Flüchtlinge: Durchdachtes Konzept in NRW, hochkarätiges Engagement in Niedersachsen
Wie berichtet, fiel die Reaktion der Länder auf das Angebot des VFP, im Umgang mit der Flüchtlingsthematik die flächenmäßige Präsenz und die fachliche Kompetenz seiner Mitglieder einzubringen, unterschiedlich aus – von gar keiner Reaktion über „danke, kein Bedarf“ bis zur kurzfristigen Gesprächseinladung – so aus Niedersachsen und Nordrheinwestfalen.
In Niedersachsen traf sich der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Grant Hendrik Tonne, mit Dr. Werner Weishaupt, Präsident des VFP.
In Nordrheinwestfalen fand das Gespräch im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Düsseldorf mit Jörg Holke, dem Leiter des Referats 213 „Psychiatrie“, und der Referentin Melany Richter statt.
Der VFP kann sich auf mehreren Ebenen konkrete Unterstützungsleistungen vorstellen: zum einen vor Ort in den Erstaufnahmelagern. Dort könnten Mitglieder des VFP dabei helfen, Traumatisierungen oder andere psychische Auffälligkeiten bei Flüchtlingen zu erkennen. Ein anderer Ansatz könnte darin liegen, helfende Einheimische in den Erstaufnahmezentren wie auch später in den Kommunen zu schulen. Und schließlich drittens die direkte Unterstützung der helfenden Einheimischen: sei es durch Supervision, sei es, um Folgen der Stressbelastung bis hin zu Sekundärtraumatisierungen zu vermeiden.
Im Ministerium in Düsseldorf ist man im Umgang mit diesem Thema weit fortgeschritten. Konservativ gerechnet geht man davon aus, dass bei bis zu 10 % der bislang nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge ein akuter Behandlungsbedarf besteht – nicht allein aufgrund von Traumatisierungen, sondern z. B. auch bei Angstund Panikstörungen, Depressionen und als Folge von Suchtverhalten.
Überregional verfügt NRW nach den Worten Holkes über ein vielfältiges Angebot an geeigneten Einrichtungen wie psychosozialen Zentren, Trauma- und Migranten- Ambulanzen. Dort sei in aller Regel auch die Sprachvermittlung sichergestellt. Nicht jeder Mensch in psychischen Stress- oder Ausnahmesituationen brauche eine medizinisch-therapeutische Behandlung: Oftmals, so Melany Richter, könne schon eine sichere Wohnsituation zur Stabilisierung ausreichen. Aber eben nicht immer, und darum wolle man landesseitig die Hilfe für Flüchtlinge so niedrigschwellig wie möglich organisieren: „Wie kommt der Mensch zur passenden Hilfe, wie bringen wir Mensch und Hilfe zusammen?“
NRW nutzt – vereinfacht gesagt – ein dreistufiges Modell mit niedrigschwelligem Zugang und idealerweise Sprachvermittlung: Wo möglich und ausreichend, sollen Flüchtlinge mit Unterstützungsbedarf über „soziale Stützung“ wohnortnah stabilisiert werden. Reicht das nicht, werden Kurzinterventionen angeboten. Zeigt sich eine schwere seelische oder psychische Beeinträchtigung, folgen umfassende Behandlungen bis hin zu einem stationären Klinikaufenthalt.
Auf der anderen Seite werden einheimische Helfer unterstützt (z. B. durch Supervision), mittels E-Learning und Schulungen fit gemacht für den Umgang mit Menschen anderer Kulturen sowie für das Erkennen psychischer Auffälligkeiten sensibilisiert.
Das Land kann aber, so das Ministerium, nur den Rahmen setzen und unterstützen – die konkrete Ausgestaltung liege bei den Kommunen vor Ort. Das heißt: VFPMitglieder, die ihre Kompetenzen etwa in der Traumatherapie einbringen wollen – sei es im direkten Umgang mit Flüchtlingen, sei es in der Schulung von helfenden Einheimischen – sollten sich an die jeweils zuständigen Städte bzw. Landkreise wenden. Welche Maßnahmen und Projekte wie mit welchen Partnern und welchen finanziellen Rahmenbedingungen wo umgesetzt werden, liege in der Hand der Kommunen.
Es gibt aber auch Fördergelder für bestimmte Projekte, die von den durchführenden Trägern direkt beim Ministerium beantragt werden können. Für eine Trägerschaft müssen sich jedoch sinnvollerweise mehrere Kolleginnen und Kollegen zusammenschließen.
So weit bis ins Detail durchorganisiert ist der Umgang mit psychisch belasteten Flüchtlingen in Niedersachsen noch nicht. Die rot-grüne Landesregierung nahm das Unterstützungsangebot des VFP aber dankbar an – gerade auch mit Blick auf die Möglichkeit, sowohl in den zentralen Erstaufnahmestellen als auch vor Ort in den Kommunen aktiv zu werden.
Der führende Sozialdemokrat Grant Hendrik Tonne unterstrich die Dringlichkeit der Aufgabe, dass für deren Lösung auch bislang nicht berücksichtigte Potenziale genutzt werden müssten. Vorstellbar könne auch die Initiierung von Pilotprojekten auf kommunaler wie auf Landesebene sein. In jedem Fall müsse aber geklärt werden, wie und aus welchen Töpfen gegebenenfalls eine Finanzierung möglich wäre. Zu diesem Punkt verwies Dr. Weishaupt auf das Asylbewerberleistungsgesetz: Das erlaube auch die Kostenübernahme bei psychischen Behandlungen – aber eben erst, wenn der betreffende Mensch schon dazu gekommen ist, einen Asylantrag zu stellen.
Jens Heckmann