeit (prä-, peri-, postnatal/vorsprachlich) und bestimmte Ausprägungen in späteren Lebenssituationen ergeben, finden Sie in:
Teil 1, Freie Psychotherapie, 02.23
Teil 2, Freie Psychotherapie, 03.23
Teil 3, Freie Psychotherapie, 04.23

Pränatal fundierte Begleitung von Veränderungsprozessen

Die Ursachen von heute erscheinenden, sich wiederholenden, zentralen, herausfordernden Lebenssituationen können im Erleben in der vorsprachlichen Zeit begründet sein. Dies ist nicht immer offensichtlich. Das Bewusstsein hat die Wahrnehmung der Ursachen verdrängt, um damals das Überleben insgesamt zu sichern. Geblieben ist die Matrix, die durch die erlebte existenzielle Not geprägt wurde. In ihr sind die Muster gespeichert, die damals lebensrettend waren. Sie werden heute in Sekundenbruch teilen als variationsreiche „Alltags-Handlungs-Choreografien“ aktiviert, sobald am „Horizont der aktuellen Lebenswirklichkeit“ Erscheinungen auftauchen, die an die existenzielle Ursprungserfahrung erinnern.

Jede Wiederholung solcher Feedback-Schleifen, verfestigt die bestehende innere Struktur. Insofern haben belastende früh entstandene Muster eine besondere Kraft, auch in der Resistenz. Diese autonome Wiederholung eines damals etablierten kreativen Notfall-Musters kann aufhören, sobald wieder ganzheitliches Bewusstsein (auf den Ebenen Körper, Geist, Psyche) für das damalige Erleben entsteht. Die „inneren Systeme“ realisieren – mit Wechselwirkungen auf das gesamte innere „Mustersystem“ –, dass jene früh erlebte Not, heute vorbei ist. Musterveränderung verkleinert blinde Flecken und ist verbunden mit Zuwachs an Lebenskraft/Handlungsspielräumen in ihren unterschiedlichen Dimensionen.

Wenn das zielgerichtete Erforschen der Innenwelt aufgrund klarer und wahrer Selbstwahrnehmung Bewusstsein ermöglicht, öffnet sich Raum für Neuorganisation/Veränderung. Nur in der Tiefe sind die Ursachen bestimmter Verhaltensweisen, Hemmungen, Symptome (Psyche und Soma) bzw. störender Einflüsse auf lebenswichtige Funktionen und Systeme des Organismus berührbar. Pränatal fundierte therapeutische Begleitung kann auf unterschiedliche Weise zu mehr Bewusstsein begleiten und kreative, nichtlineare Selbstorganisation anregen, die sich im Außen als Veränderung zeigt.

Zum fördernden prä- und perinatalen Eltern-Kind-Kontakt, inkl. deren Vorbereitung auf die Geburt, stehen erprobte Methoden zur Verfügung. Als Pioniere in diesem therapeutischen Segment sind vor allem György Hidas und Jenö Raffai und Frans Veldmann zu nennen.

Hidas und Raffai entwickelten die „Bindungsanalyse“, ein Konzept zur „Psychoanalytisch orientierten Förderung der vorgeburtlichen Bindung zwischen Mutter und Baby“2).

Veldmann begründete die Wissenschaft der Affektivität (Haptonomie), eine erfahrungsbasierte Humanwissenschaft von den Grundlagen der affektiven menschlichen Interaktionen, Verbindungen und Beziehungen; u. a. entwickelte er das Teilgebiet der „Haptonomischen prä-, peri- und postnatalen Begleitung von Eltern und Kind3).

An ungünstigen Ausgangssituationen des Kindes nach belasteten Schwangerschaften und/oder nach schwierigen Geburten kann postnatal ebenso z. B. mithilfe von alters- und kindgerechten Methoden gearbeitet werden4).

Erwachsene, die Themen ihrer Frühen Zeit anschauen möchten, um z. B. zu anderen Handlungsmustern zu gelangen, Symptome zu verändern oder mehr Balance in der Welt zu erreichen, können grundsätzlich auf unterschiedliche Therapierichtungen und deren vielfältige methodische Zugänge (konstruktivistisch oder phänomenologisch) zurückgreifen, um Verbindung zu ihren früh entstandenen erlebensbezogenen inneren Wirklichkeiten herzustellen.

Meine Spezialisierung liegt in der pränatal fundierten Begleitung Erwachsener, die in der genannten Intention für sich Veränderung finden möchten. Hier ein Einblick in unterschiedliche Facetten meines Ansatzes.

Erfahrungen mit der Mutter oder Erfahrungen als Mutter wirken lange nach

Es erscheint also wenig überraschend, dass in therapeutischen Prozessen mit Erwachsenen das Thema „Mutter“ im Fokus vieler Arbeiten steht. Hierbei sind als Ausgangspunkt grundsätzlich zwei unterschiedliche Blickrichtungen möglich:

– Das heute erwachsene Kind taucht in den Raum seiner frühen Erlebenswelt mit seiner Mutter ein. Oft werden dann zunächst die für Kinder gefährlichen destruktiven Erfahrungen (Entwicklungstraumata) gefunden, die z. B. von der Mutter ausgegangen waren.

– Oder die Frau schaut aus ihrer Perspektive als Mutter heute zurück auf die Zeit mit ihren Kindern in der Schwangerschaft, Geburt, frühen Kindheit …

Mit vergleichbaren Überlegungen kann auch vom heute erwachsenen Kind auf den Vater/ vom Vater auf sein Kind geschaut werden.

Die Perspektive ändert sich meist dann vom Kind zur Frau/vom Kind zum Mann, wenn die verletzten Kinder von damals inzwischen selbst Eltern geworden sind. Schmerz entsteht, wenn die Eltern realisieren, dass sie die eigenen Verstrickungen an ihre Kinder, die sie lieben, weitergegeben haben. Es wäre zu einfach, an dieser Stelle die Betroffenen nur auf die Dynamik der Täter-Opfer-Spirale hinzuweisen. Einem künftigen liebevollen Miteinander würde auch entgegenstehen, wenn die Eltern von den Kindern Entlastung (Vergebung usw.) verlangen oder wenn die Kinder dies anbieten würden. Damit würde die Verantwortung auf die Kinder verschoben werden.

Den eigenen Kindern geht es dann besser, wenn es den zurückschauenden Eltern gelingt, zur Belastung des Kindes durch Vater/ Mutter und die Vorgenerationen zu stehen und die würdigende Wendung zu einer ganzheitlichen Sicht von Mutter/Vater zu vollziehen. Dann kann sich für die Betroffenen ein Weg zu mehr Leichtigkeit im Miteinander und Freude öffnen. Gelingt dies nicht, bestehen die Verstrickungen weiter; es besteht Gefahr, dass sie dann nicht nur belasten, sondern im Laufe der Zeit an Intensität zunehmen und dann auch beschädigen.

Ein (pränatal-)therapeutischer Prozess wird u. a. bereichert durch den Schatz an Wissen, Können und Erfahrung, den Begleiter oder Gruppenmitglieder ins Feld einbringen und durch die Zielorientierung und Offenheit/ Qualität, mit denen Klienten für sich die Weitung ihres Bewusstseins erlauben und sie annehmen können. Im Zusammenklang kann es möglich werden, dass eine innen und außen wirkende Ordnung sichtbar wird, wenn sich Entwicklung entfaltet. Im Therapieprozess können zahlreiche Facetten Bedeutung bekommen.

Innenweltarbeit

C. G. Jung entdeckte in den 1920er-Jahren die Autonomie des Unbewussten, die er der objektiven Wirklichkeit zuordnete. Er postulierte, dass die Psyche als Ganzes wie ein strukturiertes und zentriertes selbstregulierendes System funktioniert („zentrale informationsverarbeitende Einheit“), die nach Ganzheit strebt und gleichzeitig zur fortgesetzten Transformation fähig ist.

Meine Arbeit mit Erwachsenen im Einzel- oder Gruppensetting, z. B. im Kontext der psychologischen Dimension von Schwangerschaft und Geburt, nenne ich „Innenweltarbeit“. Sie führt zur Entdeckung der Kindheitsgeschichte in den Mustern des Unbewussten des Erwachsenen.

Innenweltarbeit beschreibt die Begleitung von inneren „regulatorischen Prozessen“, die den Fluss von Information zu Energie und Materie im (bio-psycho-sozialen) System des Klienten modulieren. Gleichzeitig werden die Klienten dabei begleitet, ihr Bewusstsein – als subjektive/valide Wahrnehmung von Erkenntnissen zum „eigenen Gewordensein“ – zu erweitern. Der Körper ist der „Hüter der Wahrheit“ jedes einzelnen Menschen. Psychotherapeutische Begleitung verstehe ich auch als prozessorientiertes Schaffen von Bedingungen (Sicherheit gebend – mit würdevoller, belastbarer Arbeitsallianz) für die Möglichkeiten der Selbstorganisation im „System Mensch“5).

Im Prozess braucht es Raum und Erlaubnis für eine gewisse Ungewissheit, die es ermöglicht, dass er sich frei entfaltet. Als Begleiterin lasse ich mich vom Klienten durch den Prozess führen. Ich verstehe meine Begleitung als „Geburtshelferin auf Augenhöhe zum Sich-selbst-Sein“. Eine Sitzung dauert ca. 90 bis 120 Minuten. Anschließend braucht es Zeit, bis die erarbeiteten Themen in das System des Klienten „eingesickert“ sind. Der dafür erforderliche Zeitraum ist individuell verschieden. Er führt über den sonst üblichen wöchentlichen Sitzungsrhythmus hinaus.

Im Rahmen der Begleitung eines Klienten verbinde ich, je nach Anforderung, verschiedene – sich ergänzende und flexibel und intuitiv miteinander kombinierbare – Methoden, um die Öffnung von klientenorientierten Zugangswegen zum Kern des jeweiligen Themas phänomenologisch zu begleiten.

Insbesondere im Einzelsetting der Innenweltarbeit wird deutlich, dass es für die Klienten um einen sehr feinen Prozess des Erforschens, Erkennens und Annehmens der eigenen Innenwelt mit ihren ganz individuellen Hierarchien/Strukturen/Mustern und Dynamiken geht. Der Prozess entwickelt sich aus sich heraus und folgt seinen inneren Gesetzmäßigkeiten.

Der Wahrnehmungsraum „Innenwelt“ ermöglicht Bewusstsein durch direkten Zugang zu Gefühlen und Empfindungen der Frühen Zeit. Unabhängig vom Reifegrad des Gehirns bilden sich ab Lebensbeginn im Innenraum Repräsentanzen (Muster/ innere Anteile als energetische Strukturen), die z. B. Lebendigkeit, Kraft, Emotionen, Empfindungen ermöglichen, unterstützen, binden, bekämpfen, ausgrenzen …

Der erscheinende Raum öffnet für alle an der Arbeit Teilnehmenden das Feld, in dem die Antworten zur jeweiligen Fragestellung (Anliegen) verfügbar sind: Von hier aus können die relevanten eigenen oder übernommenen Situationen, die sich in der Innenwelt abbilden, „aufgesucht“ werden. Durch Kontakt mit den inneren Mustern/ Anteilen ist erinnernde Wahrnehmung des frühen Erlebens möglich. Es kann auf der Resonanzebene fühl- und empfindbar versprachlicht werden.

Insbesondere die Anteile aus der Frühen Zeit empfinden und fühlen und berichten (oft in einfacher, beschreibender, nicht intellektueller Sprache) klar und eindeutig, aus der „Ich-Perspektive“ von damals. Im geschützten Raum wird es für den Klienten möglich, dass er sich für Veränderungen der Muster öffnet.

Diese Art zu arbeiten ist zielorientiert, schlicht und ohne Pathos; sie vollzieht sich aus sich selbst heraus und führt bis an die Wurzeln von frühem belastendem Erleben, das sich im Alltag nur indirekt in den skizzierten Formen zeigt. Es eröffnen sich Möglichkeiten für einen Zugang zu allen Eindrücken, die dieser Mensch, direkt oder indirekt, im Zusammenhang mit der Fragestellung erhalten hat. Dabei können sich Aspekte offenbaren, die den stattgefundenen Ereignissen viel näher kommen als bisher erinnerte oder tradierte Blickweisen, z. B. aus den Geschichten, die im Alltagsbewusstsein gespeichert sind, aus autobiografischen Aufzeichnungen oder auch aus Erzählungen bzw. Beschreibungen aus den Umfeld-Kontexten der Klienten. „Etwas“, das „irgendwie“ wahrgenommen wurde, wofür bisher das Bewusstsein fehlte, kann jetzt vom Klienten erkannt und benannt werden. Die Erkenntnisse ergeben sich für den Klienten direkt aus dem Erleben im Prozess. Es entsteht für ihn unmittelbarer Zugang zu den Bedeutungen der Inhalte, die mit den erscheinenden „Bildern“ transportiert werden.

Die Klienten sind in der Lage, die innere Dynamik gesamtheitlich zu empfinden, zu fühlen und unmittelbar als wahr anzunehmen und sich für die Einbindung des Erlebens zu öffnen; sie können selbst erkennen, welche Verbindungen zur Fragestellung bestehen, und sind in der Lage, selbst zu interpretieren, was sie sich erarbeitet haben. Für diese Begegnungsqualität gibt es kein Manual und keinen Leitfaden.

Die Vorgehensweise setzt Präsenz und auch ein hohes Maß an Intuition der Therapeuten voraus. Mit ihrer Haltung unterstützen sie den Klienten, dass er seine Wahrheit in Würde finden und innere Ordnung zulassen kann. Sie werden anerkennend und mit Respekt Zeuge von dem was war. Für alles, was sich zeigen will, sind vonseiten der Begleiter und der Klienten ausdrückliche Denk-, Fühl- und Empfindungserlaubnisse erforderlich. Alles darf und soll sich zeigen, so wie es war.

Die Interventionen der Begleiter sind zurückhaltend. Auf Vorannahmen, Urteile, Ratschläge, Meinungen u. Ä. kann während des Prozesses ganz verzichtet werden. Das ermöglicht dem Klienten, feinfühlende Verbindung aus der Außenwelt zu seinen ihm bisher verborgenen Strukturen seiner Innenwelt, jenseits aller Mythen und bisher als wahr angenommenen Wahrheiten zu erlangen. Den Prozess als Begleiter sofort interpretieren zu wollen, wäre meist verfrüht.

Das erleichtert den Klienten, sich „forschend“ zu nähern und mehr Bewusstsein für die Dimensionen der inneren Realität – außerhalb intellektueller Erklärungen – zu erlangen und so im eigenen Tempo in das angestrebte Ziel hineinzuwachsen. Manchmal braucht es viel erwartungsfreie Geduld, die Zeit der Reifung mit den Klienten so lange auszuhalten, bis sie bereit sind, Verkrustungen des Fundaments aufbrechen zu lassen und ihre Blickrichtung von sich aus ändern zu können. Wandlung braucht ungestörte Zeit.

Unter der Überschrift „Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse“ schrieb Sigmund Freud 1917:

„ … seine innere Wahrnehmung, das Bewusstsein, gibt dem Ich Kunde von allen bedeutungsvollen Vorgängen im seelischen Getriebe und der durch die Nachrichten gelenkte Wille führt aus, was das Ich anordnet, ändert ab, was sich selbständig vollziehen möchte. Denn diese Seele ist nichts einfaches, vielmehr eine Hierarchie von über- und untergeordneten Instanzen, ein Gewirre von Impulsen, die unabhängig voneinander zur Ausführung drängen. … Das Ich … kann nicht verstehen, warum es sich [beim Auftreten von Neurosen] in so seltsamer Weise gelähmt fühlt. … Die Psychoanalyse … kann dem Ich endlich sagen Es ist nichts Fremdes in dich gefahren; ein Teil von deinem eigenen Seelenleben hat sich deiner Kenntnis und der Herrschaft deines Willens entzogen. … Und es ist nicht einmal der schlechteste oder unwichtigste Anteil deiner seelischen Kräfte, der so in Gegensatz zu dir getreten und unabhängig von dir geworden ist.“6)

Musteränderungen binden sich in das individuelle und übergeordnete System autonom ein. Es zeigt sich, dass die Strukturelemente untereinander und mit der Mitwelt in Wechselwirkungen stehen und einen lebensfördernden, stabilen Zustand anstreben. Die Synchronisation der inneren Bewegungen des therapeutischen Prozesses erfolgt in den Körpernetzwerken/-systemen (neuronale Aktivität und neuronale Synchronisation in den interpersonellen Kommunikationssystemen bzw. Hormon- und Immunregulationsprozessen) simultan und rekursive Wandlung vollzieht sich.

Das Gehirn ist Teil des Ganzen und kann nicht unterscheiden, ob z. B. ein Konflikt im Alltag gelöst wird oder ob er sich im Nachhinein in einer therapeutischen Sitzung löst. In beiden Fällen stellt das Gehirn nach dem „dynamischen Prinzip der Rückbezüglichkeit“ neue neuronale Verknüpfungen her. Über die neuronalen Verbindungen des Gehirns findet Wechselwirkung mit der gesamten Persönlichkeit des Klienten statt. Die bearbeitete Situation wirkt sich nicht mehr hinderlich oder schädigend auf das Leben aus und bleibt in wertfreier Erinnerung. Mehrjährige wissenschaftliche Beobachtungen haben die Veränderungen als stabil beschrieben.

Für die Innenweltarbeit kann z. B. die etwas abgewandelte Struktur einer „Selbstbegegnung nach der Anliegen-Methode“, die von Franz Ruppert entwickelt und als Identitätsorientierte Psychotherapie/IoPT bezeichnet wurde7), eine variable Basis sein, die flexibel mit anderen methodischen Ansätzen kombinierbar ist.

Im IoPT-Basis-Modell werden innere „Anteile“ in „Gesunde Anteile“, „Traumatisierte Anteile“, „Überlebens-Anteile“ unterschieden, die sich auch im Alltag bzw. in menschlichen Beziehungen an ihrer Art zu interagieren, erkennen lassen. Die Methode steht in der Tradition der Humanistischen Psychologie. Ihre Anfänge liegen in der sogenannten Aufstellungsarbeit.

Inzwischen ist evident, dass sich fundierte Aufstellungsarbeit bewährt hat, um in therapeutischen Prozessen „Grenzen überschreitende Musterbrüche“ zu ermöglichen. Sie kann Prägungen deutlich machen, die durch eigene Lebenserfahrungen, durch das Familiensystem (transgenerationelle Erfahrungen) oder durch das Umfeld entstanden sind. Das Erkennen von unbewussten Bildern, anderen Zusammenhängen, neuen Perspektiven kann möglich werden. Vorher nicht wahrgenommene Möglichkeiten können erkannt werden, um sich aus hemmenden Traditionen zu lösen bzw. um eigene/neue Wege nach eigenen Vorstellungen zu beschreiten.

Für meine Arbeit habe ich den Begriff „Trauma“ etwas erweitert: ab der prä-konzeptionellen Zeit – existenzielles oder einschneidendes Ereignis (Schock, Schmerz, Verlust, sich wiederholende Erfahrungen von Ausgeliefertsein, Hilflosigkeit, Überfordertsein) und die sich daraus ergebenden anhaltenden (körperlichen, psychischen, mentalen, sozialen) Einschränkungen, Hemmungen, Wahrnehmungsverbote und Verhaltensmuster.

Folgende Kompetenzen/Erfahrungen bringe ich u. a. ins Feld ein: langjährige Tätigkeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie; Integrative Approbationsausbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie; Aus- und Fortbildungs- bzw. autodidaktische Schwerpunkte: Pränatale Psychologie, Synergetische Psychologie, Transpersonale Psychologie, Traumatherapie, Identitäts-Orientierte Psychotherapie (IoPT), EMDR, Katathym Imaginative Psychotherapie, Bild- und Gestalttherapie, Transaktionsanalyse, Initiatische Methoden (Initiatisches Malen, Geführtes Zeichnen, Arbeiten am Tonfeld, Initiatisches Gebärdenspiel, Personale Leibtherapie), Somatic Experience, Technique d’Identification sensorielle des peurs Inconscientes (TIPI) Entspannungstechniken/Meditationspraxis, akademischer Grad als MBA und langjährige Erfahrungen in Personalmanagement und Personalentwicklung, Erfahrungen als Mutter von zwei erwachsenen Söhnen und ganz viel Lebenserfahrung ...

Bei der Innenweltarbeit kombiniere ich die IoPT/Anliegenmethode bedarfsorientiert z. B. mit Elementen körper-/psychotherapeutischer oder gestaltungstherapeutischer Methoden. Zentraler Ausgangspunkt und Navigator für die Arbeit mit inneren Anteilen (Mustern) ist das Anliegen.

Manche Klienten wollen die Begleiter bitten, ihnen bei der Formulierung des Anliegens zu helfen oder eine Bewertung für das geplante Anliegen abzugeben. Doch der Begleiter kann auf keinen Fall wissen, was in dieser Situation für den Klienten wesentlich ist. Nur der Klient kann wirklich für sich formulieren, was jetzt für ihn wichtig ist.

Die Klienten legen immer jetzt mit diesem Anliegen intuitiv selbst den Rahmen, das Maß und die Tiefe ihres Prozesses fest. Sie zeigen so die Qualität ihrer Bereitschaft für die Auseinandersetzung mit sich selbst. Wird dieser Rahmen ohne „Störung von außen“ eingehalten, entsteht für die Klienten ein kontrollierbarer, sicherer Prozess, in dem die Einbindung der verletzten Strukturen – mit den aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen – jetzt möglich ist.

Klienten streben an, nah am Spürbaren zu sein, das mit der eigenen Erfahrung überprüfbar ist. Auch wenn Klienten in der Frühen Zeit weder über ein funktionsfähiges kognitives Gehirn noch über Sprache verfügten, zeigen sich als evident erlebte Antworten, wenn sie im therapeutischen Prozess in ihrer unmittelbar zugänglichen Erfahrung eingebettet bleiben, die sie gleichzeitig präzise und umfassend beschreiben. Am Ende einer Arbeit fügen sich die wahrgenommenen Einzelaspekte erfahrungsgemäß zu einem verstehbaren Bild zusammen.

Ausgangspunkte für Klienten, die ich begleite, können z. B. sein: Ängste, berufliche Themen, Beziehungsthemen, Burnout, Erschöpfung, Essstörungen, Hyperaktivität, Kinderwunsch, Lernschwierigkeiten, Mobbing, Niedergeschlagenheit, persönliche Fragen, psychosomatische Symptome, Schlafstörungen, Schmerzen. In sehr vielen Fällen zeigt sich dann im Laufe der Arbeit ein inhaltlicher Zusammenhang mit der Frühen Zeit.

Beispiele für Anliegen und mögliche Hintergründe im Kontext der psychologischen Dimension von Schwangerschaft und Geburt

– „Ich/will/das Gute/sehen/!“ (Geburt: Die Mutter ist bewusstlos; nicht alle „Anteile“ des Kindes sind energetisch geboren.)

– „Brauche ich meine Arbeit?“ (Die Klientin steht ihrer beruflichen Tätigkeit ambivalent gegenüber; es zeigt sich, dass die aufgeworfene Frage zu ihrer Mutter gehört, die während der Schwangerschaft mit der Klientin ein Schwangerschaftsdilemma erlebte: viel harte Arbeit, um wirtschaftlich die Existenz zu sichern, bei gleichzeitiger Gefährdung der Schwangerschaft durch diese Arbeit.)

– „Meine Angst vor Spritzen“ (Transgenerationales Thema – übernommene Angst der Mutter: Die Mutter hatte vor der Schwangerschaft mit der Klientin ein Kind abgetrieben (Spritzen), was zu einer lebensbedrohlichen Situation für die Mutter geführt hatte.

– „Ich-Blockade-verstehen“ (Der Klient ist vielfach sehr gut ausgebildet, erzielt jedoch nicht gewünschten beruflichen Erfolg: er war als Kind ungewollt und ohne Bindung; er erlebte eine stark belastete, unerreichbare Mutter, die ihn in ein Kinderheim abschob: „Ich tue im Leben so, als ob es mich nicht gibt, dann werde ich zwar nicht geliebt, doch geduldet.“)

Meine Begleitung als Therapeutin, Coach, Supervisorin oder Beraterin erfolgt mit dem Bewusstsein, dass Teilbereiche dessen, was wirklich ist und was wie wirkt, auch bei weit fortgeschrittenen Forschungserkenntnissen in vielen Teilaspekten letztendlich (noch) nicht immer in der stereotyp geforderten evidenzbasierten Wissenschaftlichkeit beschrieben ist oder (noch) nicht interdisziplinär zu einem größeren, vollständigen Bild zusammengefügt ist.

Die bekannten Erkenntnisse werden als Annäherung und Übergänge betrachtet. Evident erscheint alles, was ist, wirkt immer zusammen, auch wenn es nicht immer verstanden wird.

„Es bedarf einer gewissen Behutsamkeit, es bedarf vieler Geduld, der Abstreifung vieler vorgefasster Meinungen, vieler vorausträumender Wünsche, vieler blindwaltender Forderungen, es bedarf eines gewissen Abstandes zu sich selbst und zur Welt, eines langsam ausreifenden Gleichgewichts aller in uns veranlagten Komponenten und Bewusstseinsstrukturen, um die Absprungbasis in die neue Mutation in uns vorzubereiten.“8)

Ausblick

Bereits 1993 haben Varela et. al. das psychische Erleben als offenes System der Wechselwirkungen zwischen sich selbst und anderen beschrieben: Die Wechselwirkung formt die Strukturen unseres Erlebens. Wir sind eingebettet in den aktuellen Lebenskontext und in die jeweilige Lebens- und Erfahrungswelt, die in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden will.

Daniel Stern ergänzt an anderer Stelle: „Unser alltägliches Sein, Erleben, Handeln wird geprägt durch eine natürliche Teilhabe am Innenleben des anderen. Wir bewegen uns in einem ‚Co-Kreativen Dialog mit der Innerlichkeit des Anderen‘ und sind damit eingebettet in eine ‚Intersubjektive Matrix‘, die unser Handeln und Erleben formt. Es ist also die Wechselwirkung zwischen Menschen, die ein bestimmtes Erleben möglich macht oder z. B. psychische Gesundheit erleben lässt. Durch Traumatisierung sind wir nicht mehr in der Lage, das ‚Dazwischen‘, das Emergente wahrzunehmen. Eine Verzerrung unserer Wahrnehmung stellt sich ein.“9)

Bei nachhaltiger Prägung in der vorsprachlichen Zeit brauchen/bräuchten insbesondere Kinder von Anfang an, auf allen Ebenen, verbindliche beständige Rahmenbedingungen und empathische Begleiter, die sie in Würde willkommen heißen, liebevoll bestätigen, bestärken, schützen, für sie kindgemäße Räume gestalten und nährendes Miteinander erlebbar machen. Soziale, wirtschaftliche, politische Gestaltungen sind Spiegel, Folge und gleichzeitig wirkende Basis und Matrix förderlichen oder destruktiven Kindheitserlebens, mit hohem vieldimensionalem persönlichem und gesamtgesellschaftlichem Multiplikationseffekt10).

Die hohe Verantwortung jedes Einzelnen wird deutlich, jetzt Bewusstsein für die Qualität seines co-kreativen Dialogs zu entwickeln und zu entscheiden, für welche Wechselwirkungen er sich selbst öffnet und wodurch er gleichzeitig auf das Du und das Ganze – im besten Sinne, im Interesse aller – wirkt oder nicht wirkt. Auch psychotherapeutische Prozesse könnten vor diesem Hintergrund beleuchtet werden.

Die Verantwortung liegt auch darin, wach zu sein für Anfänge, die absehbar auf die Zerstörung „der Wahrnehmung des Dazwischen“ abzielen ...

„Wann Krieg beginnt,
das kann man wissen,
aber wann beginnt der Vorkrieg.
Falls es da Regeln gäbe,
müsste man sie weitersagen.
In Ton, in Stein eingraben, überliefern.
Was stünde da.
Da stünde, unter anderen Sätzen:
Lasst euch nicht von den Eigenen täuschen.“
Christa Wolf, „Kassandra“

Literaturhinweise

1) Evertz, Klaus; Janus, Ludwig; Linder, Rupert Hrsg: Lehrbuch der pränatalen Psychologie. 2014, Verlag Mattes
2) Hidas, György; Raffai, Jenö: Nabelschnur der Seele. 2010, Psychosozial-Verlag
3) Veldmann, Frans: Haptonomie. Science de l‘Affectivité., 2001, PUF, Paris
4) Renggli, Franz: Früheste Erfahrungen – ein Schlüssel zum Leben, 2018, Psychosozial-Verlag Harms, Thomas, 2016, Hrsg: Emotionelle Erste Hilfe: Bindungsförderung – Krisenintervention – Eltern-Baby-Therapie. Psychosozial-Verlag Käppeli, Klaus: Die Schule – Geburts- und Lebensraum des Kindes. 2018, Mattes Verlag
5) im Sinne von Günter Schiepek in Viol, Katrin, Schöller, Helmut, Aichorn, Wolfgang, Hrsg: Selbstorganisation – ein Paradigma für die Humanwissenschaften. 2020, Springer-Verlag
6) „Imago“, Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften V, 1917, S. 1
7) Ruppert, Franz: Selbstbegegnungen und Anliegenmethode. Die Praxis der IoPT. 2022, Tredition-Verlag Ruppert, Franz, Hrsg: Frühes Trauma. 2018, Klett Cotta-Verlag
8) Gebser, Jean, 1986, Gesamtausgabe Bd. III: Ursprung und Gegenwart Zweiter Teil, S. 405, Novalis-Verlag
9) Stern, D. N., 2004: The present moment: In psychotherapy and everyday life. W W Norton & Co.
10) Fuchs, Sven: Die Kindheit ist politisch. 2019, Mattes-Verlag

Gabriele Hoppe
Heilpraktikerin für Psychotherapie, tiefenpsychologisch und pränatal fundierte Traumatherapie, Coaching und Supervision

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