Praxismarketing Teil 5
Thema: Internet
(Fast) jedes Unternehmen nutzt das Internet. Für viele potenzielle Kunden (immer m/w) dient der Blick auf die Seite eines Anbieters dazu, sich einen Eindruck zu verschaffen und erste Informationen zu bekommen. Wie groß die Rolle des Internets und seiner Möglichkeiten ist, hängt vom Einzelfall und der Einstellung der Nutzer ab – aufseiten des Unternehmens ebenso wie vonseiten der potenziellen Kunden. Mancher schwört auf die neuen Medien, engagiert sich entsprechend und hat wohl auch Erfolg. Für andere ist das www. ein notwendiges Übel, dem man – Stichwort „Datenkrake“ – lieber nicht zu sehr vertrauen sollte.
Bei der Vorauswahl für ein Unternehmen oder eine Praxis spielen das „Kennen“ eines Anbieters und/oder Mund-zu-Mund-Propaganda sehr häufig eine entscheidende Rolle. Nur wenn Kunden oder Klienten keine Anbieter für ein Produkt/eine Dienstleistung kennen oder sie ihnen unsympathisch sind, steht der offene Blick ins Internet an erster Stelle. Aber: Das heißt keineswegs, dass man sich auf den guten Klang des eigenen Namens verlassen sollte. Denn auch nach Empfehlung ist es vielfach üblich, dass die empfohlene Adresse im Internet „überprüft“ wird. Ist die Praxis oder Firma dort nicht zu finden oder stößt man auf einen wenig überzeugenden Auftritt, entscheidet sich mancher doch noch um.
Zwar ist das Internet zumindest für lokale und regionale Anbieter kaum ein Ersatz für entsprechende Pressepräsenz. Wer aber keine oder eine schlecht gemachte Seite hat, vergibt in jedem Fall Möglichkeiten. Die Internetseite ist ein wichtiges Marketinginstrument. Eine Chance kann – jenseits von Eigenpräsentation und Bestellmöglichkeiten – darin liegen, das Internet stärker zur Kommunikation einzusetzen. Bei einem Energieversorger, der öffentlichen Verwaltung, Heilberufen etc. bietet sich z. B. ein „Expertenchat“ an, bei dem Kunden und Klienten in einem bestimmten Zeitfenster Experten Fragen stellen können. Die häufigsten Themen/Fragen können erfasst, aufbereitet und als Download angeboten oder auch in einem Blog verarbeitet werden. Wer es nicht bei einer statischen Seite belassen will, sollte also einen gewissen Zeitaufwand für regelmäßige Aktualisierungen einplanen.
Adresse/Programmierung
Die Seite sollte selbstverständlich dahingehend optimiert sein, dass sie schnell gefunden wird. Wichtig auch: Die Seite sollte in der Lage sein, sich dem jeweiligen Empfangsgerät anzupassen. Die deutliche Mehrzahl von Seitenzugriffen erfolgt nicht mehr vom fest installierten PC, sondern von mobilen Endgeräten (Smartphone, Tablet). Eine schicke Seite, die ihre Qualitä- ten aber nur auf dem PC ausspielen kann, lässt nicht nur viel Potenzial ungenutzt – sie kann unter Umständen sogar mehr schaden als nutzen, weil die User sich über schwache Optik oder fehlende Einsatzmöglichkeiten ärgern. Die Startseite sollte nicht zu vollgestopft werden und nicht zu viel Datenvolumen verbrauchen. Klar – es dauert „nur“ fünf Sekunden, bis sich Ihre liebevoll gestaltete Seite aufgebaut hat. Aber kluge Leute haben ermittelt, dass fünf Sekunden Seitenaufbau bei der Suche im Netz schon zwei Sekunden zu lang sind.
Telefonnummer
Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle des Telefons: Mancher sucht im Netz den richtigen Ansprechpartner, hat aber keine Lust oder Zeit, sich durch zig Unterseiten zu arbeiten, sondern will ein oder zwei Grundsatzfragen direkt und sofort beantwortet haben. Was spricht also dagegen, die Telefonnummer gleich auf der Startseite zu platzieren? Sie kann ja zusätzlich über den Kontakt-Button erreichbar sein.
Inhalte
Die Startseite sollte, wenn möglich, regelmäßig Neuigkeiten bieten, die über die reine Produkt-/Angebotspräsentation hinausgehen. Das kann eine Art „Leitartikel“ zu Aspekten der Firmenphilosophie sein, zu Wirtschafts-, sozialen, Gesundheits- oder Politikthemen, die das Unternehmen bzw. dessen Partner und Kunden berühren, aber ebenso Fotos und kurze(!) Berichte zu Aktuellem aus dem Geschäftsleben; neben Jubiläumsfeiern z. B. Aktionen aus dem Marketingbereich, Hinweise auf Presseberichte (Achtung: Urheberrecht beachten) etc. Wichtig ist, dass die Seiten so programmiert werden, dass die Praxisinhaber zumindest Teile davon selbst verändern können (Fotos/Filme austauschen, Texte schreiben). Das kostet zwar Zeit, ist unter dem Strich aber günstiger, als für jeden Handgriff einen „Externen“ bezahlen zu müssen.
Und: Man ist gut beraten, sich auch auf den eigenen Seiten kurzzufassen. Natürlich will man den Auftritt nutzen, um seine Kompetenzen darzulegen und alles Wichtige zu erklären und zu beschreiben. Doch das kann – wie jede Veröffentlichung in anderen Medien auch – abschreckend wirken oder die Leser überfordern. Besser ist auch hier, souverän, freundlich, kompetent und präzise zu schreiben. Das heißt nicht, dass es auf der eigenen Seite keine weitergehenden Informationen geben soll. Nur sollten die als eine Art „Bonus-Angebot“ präsentiert werden; nach dem Motto: „Möchten Sie mehr wissen? Hier geht’s weiter!“
Eigene Filme
Mit geringem technischen und finanziellen Aufwand ist es möglich, eigene Kurzfilme zu entwickeln und ins Netz zu stellen. Mit diesem Instrument lassen sich Praxis, Inhaber, Team und Methoden ergänzend zu Fotos und Textbeiträgen „erlebbar“ machen. Außerdem laden Filme mehr noch als Texte zum wiederholten Besuch der Seite ein. Zu beachten ist aber, dass die Filme nicht automatisch abgespielt werden, entsprechendes Datenvolumen benötigen und dadurch das Endgerät verlangsamen oder die Nutzer nerven. Filme sollten ein Angebot sein. Wichtig ist auch, dass die Werbebotschaft in einem solchen Film geschickter verpackt ist als in den Beiträgen der einschlägigen Verkaufssender oder auf den Monitoren im Baumarkt. Die Herangehensweise sollte also auf einer Linie mit der gesamten Marketingstrategie liegen.
Mailkontakt
Durch das Internet hat sich die Einstellung gegenüber Kommunikation allgemein radikal geändert. Wer eine Mail verschickt, erwartet in aller Regel zeitnah eine Reaktion – „zeitnah“ meint: am selben Tag! Die umgehende Reaktion auf jede relevante Mail sollte Priorität haben. Ist das mit Aufwand verbunden (etwa für Recherche), sollten die Interessenten auf alle Fälle trotzdem eine Antwort bekommen – und zwar möglichst eine, die persönlich wirkt und nicht automatisiert erscheint.
Facebook etc.
Facebook, YouTube & Co. sind für Unternehmen eine gute Gelegenheit, indirekte Werbung zu betreiben, die dazu noch nicht einmal den hohen Standards der Political Correctness entsprechen muss, die bei Unternehmensdarstellungen üblich ist – Facebook-Einträge stammen ja von Usern, also von Menschen, die direkt nichts mit dem Unternehmen zu tun haben (müssen). Gerade hier liegt aber auch eine große Gefahr: Unzufriedene Kunden oder Klienten oder böswillige Menschen haben kaum zu kontrollierende Mittel, sich in den sozialen Medien übelst auszulassen. Als Adressat von Beschimpfungen und Shitstorms bleiben nur wenige Möglichkeiten, zu reagieren, und die sind mit hohem Zeitaufwand und/ oder Kosten verbunden. In den sozialen Medien kann – anders als in den Printmedien - schon ein Unzufriedener unkontrolliert großen Schaden anrichten.
Ein zweiter Fallstrick: Bei Eigendarstellungen sind auch in den sozialen Medien etliche wettbewerbsrechtliche Punkte zu beachten, will man sich nicht großen Ärger einhandeln. Im Falle der Printmedien steht im Zweifel die Zeitung in der Verantwortung für das, was sie veröffentlicht hat. Bei den sozialen Medien sind es die Autoren oder die Betreiber der Seite.
Ganz davon abgesehen bedeutet die aktive Nutzung von Facebook als Kommunikationsinstrument auch viel Zeitaufwand: Wer etwas bei Facebook einstellt, erwartet umgehend eine Reaktion. Erfolgt die nicht, kann das als Desinteresse oder Ignoranz verstanden werden. Aber auch eine umgehende Antwort muss dem Adressaten nicht gefallen. Als Fazit sollte man die eigene unternehmerische Präsenz in den sozialen Medien auf den Prüfstand stellen, ehe man sich engagiert.
Telefon
Die neuen Medien machen das persönliche Gespräch nicht überflüssig. Eher ist das Gegenteil der Fall: Durch die schnelle Verfügbarkeit aller möglichen Informationen und Adressen zu allen denkbaren Themen hat sich auch die Erwartungshaltung zur telefonischen Erreichbarkeit tendenziell „verschärft“. Das Internet liefert quasi die – mehr oder weniger umfangreichen – „Basis-Daten“ und dient den meisten Menschen für eine Vorauswahl. Sobald es aber konkret wird, wünscht die Mehrzahl der Menschen nach wie vor einen persönlichen Kontakt und der erfolgt in der Regel über das Telefon.
Mehr als früher wird eine schnelle telefonische Erreichbarkeit erwartet. Das ist eigentlich auch kein Wunder, bietet doch das Internet auf einen Blick zig Anbieter zum jeweiligen Thema. Ist der eine nicht erreichbar, nimmt man halt den nächsten.
In Praxen, die (noch) ohne Mitarbeiter auskommen, oder bei einem Anruf nach Feierabend, bieten sich zwei Lösungen an:
Einerseits der klassische Anrufbeantworter. Der sollte sich zügig einschalten (etwa nach dem dritten bis spätestens fünften Klingeln). Die Ansage sollte sauber und klar verständlich sein, aufgeschlossen und nett klingen, aber seriös wirken und kurz gefasst sein. Dass aufgelaufene Anrufe flink abgearbeitet werden, sollte selbstverständlich sein.
Die andere Möglichkeit: externe Unterstützung – sprich: Callcenter. Allein dieser Begriff schreckt die meisten potenziellen Nutzer schon ab. Paradoxerweise haben ausgerechnet große Telefongesellschaften einen erheblichen Anteil am schlechten Ruf dieser Dienstleister. Aber es gibt durchaus gute Callcenter, bei denen man schnell(!) – eben nach dem dritten oder fünften Klingeln – jemanden am Telefon hat, der von Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit und Formulierung einen seriösen Eindruck macht. Allein damit ist schon viel gewonnen:
„Praxis Schneder, Sven Deckert, was kann ich für Sie tun?“
„Ja, hier ist Frau Schulze. Ist die Frau Schneder zu sprechen?“
„Das tut mir leid, Frau Schneder ist heute den ganzen Tag außer Haus. Kann ich etwas ausrichten oder kann sie zurückrufen?“
„Oh ja, das wäre schön! Ich bräuchte einen Termin, am besten …“
Unterm Strich hätte die Anruferin ihr Anliegen auch einem AB schildern können, der rein praktische Nutzen wäre identisch: Vorausgesetzt, dass der Anruf zuverlässig übermittelt wird (vom AB wie vom Callcenter) hängt es allein vom Praxisinhaber ab, ob er sich wirklich meldet oder nicht. Aber ohne Zweifel fühlt sich ein Anrufer beim netten Herrn Deckert viel besser aufgehoben als bei einem AB. Und das gilt für alle Anrufer; alle haben den Eindruck, dass persönlich und individuell mit ihnen gesprochen worden ist. Das kann ein AB nicht leisten.
Hinzu kommt noch der positive Eindruck, dass Praxisinhaberin Schneder offenbar ja ein Büro mit Mitarbeitern hat. Das ist zwar für die Qualität ihrer Arbeit völlig irrelevant, ist aber gleichwohl ein Werbefaktor: Mitarbeiter suggerieren eine gewisse Stabilität des Unternehmens/der Praxis – eher als eine „One-WoMan-Show“ das vermitteln könnte. Ein gutes Callcenter-Team wird sich außerdem darauf verstehen, den Eindruck einer viel beschäftigten Unternehmerin zu vermitteln, die ein freundliches, engagiertes Team leitet. Auch das wird mit einem Anrufbeantworter kaum funktionieren.
Mit anderen Worten: Das richtige(!) Callcenter ist nicht nur praktisch, sondern auch ein effektives Marketinginstrument. Was die Kosten betrifft: Ein gutes Callcenter lässt sich tage- oder stundenweise buchen. Mit Blick auf die Qualität der angebotenen Leistung sollten natürlich Angebote verglichen werden und Testanrufe erfolgen. Gegebenenfalls kann man die Kosten über eine gemeinsame Nutzung mit Kollegen senken.
Jens Heckmann
Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit/ Unternehmenskommunikation, er berät seit Jahren VFP-Mitglieder in Marketingfragen
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