Teil 3 Chatbots, Hirnchips und die Zukunft der Psychotherapie
Mit Weiterentwicklungen von KI und Neurotechnologien sowie wachsender Akzeptanz bei Betroffenen werden Psychotherapeuten genötigt sein, die Fragen nach dem Mehrwert persönlicher Begleitung zu beantworten, sei es als Berufszweig, sei es als psychotherapeutischer Praktiker.
Und sie werden genötigt sein, im Rahmen des Unterschieds, den sie als Mehrwert zu technologischen Angeboten darstellen müssen, zu fragen, inwiefern sie ihr Verständnis psychotherapeutischer Hilfestellung und Begleitung, ihr Qualifikationsprofil, das Repertoire ihrer Interventionsmethoden und -praktiken ändern müssen, um in ihrem Beruf jene Arbeit zu verrichten, den sie als Dienst am Hilfesuchenden verstehen.
Diese Fragen und Assoziationen können als Startpunkt helfen und weitere initiieren.
- Muss der Therapeut immer weniger können, weil Technologie/Chatbots & Co. fachliche Kompetenz aufnehmen, etwa in Apps mit – bis dato – stark verhaltenspsychologischer, auf Pragmatik ausgelegten Formaten? - Degeneriert der Therapeut zum Spielbegleiter, der den Klienten im „Therapie-Spiel“ hält? - Wird menschliche Therapie überflüssig?
In der einen oder anderen Weise stehen jedenfalls Anpassungsleistungen (Adaption, Assimilation) bevor. Auf den ersten Blick zeigen sich verschiedene Optionen, die praktisch naheliegen. Zusätzlich zur Qualifikationserweiterung bezüglich digitaler Angebote sei als Inszenierung von Therapie die Devise genannt: Klienten/Patienten „dort abzuholen, wo sie sich befinden“ – mit direkten Folgewirkungen auf die Art und Weise von Interventionsvarianten.
Das schließt Kenntnisse und praktische, auch gestalterische Kompetenzen im Rahmen der technologischen Angebotsvielfalt ebenso ein wie die Reflexion und Entscheidung in Bezug auf Anpassungsleistungen. In diesen Kontext gehören auch Überlegungen und Prüfungen der persönlichen Bereitschaft, Fähigund Fertigkeit im Umgang mit Kommunikationstechnologie. Zudem empfiehlt es sich, die Vorprägung von Klienten in Augenschein zu nehmen, etwa: Welche sozialen Medien, Influencer etc. – mit welchen Kernbotschaften – gehören zum Alltag und prägen Denken, Haltung, Gefühle maßgeblich – mit welchen Konsequenzen für die therapeutische Intervention?
Abstrakter kann man die Anforderung telegrammartig mittels zweier Begriffe umreißen – Anpassen und Einpassen im Sinn von – der Therapeut befolgt: - die Vorgaben der Therapie-App/Chatbotprogrammierung - schaut nach Freiräumen innerhalb der vorgezeichneten Leitplanken
Der Therapeut befolgt und verlagert
Grundsätzlich orientiert sich der Therapeut an technologischen, programmierten Vorgaben. Um dies kompetent zu tun, verlagert er die Schwerpunkte seiner Intervention. Etwa: weniger modell-, theoriewissenschaftliches Wissen aus psychologischen Teildisziplinen und tradiertem psychotherapeutischen Fundus als Vorlage; dafür Zunahme, Ausweitung der Kenntnisse rund um Spielpsychologie in Theorie und Praxis, verknüpft mit der Betonung pragmatischer (an Folgen orientierter) Grundhaltung und einem Zugewinn an Praktiken, Interventions- und Kontrollvarianten. Salopp und verkürzt verschlagwortet: Heldenreise in spielerischem Szenario.
Der Therapeut erweitert
Mehr Qualifizierung in allem, was mit Spielpsychologie und -praktik zu tun hat; Weiterung des Qualifikationsprofils um Digitalumgangswissen/ Anwendungswissen, auch als Spielraum (!) für neuartige Kreativität im therapeutischen Setting bzw. Szenario, Mehren bzw. Diversifizieren von Interventions-,

Wird menschliche Therapie überflüssig?
Kontrollvarianten (formal: hybrid-analog im Wechsel; praktisch an die Gesamtarchitektur angepasste inhaltliche Vorgehensweise, etwa Wechsel von Spiel und Reflexion).
PUZZLE, POTPOURRI, PATCHWORK
Es geht um das Einpassen von und um das Anpassen an, um das Verweben des Eigenen mit dem Anderen (Technologie, Programme) und das Einpassen des Anderen in das Eigene. Man kann als Ausgangsmetapher z. B. Puzzle, Potpourri oder Patchwork nehmen: Es gilt, die verschiedenartigen eigenen und fremden Teile passend, harmonisch zu einem Ganzen zu fügen – im Dienst des konkreten Bedarfs des Klienten. Entwicklungen in digitalisierter psychotherapeutischer Beziehung und Begleitung sowie in Neurotechnologie nötigen Psychotherapeuten, sich mit ihnen bekannt bis vertraut zu machen, zu prüfen, inwiefern es die eigene Arbeit und Klientel betrifft und wie sie sich darauf einstellen möchten. Dabei empfiehlt es sich, stets mitlaufen zu lassen, inwiefern sich die Profile (Bedürfnisse, Gewohnheiten, Wissen, soziale Zugehörigkeit, soziokulturelle Milieus, Lebensführung etc.) von Hilfesuchenden in einer Weise verändert haben/verändern, die ein verändertes Vorgehen in der therapeutischen Hilfe nahelegen.

Dr. rer. soc. M.A. phil. Regina Mahlmann
Coachin und Beraterin, Moderatorin und Trainerin, Autorin und Textcoachin