Ich bin ... mein Bewusstsein als Helfer
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Zeitraum zwischen Ausbildungsabschluss und Eröffnung einer eigenen Praxis angefüllt ist mit vielen Fragen hinsichtlich des organisatorischen Vorgehens, des Einsatzes von Verfahren und Methoden sowie der eigenen Person. Pragmatismus, Kreativität und analytisches Denken sind hier gleichermaßen gefragt und stellen in dieser Kombination eine große Herausforderung dar.
In diesem Beitrag möchte ich mich einem wichtigen Thema widmen, das häufig unterschätzt oder nicht beachtet wird, nämlich dem der eigenen Person in Beziehung zum Klienten. Das Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit dem Helferprofil, ein bewusst gemachtes, hinterfragtes und geklärtes Selbstbild, beflügelt die Motivation, als Helfer zu arbeiten. Diese wiederum stärkt und fokussiert den Willen und gibt zusätzlichen Schwung für die Bewältigung organisatorischer Aufgaben.
Es beginnt schon mit der Frage, was mich denn eigentlich motiviert, mit Menschen zu arbeiten. Wage ich mich in meine Tiefen vor, stoße ich dabei auf zwei unterschiedliche Motivationsebenen – die eine wird vom Ego bestimmt, die andere von meiner Essenz.
Ist es also wirklich immer die hehre Ansage, wie beispielsweise anderen helfen zu wollen, sich selbst zu helfen, oder schütze ich mich mit einer eher pauschalen und allgemein akzeptierten Antwort davor, aus der Ego-Schicht noch ganz andere Wahrheiten ans Licht zu bringen? Dabei geht es nicht darum, diese Schattenaspekte zu bekämpfen, sondern die Ausgleich schaffende Qualität der Mitte zu finden. Sie wandelt Schwäche in Stärke.
Bei mir kam die Neugier zum Vorschein. Etwas von jener Sensationslust, die auch den heimlichen Schlüssellochgucker, die Gaffer, Paparazzi oder die Journaille antreibt. Das lässt sich natürlich auch als Interesse am anderen verbrämen. Es ändert aber nichts an der Tatsache, in die geheimsten Seelenwinkel des Klienten vordringen zu wollen. Das bedeutet, hartnäckig dranzubleiben, bis dessen Persönlichkeit auf den innersten Kern „entzwiebelt“ ist. Dazu kommt die genussvolle Lust daran, an unendlich vielen individuellen Variationen zu einem einzigen Thema teilhaben zu können.
Für den Wandlungsprozess nahm ich jeweils eine Portion Interesse und voyeuristische Neugier, vermischte beides mit dem Element Wasser, ließ diese Mixtur gären und wartete ab, bis etwas Drittes, Neues daraus entstanden war. Und siehe da, die Anteilnahme kristallisierte sich heraus und stellte durch ihre mitfühlende Qualität die Synthese zwischen dem eher sachlichen Interesse und der kindhaften Neugier dar.
Die Essenzebene dagegen birgt mein, mir oft nicht in allen Facetten bewusstes, inneres Wertesystem. Habe ich es ausgeleuchtet und ans Licht geholt, dient es als Treibstoff für eine selbstbestimmte, zielgerichtete und sinnfördernde Motivation.
Sich seiner Motivation bewusst zu werden, ist aber nur ein Schritt von vielen weiteren Schritten. Wie ist es denn darüber hinaus um mein Selbstwertgefühl bestellt? Ist es als „gesund“ zu bezeichnen oder neige ich eher dazu, mich zu unter- bzw. zu überschätzen? Bei all denen, die sich nicht auf eine Gebührenordnung berufen und somit dieses Thema erfolgreich umschiffen können, rückt es spätestens bei den Überlegungen zur Honorarhöhe in den Vordergrund.
Der eine will von seinen Praxiseinkünften leben können und fragt sich, wie gut sein Auskommen sein soll. Das benötigte Mindesthonorar lässt sich natürlich rechnerisch ermitteln. Aber reicht es ihm, gerade so über die Runden zu kommen, oder sind seine Ansprüche höher? Fühlt er seine Dienste dennoch angemessen oder eher unter Wert bezahlt? Und ist sein Selbstwertgefühl im zweiten Fall ausgeprägt genug, um seine höhere Selbsteinschätzung zuversichtlich und unverzagt über das Honorar auszudrücken?
Der andere möchte seine Praxistätigkeit nebenberuflich ausüben und könnte sich womöglich den Luxus leisten, das Honorar vom Klienten bestimmen zu lassen. Das hört sich zum einen erst einmal sehr menschenfreundlich an. Zum anderen ist es auch eine erste Herausforderung für den Klienten in puncto Eigenverantwortung und -wert.
Aber schnell funkt die Skepsis dazwischen: Und was ist, wenn der Klient aus meiner Sicht zu viel oder zu wenig bezahlt bzw. gar nichts geben kann? Alle drei Möglichkeiten sind bestens geeignet, mit meinem gefühlten Selbstwert zusammenzuprallen. Außerdem könnten diese unberechenbaren individuellen Einschätzungen mich beschämen, verunsichern oder verärgern und so die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Klienten stören. Und überhaupt, möchte ich bei jedem Klienten neu auf dem Prüfstand stehen?
Wenn ich meinen Klienten nach der Schnuppersitzung als Hausaufgabe mitgebe, sich über die Honorarhöhe Gedanken zu machen, ist der erste Impuls immer, diese Verantwortung wie ein heißes Eisen sofort wieder an mich abgeben zu wollen. Die einzige Hilfe, die ich ihnen dann gebe, ist der Satz: „Es sollte mehr sein als z. B. das Eis um die Ecke, das Sie sich jederzeit leisten könnten, aber es sollte Sie auch nicht überfordern, wenn wir über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten sollten.“
Da ich von der Ehrlichkeit und Kompetenz meiner Klienten überzeugt bin, ist es während meiner 18-jährigen Praxistätigkeit nur ein einziges Mal vorgekommen, dass ich mein Vertrauen missbraucht fühlte.
Dadurch, dass der eine nur ein geringes Honorar zahlen, der andere sich dafür ein überdurchschnittliches leisten kann, kommt ein gewisser Ausgleich zustande. Und für diejenigen, die finanziell gar nichts beisteuern können, ist es möglich, sich auf unbarem Wege erkenntlich zu zeigen.
Ein weiteres grundlegendes Thema, eng verknüpft mit dem Selbstwertgefühl, ist der Umgang mit Macht. Neige ich zu dominantem Verhalten oder fühle ich mich eher schwach und ohnmächtig? Bin ich bereit, das Machtverhältnis und die Verantwortung zugunsten meines Klienten zu verschieben oder will ich als Experte die Verantwortung übernehmen und ihm sagen wo‘s langgeht? Vielleicht fragt sich der eine oder andere aber auch, ob die eigene innere Autorität ausreicht, um sich nicht in Spiele mit dem Klienten zu verstricken und am Ende als inkompetenter Helfer dazustehen.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die Haltung des wissenden Nichtwissens. Es gesteht dem Helfer Macht durch Wissen zu, das ihn zu Initialzündungen befähigt und den Prozess am Laufen hält. Er nimmt sich jedoch nicht heraus zu wissen, wie, wann und wodurch der Klient letztendlich an sein Ziel gelangt. Das wiederum überlässt er eindeutig dessen Macht. Auf diese Weise entsteht ein wohlproportioniertes Machtgefüge, mit dem Helfer als theoretischem und verfahrenstechnischem Experten und dem Klienten als Experten für seine ureigensten Lösungen.
Das ist aber immer noch längst nicht alles, womit ich mich eingehend beschäftigen sollte. Jeder psychologisch geschulte Helfer kennt die zeitlos gültigen Leitsätze, die Carl Rogers für eine gelingende Helfer-Klient- Beziehung aufgestellt hat. Sie fordern dazu auf, sich in der Interaktion mit dem Klienten kongruent, empathisch, bedingungslos annehmend, aktiv zuhörend und non-direktiv zu verhalten. Schön und gut – aber wie verinnerliche ich diese Begrifflichkeiten, sodass sie praxistauglich und lebbar werden?
Schon beim Gedanken an das Wort Interaktion könnte so mancher ins Grübeln geraten. Von der Definition her geht es hierbei um einen offenen Austausch auf Augenhöhe zwischen Helfer und Klient. Aber welche Anteile dieser Personen interagieren denn da eigentlich? Ist es ein Austausch zweier Persönlichkeiten über die Ich-Ebene oder zweier Selbste über die Seelenebene? Wie viel Helfer-Ich ist unschädlich? Spricht Verstand zu Verstand oder Gefühl zu Gefühl, oder darf‘s auch eine Mischung aus beidem sein?
Rogers gibt uns mit seinem Begriff der (Selbst-)Aktualisierungstendenz einen wichtigen Hinweis. Hier geht es um die Förderung des Selbstausdrucks des Klienten durch die Interaktion mit seiner Umwelt – hier mit seinem Helfer. Und wenn ich dann noch das Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse zu Rate ziehe, die besagt, dass lediglich die parallele Kommunikation einen ungestörten Austausch gewährleistet, kann es im Idealfall also nur die Interaktion zweier Selbste über die Seelenebene geben.
Na prima, werden Sie vielleicht sagen, aber wie mache ich das in der Praxis? Das ist einfach und schwierig zugleich. Einfach, da Sie weder machen noch haben müssen. Sie übergeben Ihrem Selbst die Führung und lassen geschehen. Das ist alles. Schwierig ist es zum einen, da das Ego natürlich nicht bereit ist, unserem Selbst das Feld kampflos zu überlassen. Es flüstert uns alle möglichen Befürchtungen und Bedenken ein: Das geht bestimmt schief! Wie willst du das machen? Machst du es dir nicht zu einfach? Zum anderen benötigen Sie unbedingtes Vertrauen. Das Dumme ist nur, dass ich mir Vertrauen nicht aneignen kann. Ich muss aus Sicht des Egos ein Wagnis eingehen und in Vorleistung treten. Erst dadurch besteht die Chance, dass es wächst.
Vielleicht fragen Sie sich nun: „Und was ist dann mit dem Wissen und Handwerkszeug, das ich mir angeeignet habe? Brauche ich das dann alles nicht mehr?“ Doch, natürlich, – aber statt eines festgelegten Sitzungsablaufs, frei von gedanklichen Konstrukten, werden Intuition und Kreativität für Sie die Entscheidungen treffen über das, was ihr Klient in seinem jeweiligen Prozessstadium gerade benötigt.
Immer dann, wenn es mir gelingt, mit meinen Klienten auf der Seelenebene zu „arbeiten“, ist mir bewusst, dass mein Selbst der beste Ratgeber ist, der, frei von intellektuellem Ballast, den Bedürfnissen, Zielen und der Prozessgeschwindigkeit der Seele meines Klienten gerecht wird.
Beleuchten wir vor dem Hintergrund Ego und/oder Selbst doch einmal die Eigenschaften, die ein Helfer gemäß Rogers für eine hilfreiche Interaktion mit seinem Klient mitbringen sollte.
Er soll sich demnach kongruent verhalten, d. h. authentisch sein demgegenüber, was er sowohl beim Klienten als auch bei sich wahrnimmt.
Der Helfer ist also dazu aufgerufen‚ er selbst zu sein, echt zu sein, anstatt eine Rolle einzunehmen. Beim Ich-selbst-Sein stellt sich die Frage: Was denn nun: Ich oder Selbst? Oder: Wie viel Ich und wie viel Selbst machen mich authentisch? Für die Antwort benötige ich meinen inneren Beobachter, der sich der Verbindung des „kleinen Ichs“ an das „große Ich“, mein überpersönliches Selbst, stets bewusst ist. Er ist der achtsame Dirigent, der sowohl einzelne Anteile meiner Persönlichkeit als Solisten auftreten als auch das ganze Orchester zum Ausdruck eines harmonischen Ganzen verschmelzen lassen kann. Das einzige, was ich als Helfer „tun“ muss, ist, einen Schritt zurückzutreten, mich quasi neben ihn stellen und ihm das Feld überlassen. Dann wird er virtuos, humorvoll und in angemessener Weise eine Helferpersönlichkeit offenbaren, durch die das Selbst hindurchtönt.
Folgende Verse von François de La Rochefoucauld kleiden es in ein poetisches Gewand:
Freie Seele,
immer suchst du das Meer –
das Meer ist dein Spiegel.
Wir hätten mehr Gewinn,
wenn wir uns so zeigten
wie wir sind,
als wenn wir versuchten
zu scheinen,
was wir nicht sind.
Hier ist also wieder einmal Vertrauen angesagt. Leichter gesagt als getan? Aber wenn ich mir überlege, wie anstrengend es ist, im Leben alle möglichen Rollen einzunehmen und z. B. im beruflichen Bereich ein anderes Gesicht zu zeigen als im privaten – wie viel müheloser und einfacher ist es doch dagegen, sich nicht hinter lauter Masken zu verbergen?
Und die Klienten erspüren sowieso, ob wir echt sind oder nicht. Für sie ist es erleichternd und ermutigt sie zu Offenheit, wenn der Helfer ein Mensch ist wie du und ich. Mit dem einzigen Unterschied, dass Letzterer sich seiner Macken und alten Muster bereits bewusst(er) ist und Strategien kennt, wie er unbeschadet aus seinem selbstverlegten Minenfeld hinausgelangen kann.
Wenn ich mittels innerem Beobachter und Selbst auf der Seelenebene mit meinen Klienten kommuniziere, ergibt sich daraus ganz natürlich eine empathische Haltung im Sinne einfühlenden Verstehens. Wobei nach gängigem psychologischen Verständnis einfühlen nicht mit sich eins fühlen verwechselt werden sollte. Ansonsten sei es fast unvermeidlich, in dasselbe Loch zu fallen wie der Klient. Also Mitgefühl ja, Mitleid(en) nein.
Doch welche Instanz flüstert uns eigentlich diese Befürchtung ein? Die Seele sicher nicht. Sie kennt weder Berührungsängste noch trennendes Verhalten. Die Seele muss sich nicht abgrenzen, da sie nichts befürchtet. Alles, was gerade ist, darf sich zeigen. Wenn ich als Helfer dem natürlichen Prozess unserer Seelen vertraue, ist es nicht notwendig, Stoppschilder aufzustellen. Ein ermutigender Leitsatz von Rogers dazu ist: „Das Persönlichste ist das Allgemeinste.“
Da die Seele also nicht der Brandstifter ist, der unsere Ängste schürt, bleibt ja nur noch das Ego übrig, als das vom Selbst abgekoppelte Ich. Und dieses Ego meint, ständig ums Überleben kämpfen zu müssen, da es seine Existenz durch das Selbst bedroht fühlt. Und eigenes Leid im Leid eines anderen zu spüren, bedeutet bereit zu sein, auf einer Ebene mitzuschwingen, zu der das Ego keinen Zugang hat. So, wie es einmal war, bevor wir „ich“ sagen konnten.
Als Ersatz für dieses Gefühl universeller Einheit bietet uns das schlaue Ego eine Scheinlösung an, nämlich das Mitgefühl. Mitgefühl hält uns auf einer (professionellen!) Distanz, die die vom Ego gewollte Trennung weiterhin aufrechterhält. Der Helfer, dessen Ego ihn auf diese Weise davor „schützt“, das Risiko eines „Selbst- Versuchs“ einzugehen, folgt damit dem Grundsatz „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“.
Als nächste Hürde auf dem Weg könnte sich das bedingungslose Annehmen in meinen Weg stellen. Wobei das Reizwort weniger „Annehmen“ als „bedingungslos“ ist. Wo wir es doch von klein auf gewohnt sind, mit diesem „Wenn …, dann …“ umzugehen. Wir lernen früh, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt. Lernen Werturteile zu fällen, Vergleiche anzustellen, berechnendes Kalkül als vermeintlichen Schutz vor Enttäuschung bzw. Beschädigung oder ein Zu-kurz-Kommen der eigenen Person. So entsteht eine Mauer, hinter der sich das moralinsaure Ego verschanzt und uns anstiften will, nur diejenigen mit Wohlwollen und Anteilnahme zu belohnen, die es aus seiner Sicht auch verdienen.
Dagegen setzt das Selbst auf Vertrauen und Gleichwertigkeit. Beim Austausch mit dem Klienten auf der Seelenebene fallen Gegensätze wie Du und Ich, besser und schlechter, Gut und Böse in sich zusammen. Ohne Wenn und Aber wird alles als Ausdruck menschlichen Seins angenommen mit der ganzen Palette an Schwächen, Verfehlungen und abgelehnten Gefühlen.
Meine besten Lehrmeister auf diesem Gebiet waren die Jugendlichen, die ich drei Jahre in einer Einrichtung der Jugendhilfe und Psychiatrienachsorge begleiten durfte, und ein forensischer Patient und Freund, den ich – und mittlerweile auch mein Mann – seit einem Praktikum in der Psychiatrie nun schon bald zwanzig Jahre besuche. Konfrontiert mit den abgründigsten Aspekten menschlichen Handelns wurde mir mehr und mehr bewusst, dass auch meine Sozialisationsschicht dünn genug wäre, um bei bestimmten Auslösern zu reißen.
Dabei geht es nicht darum, dies gutzuheißen, sondern vielmehr um gesunde Zweifel an der Berechenbarkeit und dem Sich-sicher-Sein im Hinblick auf die Reaktionen der eigenen Person. Das führt mich als Helfer weg von der Konservierung meines Egos hin zu mehr Offenheit im Umgang sowohl mit dem eigenen Selbst-Verständnis als auch mit dem meiner Klienten.
Eine weitere unmögliche Kombination scheint das aktive Zuhören zu sein. Es erfordert zu jedem Zeitpunkt meine volle Präsenz und Konzentration. Wobei sich zusätzlich folgende Frage auftut: „Wie finde ich als Helfer ein angemessenes Verhältnis zwischen reden und zuhören?“
Auch hier zeigt sich wieder ein klarer Unterschied zwischen Ego und Selbst. Das Helfer-Ego neigt dazu, sich gern und ausgiebig zu äußern einschließlich der Unsitte, Redepausen des Klienten für sich zu nutzen. Auf diese Weise kann es das Prozessgeschehen unterbrechen bzw. beeinflussen.
Dagegen überlässt das Selbst die Bühne dem Klienten und folgt mit ihm zusammen dem Fluss der Entwicklung.
Dass ich mich als Helfer non-direktiv – also nichtlenkend – verhalte, wenn ich all diese Anweisungen beachte und der Selbstregulierung meines Klienten vertraue, versteht sich eigentlich von selbst.
Es kommt also in erster Linie auf meine innere Haltung an und erst in zweiter auf mein Wissen und Können. Nur wenn ich zweifelsfrei davon überzeugt bin, dass mein Klient als sein eigener Experte die Lösung bereits in sich trägt und im Verlauf des Prozesses auch finden wird, gelingt es mir, eine Dienstleistungshaltung einzunehmen und die Verantwortung bei ihm zu lassen. Dann übertragen sich mein Vertrauen und meine Zuversicht auf den Klienten. Ermüdende Opfer-, Retter- und Verfolger- Spiele bleiben aus, da sich zwei Seelen statt zwei Egos austauschen.
Wie schon weiter oben gesagt, Vertrauen ist nicht künstlich herstellbar. Anfangs ist ein gewisser „experimenteller“ Mut erforderlich, es einfach einmal zuzulassen. Meine Seele mit der Seele des Klienten in Tuchfühlung gehen zu lassen. Und mit den guten Erfahrungen wächst die bejahende innere Haltung. Irgendwann wird Vertrauen dann zum selbstverständlichen Ausdruck meines Helferbewusstseins. Oder wie Marc Aurel sagt: „Auf Dauer nimmt die Seele die Farbe deiner Gedanken an.“
Carl Rogers hat es auf seine Weise treffend so ausgedrückt:
„Wenn ich vermeide,
mich einzumischen,
sorgen die Menschen
für sich selbst.
Wenn ich vermeide,
Anweisungen zu geben,
finden die Menschen selbst
das rechte Verhalten.
Wenn ich vermeide,
zu predigen,
bessern die Menschen
sich selbst.
Wenn ich vermeide,
sie zu beeinflussen,
werden die Menschen
sie selbst.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für die Arbeit mit Ihren Klienten einen sorgfältig und mit Liebe vorbereiteten Boden, der Früchte trägt, die als Seelennahrung ein gesundes und heilsames Wachstum ermöglichen – sowohl für Ihre Klienten als auch für Sie selbst.
Angelika Baudisch-Kunze
seit 1997 als Lebens- und Konfliktberaterin in eigener Praxis tätig.
Dozentin an den Paracelsus Schulen, Supervisorin beim VFP