Skip to main content

Buch- und CD-Besprechungen

0218 alles A4 big Page66 Image1Psychotherapie nach Flucht und Vertreibung – ist fast immer notwendig und in vielerlei Hinsicht wichtig und geboten. Laufende Asylverfahren, valide Gutachten, sinnvolle Betreuungsansätze und -konzepte, der notwendige und gewünschte Erfolg von Integration in ein oft als fremd und feindlich empfundenes Umfeld sind nur Stichworte, wenn es darum geht, mit Menschen, die Flucht und Vertreibung zu verarbeiten haben, konstruktiv und fair umzugehen. Der konstruktive und faire Umgang muss zwingend die psychischen und emotionalen Bedingungen, unter denen Geflüchtete oft leben (müssen), berücksichtigen.

Dieses Buch beschreibt auf fast 200 Seiten ein komplexes und schwieriges Thema sehr praxisnah und beleuchtet alle damit verbundenen Faktoren, aber auch solche, die nicht nur die betroffenen Menschen, sondern auch die helfenden betreffen, und greift solche auf, die sich mit Ursachen von Flucht und Vertreibung befassen. Die wichtigsten Themenkomplexe sind: Krisenherde und Flucht, Flucht und Asyl, rechtliche Rahmenbedingungen, die aktuelle Situation und Herausforderungen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung von Geflüchteten in Deutschland, Prävalenz körperlicher und psychischer Erkrankungen bei Asylsuchenden und Geflüchteten, allgemeine und spezifische Grundsätze zur psychotherapeutischen Arbeit mit Geflüchteten (sprachliche Verständigung, Dolmetscher, interkulturelle Aspekte, institutionelle Einflüsse), Traumafolgestörungen und psychische Komorbidität, Lebensabschnitte (unbegleitete Minderjährige, Familien, ältere Geflüchtete), die Bedeutung von Vernetzung und Zusammenarbeit, Belastung und Selbstfürsorge der Helfer, Praxisleitfaden und Therapieführer.

Im Buch wird zu Recht auf diese Situation hingewiesen und auch auf die große Diskrepanz zwischen (Be-)handlungsbedarf und Versorgungskapazitäten, die nicht einmal für die Normalbevölkerung wirklich ausreichend sind. Es mangelt an Dolmetschern, die die Voraussetzungen für psychotherapeutische oder psychiatrische Übersetzungen haben, mit der Folge, dass häufig Familienmitglieder, auch Kinder, instrumentalisiert werden. Es fehlt an niederschwelligen Angeboten, an interkulturellen Kenntnissen und Erfahrungen, an Therapeuten, die nicht nur kulturell vorgebildet sind, sondern auch Erfahrungen in der Arbeit mit (komplexer) posttraumatischer Belastungsstörung aufweisen. Hingegen mangelt es nicht an (versicherungs-)rechtlichen Barrieren zu psychotherapeutischen Angeboten.

Es wird aufgezeigt, wo Problemfelder liegen und wie mit ihnen umgegangen werden kann. Besonders die vielen Fallbeispiele sind sehr praxisnah beschrieben und zeigen Möglichkeiten, aber auch Grenzen eines adäquaten Umgangs mit den verschiedenen Situationen auf. So wird auf die Schwierigkeit einer medizinischen und psychologischen Behandlung traumatisierter MigrantInnen eingegangen, und zwar jenseits allgemeiner kultureller und sprachlicher Verständigungsprobleme. Kulturspezifische Krankheits- und Heilungsvorstellungen, andere Erzählstrukturen, religiöse, familiäre, geschlechtsspezifische Aspekte führen zu Frustrationen bei allen Beteiligten.

Das Buch geht auf die Begriffe „Trauma“ und „Krise“ ein, beschreibt ausführlich mögliche Auslöser von Krisen, Kriseninterventionen und Therapieverfahren, die sich in der Arbeit mit traumatisierten Menschen mit Flucht-, Folterund Vertreibungshintergrund (manchmal über Generationen) als sinnvoll erweisen können. Es gibt in den einzelnen Kapiteln den einen oder anderen Punkt, dem ich nicht folgen kann bzw. der mir nicht hinreichend erläutert ist. Dazu gehört die immer wiederkehrende Verwendung des Begriffs „transkulturell“. Überhaupt hätte dem Thema interkulturelle Kompetenz in diesem Kontext mehr Platz gutgetan. Für nicht gelungen halte ich aus verschiedenen Gründen die Fallbeschreibung zur Ablehnung weiblicher Fachkräfte. Es ist zwar einerseits wichtig, ein Handlungskonzept zu haben, das der Zielerreichung dient. Einem gewalttätigen Mann jedoch nachzugeben, der nicht bereit ist, mit einer Frau zu reden, halte ich andererseits für den komplett falschen Ansatz. Hätte es nicht gereicht, ein (1) entsprechendes Gespräch zuzulassen, um überhaupt in den Dialog zu kommen? Im Anschluss daran wären auch andere Wege möglich und nötig gewesen.

Besonders gelungen empfand ich beim Lesen das Eingehen auf die Belastungen, denen Menschen, die intensiv mit Geflüchteten arbeiten, täglich ausgesetzt sind. Der Begriff der „Sekundärtraumatisierung“ wird umfassend erklärt. Man kann sich im wahren Sinne des Wortes anstecken. Deshalb sind Selbstfürsorge, Achtsamkeit, Supervision, Schutz und Selbstschutz hilfreiche Tools für alle Menschen, die eng mit geflüchteten Menschen arbeiten.

Gleichwohl ist es ein sehr lesenswertes Buch, engagiert und kompetent geschrieben, geeignet für alle Menschen, die mit Migranten und Flüchtlingen arbeiten, beruflich oder ehrenamtlich. Für mich war das Lesen sehr hilfreich. Stärker als bisher kann ich jetzt in meiner Arbeit mit Geflüchteten Klippen umschiffen, Gefahrenpunkte erkennen und eventuell vermeiden und anders mit Reaktionen umgehen, die mir als sehr befremdlich erscheinen.

Ich kann das Buch nur empfehlen!

Rezension: Carola Seeler, Heilpraktikerin für Psychotherapie

Borcsa, Maria/Nikendei, Christoph: Psychotherapie nach Flucht und Vertreibung. Eine praxisorientierte und interprofessionelle Perspektive auf die Hilfe für Flüchtlinge. Thieme Verlag, 2017, ISBN 978-3-13240-745-9


0218 alles A4 big Page66 Image2Seit vielen Jahren wird Bogenschießen im therapeutischen Kontext erfolgreich genutzt. In den letzten Jahren erfreut es sich zunehmender Beliebtheit. Es ist eine Methode, die die Lenkung von Aufmerksamkeitsprozessen sowie die innere und äußere Achtsamkeit auf besondere Weise schult. Es ermöglicht, den Zugang zur körperlichen Wahrnehmung und zur emotionalen Ebene zu finden, sich auf Wesentliches einzulassen, körperlich und mental ausbalanciert zu sein, echte innere Ruhe und Erdung zu erleben. Es unterstützt und vertieft persönliche Entwicklungspotenziale.

Allein der Umstand, dass der Umgang mit einem unbekannten Sportgerät innerhalb kurzer Zeit erlernt wird, steigert Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Bogenschießen dient zudem der Stressbewältigung, denn um einen Schuss aufzubauen und zu lösen, ist Ruhe und Konzentration unerlässlich.

Der Autor Karl-Heinz Schäfer ist Psychologischer Psychotherapeut und hat eigene Erfahrungen im Umgang mit Pfeil und Bogen. Er beschreibt gut verständlich und strukturiert sein Vorgehen in der therapeutischen Arbeit. Dabei unterstreicht er die ihm wichtigen Details, wie z. B. die grundlegende Bedeutung von Achtsamkeit bei dieser Therapiemethode. Geschickt führt er auf, wie facettenreich das Bogenschießen unter Zuhilfenahme verschiedenster bewährter Methoden aus dem Bereich der Psychotherapie für die konkrete therapeutische Arbeit genutzt werden kann.

Dieses Buch ist für jeden Therapeuten interessant, der neugierig ist, wie kreativ und naturverbunden Psychotherapie möglich ist.

Rezension: Ivette Gräbner, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Bogensportlerin

Schäfer, Karl-Heinz: Therapeutisches Bogenschießen. Ernst Reinhardt Verlag, 2018, ISBN 978-3-49702-761-3


0218 alles A4 big Page67 Image2VFP-Mitglied Barbara Moser (eigene Praxis seit 2000) hat in diesem Buch die Quintessenz aus ihren vielen Ausbildungen und ihren umfangreichen praktischen Erfahrungen, die sie als Psychologische Beraterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Seminarleiterin gesammelt hat, zusammengetragen.

Als Therapeutin geht es ihr vor allem darum, die vielen kleinen Irrtümer aufzuzeigen, die unser Leben behindern. Eine Vielzahl körperlicher Leiden entsteht durch die Unwissenheit, dass der seelische Hintergrund und die oft unzähligen Blockaden dafür mitverantwortlich sind. Dabei lädt sie zu einem Perspektivenwechsel ein, nämlich nicht so wie meist davon auszugehen, dass wir eine Seele haben. Sondern das Leben einmal so zu betrachten, dass sich die Seele den Körper sucht und nimmt, um eine Erfahrung zu machen. Aus dieser Perspektive heraus sehen viele Situationen im Leben oftmals viel besser verständlich aus.

Wenn wir deshalb unseren Fokus, unser Licht, dorthin ausrichten und uns darauf einlassen, dass unter der Oberfläche schwieriger Lebensumstände eine alles umfassende Liebe zu unserem höchsten Wohle arbeitet, kann uns das von krank machenden Beeinträchtigungen befreien. Die Autorin weist auf die verschiedenen Möglichkeiten und Kraftquellen hin, die uns den Weg aus unseren Behinderungen zeigen. Sie legt in ihre Zeilen mit ihrem Einfühlungsvermögen tiefe Weisheiten, die durch besinnliches Lesen wirken und verinnerlicht werden können. Dabei ist von Vorteil, dass jedes Kapitel in sich abgeschlossen ist und man deshalb die Reihenfolge frei wählen kann – je nach den eigenen Fragestellungen.

Barbara Moser ist überzeugt: „Damit das Licht, die Liebe und der Frieden am Übergang zum Goldenen Zeitalter wirklich die Oberhand gewinnen können, wird es unumgänglich sein, die eigenen Blockaden, Muster und Überzeugungen sowie die unliebsamen Machenschaften in vielen Lebensbereichen zu transformieren.“ Diese These, die in manchen Ohren vielleicht „esoterisch“ klingt, wird durch wissenschaftliche Belege verständlich untermauert. Insofern eröffnet dieses Buch Chancen zu innerem Wachstum und zur Heilung von uns Menschen und dadurch von Mutter Erde.

Rezension: Dr. Werner Weishaupt, Dozent für Psychotherapie

Moser, Angelika: Mein Seelenkompass: Das innere Licht zeigt mir den Weg. Amadeus Verlag, 2017, ISBN 978-3-93865-691-4


0218 alles A4 big Page67 Image1Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Dennoch schrumpfen die Haushalte seit Jahrzehnten. In Deutschland gibt es ca. 17 Millionen Menschen, die in Singlehaushalten leben. Legen wir weniger Wert auf Familie? Leben wir in einer Gesellschaft, die Werte wie Egoismus und Materialismus verkörpert, in der psychosoziales Verhalten immer mehr zum Fremdwort wird?

Wer Spitzers Bücher kennt, weiß, dass bei ihm in erster Linie das Internet Grund für gesellschaftliche Missstände ist. So auch in seinem aktuellen Werk. Laut des Ulmer Psychiaters sind die digitalen Medien mit schuld an mangelnder Empathiefähigkeit und wachsendem Narzissmus und tragen so ihren Teil zu sozialer Isolation und subjektivem Einsamkeitserleben bei. Zwischen den Zeilen schrillen, wie schon in den vorherigen Büchern Spitzers („Digitale Demenz“, „Cyberkrank“ oder „Vorsicht Bildschirm“), die Alarmglocken. Insgesamt holt Spitzer weit aus. Manche seiner Ideen wirken zu weit hergeholt. Kausalzusammenhänge, die er herstellt, sind nicht immer schlüssig, oftmals selektiv. Viele seiner Thesen belegt er mit teils zweifelhaften Studien.

Wenn man Google z. B. als Instrument zur quantitativen Kulturforschung Bedeutung beimisst, dann bestärkt folgende Studie laut Autor den Trend zu zunehmender Vereinzelung: Amerikanische Wissenschaftler untersuchten die Verwendung der Wörter „ich“ bzw. „mein“, „mir“, „mich“ und „wir“ (bzw. „uns“, „unser“ ...) in mehr als dreiviertel Millionen amerikanischen Büchern, die im Zeitraum von 1960 bis 2008 publiziert worden waren. Hierbei zeigte sich über den gesamten Zeitraum eine Abnahme des Wortes „wir“ um 10 % und eine Zunahme des Wortes „ich“ um 42 %.

Als Beleg dafür, dass Einsamkeit besonders unter Frauen ansteckend ist, zieht Spitzer ebenfalls eine Studie heran. Den Grund für weibliche Ansteckungsgefahr hinsichtlich Einsamkeit liefert er als vage und gewagte Vermutung: „Vielleicht, weil Frauen stärkere Antennen für soziale Nähe haben.“

Viele Erkenntnisse des Autors sind nicht neu und gleichzeitig durchaus ernst zu nehmen. Man sollte sie jedoch nicht überbewerten.

Seinem wichtigsten Gedanken hingegen sollte man einmal mehr Aufmerksamkeit schenken: Spitzer nimmt Einsamkeit als eigenständiges Leiden und Risikofaktor für eine Vielzahl von Folgeerkrankungen in den Fokus und zeigt Konsequenzen auf. Einsamkeit löst Stress aus. Sie macht anfälliger für Depressionen, Demenz, Krebs, Alkoholsucht u. v. a. m. Und er stellt Forderungen: „Einsamkeit darf nicht länger eine Nebensache sein, wir sollten sie als Krankheit ernst nehmen!“

Und wie nun der Einsamkeitsfalle entkommen? Die Ideen des Mediziners sind ärgerlich banal. Er listet Interventionsmöglichkeiten von kognitiver Verhaltenstherapie bis zu Gemeinschaftsaktionen wie Musizieren, Singen oder Tanzen auf. Spitzer rät auch zum Aufenthalt in der Natur, um sich als Teil eines Ganzen zu fühlen. „Geld macht einsam“ oder „Geben macht glücklich“ – platter geht’s eigentlich nicht.

Und so bleibt auch die Zielgruppe undurchsichtig, an die sich das Buch wendet. Der Buchtitel ist großartig, verspricht am Ende aber mehr, als der Inhalt bietet.

Rezension: Ela Windels, Sozialpsychologin (M.A.)

Spitzer, Manfred: Einsamkeit, die unerkannte Krankheit. Verlag Droemer Knaur, 2018, ISBN 978-3-42627-676-1