Hypnotherapie bei Schmerzpatienten
Mit der modernen Hypnotherapie ist der Name des 1901 geborenen amerikanischen Psychiaters Milton Erickson bis heute aufs Engste verbunden: Der im Jahr 1918 an Polio erkrankte, damals 17-jährige Bauernsohn bewies am eigenen Organismus, wie effektiv, wie heilsam Imagination zu sein vermag. So schaffte er es nicht nur, die akut kritische, lebensbedrohliche Phase seiner Erkrankung (die behandelnden Ärzte hatten bereits seinen Tod prophezeit) zu überstehen, er überwand sogar die vollständige Lähmung, die die Infektion hinterlassen hatte. Bis zu dem Zeitpunkt, als er im bereits fortgeschrittenen Alter aufgrund einer halbseitigen Lähmung erneut auf den Rollstuhl angewiesen war, deutet nur ein leichtes Hinken auf die Folgen der Kinderlähmung hin. Dennoch quälten Erickson sein Leben lang intensive Muskel- und Gelenkschmerzen. Und doch gelang es ihm, bis zum Jahr 1980 aktiv zu bleiben, zu lehren und zu therapieren.
Wenn wir Schmerzpatienten, gleich ob die Qualen akuter oder chronischer Art sind, begegnen, so versetzt uns die Erinnerung an Milton Erickson in ehrfurchtsvolles Erstaunen: Die meisten von uns Therapeuten haben die Erfahrung gemacht, dass die Hilflosigkeit, das Ausgeliefertsein einem nicht kontrollierbaren Schmerz gegenüber, der den Patienten Tag und Nacht, 24 Stunden lang, begleitet, nur in dem einen Wunsch mündet: Die Schmerzen sollen, müssen aufhören. Oft verspricht nur noch der Freitod Hoffnung auf die Befreiung von der Pein. Demzufolge müssen Suizidgedanken unserer Klienten, von denen die allermeisten erst nach einer langen Odyssee von Arzt zu Arzt, Therapeut zu Therapeut, Homöopath zu Homöopath, Schmerzklinik zu Schmerzklinik uns psychotherapeutische Heilpraktiker aufsuchen, mit allererster Priorität aufgedeckt (und diesen gegebenenfalls natürlich entgegengewirkt) werden.
Angesichts der Leidensgeschichten unserer Klienten stellt sich eine Frage: Wie gelang es Milton Erickson, seinen Lebenswillen nicht zu verlieren, wie schaffte er es, jeden Tag erneut den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen?
Ich habe ihn leider nicht mehr persönlich kennenlernen und befragen können, doch seine Schüler wie Gunther Schmidt, Leiter des Milton Erickson Instituts in Heidelberg, wiederholen gerne Ericksons Weg aus der Kinderlähmung: Die erste kritische Nacht überlebte er scheinbar auch mithilfe der simpel anmutenden Selbstverbalisation: „Ich werde den nächsten Morgen erleben.“ Seine vollständige Lähmung überwand er durch die kontinuierliche Visualisierung von Bewegungen, durch die erlebte Erinnerung an das Gefühl, wie es war, eine Heugabel in den Händen zu halten, mit dieser zu arbeiten.
Dennoch würde ich hier anmerken wollen, dass es sich m. E. nicht um Ericksons Weg aus der Kinderlähmung handelte – vielmehr erreichte er das, was auch unseren eigenen Klienten gegenüber von äußerster Relevanz ist: Milton Erickson fand seinen Weg, mit der Krankheit leben zu können. Wenn wir hypnotherapeutisch behandeln, suchen uns viele chronische Schmerzpatienten mit der Hoffnung auf, dass die Hypnose ihnen den Schmerz „wegnehmen“ könne. Das Erscheinungsbild ist dabei vielfältig: Nicht immer sind es nach ICD 10 erfolgte Diagnosen, die die Spektren von F 43 (Belastungsstörungen) bis F 45 (somatoforme Störungen) umfassen, auch Verschlüsselungen aus den M- und G-Kapiteln (von Rückenschmerzen bis Neuropathien) sind dabei.
Auch wenn Milton Erickson selbst noch nur bei ca. 25 % seiner Fälle die klassischen Induktionsmethoden der Trance (zum damaligen Zeitpunkt insbesondere Pendel- und Fixationsmethoden) anwandte und im Gegensatz zur prominenten Psychoanalyse vergangene Erfahrungen, die möglicherweise den psychischen Ursprung der aktuellen Symptomatik aufdecken könnten, nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte: Oft verharren wir Hypnotherapeuten dennoch in der Suche nach Erklärungen, die in der Biografie des Klienten liegen: Und oft finden wir sie. Skoliose- und Brustwirbelsyndrom- Patienten (sehr häufig begleitet von Tinnitus) berichten oft von ungünstigen Elternhausbedingungen, Neuropathie- und Neuralgie-Geplagte oft von traumatischen Kindheitserfahrungen.
Meist wurden diese Thematiken in vorhergehenden therapeutischen Interventionsversuchen bereits „behandelt“ – ohne den gewünschten Erfolg: die Befreiung vom Schmerz, die Linderung der Symptomatik. Selbstverständlich können auch wir diese so verständlichen Bedürfnisse der Klienten nicht erfüllen. Was bleibt uns als Hypnotherapeuten zu tun?
Das Bezeichnende an einer verantwortungsbewussten Hypnotherapie ist wohl, dass es keine Skripte, keine 08/15-Anleitungen geben kann! Auch wenn die verschiedensten Ablationshypnosen, die gerne im direktiven Stil durchgeführt werden – Sie kennen CDs à la „Mehr Selbstvertrauen durch Hypnose“ etc. – sicher bei einem Teil der Hilfesuchenden Wirkung zeigen, erfordern dennoch langfristige Schmerzinterventionen meiner Erfahrung nach ein anderes Vorgehen: Die direkten Suggestionen wie „Ab sofort wird der Schmerz immer leichter“ oder „Jedes früher vielleicht als Schmerz empfundene Erleben ist nun mehr wie ein Hintergrundgeräusch, kann zur Kenntnis genommen werden, ist vielleicht nur Anlass, seine Aufmerksamkeit ein wenig mehr auf die Farbe des Himmels, die er gerade zeigt, zu richten“ etc. funktionieren zwar meistens sehr gut – allerdings nur bis zu einer gewissen Schmerzintensität. In den meisten Fällen zeigt es sich, dass, wenn der Schmerz auf der gängigen Schmerzskala die Stufe 6 überschritten hat, derartige hypnotische Angebote nicht mehr wirken. Der Klient ist zu sehr im Schmerz gefangen, als dass die Aufmerksamkeit von dem Erleben angezogen werden könnte.
Sollen wir uns also erneut darum bemühen, negative Erlebnisse der Vergangenheit, unerfüllte Bedürfnisse, vielleicht noch aus der Kindheit, mit hypnotherapeutischen Methoden zu behandeln, den Klienten mit seinem „inneren Kind“ auszusöhnen?
Während bei posttraumatischen Belastungsstörungen ohne oder mit nur geringen Schmerzsymptomen (bis Stufe 3 der Schmerzskala) es durchaus empfehlenswert ist, darauf zu vertrauen, dass bei gelungener Verarbeitung des traumatischen Ursprungs die Schmerzen oft sogar gänzlich verschwinden, ist bei chronischen Schmerzpatienten ein anderes Vorgehen ratsam: Die Anleitung des Klienten nach direktiven und imaginativen Grundsätzen hat sich hier als besonders wirksam erwiesen. Hierbei werden gemeinsam mit dem Klienten Angebote erarbeitet, die das unwillkürliche Wissen (das Unterbewusstsein) des Klienten auf für ihn stimmige Weise annehmen und umsetzen können. Zwei Fallbeispiele mögen dieses integrative Vorgehen veranschaulichen:
Fall 1: Der rote Berg
Sabine S. hat gerade ihren 40. Geburtstag gefeiert, als sie mich auf Empfehlung einer Freundin in meiner Praxis aufsucht: Seit 15 Jahren quälen die Hausfrau, Mutter zweier Kinder im Alter von 12 und 8 Jahren, chronische Rückenschmerzen, die neben einer Skoliose auch bandscheibenvorfallsbedingt sind. Trotz zahlreicher durchlaufenen Therapien, Operation und mehreren Aufenthalten in psychosomatischen Kliniken gibt sie ihr chronisches Schmerzerleben mit einer Intensität von 6 bis 10 auf der Schmerzskala an, wobei die Schmerzen bis in den rechten Fuß ausstrahlen, so dass nur noch ein hinkender Gang, wenn überhaupt, möglich ist. Auch eine einjährige Traumatherapie, die sich bemühte, den über 10 Jahre dauernden Missbrauch im Kindheits- und Jugendalter durch den Vater zu überwinden, brachte keine Besserung der Schmerzsymptomatik. Die Schmerzen fesseln sie nun seit Jahren die meiste Zeit ans Haus. Auf der kontinuierlichen Suche nach Linderung wandte sich die Klientin auch bereits an Engelsheiler, Wahrsager usw. Als ein weiterer Arzt, den sie konsultierte, ihr einen erneuten Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik als Voraussetzung für eine weitere OP, auf die die Patientin große Hoffnungen setzte und die eine Versteifung der entsprechenden Rückenwirbel erzielen sollte, empfahl, stürzte die Patientin in große Verzweiflung: Der frühere Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik blieb ohne Erfolg, und wie konnte es sein, dass, trotz des vorliegenden orthopädischen Befunds, ihr der Stempel „nur psychisch erkrankt“ aufgedrückt wurde?
Im Zustand der desolaten psychischen Verfassung der Klientin meldete sie sich zum Erstgespräch: Die Hypnose sei ihre letzte Hoffnung.
In dieser Erstsitzung erarbeiteten wir uns den Therapieauftrag, Strategien zu finden, um die Schmerzintensität nicht über die Stufe 6 hinausschnellen zu lassen und die Frequenz schmerzfreier Intervalle zu erhöhen. Ich arbeitete von der ersten Sitzung an hypnotherapeutisch (altersprogressiv: Eine Zeit, in der die Schmerzen überflüssig geworden sind, wird repetitiv imaginiert), jedoch ohne eine klassische Trance zu induzieren. (Selbstverständlich wurde auch ein Suizidkontrakt abgeschlossen.) Hilfreich war die Besprechung ihrer früheren Ritz-Kompensation (ohne dass die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgte): „Früher“ war es also durchaus möglich, die Bewertung von Schmerzerleben eigenständig dahingehend zu beeinflussen, dass Schmerz (Ritzen) positiv belegt wurde. Damit ist Schmerz nichts mehr, was „von außen über einen kommt“, sondern vielmehr eine Interpretationsaufgabe des eigenen Gehirns. Die Kindheitstraumata, bedingt durch den fortgesetzten sexuellen Missbrauch durch den Vater, wurden nur beiläufig thematisiert, Augenmerk wurde darauf gelegt, dass der Vater nicht nur der Peiniger, sondern auch der Beschützer gegenüber einer dominanten und autoritären Mutter war, die anscheinend vom Missbrauch wusste, ohne zu intervenieren. So verspürte die Klientin zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens Wut oder Hass auf den Vater. In der durchgeführten Trauma- Therapie gelang es nicht, diese daraus resultierenden Schuldgefühle umzuwandeln.
In der darauffolgenden Sitzung gab die Klientin an, dass sie zwischenzeitlich während eines Malkurses zwei Tage schmerzfrei (Schmerzintensität = 0!!!) gewesen sei, das erste Mal seit vielen Jahren, ohne sich dies jedoch erklären zu können. Bei ihrer Heimkehr ins eheliche Haus jedoch überfielen sie die Schmerzen wieder derart, dass sie wieder bereit gewesen sei „sich das rechte Bein abzuhacken“, der Schmerz stieg also wieder auf 10 an.
Im Folgenden dichotomisierten wir das Schmerzempfinden: Bis zu einer Intensität von 5 solle die Klientin mit „Ablenkungsstrategien”, also der Fokussierung der Aufmerksamkeit auf angenehmes Erleben, z. B. beim Malen, arbeiten. Der Schmerz jedoch, hier gemeinsam mit der Klientin definiert als gerechtfertigtes Bedürfnis der kleinen Sabine, aus der Gefühlsstarre, ausgelöst von dem beständigen Hin- und Hergerissensein zwischen Liebe zum missbrauchenden Vater und Angst vor der nichtschützenden Mutter, darf und muss beachtet werden, wenn er die Stufe 5 überschreitet. Diesbezüglich wurde im Gespräch der Schmerz visualisiert: Es entstand das Bild eines Kolosses, der den Namen „Vater“ trägt – wie eine riesige, rote Wand rast er von vorne auf die Klientin heran, um sie einzuhüllen. Aus der Distanz gelingt es, diese Wand als Berg zu erkennen.
In der sich nun anschließenden klassischen Trance (beachte: auch im vorausgehenden Gespräch befindet sich der Klient bereits in einem Trancezustand, indem er visualisiert!), induziert mit einer typischen Fantasie- Reise an einen sicheren Ort, an dem die Klientin sich eine Art schützende, schirmende Energiehülle umlegte, näherte sich die Klientin fliegenderweise dem roten Berg, raste auf ihn zu, geschützt von ihrer Hülle, ließ sich leiten von ihrer Intuition, an welche Stelle des Berges sie flog, um dort schlussendlich abzuwarten, bis die kleine Sabine zu ihr in die schützende Hülle schlüpfte. Zusammen flogen die beiden bis zum Gipfel des Berges, auf die andere Seite: Normaler grauer Felsen, unten grüne Baumwipfel, zeichneten diese Seite des roten Kolosses aus. Dort fanden sie eine Quelle. Im Betrachten des spiegelnden Wassers konnten ihre beiden Gesichter sich wieder zum Antlitz der erwachsenen Sabine vereinen.
Die Klientin begab sich in der folgenden Woche jedes Mal, wenn die Schmerzintensität die Stufe 5 überschritt, auf diese Reise: Sie tauchte in den Schmerz ein (roter Koloss), indem sie sich ihm freiwillig näherte, überflog ihn, bis sie auf der anderen Bergflanke in dem kühlenden Quellwasser baden konnte. Auf diese Weise gelang es, den Schmerz nicht mehr über die 7. Stufe der Skala hinausschnellen zu lassen.
In der Folge (insgesamt dauerte unsere Begegnung vier Sitzungen an) gelang es der Klientin, einen Mini-Job aufzunehmen und den Alltag wieder zu meistern. Nach ihren Angaben überstieg der Schmerz die Stufe 3 nicht mehr. Komplette Tage der Schmerzfreiheit nahmen zu.
Fall 2: Der Jellyfish
Die 38-jährige Klientin Eva R., selbst Heilpraktikerin, zeigt nach einem unbehandelten Bandscheibenvorfall vor drei Monaten und einer erst in diesem Zuge erkannten Skoliose, seit zwei Wochen eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik, die nach ärztlicher Diagnose auf eine Intercostalneuralgie hindeutet. Schmerzmittel und Spritzen blieben wirkungslos, Physiotherapie verstärkte das Schmerzerleben. Die kinderlose, sportbegeisterte Klientin ist zeitweise nicht in der Lage, ihrer Arbeit oder Freizeitaktivitäten nachzugehen. Weitere Diagnostik wie MRT steht noch aus. Allein Hitze lindert die akuten Schmerzen, die Klientin zeigt bereits Hautverletzungen im Rippenbereich, herbeigeführt von überheißen Wärmflaschen und verschiedenen Wärmepflastern. Die Aussage des Physiotherapeuten, dass Neuralgien in den wenigsten Fällen ganz verschwinden und oft bis in die Psychiatrie führen, da meistens keine konkrete Ursache ausfindig gemacht werden könne, nimmt die Klientin als Motivation, „zu den wenigsten Fällen“ zu gehören. Ihre Biografie zeigt jahrelangen physischen Missbrauch durch den Stiefvater (dissoziale Persönlichkeitsstörung) und psychischen Missbrauch durch die Mutter (hypochondrische und narzisstische Persönlichkeitsstörung, letztere „sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung“ nach ICD 10). Nach Angabe der Klientin belasten sie jedoch diese Kindheitserfahrungen nicht.
Nach einer Woche heftigen Schmerzerlebens (rund um die Uhr Stufe 9 bis 10), das auch im Krankenhaus abgeklärt wurde, fand die Klientin, nachdem der Schmerz sich zeitweise (während und direkt nach der eigenständigen Hitze- Applikation) auf die Stufe 5 bis 6 reduzierte, Aufmerksamkeits-Deviationsstrategien, die ihr erlaubten, wieder arbeiten zu können. Nach ihren Angaben ist sie jedoch noch nicht in der Lage, wieder ihren sportlichen Aktivitäten nachzugehen.
Als Therapieauftrag erarbeiteten wir uns, Möglichkeiten zu finden, den Schmerz, wenn er die Stufe 6 zu überschreiten droht, in kurzer Zeit wieder auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, so dass die Ablenkungsstrategien der Klientin greifen.
In der Erstsitzung ermunterte ich die Klientin zu überprüfen, ob es möglich wäre, den Schmerz ganz bewusst von Stufe 6 (das bei ihrem Besuch bei mir angegebene Schmerzerleben) auf Stufe 7 zu intensivieren. Aufgabe an die Klientin war es also, „in den Schmerz hineinzutauchen“, ihn zu „füttern“.
In dieser während des Gesprächs beiläufig induzierten Trance imaginierte die Klientin eine riesige Qualle. Diese Qualle hieß Jellyfish, ihre Tentakel bohrte sie hungrig in die Rippen der Klientin, weil sie dort auf Futter hoffte. Der Hunger quälte die Qualle so sehr, dass sie ihre Tentakel immer tiefer und tiefer in den Körper der Klientin streckte, bis sie schließlich den kompletten rechten Rippenbogen durchstießen. Das Nachgeben des Körpers der Klientin (ideomotorische Bewegung: ein Zusammensacken der rechten Körperhälfte, bewusstes Stauchen der rechten Rippen) linderte den Schmerz augenblicklich, während das Geradesitzen oder Stehen den Schmerz sofort auf Stufe 10 katapultierte. Eva visualisierte hierbei, dass durch das gefühlte Stauchen der Rippen das Futter für die Qualle so leichter bereitgestellt wurde, dass die Qualle ihre Tentakel nicht mehr in den ganzen Rippenbogen hineinstoßen musste. Wenn Eva ihren Jellyfish nun also als hungrige Qualle visualisierte, die in ihren Rippen nach Futter suchte, konnte sie ihren Schmerz bewusst verstärken – wenn sie imaginierte, dass der Jellyfish satt und schläfrig war, konnte sie auch ohne die entsprechende Körperhaltung das Schmerzerleben reduzieren und schlussendlich so in den Hintergrund platzieren, dass es sich nur noch anfühlte, „als ob ein Schwarm klitzekleiner Fischlein“ durch ihre Rippen schwamm.
Mit dieser einen Sitzung und der eigenständigen homöopathischen Behandlung der Klientin ließen sich die Schmerzen binnen eines Tages auf Stufe 1 reduzieren.
Fazit
In der hypnotherapeutischen Behandlung von Schmerzpatienten empfiehlt sich ein integratives und insbesondere transparentes, individualisiertes Vorgehen: Nachdem auf indirektive Art für den Klienten stimmige direktive Angebote gemeinsam erarbeitet wurden („Oh, ich stelle fest, Jellyfish ist leicht hungrig: Der Schmerz ist auf Stufe 5. Später füttere ich ihn, jetzt kann er noch ein wenig schwimmen, weil ich noch arbeiten will: Dass ich mich jetzt gerade hinstelle und das Futternetz weit spanne, zeigt Jellyfish, dass er später Aufmerksamkeit bekommt.
Jetzt ist der Schmerz für mich ein monotoner Rhythmus im Hintergrund, der mir den Takt zum Arbeiten geben kann.“), die bis zu einer spezifischen subjektiv erlebten Schmerzintensität angewandt werden, werden auch bereits Bilder visualisiert, die dem intensiveren Schmerzerleben entsprechen (roter Koloss, hungrige Qualle).
Diese Bilder werden in dem Moment, in dem der Schmerz (das Bedürfnis) besondere Aufmerksamkeit benötigt, in einer Autohypnose durchlebt, mit dem Ziel, dass der chronische Schmerz dauerhaft reduziert bzw. in der emotionalen Bewertung umbewertet werden kann.
Durch das zunächst noch erfolgende Eintauchen in den heftigen Schmerz (das Fliegen in den roten Berg und die Suche nach dem kleinen Mädchen, das Tasten der Tentakel der Qualle durch den ganzen Rippenbereich, bis das Futternetz enger gezogen wird und die Qualle so leichter ans Futter kommt) wird erreicht, dass die höheren Stufen der Schmerzskala schneller durchlebt werden (und der Schmerz dann wieder abfällt) und schlussendlich „überflüssig“ werden. Oft zeigt sich, dass nicht nur die erlebte Intensität des chronischen Schmerzes in der Folge nur noch selten so zunimmt, dass der Schmerz als unerträglich empfunden wird:
In den meisten Fällen pendelt sich das Erleben auf einem Wert von 1 bis 2 ein, was das Meistern eines normalen Alltags noch durchwegs erlaubt, oder verschwindet sogar ganz.
Dr. phil. Marion Friedrich
Praxis für heilpraktische Psychotherapie
Augsburger Gewerbehof
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