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Psychosomatik - Wenn die Seele den Körper krank macht

Die Psychosomatik beschäftigt sich mit der Wechselwirkung von psychischen und körperlichen Prozessen. Die Psychosomatische Medizin richtet den Blick auf die Zusammenhänge von Körper, Psyche und sozialen Faktoren.

Im Fachjargon werden die Beschwerden als somatoforme Störungen bezeichnet – jedenfalls dann, wenn Ärzte keine eindeutigen körperlichen Ursachen finden.

Somatische Belastungsstörungen machen sich meist im gastrointestinalen, kardiovaskulären und urologischen Bereich oder mit klaren Symptomen auf der Haut bemerkbar.

Die häufigsten Beschwerdebereiche: - Magenverstimmung/Gastritis
- Kopfschmerzen bis hin zur Migräne
- Angst/Schwindel/Panik
- Rückenschmerzen
- schlechter Schlaf

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) geht davon aus, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen – dementsprechend auch auf der organischen Ebene.

Somatoforme Störungen sind im ICD-10 unter F45 codiert. Im ICD-11 erfolgt eine signifikante Veränderung schon in der Bezeichnung somatische Belastungsstörung. Damit sind gemeint: Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit körperlichen Symptomen.

Nach dem DSM-5, das in den USA häufiger benutzt wird als in Deutschland, zählen alle belastenden somatischen Beschwerden – nicht die unerklärbaren – als eine somatische Belastungsstörung, wenn sie mit einem der drei folgenden Kriterien einhergehen: - unangemessene und andauernde Gedanken bezüglich des Ernstes der Beschwerden - stark ausgeprägte Ängste in Bezug auf Gesundheit und Symptome - den Beschwerden oder Gesundheitssorgen wird ein exzessiver Aufwand an Zeit und Energie gewidmet Die Dauer bis zum Stellen der Diagnose somatoforme Störungen beträgt in der Regel drei bis fünf Jahre.

Der Klient lernt seinen Körper kennen und spüren. Er achtet nun mehr auf seine Gefühle.

Die Prävalenz liegt bei 4-15% in Deutschland. Die Lebenszeitprävalenz wird auf 80% geschätzt. Bei stationär aufgenommenen Patienten sind ca. 30% betroffen. (Quelle: Doc Medicus, Dr. Werner G. Gehring, Gesundheits-Lexikon)

WELCHE HIRNREGIONEN SPIELEN BEI DER PSYCHOSOMATIK EINE ROLLE?

Orbito-frontaler Kortex: emotionale Verarbeitung und Entscheidungsfindung

Amygdala: Angstverarbeitung und Reaktion auf Bedrohung führen zu körperlichen Symptomen Insula: Wahrnehmung von Körperempfindung und Emotionen

Basalganglien: Tiefere Hirnregionen sind für die Motorik, Motivation und für Verhaltensänderungen zuständig

Hirnstammregionen: Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Schlafstörung und Verdauungsprobleme Diese Hirnregionen arbeiten nicht isoliert, sondern interagierend miteinander.

FALLSTUDIE: VERSTOPFUNG (OBSTIPATION)

Ein 67-jähriger Klient im Ruhestand, verheiratet, kinderlos, leidet seit Jahren unter chronischer Verstopfung. Einige Behandlungsversuche mit Medikamenten unterschiedlichster Art blieben ohne Ergebnis, sodass er nun psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nimmt.

Als der Klient das erste Mal in meiner Praxis vorstellig wurde, schilderte er seine augenblickliche Lebenssituation. Er erklärte, dass er seit Jahren nicht mehr im Urlaub gewesen sei und das soziale Umfeld eher rar wäre, die Frau würde ihm genügen. Meine Frage nach sportlichen Aktivitäten verneinte er, sie würden nichts bringen. Seine Frustration über seine Obstipation führe ihn zur Verzweiflung.

Mir fiel während unseres Gesprächs auf, dass sich in seiner Mimik eine tiefe Traurigkeit und Ernsthaftigkeit breitmachten und dass seine Emotionen sehr verflacht wirkten. Auf meine Frage, wann er sich das letzte Mal richtig glücklich gefühlt habe, konnte er sich nicht erinnern. Beim Berichten kam er auf Hunderte von Stunden, die er im Laufe eines Jahres in Wartezimmern von Arztpraxen verbracht hatte. 

Selbst Darm- und Magenspiegelungen blieben ohne somatischen Befund, ganz abgesehen von den Krankenhausaufenthalten, die alle ergebnislos verliefen. Vor mir saß ein verzweifelter Mann und das Traurige daran war, dass ihm keiner Glauben schenkte, dass er psychosomatisch erkrankt ist. „Du simulierst“ oder „Reiß dich zusammen“. Das hörte mein Klient aus seinem Umfeld.

In der ausführlichen Anamnese (Biografiearbeit) berichtete mein Klient, dass seine Kindheit eher einen bescheidenen Verlauf genommen hätte, über Gefühle und Bedürfnisse wurde nicht gesprochen. Den Eltern keine Probleme zu bereiten, war oberste Maxime. Er schluckte viel. Ihre ganze Aufmerksamkeit hätten die Eltern der behinderten Schwester gewidmet, die geistig behindert war und später verstarb. Der Vater starb vor 15 Jahren an Lungenkrebs, das hat mein Klient bis heute nicht verkraftet.

Er ist seit geraumer Zeit bei mir in Therapie, es hat sich eine gute Compliance eingestellt. Zum ersten Mal hat er geweint und seinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Er meinte: „Er lernt im Moment das erste Mal seinen Körper kennen und spüren. Er achtet mehr auf seine Gefühle und lernt, sie zuzulassen. Seine Frau, die darunter gelitten hat, profitiert davon.“

WIE SIEHT EINE PSYCHOSOMATISCHE THERAPIE AUS?

Wir arbeiten mit: - Biografiearbeit (tieferer Einblick in die Kindheit)
- Psychoedukation (Aufklärung)
- kognitiver Verhaltenstherapie (z. B. Gedankentagebuch) - Hypnosetherapie (klinische Hypnose nach Dr. Milton Erickson) - unterschiedlichen Entspannungsmethoden wie Meditation und Bodyscan - Stressmanagement (Skala)

Bei einer psychosomatischen Therapie werden körperliche, psychologische, biografische und soziale Faktoren berücksichtigt – der Mensch mit seinem Körper, seinem Geist und seinen Lebensumständen steht im Mittelpunkt.

Info: Die erste Anlaufstelle ist die hausärztliche Praxis, da abgeklärt werden muss, ob eine physische (somatische) oder psychische Erkrankung vorliegt.

FAZIT

Wichtig ist, dass der Klient weiß, woher seine Beschwerden kommen, und lernt, sie zu verstehen, dass es mit der Kindheit einhergeht. Die Ermutigung, aktiv an der Therapie teilzunehmen, Selbstverantwortung zu tragen, aktiv mitzumachen, ist das Fundament einer guten Psychotherapie. Ich nehme den Klienten an die Hand und begleite ihn wertschätzend und empathisch. Das Ziel ist, allein in der Welt zurechtzukommen.

Meinem Klienten ging es sukzessive immer besser, er musste seine Obstipation (Verstopfung) nicht mehr kontrollieren. Mit Stressmanagement und der Biografiearbeit konnte er seine alten Muster loslassen. Das Fitnessstudio und seine täglichen Spaziergänge taten dem Darm gut. Seine Müdigkeit und Erschöpfung ließen nach.

Mit einem zufriedenen Ergebnis beendete ich die Therapie.

Gespräche helfen, die Ursachen zu erkennen.

Literatur

Dr. med. A. Kugelstadt: Dann ist das wohl psychosomatisch!
Thieme: Psychosomatik.
Erkennen – Erklären – Behandeln

Regina Koch
Heilpraktikerin für Psychotherapie