Wann beginnt die unzulässige erlaubnispflichtige Heilbehandlung für Psychologische Berater und Choaches?
Wegen schwieriger Abgrenzung zur zulässigen erlaubnisfreien Heilbehandlung auf Nummer sicher gehen!
Bekanntlich haben Psychologische Berater (Coaches usw.) keine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, wozu auch psychotherapeutische Beratungen gehören können sowie Methoden, die final zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden (§ 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz) vorgenommen werden. Der sehr weite Heilkundebegriff wird jedoch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes verfassungskonform einschränkend ausgelegt. Wie in diesem Fachaufsatz dargelegt wird, erfolgt danach eine Unterscheidung zwischen einer erlaubnispflichtigen Heilkundeausübung nach dem Heilpraktikergesetz und einer erlaubnisfreien Heilkundeausübung, die auch von Psychologischen Beratern und Coaches durchgeführt werden könnte.
Erlaubnisfreie Heilkundeausübung
Der Heilkundebegriff in § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz ist sehr weit gefasst, sodass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (sowie des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes) eine verfassungskonforme, einschränkende Auslegung erforderlich ist. Danach fallen nur solche Behandlungen unter die Erlaubnispflicht, die gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreicht (Bundesverwaltungsgericht, NVwZ-RR 2011, 23, zur Erlaubnispflicht der Synergetik-Therapie). Mit dieser Auslegung, nach der allein das Gefährdungspotenzial der in Rede stehenden Tätigkeit geeignet ist, die strafbewehrte Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen, soll deren Gesetzeszweck Rechnung getragen werden, der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben (Bundesverfassungsgericht, NJW 2004, 2809). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Bundesgerichtshof in einer strafrechtlichen Beurteilung an (BGH NJW 2011, 3591).
Wenn also eine generelle Gefährlichkeit der konkreten Handlung nicht anzunehmen ist, wird die Schwelle zur strafbewehrten Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 Heilpraktikergesetz nicht überschritten. Obschon die konkrete Handlung als „Heilbehandlung“ einzustufen ist, besteht keine Erlaubnispflicht zur Ausübung, d. h., diese Tätigkeiten können auch Psychologische Berater und Coaches durchführen. Die „generelle Gefährlichkeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der große Auslegungsspielräume im Einzelfall zulässt, wobei es nicht nur auf die konkrete Handlung ankommt, sondern beispielsweise auch auf die Krankengeschichte und das Verständnis des Klienten ankommen kann. Darin liegt genau das schwierige Problem der Abgrenzung, denn eine allgemeingültige verbindliche Annahme oder Ablehnung der „generellen Gefährlichkeit“ ist somit kaum möglich.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung der Problematik: Eine Psychologische Beraterin arbeitet mit einem Grundschüler und den Eltern wegen Schulproblemen, Nervosität und Konzentrationsschwäche. Die Eltern bitten sie, ein Arzneimittel, das der Hausarzt verordnete, auf seine Eignung kinesiologisch zu testen, mit dem Ergebnis, das Arzneimittel sollte nicht eingenommen werden. Die Abgrenzung ist also schwierig und wird von Instanzgerichten (Amtsgerichte, Landgerichte, Verwaltungsgerichte) eher extensiv ausgelegt. Das heißt, die Erlaubnispflichtigkeit der Heilbehandlung wird im Zweifel oft angenommen. So nimmt die Rechtsprechung eine Gefährlichkeit bereits dann an, wenn durch die konkrete Maßnahme die Anwendung effektiver Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten verzögert wird (Wenzel, Handbuch Fachanwalt für Medizinrecht, Kapitel 10, Rdnr. 339).
Klientenaufklärung kann hilfreich sein
Um Unsicherheiten zu vermeiden, stellt sich die Frage, ob eine schriftliche und/oder mündliche Aufklärung durch den Psychologischen Berater oder Coach bei der Abgrenzung zwischen erlaubnisfreier und erlaubnispflichtiger Heilbehandlung vorteilhaft ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit dieser Frage zu beschäftigen und bestätigt in dem zu entscheidenden Fall, dass Klientenaufklärung die Einstufung der konkreten Handlung als erlaubnisfreie Heilbehandlung fördern kann. Eine erlaubnisfreie Heilbehandlung liegt dann vor, wenn sichergestellt ist, dass der Kranke zu Beginn der Maßnahme ausdrücklich, etwa durch einen Aushang oder ein von ihm zu unterzeichnendes Merkblatt, darauf hingewiesen wird, dass die Behandlung eine ärztliche Therapie nicht ersetzen kann und – im zu entscheidenden Fall – der Geistheiler darüber hinaus von den Behörden entsprechend gewerberechtlich überwacht wird (Bundesverfassungsgericht, MedR 2005, 35).
Einverständnis des Klienten mit erlaubnispflichtiger Heilbehandlung ist unerheblich
Wie bereits festgestellt, ist die Instanzrechtsprechung in manchen Fällen nicht vorauszusehen und kommt eher zu einem Ergebnis, das zulasten der verantwortlichen Person geht, die keine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz besitzt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob nach erfolgter Aufklärung (der Handelnde ist weder Arzt noch Heilpraktiker; es wird die parallele Behandlung durch die vorgenannten Personen empfohlen) und Einverständnis des Klienten mit der erlaubnispflichtigen Heilbehandlung den Psychologischen Berater oder Coach strafrechtlich exkulpiert. Eine Rechtfertigung oder Entschuldigung des erlaubnispflichtigen Handelns im Hinblick auf die Strafbarkeit nach § 5 Heilpraktikergesetz ist nicht anzunehmen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Psychologischen Beraters oder Coaches bleibt also trotz ausdrücklichen Einverständnisses des Klienten mit der vorgeworfenen erfolgten Handlung bestehen.
Auf Nummer sicher gehen
Die Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger und erlaubnisfreier Heilkundeausübung ist im Einzelfall schwierig, weshalb Psychologischen Beratern oder Coaches grundsätzlich zu raten ist, sich nicht auf juristisch gefährliches Terrain zu begeben. Strafrechtlich können nämlich Staatsanwälte und Strafrichter eine restriktive Auslegung der oben vorgestellten Rechtsprechung vornehmen, sodass doch eine Strafbarkeit in Betracht kommen kann. Der Strafrichter beim Amtsgericht, bei dem Verstöße gegen § 5 Heilpraktikergesetz verhandelt werden, entscheidet unabhängig und in freier Auslegung, sodass eine Bindung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesverfassungsgerichtes nicht besteht. Psychologischen Beratern oder Coaches ist deshalb generell zu empfehlen, eine vorsichtige und sichere Berufsausübung zu wählen und sich stringent an der vom Präsidenten des VFP, Dr. Werner Weishaupt, entwickelten Leitlinie zur Abgrenzung zu orientieren.
Schwierige Abgrenzung bei der Anwendung ambivalenter Methoden
Schwierig ist manchmal im Beratungsalltag eine Abgrenzung gerade auch bei Methoden, die sowohl (erlaubnispfl ichtige) Heilbehandlung als auch keine Heilbehandlung sein können. Instruktiv behandelt dies Dr. Werner Weishaupt in einem Artikel am Beispiel der Akupressur (Auf den Zweck kommt es an! Akupressur in Beratung und Therapie, CO’MED, 08/2012, S. 91, 92). Darin werden folgende Punkte als Leitlinie für das Tätigkeitsfeld des Psychologischen Beraters oder Coaches in Abgrenzung zur (erlaubnispflichtigen) Heilbehandlung zusammengefasst:
- Er vermeidet alles, was den Eindruck erweckt, er sei heilend (= diagnostisch und therapeutisch) tätig und ersetze damit eine ärztliche Untersuchung und Behandlung.
- Er klärt seine Klienten ausdrücklich (am besten schriftlich) darüber auf und lässt sie eine entsprechende Klientenvereinbarung unterzeichnen.
- Er „behandelt“ seine Klienten nicht, sondern leitet sie zur Selbsterfahrung, Selbsterkenntnis und Selbsthilfe an.
- Er hat ein klares eigenes Selbstverständnis entwickelt und kommuniziert das eindeutig nach außen – nach dem Motto: „Ich bin psychologischer Begleiter meiner Klienten auf ihrem Lebensweg und unterstütze sie als Coach in der Entfaltung ihrer Fähigkeiten.“
- Er wendet sich an gesunde Menschen, die bestimmte Schwierigkeiten überwinden und ihr Potenzial erweitern wollen.
Dass nach dieser Leitlinie zahlreiche erlaubte Anwendungsmöglichkeiten der (Klopf-) Akupressur und anderer energetischer Techniken auch von Psychologischen Beratern oder Coaches außerhalb der Heilbehandlung eingesetzt werden können, belegt Dr. Weishaupt mit einer umfangreichen Aufzählung, z. B. „Lernberatung und Lernförderung, Stressbewältigung und Entspannung, Selbsterfahrung und Persönlichkeitsbildung, Körperwahrnehmung und innere Achtsamkeit, Konfliktbewältigung und Selbstmanagement“. Ein anderes Beispiel ist die Kinesiologie, die von Heilpraktikern für Psychotherapie als Methode der Heilbehandlung angewendet wird, aber außerhalb der Heilbehandlung mit der gleichen Abgrenzung (nach der von Dr. Weishaupt formulierten Leitlinie) auch Psychologischen Beratern oder Coaches offensteht.
Nicht auf die leichte Schulter nehmen
Das mehr oder weniger deutliche Verlassen der Bereiche außerhalb der Heilbehandlung kann für Psychologische Berater oder Coaches schwerwiegende Folgen haben, denn § 5 Heilpraktikergesetz enthält eine Strafandrohung: „Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt zu sein und eine Erlaubnis nach § 1 zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Wie festgestellt, ist in verfassungskonformer Auslegung nur die erlaubnispfl ichtige Heilkundeausübung ohne Erlaubnis strafbar, wenngleich die Unterscheidung/Abgrenzung zur erlaubnisfreien Heilbehandlung problematisch ist. Es wird deshalb die vorsichtige Berufsausübung mit Augenmaß und stringenter Beachtung der Leitlinien zur Abgrenzung von Dr. Werner Weishaupt allen Psychologischen Beratern und Coaches empfohlen.
Zu Staatsanwaltschaften bei Landgerichten gelangen Fälle über Anzeigen von Klienten, aber auch durch Angehörige anderer Heilberufe und durch Ärzte- oder Heilpraktikerverbände. Liegt ein Anfangsverdacht für den Verstoß gegen § 5 Heilpraktikergesetz vor, wird von der Staatsanwaltschaft ohne zu zögern ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene davon erstmals bei einer Durchsuchung seiner beruflich genutzten Räume und Privatwohnung erfährt. Ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichtes ergeht ohne Weiteres, wenn die Staatsanwaltschaft meint, belastendes Material wie Rechnungen oder Aufzeichnungen finden zu können, um den Anfangsverdacht zu erhärten. Für den Strafverteidiger ist es nicht immer einfach, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, sodass in besonderen Fällen ein Strafbefehl oder sogar eine öffentliche Verhandlung vor dem Strafrichter droht.
Dr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht