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Traumatisches Nahtoderlebnis und Traumatherapie

2012-02-Nahtod1

Manchmal gibt es Praxisfälle, die für den Betroffenen sehr dramatisch – und für uns Therapeuten eine Herausforderung sind. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) kommen in der Praxis, gottlob, nicht so häufig vor. Noch seltener kommt es vor, dass mit dem Trauma auch ein Nahtoderlebnis verbunden ist. Von einem solchen Fall möchte ich nachfolgend berichten.

Im Rahmen meiner Traumatherapie- Ausbildung habe ich gelernt, dass vor der Konfrontation mit dem Trauma zuerst eine ausreichende Stabilisierung zu erfolgen hat. Es geht in der Stabilisierungsphase darum, die Selbstheilungskräfte der/des Klientin/ Klienten zur Entfaltung zu bringen und zu unterstützen. Dies geschieht am besten durch Imaginationsübungen, die vom Therapeuten vorgegeben werden. Erst wenn auf diese Weise ausreichende innere Stabilität erreicht ist, darf die Phase der Konfrontation mit dem Trauma erfolgen.

fotolia©ladder up to skiesNehmen Sie das mit der Stabilisierung bitte sehr ernst! Ich muss es noch einmal betonen. Bevor keine ausreichende psychische Stabilität und Sicherheit erreicht ist, darf keine Begegnung mit dem Schrecken stattfinden! Wir bewegen uns bei traumatischen Erlebnissen, während der Therapie, in einem gefährlichen Minenfeld, in dem jederzeit Traumabomben explodieren können. Es ist z. B. nicht gestattet, dass der Patient in der Anamnese einfach über sein traumatisches Erleben ungeschützt drauflosplappert und berichtet, denn dadurch besteht die Gefahr einer erneuten Retraumatisierung.

Bei dieser Gelegenheit muss ich auch drei Kröten an die Wand klatschen. Analytische Therapie, Gesprächspsychotherapie und Verhaltenstherapie sind bei einem Trauma untaugliche Verfahren! Das heißt: Die von den Krankenkassen bezahlten Therapieverfahren sind bei einer PTBS nicht nur untauglich, sondern auch kontraproduktiv. Nur so als Idee. Was bitte möchten Sie bei einem Menschen, der vor einer PTBS psychisch gesund war, analysieren? Worüber möchten Rogers- Schüler mit ihm reden? Und welches erlernte Fehlverhalten möchten Sie ihm mit Verhaltenstherapie wieder abgewöhnen?

So viel zur Theorie. Zuweilen geht es aber in der Praxis etwas schneller. Besonders dann, wenn Gott zu Hilfe eilt, wie folgender Fall zeigt.

Anamnese

Eine 36-jährige Frau wurde bei Nacht, auf schneeglatter Straße, in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. Sie wurde dabei lebensgefährlich verletzt, war kurzzeitig klinisch tot, musste vom Notarzt im Rettungswagen reanimiert werden, wurde danach in der Klinik stundenlang operiert, lag anschließend mehrere Tage im künstlichen Koma und war in der Folge über ein Jahr arbeitsunfähig. Sie kann sich aber weder an den Unfall noch an irgendwelche Schmerzen dabei erinnern. Was sie vom Unfall noch weiß, ist, dass sie Lichter eines Autos auf sich zukommen sah und sonst nichts. Noch heute, Jahre später, hat sie keinerlei Erinnerungen an den Unfall (retrograde Amnesie).

Der Grund, warum sie zu mir kam, waren Ängste und Panikattacken, die sie, ohne ersichtlichen Grund, in den unterschiedlichsten Situationen überfielen und die sie vor dem Unfall nie hatte.

Es war mein erster von bislang zwei Praxisfällen, in dem mir ein Mensch von seinem klassischen Nahtoderlebnis berichtete. Nachgefragt, wie sie das erlebte, schilderte die Frau Folgendes:

Zuerst sah ich meinen Körper von außen, ich sah den Notarzt und den Rettungssanitäter, die versucht haben, mich wiederzubeleben, ich hörte was sie sprachen, dann sah ich nur Helligkeit, ein Licht, das mit nichts zu vergleichen ist, das ich jemals gesehen habe. In diesem Licht erschien eine noch hellere Lichtgestalt, die unendlich viel Liebe und Güte ausstrahle, es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl (Out-of-body- Erleben).

Diese Lichtgestalt, weder Mann noch Frau, fragte mich, ob ich in das Leben zurückkehren oder bei ihr bleiben möchte. Es geschah ohne Worte, ich weiß nicht wie. Wir sprachen nicht, es war eine Verständigung auf einer völlig anderen Ebene. Ich habe mich schweren Herzens für das Leben entschieden, weil ich das Gefühl hatte, dass ich in meinem Leben noch etwas tun muss, es war noch nicht erfüllt. Voller Güte lächelte mir die Lichtgestalt zu. Es fiel mir sehr schwer, wieder in meinen geschundenen Körper zurückzukehren.

Eine zutiefst beeindruckende Schilderung, wie ich finde.

Therapie

Dieses Nahtoderlebnis war sehr hilfreich für die Psychotherapie. Zuerst habe ich die Frau in einen tiefen Trancezustand geführt.

Angewandte Technik zur Erzeugung dieses Trancezustandes

Stellen Sie sich bitte vor, Sie stehen auf einer breiten Treppe, die zehn Stufen hat. Diese Stufen führen nach unten und wir beide gehen jetzt gemeinsam diese zehn Stufen hinunter, aber bitte erst, wenn ich es sage. Sie gehen immer dann eine Stufe tiefer, wenn Sie ausatmen. Dabei spüren Sie, wie Sie immer tiefer und tiefer in einen entspannten Zustand sinken. Wenn Sie bereit sind, dann beginne ich zu zählen. Leichtes Kopfnicken signalisierte Zustimmung.

Ausatmen – neun ... dabei die Patientin beobachten und laut in ihrem Rhythmus mitatmen.
Ausatmen – acht ...
Ausatmen – sieben ... Sie sinken immer tiefer in eine tiefe Entspannung.
Ausatmen – sechs ...
Ausatmen – fünf ... immer tiefer und tiefer
Ausatmen – vier ...
Ausatmen – drei ... immer tiefer und tiefer
Ausatmen – zwei ...
Ausatmen – eins ...
Ausatmen – null ...

Sie sind jetzt sehr tief entspannt, Sie fühlen sich wohl und geborgen ...

Sie stehen nun auf einem Weg und vor Ihnen breitet sich ein Park aus ...

Dieser Park kann groß oder klein sein, es ist Ihr Park ...

Sie können entscheiden, wie groß er sein darf ...

Sie dürfen auch entscheiden, ob dieser Park eine Begrenzung haben soll ...

Wenn es für Sie angenehmer ist, dann dürfen Sie um diesen Park eine Hecke oder einen Zaun bauen ... (Sie wollte keine Umzäunung, sie fühlte sich auch ohne Umzäunung absolut sicher. Das ist wichtig, die Patientin muss sich 100%ig sicher und geborgen fühlen)

Gehen Sie jetzt bitte langsam durch Ihren Park ...

Sehen Sie sich die Pflanzen, Büsche und Bäume an und wenn es etwas gibt, das Sie stört, dann verändern Sie es so, dass es für Sie angenehm ist ...

Sie sind der Gärtner, der entscheidet, wie dieser Park auszusehen hat ...

Suchen Sie sich bitte jetzt einen Baum aus, der Ihnen sympathisch ist, vielleicht gibt es einen Baum, zu dem Sie sich hingezogen fühlen ...

Ein Baum, unter dem Sie sich geborgen und sicher fühlen können ... (sie hat sich eine mächtige Eiche ausgesucht)

Gehen Sie jetzt bitte auf diese Eiche zu, bitte langsam und betrachten Sie dabei die Schönheit dieser Eiche ...

Wenn es für Sie o. k. ist, dann dürfen Sie den Stamm berühren und fühlen, wie sich der Stamm anfühlt ... (hat sie getan)

Wenn Sie möchten, dann dürfen Sie sich setzen und mit dem Rücken den Stamm berühren oder, wenn Ihnen das angenehmer ist, sich unter den Baum ins Gras legen ... (sie hat sich ins Gras gelegt)

Danach habe ich sie gebeten, mit der Lichtgestalt Kontakt aufzunehmen, was auch gelang. Sie sah zwar diese Lichtgestalt nicht, hatte aber das Gefühl, das sie irgendwie da war. Anschließend habe ich sie gebeten, der Lichtgestalt eine Frage stellen zu dürfen, was diese erlaubte. Die Frage war, ob die Lichtgestalt bereit wäre, ihr die quälenden Ängste und Panikattacken abzunehmen? Sie bekam keine Antwort, spürte aber ein angenehm kribbelndes Wärmegefühl im ganzen Körper und war sich in diesem Moment sicher, dass alles gut wird. Zum Schluss bat ich sie, sich bei der Lichtgestalt für die Hilfe zu bedanken (die Energie, die dabei floss, war förmlich zu spüren).

Tatsächlich waren danach die Ängste und Panikattacken verschwunden!

Sie sehen an diesem außergewöhnlichen Fall, der in zwei Therapiesitzungen gelöst werden konnte, wer hier der Therapeut war. Ich war es nicht, ich war nur der Assistent einer höheren Macht und das, erlauben Sie mir die Bemerkung, empfinde ich als besonderes Geschenk.

Etwa ein Jahr später traf ich meine ehemalige Patientin in der Stadt und ich fragte sie, wie es ihr geht?

Antwort: „Gut.“

Sie hatte keinerlei psychische Störungen mehr. Allerdings wurde ihre schwere Schulter-Arm-Verletzung, nach zwei Nachoperationen, noch immer von einem Physiotherapeuten behandelt. Sie fügte noch hinzu, dass sie seitdem auch keine Angst mehr vor dem Tod hat. Bei dieser Aussage wirkte sie sehr überzeugend.

Anmerkung

Stabilisierung erfolgt, wie erwähnt, über Imaginationen im Trancezustand. Wer Näheres darüber wissen möchte, dem kann ich das Buch „Imagination als heilsame Kraft“ von Dr. Luise Reddemann empfehlen. ISBN 3-608-89708-9

Hans Peter Bauer Hans Peter Bauer
Psychotherapeutischer Heilpraktiker, Verhaltenstherapeut, Traumatherapeut (Zertifikat), Hypnosetherapeut (Zertifikat)