Praxismarketing
Teil 1
Werbung für ein Autohaus, ein Reisebüro oder einen Elektronik-Fachmarkt ist selbstverständlich. Heilpraktiker, Heilpraktiker für Psychotherapie, Freie Psychotherapeuten und Psychologische Berater (jeweils m/w, auch im folgenden Text) tun sich mit der Werbung für die eigene Praxis vielfach schwer. Trotzdem: Ohne Werbung geht es nicht. Auch Menschen in heilenden oder helfenden Berufen leiten letztlich ein Unternehmen, brauchen also Kunden/Klienten und sind damit auf Bekanntheit angewiesen. Allerdings: Werbung kann viel mehr sein als teure bunte Anzeigen. Es kann sogar Spaß machen, sich mit Werbung in eigener Sache zu beschäftigen.
In Deutschland werden unter „Werbung“ allgemein direkt verkaufsfördernde Maßnahmen verstanden. Der Begriff Marketing ist weiter gefasst: angefangen von der inneren Haltung von Geschäftsführung und Belegschaft über das äußere Erscheinungsbild und verbindliche Regeln der Kommunikation bis zu den Möglichkeiten von Internet, neuen Medien, Presse und anderen Printprodukten, PR-Aktionen, Public Private Partnership, Sponsoring etc.
Es gibt keine Marketingbibel, es gibt nicht die eine Methode, die zum Erfolg führt. Entsprechend vielfältig sind die theoretischen Überbauten und praktischen Ansätze fürs Marketing. Konsequent zu Ende gedacht dient das Marketing aber einem Zweck: Gewinne zu machen oder zu steigern. Das klingt zwar gerade für Menschen in heilenden und helfenden Berufen nicht so schön. Aber es ist nicht unredlich, von guter Arbeit auch gut leben zu können. Sie wollen durch Ihre Arbeit Menschen helfen. Das geht aber nur, wenn Ihre Praxis läuft. Und um das zu erreichen, genügt es nicht, gut zu sein: Sie müssen mitteilen, dass Sie gut sind, und die Leute müssen es glauben.
Marketing entmystifizieren
Um die Vielfalt von Marketinginstrumenten und -ansätzen zu strukturieren, gibt es eine Menge kluger – gern aus dem Englischen übernommener – Begrifflichkeiten und Abkürzungen wie Networking, Cluster Building, CD, CI, CMS, CTI etc. Die Werber erliegen leicht der Versuchung, sich beim Austausch mit (potenziellen) Kunden in solchen Begrifflichkeiten zu verlieren.
Gute Marketingfachleute haben es nicht nötig, ihre Kunden mit mirakulösen Abkürzungen und hippen Wortschöpfungen zu beeindrucken (etwa der „qualifizierten Face-to-Face-Beratung“ über die „Job-to- Job-Phase“ oder ähnlichen Ungetümen). Marketing ist kein Selbstzweck. Cluster Building, CTI und Co. sind kein Marketing. Es sind Begriffe für Teile des Instrumentariums, so wie in anderen Branchen Hammer oder Säge, sie klingen nur aufregender. Marketingziel ist die Steigerung des Umsatzes, nichts anderes. Wie das geht, sollen die Marketingprofis Ihnen erklären. Können sie das nicht – suchen Sie sich andere.
Grundsätzliche Methodik von Marketing und PR
Die Entscheidung für ein Angebot, ein Produkt, ein Unternehmen wird letzten Endes immer von einem Einzelnen getroffen: Der Student entscheidet, welchen Stromanbieter er nutzt. Die Seniorin, welches Katzenfutter sie kauft. Der Geschäftsführer, welche Firmenwagen gekauft werden.
Jeder Mensch trifft seine Entscheidung selbst. Natürlich unter mehr oder weniger starkem Einfluss seines Umfelds bis hin zu regelrechtem Gruppenzwang. Aber auch ein solcher Gruppenzwang (wie Markenklamotten bei Jugendlichen) kann nur entstehen, wenn eine ausreichend große Anzahl Einzelner sich für ein oder wenige bestimmte Produkte entscheidet, was dann wiederum die (Einzel-)Entscheidungen anderer Menschen nach sich zieht. Im Idealfall entfaltet Marketing also eine erhebliche Breitenwirkung, spricht aber zugleich viele Menschen individuell (und damit durchaus auf verschiedenen Ebenen) an.
Die Methodik kann sich – abhängig von Produkt, Zielgruppe, Unternehmen – dabei deutlich unterscheiden. Finanzkräftige Unternehmen (Coca-Cola, Deutsche Bank, Siemens) profi tieren von der Marke. Eine etablierte Marke erzeugt einen „Markendruck“, ähnlich einer Gruppendynamik: Der Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens wird bei der Entscheidung über neue Dienstwagen z. B. zwischen BMW, Mercedes und Audi wählen – eine Marke etwa aus Fernost wird es, auch bei gleicher Qualität und günstigen Konditionen, schwer haben, in die Wahl zu kommen.
Ob auf der Grundlage inhaltlich überzeugender Argumente, wegen des Markendrucks oder aus dem Bauch heraus – der Einzelne trifft die Kaufentscheidung – und damit ist es zunächst einmal zweitrangig, ob es sich um einen Geschäftsführer oder eine Seniorin handelt. Coca-Cola, Audi oder die Deutsche Bank werden per se mit gewissen Standards gleichgesetzt. Kaufe ich Produkte dieser Marke, bekomme ich diese Standards. Mitbewerber haben diese aus sich heraus nicht, jedenfalls nicht, solange ihre Marke nicht etabliert ist. Das macht eine etablierte Marke eben so wertvoll.
Das eine solche Markendominanz ausmachende Image zu erreichen und zu halten, ist immens aufwendig und teuer. Trotz dieses nachhaltig zu betreibenden Aufwands profi tieren die Konzerne auch indirekt von ihrer Marke. Zum einen, weil ein „Frontalangriff“ von Mitbewerbern auf das Produkt bzw. das Unternehmen in der Regel zum Scheitern verurteilt ist: Das Image, das z. B. Coca-Cola besitzt, besitzt eben Coca- Cola. Es scheint fast unmöglich für einen „Newcomer“, daran etwas zu ändern. Zum anderen, weil die Werbeinstrumente der Konzerne den Markt und damit die Wahrnehmung vieler Mitbewerber beherrschen: Das Werbeinstrumentarium der „Marken“ gilt als vorbildlich und nachahmenswert.
Beispiel: Ein mittelständisches Reisebüro wirbt in der Lokalzeitung mit Anzeigen ähnlicher Machart und Aussage wie ein großer Reisekonzern in den überregionalen Medien – meist also mit gekauften Agenturbildern glücklicher junger Leute. Das Reisebüro verzichtet somit auf die Betonung der eigenen Stärken: die individuelle Beratung, die Kompetenz der Mitarbeiter, die lokale Verbundenheit und die Vorteile für heimische Kunden („einer von uns“).
Für das eigene Praxismarketing kann es darum eine echte Herausforderung darstellen, einen eigenen Stil zu entwickeln. Wie in allen Branchen gibt es auch bei den helfenden und heilenden Berufen eine kaum zu überblickende Angebotsvielfalt. Andererseits gibt es nur wenige Branchen, die so sehr auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Anbietern und Klienten angewiesen sind. Ein deutlich ausgearbeitetes Unternehmensprofil macht darum gerade für Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie, Psychologische Berater und Freie Psychotherapeuten Sinn.
Beispiel: Der Energiekonzern XY profitiert vor allem von der Dominanz seiner Marke. Der Kunde erwartet gewisse Standards, ein Grundmaß an Qualität. Aber: Eben weil XY überregional tätig ist und in vielen Marktsegmenten agiert, kann der Konzern für den einzelnen Kunden tatsächlich nur wenig tun. Er kann rein technisch gar nicht die individuelle Betreuung, die maßgeschneiderte Lösung, die direkte Ansprechbarkeit bieten wie z. B. die ortsansässigen Stadtwerke. Letztlich ist aber die Zufriedenheit der Kunden entscheidend. Ob der Bastelshop in der Fußgängerzone oder der Weltkonzern: Er muss jeden Kunden erreichen und überzeugen. Und Individuen wollen eben individuell angesprochen werden.
Diese „Schwäche durch Größe“ (Maximierungs-Defizit) ist den Konzernen natürlich bewusst. Sie versuchen genau in diesem Bereich „zu punkten“, indem sie in ihren Kampagnen vorzugsweise auf fröhliche junge Menschen (inzwischen auch: wohlhabende Senioren mit gebleichten Zähnen) zurückgreifen und so einen persönlichen, authentischen Eindruck erreichen wollen. Ironischerweise nutzen viele Mittelständler ihren tatsächlichen Vorteil – echte Lokalverbundenheit und Authentizität – nicht aus, sondern ahmen den Auftritt der Konzerne nach, indem sie ebenfalls auf attraktive Fotomodelle und Hochglanzmaterial zurückgreifen. Es wiederholt sich hier also der geschilderte „Reisebüro-Effekt“.
Fazit
Das eigene Praxismarketing sollte eben das eigene Praxismarketing sein. Genau wie jeder Mensch, jeder Klient ist Ihr Unternehmen einmalig und individuell. Ihr Marketing soll Ihre Stärken, Ihre Individualität herausstellen und in den Köpfen der Menschen verankern.
Stimmiger Auftritt
Die Aussage: „Das Logo ist die Visitenkarte Ihres Unternehmens“ ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Sie stimmt aber – und gerade bei der Entwicklung des Logos kann viel falsch laufen: Die Firmengründer sind stolz auf ihr Unternehmen. Das ist etwas ganz Eigenes, vielleicht ein Lebenstraum. Die Gründungsphase ist also sehr emotional eingefärbt; dies umso mehr in helfenden und heilenden Berufen, in denen ja meist eine besondere „Liebe zum Menschen“ Grundlage des Tuns ist. Das Logo und der Firmenname werden oft gemeinsam mit Familien und Freunden entwickelt. Das muss nicht schlecht sein, aber generell ist ein gewisser innerer Abstand zum Thema eher hilfreich. Denn das Logo braucht nicht dem privaten Umfeld zu gefallen – das kennt die Gründer, ihre Ziele und Vorstellungen, die Inhalte der Arbeit und kann darum kaum unvoreingenommen beraten. Besser ist es, Profis (Werber, Marketingexperten, Grafiker) nach einer Meinung zu fragen (Achtung: vorher nach den Kosten erkundigen!). Aber auch deren Votum ist letztlich nur eine – wenn auch fachliche – Beurteilung.
Es kann helfen, sich bei der Entwicklung vom Logo (und Praxisnamen) an ein paar Grundsätzen zu orientieren: Es sollte klar und einprägsam sein: Wie sieht das Logo auf dem Briefbogen, der Homepage, in der Zeitung (neben den Anzeigen anderer Firmen), auf der Visitenkarte, einem Lenkdrachen, einem Flyer, einem T-Shirt, einem Auto aus? Welchen Eindruck/welches Gefühl lösen Form und Farbe aus?
Das Logo braucht nichts zu „erklären“. Es kann zu Interpretationen einladen – muss aber nicht. Was die (potenziellen) Klienten mit dem Logo verbinden, ist ohnehin individuell und hängt weniger vom Logo ab als vielmehr davon, wie der einzelne Mensch die Praxis erlebt (etwa über das Marketing). Das Logo ist also kaum ein Vehikel für Inhalte, sondern ein Anker für das Image.
Wenn Sie sich für ein Logo entschieden haben, sollten Sie dabei bleiben. Es kann darum nicht schaden, dieses so zu entwickeln, dass es auch bei neuen Arbeitsschwerpunkten seine Gültigkeit behält. Auch darum ist es klug, auf erläuternde Beschreibungen der Praxis/der Angebote zu verzichten.
Jens Heckmann
Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit/Unternehmenskommunikation, er berät seit Jahren VFP-Mitglieder in Marketingfragen