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Die Konsequenzen des KKG für Heilpraktiker! Richtiges Verhalten bei Anhaltspunkten für drohende Gefährdungen des Kindeswohls

2012-02-KKG1

1. Das KKG

fotolia©Valeriy LebedevZiel des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (kurz KKG) ist es, das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu schützen und ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu fördern. Hierzu erhöht es insbesondere den Schutz des Kindes vor Misshandlungen; sei es durch Dritte oder die Sorgeberechtigten selbst.

Das KKG richtet sich in erster Linie an Ärzte und Heilberufe mit staatlicher Ausbildung. Sofern sich diesen Berufsgruppen bei der Behandlung eines Kindes Anhaltspunkte für eine Misshandlung offenbarten, standen diese vor einem Konflikt. Einerseits waren sie nach § 203 StGB als Berufsgeheimnisträger unter Strafandrohung zur Verschwiegenheit verpflichtet; andererseits liefen sie Gefahr, sich bei Untätigkeit der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen schuldig zu machen, sofern es anschließend zu einer Verletzung des Kindes kam.

Nach § 4 Abs. 1 KKG gilt nunmehr folgendes: Werden Ärzten oder Angehörigen eines staatlich anerkannten Heilberufes in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht infrage gestellt wird.

Das KKG begründet eine Pflicht zum Tätigwerden. Die Einschätzung der Sachlage ist in der Regel jedoch recht komplex. Aus diesem Grund haben Ärzte zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen gesetzlichen Anspruch auf Beratung durch eine erfahrene Fachkraft.

Hierzu dürfen Ärzte die erforderlichen Daten des Kindes – pseudonymisiert – an das Jugendamt übermitteln. Ist eine Gefährdung des Kindeswohls nicht anders abwendbar, sind Ärzte befugt, dem Jugendamt die zudem erforderlichen persönlichen Daten mitzuteilen.

2. Auswirkungen des KKG auf Heilpraktiker

Die Regelungen des KKG richten sich unmittelbar nicht an Heilpraktiker. Da deren Berufsausübung keine staatlich geregelte Ausbildung voraussetzt, sind sie vom KKG nicht erfasst. Das Spannungsverhältnis ist für einen Heilpraktiker bei einer vermuteten Gefährdung des Kindeswohls geringer. Heilpraktiker sind keine Berufsgeheimnisträger im Sinne des Strafrechts; es drohen bei einer Verletzung der allein vertraglich begründeten Schweigepflicht vorwiegend zivilrechtliche Sanktionen, wie beispielsweise Schadensersatzforderungen durch die Betroffenen.

Wie soll sich ein Heilpraktiker verhalten, sofern ihm bei der Behandlung Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes – durch Dritte oder die Sorgeberechtigten selbst – bekannt werden? Muss auch er aktiv einschreiten?

a) Pflicht zum Tätigwerden: Zwar greift die Pflicht aus § 4 KKG nicht gegenüber einem Heilpraktiker. Bleibt er jedoch trotz konkreter Anhaltspunkte untätig und kommt es später zu einer Verletzung des Kindes, die bei einer ordnungsgemäßen Information der Eltern oder des Jugendamtes hätte verhindert werden können, droht der strafrechtliche Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen. Möglich sind auch Schadensersatzforderungen der Betroffenen. Aus diesem Grund ist auch dem Heilpraktiker anzuraten, sich nicht passiv zu verhalten. Folgende Möglichkeiten kommen in Anlehnung an das KKG in Betracht:

b) Die Unterrichtung der Sorgeberechtigten: Richten sich die Anhaltspunkte gegen einen Dritten – nicht gegen die Sorgeberechtigten – kann die Situation mit dem Kind und den Personensorgeberechtigten erörtert werden; falls erforderlich sollte bei den Sorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen hingewirkt werden. Mit dem Einverständnis der Eltern kann zudem das Jugendamt unmittelbar informiert werden.

c) Der Beratungsanspruch gegenüber dem Jugendamt: Bei Gefährdungen des Kindes durch die Sorgeberechtigten oder sofern bei Gefährdungen durch Dritte das Gespräch mit den Eltern keinen Erfolg gebracht hat, stellt sich die Frage, ob auch der Heilpraktiker einen Beratungsanspruch gegenüber dem Jugendamt geltend machen kann oder diesem die Daten übermitteln darf. Letztlich ist diese Frage zu bejahen. Auch Heilpraktiker haben einen Beratungsanspruch gegenüber dem Jugendamt. Im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 des Grundgesetzes sowie der vergleichbaren Interessenlage ist es nicht recht nachvollziehbar, weshalb das KKG der Berufsgruppe der Lehrer einen Beratungsanspruch einräumt, Heilpraktikern hingegen nicht.

Ob dieser Ausschluss der Heilpraktiker vom Beratungsanspruch des KKG verfassungsgemäß ist, erscheint äußerst fraglich. Heilpraktiker stehen wie die genannten Berufsgruppen in einem direkten Kontakt zu Kindern und sind zur Erörterung der auftretenden Probleme mit den Eltern oder dem Jugendamt ebenso befähigt. Letztendlich mag diese Frage aber offen bleiben. Denn der Gesetzgeber hat neben dem Kinderschutzgesetz auch das achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII) überarbeitet.

Nach § 8b SGB VIII haben sämtliche Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung im Einzelfall gegenüber dem örtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Auch diese Regelung soll der Qualifizierung der staatlichen Intervention dienen. Sie gilt auch für Heilpraktiker, die Kinder oder Jugendliche behandeln. Auch wenn die Regelungen kleinere Unterschiede aufweisen, dürfte sich der Rückgriff auf das KKG in den meisten Fällen erübrigen.

d) Übermittlung von Patientendaten an das Jugendamt: Im Gegensatz zum KKG gestattet das SGB jedoch die Übermittlung der Patientendaten an das Jugendamt nicht ausdrücklich. Um hier möglichst rechtssicher zu agieren, empfiehlt es sich, entsprechend den Regelungen des KKG zu verfahren. Da Heilpraktiker keiner strafrechtlich sanktionierten Schweigepflicht unterliegen, können für sie zumindest keine strengeren Regelungen gelten als für die im KKG genannten Berufe. Sprich: Ist es einem Arzt erlaubt, die Patientendaten zu übermitteln, so muss dies auch einem Heilpraktiker gestattet sein.

Werden einem Heilpraktiker in Ausübung der beruflichen Tätigkeit – konkrete und nachvollziehbare – gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so sollte auch er deshalb mit dem Kind und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und ggf. auf die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen hinwirken.

Ist dies nicht möglich, weil durch die Information der Eltern der Schutz des Kindes in Frage gestellt würde, oder bleibt das Gespräch mit den Eltern erfolglos, kann sich der Heilpraktiker an das Jugendamt wenden und von seinem Beratungsanspruch durch eine erfahrene Fachkraft Gebrauch machen.

Hierzu darf er die Daten unter Nutzung eines Pseudonyms übermitteln. Das Pseudonym ist jedoch so zu wählen, dass kein konkreter Personenbezug mehr besteht. Unzureichend wäre beispielsweise die bloße Verkürzung des Nachnamens auf den Anfangsbuchstaben.

Das Beratungsergebnis mit dem Jugendamt ist zu protokollieren und beiderseits schriftlich zu bestätigen. Es sollte nachweisbar festgehalten werden, dass auch die beratende Fachkraft von einer Gefährdung des Kindes ausgeht und eine Übermittlung des Namens für erforderlich hält.

Kommt der Heilpraktiker – gemeinsam mit der Fachkraft – zu dem Schluss, dass ein Tätigwerden des Jugendamtes geboten ist, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, so sind erneut die Eltern auf ihre Absicht aufmerksam zu machen, nunmehr den Namen des Kindes dem Jugendamt mitzuteilen. Jedoch wiederum nicht, sofern diese Information den Schutz des Kindes beeinträchtigen würde. Werden diese Voraussetzungen eingehalten, können anschließend die persönlichen Angaben des Kindes an das Jugendamt übermittelt werden.

Dr. René Sasse Dr. René Sasse
Rechtsanwalt
Chemnitzer Straße 126, 44139 Dortmund
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