Soziales Honorar in der Psychotherapie
Lassen Sie uns mal über Geld sprechen ...
„Lassen Sie uns übers Geld sprechen ...“, dazu finden Sie bei einer großen amerikanischen, steueroptimierten und quasi-monopol Suchmaschine über 96 Millionen Ergebnisse (Stand Nov. 2020). Geben Sie hingegen „Soziales Honorar“ mit dem Zusatz „Psychologe“ oder „Heilpraktiker“ in die Suche ein, erhalten Sie etwa zwischen 150 000 bis hin zu nur noch 11 000 Ergebnissen.
11 000 Ergebnisse sind zwar auch noch eine vermeintlich ansehnliche Zahl, allerdings etwa um den Faktor 9 000 (!) geringer als das Eingangsstatement. Ich denke, das spricht für sich.
Wenn man dann noch berücksichtigt, dass von den etwa 11 000 Ergebnissen ein Großteil der Einträge von Theralupa (www. theralupa.de, „Soziales Honorar“), der alternativen Suchmaschine für Heilpraktiker und Therapeutensuche, stammen, entsteht auch hier genügend Raum für Ihre persönliche Interpretation.
Meine Vermutung lautet: „Soziales Honorar“ scheint in unserer Gesellschaft der Gewinnmaximierung eine Ausnahme zu sein.
„Zeit ist manchmal viel kostbarer als Geld. Lebenszeit zum Beispiel.“
Verfasser unbekannt
Was macht vermutlich eine der größten Hürden aus, einen Heilpraktiker oder einen Heilpraktiker für Psychotherapie (immer m/w/d) aufzusuchen? Aus meiner langjährigen Praxiserfahrung als Heilpraktiker für Psychotherapie weiß ich, dass das Thema „Selbstzahler“ ein leider oftmals gewichtiger Grund sein kann. Das ist immer dann der Fall, wenn keine Alimentierung oder Kostenerstattung durch eine Krankenkasse zu erwarten ist, sondern man selbst für das Honorar des Behandlers zahlen muss.
Zu all den Hürden, die ein zukünftiger Klient überwinden muss, kommt das Thema Geld und damit die adäquate Bezahlung des Behandlers aus eigener Tasche noch hinzu (s. Artikel „Erstkontakt zum Psychotherapeuten“, Freie Psychotherapie, 03.17).
Über das Honorar des Behandlers zu sprechen oder gar einen Nachlass aufgrund sozialer Umstände des Therapiesuchenden in Anspruch zu nehmen, ist gerade für Menschen mit den unterschiedlichsten psychischen Störungen besonders schwer. Man denke nur an eher introvertierte, depressive, traumatisierte oder ängstlich vermeidende Personen. Aber auch andere persönliche Umstände und Krisen (Arbeitslosigkeit, Scheidung, private Insolvenz, Verlust naher Angehöriger etc.) können dazu führen, dass man nicht einmal mehr die Energie hat, nach dem, was einem tatsächlich zusteht, zu fragen.
In seltenen Fällen kommt es aber auch zu einem umgekehrten Effekt. Vielleicht hatten Sie schon einmal einen Klienten mit Anzeichen von latenten Verarmungstendenzen bis hin zu einem Verarmungswahn? Dieser Klient wird möglicherweise das Angebot des „Sozialen Honorars“ durchaus ansprechen, jedoch vermutlich permanent das Gefühl haben, die Therapiestunden könnten doch noch viel günstiger werden.
„Soziales Honorar“ heißt für mich, eine an den Umständen des Klienten orientierte Bezahlung mit einem von mir selbst gesetzten untersten Limit. Denn eine Würdigung der jahrelangen Ausbildung und eine gewisse Wirtschaftlichkeit der Heilpraktiker-Praxis muss immer noch gegeben sein. Daher empfehle ich bei einer Reduzierung des Standardhonorars aufgrund der Kriterien des „Sozialen Honorars“, sich selbst eine untere Grenze des Betrags zu setzen, die man ausnahmsweise und über einen überschaubaren Zeitraum auch akzeptieren kann. Und zwar am besten, bevor der Klient oder der Therapeut selbst in das Gespräch zur Reduzierung des Honorars einsteigt.
„Es ist nicht die Frage, wie man viel
Geld verdient, sondern wie man die
Probleme anderer lösen kann.
Das Geld kommt dann von alleine.“
Verfasser unbekannt
Man darf vermuten, dass gerade das Thema Geld mit vielen Zuschreibungen besetzt ist und somit ein nicht zu unterschätzendes und heikles Thema gerade in der Psychotherapie ist. Wer kennt sie nicht, die oftmals negativ assoziierten und manchem Klienten angstmachenden Sprichwörter, wie: „Geld stinkt“, „Geld zum Fenster hinauswerfen“, „Zeit ist Geld“, „Geld rinnt einem durch die Finger“, „Erst die Arbeit, dann der Lohn“ ...
Es reicht also nicht, dass der Heilpraktiker das „Soziale Honorar“ anbietet, sondern er sollte es auch fairerweise proaktiv erwähnen, wenn er feststellt, dass der Klient aufgrund seiner Lebenssituation nicht in der Lage ist, danach zu fragen.
Das setzt natürlich ein entsprechendes Einfühlungsvermögen voraus, von dem ich annehmen darf, dass dies in unserem Beruf unabdingbar ist. Empathie und eine der Situation des Klienten angemessene Bezahlung schließen sich m. E. nicht aus, sondern zeigen im Gegenteil in besonderem Maße die Flexibilität des Behandlers.
Auch eine temporäre Herabsetzung des Honorars ist in einem fairen Umgang miteinander durchaus möglich. Daher sollte sich auch der Behandler nicht scheuen, von Zeit zu Zeit das Thema des abgesenkten Honorars anzusprechen. Ein einstmals bei Beginn der Therapie arbeitsloser Klient kann durchaus im Laufe der Behandlung, die ja oft über Monate oder auch Jahre andauern kann, wieder in eine Festanstellung kommen. Somit kann eine veränderte finanzielle Situation des Klienten auch wieder eine schrittweise Rückkehr zu den Standardstundensätzen des Behandlers erlauben. Ein faires Miteinander auch in finanzieller Hinsicht zwischen dem Therapeuten und dem Klienten und vice versa gehört zu den Basisvoraussetzungen einer gelingenden Therapie.
„Die besten Dinge im Leben sind nicht
die, die man für Geld bekommt.“
Albert Einstein
In meiner Praxis war der Bedarf für „Soziales Honorar“ gerade in Zeiten der ersten Welle von Corona erhöht. Kurzarbeit, höhere Trennungsraten, steigende Arbeitslosigkeit und viel Verunsicherung im Hinblick auf die Zukunft waren meiner Erfahrung nach die Hauptursachen.
Die zweite Welle in der Pandemie verschärft diese Situation noch einmal. Zu den finanziellen Schwierigkeiten kommen nach einer so langen Zeit von Lockdown, Teil-Lockdown und Lockdown light nun die psychischen Folgen dieser während der Pandemie vom Gesetzgeber verordneten Maßnahmen hinzu. Von manchem herzlosen Zeitgenossen auch als Kollateralschaden bezeichnet, treten nun vermehrt Belastungssymptome wie z. B. Depressionen auf oder verstärken eine bereits latent vorhandene psychische Krankheit.
Wie erwähnt, sollte der Behandler aus Fairness-Gründen das Thema „Soziales Honorar“ immer dann von sich aus ansprechen, wenn er feststellt, dass bei seinem Klienten der Bedarf nach einer Anpassung der Stundensätze angezeigt ist. Je länger diese Pandemie dauert, desto größer dürfte der Bedarf an ein angepasstes Honorar werden.
Ich hoffe, dass dieser Artikel noch mehr Kollegen dazu bewegen wird, das „Soziale Honorar“ in ihren Praxen anzubieten.
Hinweis: Im Internet finden Sie bei Theralupa weitere Informationen und ausführliche Details zum „Sozialen Honorar“: https://www.theralupa.de/soziales-honorar.html
Günter Kaindl
Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis für Psychotherapie in München
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