Heilung bei Verletzungen in der Liebe
Das Zauberwort heißt verzeihen. Und verzeihen ist ein Willensakt. Doch es erfordert eine hohe Kompetenz und Verantwortung vom jeweiligen Partner.
Warum bin ich überhaupt als Paar (in Partnerschaft) zusammen?
Partnerschaft ist eine Bindung. Früher war es die Ebene der Arbeit, die ein Paar gebunden hat. Heute ist es die Liebe. Es ist nicht die gegenseitige Verbindung aufgrund der Zusammenarbeit als Team, z. B. in der gemeinsamen Firma oder Familie. Was uns zusammenhält, ist entweder die Liebe oder die Arbeitsebene. Bindung heißt, mich an den anderen binden zu wollen. Aus Liebe heraus. Wenn diese Liebesebene nicht aktiv ist und gelebt wird, ist die Liebe tot.
Toleranz und Respekt gehören zu einer aktiven Liebe dazu. „Ich achte dich und lasse dich. Achte du mich und lasse mich.“ Diese beiden Sätze drücken die innere Haltung aus, die beide Partner leben sollten, um eine bereichernde und unterstützende Beziehung auf der Paarebene zu haben. Nur dann ist es ein reifes Paar. Denn Beziehung bedeutet: bezogen sein auf den anderen.
Wenn nun ein Konflikt naht, wird oftmals der „Rosenkrieg“ eröffnet
Ein Streit entsteht meist durch etwas Drittes. Das Dritte meint hierbei z. B. ein Kind, die Verwandten, einen neuen Beruf etc. des Partners oder auch das Fremdgehen. Das stellt die massivste Verletzung in der Partnerschaft dar.
Im Zusammenhang mit diesen Themen machen sich die Partner oft Vorwürfe und dadurch erhalten sie Verletzungen und verletzen selbst den anderen. Beide haben die Seite des Verletzten und die Seite des Verletzers.
Als Folge fällt es uns oft schwer, wahrhaftig zu verzeihen. Denn „Rache ist süß“ und verspricht somit eine Art Ausgleich. Und vielleicht erklären Sie es sich auch so, dass Sie jetzt Gerechtigkeit und eine Wiedergutmachung brauchen. Denn nicht zu verzeihen, gibt dem Verletzten eine Machtposition. Wenn ich eine Verletzung (be-)halte, behalte ich eine Aktie. Denn Groll bindet stärker als Sehnsucht. Doch das ist nicht verzeihen. Menschen, die nicht verzeihen können, können sich selbst nicht verzeihen. Sich selber nicht verzeihen können, verhindert den Akt des Verzeihens wie auch das Um-Verzeihung-Bitten.
Qualitätsgewinn: loslassen!
Lasse ich jedoch die Verletzung los, verliere ich diese Aktie. Zum Beispiel: „Ich verspreche dir, dass ich dieses Thema in unseren Gesprächen nicht mehr anbringe.“ Ich schmiere sozusagen das Thema dem Partner nicht mehr aufs Brot. Zudem ist es ein ungeheurer Qualitätsgewinn, wenn Sie wirklich fähig sind, in der Tiefe zu verzeihen. Denn die Aktie loslassen heißt auch, Sie brauchen keine Angst mehr zu haben, ob die Aktie steigt oder fällt.
Auf Rache zu verzichten, ist also Befreiung!
Wahrhaftiges Verzeihen verzichtet auf all das – und das macht es schwer. Denn es geht darum, dass Sie bereit sind, das Idealbild von Ihrem Partner aufzugeben, doch ohne sich von ihm abzuwenden oder ihn abzuwerten. Denn ein realistisches Bild von sich selbst wie auch vom Partner, erleichtert den Prozess des Verzeihens – und somit den Versöhnungsprozess.
Viele Verletzungen werden totgeschwiegen oder weggeschoben. Und das Verstummen ist eine „Versuchs“-Brücke zum Partner. Das beeinträchtigt allerdings die Intimität des Paares gravierend. Eine nicht verziehene Verletzung aus der Vergangenheit und der Gegenwart hat somit Einfluss auf die Zukunft. Wenn man nicht verzeiht, bleibt ein Abstand zum Partner.
Auch wenn ich nicht bereit bin zu sehen, dass ich den Partner verletzt habe, nehme ich mich aus der Beziehung heraus. Hier gilt es, für den Verletzer Einsicht zu wecken. Das ist überaus wichtig. Denn die Distanz zwischen den Partnern wird größer, wenn der Verletzer die Verantwortung nicht übernehmen will. Wenn er sich verteidigt und somit seine Eigenart rechtfertigt in der Haltung von: „Ich bin halt so. Entweder kommst du damit klar oder nicht.“ Diese Haltung ist ein Zeichen dafür, dass sich der Verletzer für sich entscheidet und somit die Beziehung „abbricht“.
Verantwortung übernehmen!
Nehmen Sie frühere Verletzungen in ihrem eigenen Leben nicht als Entschuldigung für das heutige Verhalten: „Ich kann nichts dafür, dass ich mich so verhalten habe. Meine Mutter war ja auch schon so.“
Übernehmen Sie stattdessen für das eigene Tun Verantwortung: „Ich habe es nicht absichtlich gemacht und doch habe ich dich verletzt.“ Gehen Sie auf den anderen von sich aus zu: „Damals bin ich dir gar nicht gerecht geworden und das tut mir leid. Bitte verzeih mir.“ Sich die eigene Ohnmacht einzugestehen, ist ein Akt der Demut. Sich zu entschuldigen heißt auch, ich löse mich von der Schuld.
Wenn der Partner oder Sie selbst untreu geworden sind, steht die Aufgabe im Raum, sich zu fragen, was haben ich und mein Partner, wir beide unterlassen in Bezug auf Lebendigkeit in der Beziehung? Ist vielleicht das Leben aus der Partnerschaft „gewandert“? Dann geht einer fremd, weil er das Leben in einem neuen Gegenüber sucht, das in der Paarbeziehung ausgewandert ist.
Verletzungen können nur wahrhaft geheilt werden, wenn der Verletzte verzeiht. Denn der Prozess des Verzeihens bringt Nähe und Liebe. Dabei ist es wichtig, dass offen vorher gesprochen wird. Den anderen in Ruhe anhören, ohne ihn zu unterbrechen. Diese Bereitschaft gilt für beide. Sich gegenseitig mit Respekt und Achtung anhören, deutlich aussprechen, wie ich mich damit fühle, wechselseitiges Verstehen durch Einfühlen in den anderen.
Doch meistens läuft leider auf der Paarebene der Streit um „Gerechtigkeit“. Stattdessen können Sie sich die Frage stellen: Wo ist die Liebe geblieben? Wo ist die Haltung: „Dir zuliebe tue ich das und das sehr gerne“. Seien Sie sich bewusst, dass die Beziehung als Paar vorbei ist, wenn Sie nicht verzeihen. Außer Sie bleiben als Arbeitsteam zusammen.
Toleranz, Akzeptanz, Respekt sind essenzielle Pfeiler der Liebe!
Verletzungen in der Paarbeziehung sind immer Verletzungen der Liebe. Denn Sie wissen, Verzeihen ist ein Willensakt, der mit Achtung dem anderen gegenüber einhergeht. Wir werden dem anderen nie 100%ig gerecht. Daher ist es wichtig, auch die Bereitschaft zu haben, um Verzeihung zu bitten. Zusagen zu machen, dass es die Situation, das Verhalten etc. nie mehr geben wird, sind unglaubwürdig. Vorteilhafter ist, „Ich werde darauf achten, ein besseres Verhalten zu leben und zu zeigen.“
Was braucht nun der Verletzte vom Verletzer, um wieder vertrauen zu können? Der Verletzte braucht Sicherheit. Der Verletzer muss besonders verlässlich sein. Er muss regelrecht Verlässlichkeit demonstrieren. Der Verletzer benötigt vom Verletzten einen Vertrauensvorschuss. Der Verletzer muss auch Vereinbarungen ernst nehmen. Wenn ich sage, ich bin um 19 Uhr daheim, dann werde ich auch zu Hause sein. Wenn es nicht klappt, rufe ich an und gebe Bescheid. Wichtige Kriterien dabei sind: im Kontakt miteinander zu bleiben, Termine einzuhalten, Ernsthaftigkeit und Achtsamkeit zu zeigen.
Sich selbst verzeihen!
Die Spuren der Verletzung werden immer bleiben. Ich muss jedoch dafür sorgen, dass ich selbst ein guter Elternteil für mich bin, um mein inneres Kind, meinen gefühlvollen Teil, zu beruhigen.
Zum Abschluss noch einige Fragen, die Sie sich selbst in Ruhe beantworten können:
Was nehme ich mir selbst in meinem Kontakt und Verhalten zum Partner nach wie vor übel?
Welche Ansprüche habe ich da an mich selbst?
Welche davon könnte/sollte ich aufgeben und wie fühlt sich das für mich an?
Nehmen Sie die Verletzung als Chance wahr!
Wieso bin ich so unsensibel, dass ich bei diesem Thema meinen Partner verletze? Oder, wieso bin ich bei diesem Thema so verletzlich? Schauen Sie sich Ihre eigenen Lebensthemen an. Die Gründe dafür werden Sie dort entdecken.
Christiane Hintzen
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Gestalttherapie, Feldaufstellungen, eigene entwickelte Intuitionsarbeit, Einzel- und Gruppenarbeit, Praxis „Der Raum für neue Wege“ in Windach am Ammersee
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