Wie wichtig ist eine gute Rechtschutzversicherung? radio leinehertz
Informationen zur Sendung Psyche kompakt vom 3. November 2014.
Als ich vor 13 Jahren meine Praxis – damals noch in Hannover – eröffnet habe, habe ich nicht im Geringsten daran gedacht, mir eine Rechtschutzversicherung zuzulegen. Diese empfand ich als unnötig teuer und ich fragte mich, welche Konflikte ich in meinem helfenden und heilenden Beruf wohl schon haben sollte. Von Grund auf positiv eingestellt, wollte (und will) ich den Menschen schließlich nur Gutes und war davon überzeugt, dass es umgekehrt genauso sein musste.
Vor Kurzem habe ich meine Meinung darüber geändert und bin seit August diesen Jahres stolze Besitzerin eben einer solchen Versicherung. Warum? Sie gibt mir Sicherheit.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe den Eindruck, unsere Welt hat sich im letzten Jahrzehnt rasant verändert. Wir leben in einer Leistungs- und Bewertungsgesellschaft. Mit einem Klick, Daumen hoch oder herunter, geben wir unser Urteil ab. Doch wer prüft, ob diese Bewertungen einen gerechtfertigten Hintergrund haben? Mit der Bewertungs- und Leistungsgesellschaft ist auch der Druck gestiegen. Wir müssen immer mehr Erwartungen und Standards in Praxis und Therapie erfüllen und müssen Zeit abzwacken, von unserem geliebten Heilberuf, um dem enorm wachsenden Verwaltungsanspruch der Praxis gerecht zu werden.
Früher habe ich mit meinen Patienten nur über das Telefon kommuniziert, jetzt erreichen mich tagtäglich E-Mails, die zeitnah beantwortet werden wollen, und Termine werden heute nicht nur telefonisch, sondern auch über Facebook gemacht.
Auch der Gesetzgeber nimmt die Heilpraktikerpraxen zunehmend in die Pflicht. Für uns gilt nicht nur das Heilpraktikergesetz, samt Durchführungsverordnung, sondern eine Menge anderer untergesetzlicher Regeln, Richtlinien und Vorschriften.
Ziel einer Rechtsschutzversicherung ist: sein Recht zu schützen. Aber, ich gebe zu, das war nicht die Motivation, diese Versicherung abzuschließen. Meine Motivation war: Ich wollte mich schützen können – und ich wollte mich wehren können.
Ich habe den Eindruck, dass unsere Leistungs- und Bewertungsgesellschaft, die im Hamsterrad läuft, bereitwillig ins Massen-Burnout geht und dadurch gereizter, angriffslustiger und aggressiver wird.
Rückblickend habe ich einige ungute Erfahrungen mit „Praxispartnern“, Produktverkäufern, Schrotschuss-Abmahnkanzleien, windigen Sachbearbeitern der Privatversicherung, sogenannten Werbefachleuten und mit Gesundheitsportalen gemacht. Die größte Gefahr geht meines Erachtens heute vom Internet aus.
Hans-Jürgen Rosin, selbstständiger Versicherungsmakler, hat mir meine Fragen zur Rechtsschutzversicherung beantwortet.
Herr Rosin, warum ist es sinnvoll, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen?
Die Bedeutung der Rechtsschutzversicherung wächst anhaltend. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen nehmen stetig zu. Die Zahl ist auf circa 10 Millionen Verfahren angewachsen. Die Kosten einer solchen Auseinandersetzung können existenzgefährdend sein. So kostet schon ein Gerichtsverfahren in erster Instanz 1.346 € an Anwalts- und Gerichtskosten. In der zweiten Instanz sind schnell fünfstellige Beträge erreicht. Sollten Gutachter erforderlich sein, wird die Belastung noch größer.
Welche Bereiche sollte ein Heilpraktiker/Heilpraktiker Teilbereich Psychotherapie absichern?
Aufbauend auf einen Firmen- und Privatrechtsschutz können verschiedene Bausteine hinzu- oder abgewählt werden. Grundsätzlich sind die Bedingungen der einzelnen Gesellschaften zu prüfen, da es hier durchaus Unterschiede gibt. Üblich sind Schadenersatzrechtsschutz, Straf-, Ordnungswidrigkeiten-, Disziplinar- und Standes-Rechtsschutz, Arbeits-Rechtsschutz sowie Sozial-Rechtsschutz in Gerichtsverfahren – auch im Widerspruchsverfahren. Außer dem Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht im privaten Lebensbereich und auch im betrieblichen Bereich, dann Beratungs-Rechtsschutz im Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht, weiterhin Steuer-Rechtsschutz in Gerichtsverfahren, ferner Verwaltungs- Rechtsschutz in Verkehrssachen, im Privatbereich in Gerichtsverfahren und im Privatbereich auch in Widerspruchsverfahren, sowie Opfer-Rechtsschutz, Daten-Rechtsschutz in Gerichtsverfahren, enthalten.
Einige Versicherer bieten in diesen Fällen eine telefonische Rechtsberatung an, um zunächst die Leistungspflicht des Versicherers zu klären oder erste Tipps für die weitere Vorgehensweise zu geben. Geleistet wird von verschiedenen Gesellschaften auch bei Mediation.
Hinzu gewählt werden können Internet-Rechtsschutz, Altersvorsorg- und Sparer-Rechtsschutz, Wohnungs- und Grundstücks- Rechtsschutz, AGG-Rechtsschutz (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Man sieht, es gibt vielfältige Dinge im Leben, die zu Kosten durch Rechtsstreitigkeiten führen können. Im Einzelnen sollten in einem Beratungsgespräch die angeratenen Bausteine ermittelt werden.
Welche spezifischen Fälle sind bei Heilpraktikern/Heilpraktikern für Psychotherapie denkbar?
Hierzu könnte man sehr ausführlich und umfangreich antworten. Denkbar sind z. B. im Vertragsrechtsschutz Streitigkeiten mit Patienten, Labors oder Praxisvertretern. Aber auch mit dem Finanzamt soll es immer wieder mal Streitigkeiten geben. Zunehmend sind auch Auseinandersetzungen im Daten-Rechtsschutz gefragt, wenn z. B. ein Patient Auskunft über gespeicherte Daten verlangt. Immer öfter wird auch durch Anzeigen „die große Keule“ des Strafrechts geschwungen, weil Patienten meinen, eine Körperverletzung erlitten zu haben. Sind Mitarbeiter in der Praxis tätig, kommt es oft zu Streitigkeiten wegen Abmahnungen, Kündigungen oder Sozialversicherungsbeiträgen. Klagen wegen Diskriminierung werden immer häufiger beobachtet.
Wo sollte man sich den Versicherungsschutz besorgen?
Die meisten Gesellschaften haben einen Außendienst oder beraten am Telefon. Unseres Erachtens ist es aber sinnvoll, sich unabhängigen Rat zu holen. Hier bietet sich der Versicherungsmakler an, der als „Sachwalter“ des Mandanten dessen Interessen vertritt. Er wird Ihnen in der Regel mehrere Angebote vorlegen und die Vor- und Nachteile erläutern.
Gibt es Besonderheiten zu beachten?
In einigen Bereichen gibt es Wartezeiten. Einige Versicherer haben spartenspezifische Angebote. So werden besonders bei Heilberufen Prämienvergünstigungen angeboten. Sehr wichtig ist auch die Versicherungssumme. Diese sollte hoch genug vereinbart werden, damit es bei größeren Streitigkeiten kein böses Erwachen gibt. Es gibt auch Policen, in denen keine Begrenzung vereinbart ist.
Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, Herr Rosin!
Gast
Hans-Jürgen Rosin
seit 1979 mit Versicherungen befasst,
seit 1998 selbstständiger Versicherungsmakler
Moderatorin
Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Dozentin, freie Redakteurin
http://psyche-kompakt.blogspot.de
Psyche kompakt:
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