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Jubiläum 15 Jahre und 25 Jahre ... Dr. Werner Weishaupt

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fotolia©Francois PoirierDr. Werner WeishauptSeit 15 Jahren ist Dr. Werner Weishaupt Präsident des VFP. Seit 25 Jahren ist er außerdem selbstständig in eigener Praxis. Als zweiter Vorsitzender des größten Berufsverbandes Psychologischer Berater und Heilpraktiker für Psychotherapie wie auch als anerkannter Therapeut kennt er die Branche sowohl aus der „Helikopter-Perspektive“ als auch als Akteur an der Basis. Die Freie Psychotherapie hat Dr. Weishaupt interviewt:

„Herr Dr. Weishaupt, vorab eine vielleicht sehr simple Frage: Warum sind Sie dem VFP 1993 beigetreten?“

„Bevor ich mich selbstständig gemacht habe, war ich Leiter der Ev. Familien-Bildungsstätte Salzgitter. Das war eine sehr interessante Tätigkeit, bei der ich unter anderem gelernt habe, dass es wichtig ist, sich für seine Arbeitsbelange einzusetzen. Und man braucht Netzwerke, eine Interessenvertretung nach außen. Allein kommt man nicht weit. Man verzettelt sich und gerät schnell in ein Hamsterrad.“

„Schon zwei Jahre nach Ihrem Beitritt sind Sie in den Wissenschaftlichen Beirat des VFP berufen worden ...“

„Ja, das stimmt. Das habe ich schon als Auszeichnung empfunden. Aber ich wollte eben auch aktiv sein. Ein ,aktives Mitglied‘ im besten Sinne. Der Wissenschaftliche Beirat bot die Gelegenheit, mein Fachwissen und meine Kompetenzen in die Verbandsarbeit einzubringen.“

„Wissenschaftlicher Beirat klingt ein wenig nach Elfenbeinturm ...“

„Das war aber nicht so. Ganz im Gegenteil: 1993 hat das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit für den Beruf des Heilpraktikers für Psychotherapie geschaffen. Sechs Jahre lang, bis 1999, haben wir uns intensiv mit diesem neuen Berufsbild befasst, haben es mit Inhalt gefüllt, Grenzen gesetzt, ein Ausbildungscurriculum entwickelt. Und es hat zehn Jahre sagen wir nachdrücklicher politischer Arbeit gebraucht, bis es möglich war, die Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie in allen Bundesländern abzulegen ...“

„War Ihre Praxis in dieser Zeit aktiv am Markt?“

„Absolut! Das ging natürlich nur dank der Unterstützung durch den VFP. Die ersten drei Jahre habe ich als psychologischer Berater gearbeitet. 1996 habe ich die Prü- fung zum Heilpraktiker für Psychotherapie abgelegt. Der Verband war für mich wichtig für den Praxisaufbau, hat ganz konkrete Hilfestellung geboten bei Rechtsfragen oder in organisatorischen Dingen. Das war wertvolle, an der beruflichen Wirklichkeit orientierte Hilfe. Daran hat sich bis heute ja auch nichts geändert, davon profitieren gerade neue Mitglieder noch immer.“

„Einerseits eine Praxis zu führen und andererseits auf höchster Ebene politisch meinungsbildend aktiv zu sein, ist aber sicher trotzdem nicht jedermanns Sache …“

„Nein, sicherlich nicht. Aber mir entspricht das. Das eine war und ist ein Ausgleich für das andere und ich halte es für wichtig, dass die Mitglieder von Menschen vertreten werden, die ihre Belange wirklich kennen. Wir wollen keine Berufslobbyisten.

Das nächste große Thema für uns war die politische Vorbereitung des Psychotherapeutengesetzes von 1999. Für uns ging es dabei vor allem darum, den psychologischen Beratern und Heilpraktikern für Psychotherapie den beruflichen Freiraum zu erhalten, der ihre Arbeit ausmacht! Also z. B. die Möglichkeit der freien Methodenwahl. Wir sind nicht an die Richtlinienverfahren gebunden. Davon profitieren in erster Linie die Klienten und Patienten und damals ist es uns gelungen, diesen Vorteil zu sichern.“

„Kann man sagen, dass einerseits die Mitglieder vom Verband profitieren, andererseits aber der Verband auch von den Mitgliedern, weil der VFP durch den direkten Draht zur Basis sozusagen die Bodenhaftung behält?“

„Ja, das kann man sagen und das ist ein Prinzip, das uns von anderen Verbänden unterscheidet. Nach außen wirken wir auf Landes- und Bundesebene. Wir waren beispielsweise im letzten Herbst im Bundesgesundheitsministerium an der Neufassung der Leitlinien für die Überprüfung zum Heilpraktiker beteiligt. Intern stehen wir im Dialog mit unseren Mitgliedern und legen Wert auf eine umfassende Kommunikations- und Informationskultur. Ein gutes Beispiel ist unser Magazin Freie Psychotherapie: Ende der 1990er-Jahre gingen wir mit etwas mehr als 1 000 Exemplaren an den Start. Heute haben wir eine Auflage von über 21 000 Exemplaren. Die Verbandszeitschrift habe ich redaktionell mitentwickelt.“

„Heute sind Sie gemeinsam mit Eckhardt Martin Chefredakteur ...“

„Das stimmt, ja. Die Chefredaktion hat naturgemäß einen gewissen Einfluss auf die journalistische Ausrichtung. Mir ist das Prinzip ,Aus der Praxis – für die Praxis‘ wichtig. Wir haben auch ein Expertenteam – Steuerberater, Juristen, Marketingprofis – die unsere Mitglieder unterstützen. Diese Angebote werden stark nachgefragt. Um schneller reagieren zu können, als es ein zweimonatlich erscheinendes Presseorgan ermöglicht, kümmere ich mich noch um unseren monatlichen Newsletter. Unsere Verbandsphilosophie, verbunden mit der umfassenden Hilfestellung für Praxisstarter und der Unterstützung der ,alten Hasen‘ trägt sicher zum Erfolg des VFP bei. Sie sprachen vorhin vom ,Elfenbeinturm‘. Wir stehen als Verband mit beiden Beinen im wahren Leben und das schätzen unsere Mitglieder.“

„Die Mitgliederzahl steigt ja auch kontinuierlich …“

„Richtig. Als ich 2003 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, waren wir rund 2 000. Inzwischen hat der VFP mehr als 10 200 Mitglieder.“

„Noch mal zurück zu Ihrer Praxis in Salzgitter. Sie sagten, dass Ihnen der Verband geholfen hat, die Praxis ,ins Laufen‘ zu kriegen. Trotzdem fällt es schwer, sich vorzustellen, wie Sie angesichts der geschilderten Aufgaben im Verband Zeit für die Praxisführung fanden – ganz zu schweigen von adäquaten Klientenbeziehungen …“

„Natürlich werde ich bei meiner Arbeit als Präsident ganz enorm vom Team der Geschäftsstelle Hannover unterstützt, das ist ganz klar und kaum hoch genug zu schätzen. Aber ich bin auch ein Fan von Praxisteams, und zwar nicht nur mit Blick auf die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur und das gemeinsame Tragen der Kosten. Sondern vor allem auch mit der Option der gemeinsamen Arbeit. Ich habe in meiner Praxis sehr früh mit einem Team gearbeitet. Dadurch konnten wir beispielsweise in der Familientherapie jedes Familienmitglied optimal berücksichtigen. Außerdem konnte ich meinen Praxisanteil auf ungefähr 15 Sitzungen in der Woche reduzieren. Die halbe Arbeitszeit für die Praxis, die andere Hälfte für den Verband und ParacelsusSeminare könnte man sagen. Unabhängig von einem möglichen Engagement für den VFP kann ich jedem Kollegen nur empfehlen, in einem definierten Rahmen mit anderen Kollegen zusammenzuarbeiten.“

„Ihre Praxis hat jedenfalls nicht unter der Arbeit für den VFP gelitten.“

„Nein, und mir waren die Praxis und die intensive Einzelarbeit mit den Klienten immer mindestens so wichtig wie der Verband. Ich wollte nicht einmal etwas gelernt haben und das dann ewig unver- ändert anwenden. Alle Methoden, die wir nutzen können, entwickeln sich ja weiter. Wir sind dazu angehalten, uns beruflich fortzubilden und zu qualifizieren, aber mir war das ohnehin ein Bedürfnis. Die Freiheit in unserem Beruf gibt uns ja gerade die Chance, verschiedene Methoden zu kombinieren. Persönlich habe ich mich beispielsweise in den Bereichen Homöopathie, Trauma-Therapie, systemische Therapie und Familienaufstellung weitergebildet. Und angeregt von Erfahrungen in der eigenen Praxis habe ich aus der psychologischen Kinesiologie die „Psychosomatische Kinesiologie®“ entwickelt.“

„Aus Forscherdrang?“

„Auch, aber eher ganz praktisch begründet. In meine Praxis kamen viele Menschen mit psychosomatischen Beschwerden und Leiden. Etliche hatten bereits eine regelrechte Ärzte-Odyssee hinter sich. Die psychosomatische Kinesiologie erwies sich als so praktikabel und hilfreich, dass Leute aus gut 80 Kilometern Umkreis nach Salzgitter kamen. Ich habe die Technik dann zu einer lehrbaren Version weiterentwickelt und in den Paracelsus Schulen in ganz Deutschland unterrichtet, damit auch andere Kollegen dieses Instrument nutzen können. Inzwischen wird die „Psychosomatische Kinesiologie nach Dr. Weishaupt®“ durch von mir autorisierte Fachleute unterrichtet. In der Praxis zeigt sich auch hier wieder, wie gut wir verschiedene Methoden kombinieren können. In der Hypnose und in der systemischen Therapie beispielsweise dient der Muskeltest als sehr effektives Kontrollinstrument.“

„Sie sind aber nach wie vor sehr im VFP gefordert. Wer die politische Diskussion verfolgt – Stichwort Psychotherapieversorgung – muss den Eindruck gewinnen, der Verband sei wichtiger denn je.“

„Der Eindruck täuscht nicht. In der Debatte um die psychotherapeutische Versorgung versuchen bestimmte Interessengruppen noch immer so zu tun, als gäbe es uns gar nicht. Noch bedenklicher: Im vergangenen Jahr hat der Deutsche Ärztetag gefordert, den Heilpraktiker möglichst ganz abzuschaffen. Die Bundespsychotherapeutenkammer bläst ins gleiche Horn und fordert nun die Abschaffung des Heilpraktikers für Psychotherapie. Beides ist unsinnig und vom Beweggrund her nur allzu durchschaubar. Vor allem aber blenden solche Forderungen völlig aus, welche Rolle die psychologischen Berater, Heilpraktiker für Psychotherapie und Freien Psychotherapeuten für die therapeutische Versorgung der Bevölkerung spielen!“

„Wie reagiert der VFP?“

„Was Ärztetag und Psychotherapeutenkammer fordern, ist volkswirtschaftlich mindestens fahrlässig, vom menschlichen Aspekt für die Hilfesuchenden, die immer noch Monate auf eine ambulante Therapie bei einem niedergelassenen Kollegen warten müssen, ganz zu schweigen. Die politische Außendarstellung unserer Arbeit ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Wir haben reagiert, indem wir unter anderem unsere Mitglieder aufgefordert haben, ihre Bundestagsabgeordneten in einem persönlichen Anschreiben über ihre Arbeit und die Situation bei ihnen vor Ort zu informieren. Außerdem haben wir unsere externe Öffentlichkeitsarbeit deutlich ausgebaut und arbeiten verstärkt mit lokalen und regionalen Medien zusammen – und zwar bundesweit. Dabei wollen wir sachlich informieren. Keine Polemik, keine Propaganda.“

„Als größter Berufsverband hat der VFP ja auch eine gewisse Bedeutung …“

„Auf jeden Fall, aber das ist nicht allein eine Frage der Größe. Wir haben das Berufsbild und die Berufsordnung für unsere Berufsgruppe entwickelt. Das ist auch von juristischer Relevanz für die Heilpraktiker für Psychotherapie oder Freien Psychotherapeuten, die kein Mitglied bei uns sind. Und wir stellen durch die Zertifizierung unseres beruflichen Nachwuchses sicher, dass unser berufspraktisches und ethisches Berufsbild eine konkrete Relevanz haben. Wenn man so will, haben wir Qualitätsstandards für unsere Arbeit entwickelt. Das dient in erster Linie dem Schutz unserer Klienten und Patienten und gerade dieser Aspekt ist mir wichtig: Wer zu uns kommt, dem geht es nicht gut. Der Mensch muss sich sicher fühlen können. Die berufsethischen und arbeitspraktischen Grundsätze dienen aber auch der Rechtssicherheit unserer Mitglieder. Und sie machen uns für externe Gesprächspartner – etwa die Politik – zu einer kalkulierbaren Größe.

„Danke für das informative Gespräch, Herr Dr. Weishaupt.“

Fotos: fotolia©Brad Pict, fotolia©Francois Poirier