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Die Einstellung macht‘s! Wie Paare mithilfe von Bildkarten wieder ins Gespräch kommen

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2015 01 Einstellung2In seinem Buch „Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe“ legt der bekannte Eheforscher John Gottmann vier Kommunikationsweisen dar, die jeder Ehe schaden: Kritik im Sinne von Vorhaltung gepaart mit einer negativen Äußerung über die Persönlichkeit des Partners, Rechtfertigung, Verachtung und Mauern. Kommen Paare in Beratung oder Therapie, sind sie häufig in einem solchen Muster von negativer Interaktion gefangen. Untersuchungen besagen, dass viele Paare erst ca. 6 Jahre nach dem Ausbruch der Krise professionelle Hilfe aufsuchen.1) Ein Zeitraum, in dem negative Interaktionen zu einer Gewohnheit werden können. Dabei haben Gewohnheiten bekannterweise die Eigenschaft, nahezu automatisiert abzulaufen. Also ohne ein bewusstes Nachdenken darüber. Man ist sich deshalb häufig nicht darüber im Klaren, dass man selbst dazu beiträgt, diese Gewohnheit aufrechtzuerhalten. Ein Verhalten, das sich eingespielt hat, ist oftmals schwer zu durchbrechen, weil es einer Art von automatisiertem Wiederholungszwang gleicht.

Negative Interaktionsmuster in Paarbeziehungen sind häufig emotional stark aufgeladen. Dahinter versteckt sich das Ansinnen, die eigene Wahrnehmung solle vom Partner anerkannt und bestätigt werden, aber auch der Kampf um unerfüllte Wünsche. „Jeder von uns leidet, wenn wir uns einsam und ungeliebt fühlen und wenn wir in dem, was wir tun und wünschen, nicht beachtet werden“, so der Psychologe Dr. Christopher Germer von der Harvard Medical School in Boston.2) Gefühlsausbrüche, die in Vorwürfen, Rechtfertigung oder Verachtung geäußert werden, sind genauso ungünstig wie ein Schutzverhalten des inneren Rückzugs in Form von Mauern. Sprachlosigkeit entwickelt sich, wenn man sich vom Partner häufig emotional überwältigt fühlt. Zeigen Paare in der Beratung derartige Interaktionen, kann der Berater zwar auf den dahinterliegenden Konflikt schließen, es kuriert jedoch in der Beziehung zwischen den Partnern nichts. Schlimmstenfalls trägt die Wiederholung negativer Interaktionsmuster im Beratungsgespräch dazu bei, den bestehenden Konflikt zu chronifizieren.

Gelingt es dem Paarberater nicht, für seinen Beratungskontext eine andere Verhaltensmatrix zu etablieren, so dürfte eine fruchtbare Beratung schwierig werden: Der Beratungsrahmen stellt für das Paar keinen sicheren Rahmen zur inneren Auseinandersetzung dar. Es ist davon auszugehen, dass die nötige Basis für effektive Veränderungsprozesse im Beratungssetting nicht gelegt werden kann.

Wenn Worte im Gespräch eher zu Worthülsen geworden sind, kann es helfen, über andere Kommunikationsmittel miteinander in Kontakt zu kommen. Getreu dem Motto „Alte Gewohnheiten ablegen ist schwieriger, als etwas Neues ausprobieren“, hat die Paarberaterin Petra Nordhaus deshalb für das Gespräch zwischen Partnern ein Hilfsmittel entwickelt: Bildkarten. Das Medium Karten hilft den Beziehungspartnern sich im Gespräch von vertraut gewordenen destruktiven Interaktionsmustern zu lösen und den eigenen Sprachgebrauch zu erweitern. Die gemeinsame Situation wird mithilfe der Karten auf eine Weise reflektiert, bei der die Partner gegenseitige Kooperation und Konsens erleben. Und sei es den Minimalkonsens „Konsens über den Dissens“ (Prof. Dr. H. Petzold) – also darüber, dass sie die Situation unterschiedlich erleben. Häufig wird im Austausch über das individuelle Erleben der Paarbeziehung anhand der Bilder aber deutlich, dass beide Partner sich derart einig sind, dass sie das gleiche oder zumindest ein sehr ähnliches Erleben von ihrer Situation haben.

Die Vielfalt der Malstile durch 11 Künstler, die die Karten gestaltet haben, erleichtert es, eine Abwehr gegenüber dem Bildmaterial weitestgehend zu reduzieren. Die Paare können sich somit leichter auf den eigentlichen Bildinhalt konzentrieren.

Die Karten bilden Redewendungen aus dem Volksmund ab und sind als zeichnerisch umgesetzte Metaphern ein verdichteter Ausdruck inneren Erlebens. Sie dienen als Transportmittel, als Dolmetscher oder Brückenschlag zum Partner. Das eigene Erleben wird mithilfe der Bilder in kulturell allgemein gültigen Denkmodellen beschrieben. Dies macht es dem anderen leichter, das Erleben des Partners aufzunehmen und Verständnis dafür zu entwickeln. Die Sichtweise des Partners wird durch das Bild auf der Karte tatsächlich sichtbar. Seine Perspektive kann dadurch leichter eingenommen und nachvollzogen werden.

Mithilfe der Metaphern kann indirekter über das eigene Erleben gesprochen werden. Indem die abgebildeten Metaphern als Karte außerhalb der Person liegen, bieten sie den Partnern die Möglichkeit zur Dissoziation. Das hilft dabei, sich vom inneren emotionalen Aufruhr zu distanzieren. Die Karte an sich ist somit ein Hilfsmittel für die bessere Selbststeuerung im Gespräch über Problembelastetes. Dieser Aspekt ist umso bedeutsamer, als das Paargespräch an sich Stress mit sich bringt. Anders als in einem Einzelsetting ist man durch die Anwesenheit des Partners unmittelbar mit dem Problem konfrontiert.

Angelehnt an die 3-Bilder-Technik der künstlerischen Metapher von Mills und Crowley aus der Kindertherapie, lässt sich mithilfe der Bildkarten im Beratungskontext für Paare besonders gut eine Brücke von der Problem- zur Zielsituation erarbeiten. Dazu nimmt jeder Partner ein Kartenset zur Hand. So können die Partner während der Beschäftigung mit den Bildkarten weitestgehend auf sich bezogen bleiben, ohne von der Auswahl des Partners beeinflusst zu werden.

Jeder sucht die Karte aus, die für ihn die aktuelle problematische Paardynamik am besten abbildet. Dazu lassen sich beide intuitiv von einer der Bildkarten ansprechen. Die Auswahl wird „geheim“ getroffen. In einem zweiten Schritt wählen beide Partner für sich eine Bildkarte aus, die den gewünschten Umgang miteinander am besten ausdrückt. Danach stellen die Partner sich ihre Auswahl der Karten gegenseitig vor.

Es geschieht häufig, dass beide Partner unabhängig voneinander die gleiche Problemkarte ausgewählt haben. Dann lässt sich beobachten, dass Paare erleichtert und für den Moment in ihrer Einigkeit über das Problem einander nahe sind. Selten wünschen die Partner vom anderen ausführlichere Erklärungen zu dem gewählten Bild. Es werden oft Zeichen des Verstehens oder der Zustimmung geäußert. Teilweise können sich Partner in einer Weise verständlich machen, die bisher missverstandenes Verhalten aufklärt. So äußerte z. B. eine Frau, dass sie durch die gewählte Problemkarte ihres Partners zum ersten Mal verstanden habe, dass er sich während ihrer Streitigkeiten als hilflos erlebe. Sie selbst habe ihn bisher dann als sehr mächtig wahrgenommen. Diese neue Information habe ihr klargemacht, dass sie in solchen Momenten selbst aktiv werden und eine Rettungsaktion starten könnte. Während die Problemkarte die Ist-Situation veranschaulicht, dient die Zielkarte dazu, ein Gegenbild zum Problembild zu finden. Will man etwas verändern, reicht es zumeist nicht aus nur zu wissen, was man nicht länger weiterführen will. Man erinnere sich an das weithin bekannte Rosa-Elefant- Phänomen „Denken Sie jetzt bitte nicht an einen rosa Elefanten“, das den rosa Elefanten im Gehirn geradezu zwangsläufig auf den Plan ruft. Anstatt nur zu wissen, was man vermeiden will, ist es also hilfreich, zusätzlich ein inneres Bild zu entwickeln, von dem man sich in seinem Handeln innerlich leiten lassen will.

Da es sich bei den Karten um die Abbildung innerer Haltungen mit ähnlichen Bedeutungen handelt, gelingt es Paaren in der Regel, aus den einzeln gewählten Karten ein gemeinsames Bild zu schaffen.

In einem weiteren Schritt lässt sich herausarbeiten, was dabei helfen kann von der Problem- zur Zielbeschreibung zu gelangen. Diese Form der Reflexion hilft dem Paar dabei, die für das Erreichen des Ziels nötigen Fähigkeiten wieder zu aktivieren oder zu trainieren. Dazu werden konkrete, eindeutige Verhaltenshinweise herausgearbeitet. So hat das Paar für den Alltag Anhaltspunkte, woran beide Partner merken können, dass sie erste Schritte in Richtung Ziel machen. Es wird beobachtbar, inwiefern man auf dem richtigen Weg ist. Mit dem Zielbild verbundenes, konkret beschriebenes Verhalten hilft dabei, Veränderungen zu erfassen.

Auch als Selbsthilfe-Werkzeug lassen sich die Bildkarten nutzen. So wie sich Menschen mittels Tagebuchschreiben mit sich auseinandersetzen, dient die Beschäftigung mit den Bildkarten ebenfalls der Selbsterkenntnis und stößt Veränderungsprozesse an. Mithilfe der Karten kann man besonders gut reflektieren, durch welche Brille man den Partner sieht, und man beschäftigt sich damit, welches Verhalten der eigenen Einstellung folgt. Unter anderem wird man angeleitet den Blick zu schärfen für Momente, die gut gelungen sind, und für die innere Haltung, mit der man diese geschaffen hat.

Bilder haben eine ganz eigene Sprache. Schon der Volksmund weiß seit jeher, „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Die Bilderwelt als Spiegel der inneren Befindlichkeit kann Paaren, die im Miteinander Veränderungen bewirken wollen, dabei helfen, neue Gewohnheiten zu bahnen. Die Bildkarten sind hierbei ein nützlicher Leitfaden.

Literatur

  • 1) Brigitte-Dossier, Liebe, Brigitte Nr. 23, 17.10.2012
  • 2) Christian Fauth im Gespräch mit Christopher Germer: Wie wir Selbstkritik in Selbstmitgefühl umwandeln und wieso das gut ist, www.arbor-verlag.de
  • John Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. 11. Auflage, Berlin, 2012 John Gottman: Die Vermessung der Liebe. Vertrauen und Betrug in Paarbeziehungen. 2. Auflage, Stuttgart, 2014
  • Pat Hudson & Bill O´Hanlon: Liebesgeschichten neu erzählen, Lösungsorientierte Paartherapie. 3. Auflage, Heidelberg, 2008
  • Mills/Crowely: Therapeutische Metaphern für Kinder und das Kind in uns. 4. Auflage, Heidelberg, 2011

Petra Nordhaus Petra Nordhaus
Praxis für Paarberatung & Single-Sessions in Bremen, sie entwickelte die Bildkarten für Paare „Zweierkiste“

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