Vata die Kraft, die über unsere Gesundheit entscheidet
Laut eigener Schätzung kamen über acht Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum über die Ayurveda-Lehre mit dem Begriff „Vata“ in Kontakt, der gemäß einschlägiger Literatur als Bioenergie (Dosha) von Wind und Äther definiert wird, neben den Energien von Feuer, Wasser und Erde. Lassen Sie mich ein für alle Mal falsche Vorstellungen beseitigen.
Es handelt sich um eine dynamische Kraft, die im Falle drastischer Erhöhung sowohl körperliche Störungen also auch, auf feinstofflicher Ebene, Psychosen auslösen kann. Das liegt daran, dass Vata dem Äther entstammt, dem einzigen Element, das immateriell, unsichtbar, ungreifbar und daher räumlich und zeitlich unbegrenzt ist. Es geht eine direkte Verbindung mit der Psyche ein und beeinflusst unser Unterbewusstsein. 90 % aller psychosomatischen Erkrankungen werden durch Vata ausgelöst! Wer Vata erkennen und regulieren kann, dem wird es an Patienten nie fehlen, doch um damit arbeiten zu können, muss der Begriff vollends verstanden und verinnerlicht werden.
Er stammt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie Beweg-Kraft (Va = Antrieb, Motivation, Schub; Ta = Energie). Die tibetische Medizin benutzt den Begriff „Lung“ und die traditionelle chinesische Medizin „Feng“ und „Fu“, was die Wirkung der Elemente Wind und Äther genauso berücksichtigt wie im Ayurveda. Autoren irren, wenn sie behaupten, es gäbe „Vata“ nur in den indischen Heilkünsten. Dass sog. Wind- Krankheiten die Wurzel allen Übels sind, wissen nicht nur Chinesen und Tibeter, sondern u. a. die traditionellen Ärzte Thailands. In Malaysia z. B. gibt es eine uralte traditionelle Massageform, die primär darauf zielt, Winde aus dem Körper zu treiben. Diese Winde beziehen sich nicht auf chronische Blähungen allein, sondern beinhalten akkumulierte, gasförmige Rückstände in Geweben, Zellwänden und Kanälen des ganzen Körpers. Chronisch Kranke schwören auf diese Therapie.
Laut eines TV-Interviews sagte eine muslimische Expertin, dass überwiegend Frauen von Windkrankheiten befallen seien, was sie sich u. a. durch den Monatszyklus, Schwangerschaften, emotionale Angespanntheit, Wechseljahre, Stress mit Kindern oder dem Ehepartner usw. erkläre, weswegen Frauen auch eher unter kalten Füßen, Einschlafschwierigkeiten, Blasenentzündungen, emotionalem Ungleichgewicht u. Ä. litten. Diese Feststellung deckt sich haargenau mit den Aussagen medizinischer Schriften aus Indien und Nepal, die jedoch statt „Wind“ „Vata- Krankheiten“ sagen.
Vata war bereits vor 2 500 Jahren in Europa bekannt. Die Ärzte im antiken Griechenland berücksichtigten im 4. Jahrhundert v. Chr. das Element Äther bei Diagnose und Ätiologie. Ayurveda-Kennern ist der Begriff „Vata-Typ“ geläufig, der einen schlanken, luftigen Denkertyp umschreibt, dessen Charakterisierung mitsamt Krankheitstendenzen exakt dem griechischen Bild des sog. Leptosomem entspricht, im Gegensatz zum pyknischen und athletischen Typ, wie er von Hippokrates und Empedokles verwendet wurde – Begriffe, die auf Sanskrit ihr Äquivalent im Kapha- bzw. Pitta-Typen finden. Die griechischen Ärzte sagten dem Leptosomen u. a. Anfälligkeit für Psychosen und Schizophrenie nach, was genau dem Vata-Typ der Ayurveda- Medizin entspricht. Äther (Vata) war in der Medizin, Philosophie, Mathematik, Astrologie und Astronomie Griechenlands ein Schlüsselbegriff, der von der Schulmedizin jedoch nie übernommen wurde.
Tai Chi Chuan sowie Kung-Fu sind Übungen zur vollständigen Entwicklung von „Chi“, einer Kraft, die sich bis heute nicht wissenschaftlich erklären lässt. Kung-Fu-Mönche setzen uns in Erstaunen mit ihren übernatürlichen Kräften, die sie seit Kindheit kultivieren. Für sie ist das nichts Besonderes, wachsen sie doch auf im Wissen um diese Kräfte. Es blieb Teil ihres kulturellen Erbes. Ist das Denken jedoch so konditioniert, dass es derartiges nicht annimmt, können nur Teilaspekte verstanden werden. Allein dies verdeutlicht, wie sehr der Westen vom Ursprung getrennt wurde. Ohne volles Verständnis sind es nur Begriffe aus einer anderen Welt.
Ein konservativer Mediziner oder Wissenschaftler mag einwenden, dass Vata nicht nachweisbar ist und daher nicht existiert. Doch das könnte man auch über Stress sagen, der mittlerweile weltweit als Auslöser hundert anderer Beschwerden angesehen wird. In Asien gibt es eine uralte Form des Pulsfühlens, bei der die Qualität und die Stärke von Wind bzw. Vata abgelesen wird. Diese Diagnostik ist jedoch für Westler ungeeignet, da sie jahrelanges Üben sowie absolute innere Ausgeglichenheit erfordert. Außerdem sagt die Pulsdiagnose nichts über das soziale Umfeld des Patienten, sein Leben oder die Pathogenese seiner Störung. Eine Diagnosemethode, die sich auf Abfragen und Beobachten stützt, ist für westliche Therapeuten einfacher – und dennoch akkurat. Sie beinhaltet das Betrachten der Physionomie, der Haut und Fingernägel, des Auftretens sowie das Anhören der Stimme und des Gesagten. Ein Patient, der z. B. unsicher antwortet, sich wiederholt verspricht oder Schwankungen in der Stimmlage hat, gibt starkes Vata zu erkennen. Ein genaues Beobachten seiner Augen (Blick) sowie seiner Bewegungen und Regungen gibt ebenfalls Aufschlüsse über das Maß einer eventuellen Vata-Störung.
Das Entstehen psychosomatischer Erkrankungen ohne vorherige (bzw. gleichzeitige) Vata-Erhöhung ist ausgeschlossen. Es ist so, als würde man Panikattacken ausstehen, ohne dass sich der Puls dabei beschleunigt. Ein weiterer Beweis für die Existenz von Vata liegt darin, dass bei seiner Reduzierung die Beschwerden nachlassen, seien dies Schlafstörungen, ADS, PMS, Nervosität, nervöse Magenleiden, ja sogar Tinnitus und Depressionen. Dies habe ich hundertfach in eigener Klinik wie in vielen anderen Kur- Zentren erlebt – bis ich nach über 15 Jahren auf die Idee kam, Vata-Gestörten mit Therapien zu helfen, die nicht indischen Ursprungs sind, und dabei faszinierende Erfolge feststellte.
Als ich vor 14 Jahren ein Ayurveda-Center mit acht Mitarbeitern im Schwarzwald leitete, kam eines Tages eine Frau zu uns, die drei Ölmassagen buchte, die sie von ihrer Tochter geschenkt bekommen hatte. Das an sich war nichts Ungewöhnliches, sondern Routine für mein kleines Team, außer, dass diese Dame bereits 75 war.
Wir stützten sie auf dem Gang von der Umkleidekabine zum Behandlungsraum, aus Angst sie könne hinfallen. Auch beim Duschen passte jemand auf.
Eine Woche später stand sie auf der Matte und wandte sich an eine Mitarbeiterin mit einem intimen Problem, das sie wohl lieber einer Frau anvertraute. Sie wollte wissen, ob die Massagen irgendetwas mit ihrer Harninkontinenz zu tun haben könnten. Die Mitarbeiterin bekam zuerst einen Schreck, aus Angst wir könnten etwas falsch gemacht haben und fragte nach, ob es denn arg schlimmer geworden sei. Nein, ganz im Gegenteil, meinte die alte Dame, nach der dritten Anwendung habe sie nachts nicht mehr aufstehen müssen, könne sich aber unmöglich vorstellen, dass dies etwas mit den Massagen zu tun habe.
Im direkten Gespräch erfuhr ich, dass sie meine Ernährungstipps teilweise befolgt hatte. Ich muss dazu sagen, dass mir die Dame anfangs nie etwas von ihrem Problem mitgeteilt hatte. Um ganz sicherzugehen, machten wir erneut drei Termine aus, und ich bat sie, die Ernährung weitestgehend umzustellen. Wir hörten danach nie wieder etwas von ihr, außer, dass sie uns ein älteres Ehepaar für eine Behandlung mit den besten Grüßen vorbeischickte. Die alten Leute erklärten uns, ihre Bekannte sei völlig begeistert vom (unbeabsichtigten) Behandlungserfolg, und buchten ebenfalls diese Massage.
An einen Kurgast aus der Schweiz erinnere ich mich ganz besonders. Sie kam im roten Sportwagen angefahren, roter Kurzmantel, rote Schuhe, und hatte ein Temperament, das seinesgleichen sucht. Sie hatte eine fast schon ansteckende positive Stimmung und sagte gleich im Erstgespräch, dass sie sich absolut keine Hoffnung mache. Sie habe seit über zehn Jahren Schlafstörungen und bereits alles ausprobiert, von Homöopathie bis Akupunktur, von Hypnose bis Phytotherapie. Nichts half. Seit drei Jahren nehme sie Schlaftabletten und habe sich daran gewöhnt. Wegen der Nebenwirkungen und deren Vergiftungen wolle sie entschlacken und allgemein ihrem Körper etwas Gutes tun. Mehr erwarte sie nicht.
Am vierten Tag kam sie zu mir und erzählte aufgeregt, sie habe am Vorabend ihre Schlaftabletten vergessen und sei trotzdem eingeschlafen. Ob das am Bett liegen könnte. Das kann an allem Möglichen liegen, sagte ich. Entweder an der besseren Matratze oder am Platz, wo das Bett steht, falls der zu Hause sich über einer Wasserader befände. Es könne aber auch an den Anwendungen liegen, am täglichen Besuch der Thermalbäder, an den ausgiebigen Spaziergängen oder an der regelmäßigen Einnahme der Mahlzeiten. Oder an allem zusammen. Ich könne das nicht mit Bestimmtheit sagen. „Allerdings“, gab ich zu bedenken, „wenn Sie heute Abend wieder ihre Tablette einnehmen, werden Sie es nie erfahren.“
„Oh nein!“, gab Sie brüskiert zurück. Darauf wolle sie sich gar nicht erst einlassen. Ihr Arzt habe ihr strikt angeraten, die Tabletten weiter einzunehmen. Eine Unterbrechung könne ihr den Schlafrhythmus rauben. Außerdem brauche die Arznei mindestens eine Stunde bis zur Wirkungsentfaltung. „Nun gut“, sagte ich, „was halten Sie denn von einem Kompromiss? Nehmen Sie doch heute Abend nur die halbe Tablette ein. So haben Sie nur halbes Risiko und einen kleinen Schutz dazu. Ferner: Sollte Ihr Schlaf störungsfrei verlaufen, kämen Sie zukünftig mit der halben Menge Chemie aus, und das wäre ein Versuch wert.“ Sie ging sofort darauf ein.
Um die Episode abzukürzen: Am achten Tage verzichtete sie ganz auf Tabletten und konnte zum ersten Mal in zehn Jahren durchschlafen. Sie war so überwältigt, dass sie sämtliche Freunde und Bekannte anrief und ihnen die Lage schilderte. Um ehrlich zu sein, ich konnte es selbst kaum glauben, bat sie aber, mir unbedingt nach zwei Wochen mitzuteilen, ob sich der Erfolg zu Hause fortgesetzt habe. Auch musste sie mir versprechen, zukünftig auf regelmäßige Einnahme ihrer Mahlzeiten zu achten und allerspätestens um 11 Uhr im Bett zu liegen, was für sie die größte Herausforderung darstellte. Sie erlitt keinen Rückfall und war tablettenfrei. Wie es ihr heute geht, kann ich nicht sagen, da der Kontakt abbrach.
Doch die beiden Fälle hatten mich damals sehr nachdenklich gemacht. Wie konnte es sein, dass ein Großmütterchen nach nur drei Anwendungen ihre Inkontinenz loswurde?
Inkontinenz an sich ist Ausdruck von Bewegung, angefangen von Reizen an der Blase bis zum Abfluss von Urin (oder Stuhl). Stark vereinfacht ist es ein solch starker Bewegungs- und Abflussdrang, dass er willentlich nicht mehr kontrollierbar wird. Und da Vata nun mal zuständig ist für alle Bewegungen, Regungen, Abtransporte, Reize und Impulse, ist Inkontinenz die Visitenkarte von provoziertem Vata schlechthin. Wenn dem so ist, dachte ich mir, dann muss die Inkontinenz aufgrund einer Vata-Harmonisierung auch wieder verschwinden.
Nach genauer Fallanalyse stellte ich zwei Faktoren fest:
- Ihr Mann verstarb vor vielen Jahren, sie lebte allein und einsam. Besuch war selten.
- Sie machte sich viele Gedanken über ihre Gesundheit und das Altern.
Alle diese Kriterien haben einen gemeinsamen Nenner: (geistige) Bewegung. Wenn Vata das Bewegungsprinzip zugrunde liegt, dann muss erhöhte Bewegung, egal wo und wie sie stattfindet, automatisch Vata erhöhen. Einsamkeit macht nachdenklich – also eine (geistige) Bewegung. Angst verstärkt Nervosität – auch eine Bewegung, wenngleich diese nur nervlich oder gedanklich stattfindet. Mangelnde Lebensfreude und ein Abfinden mit dem tristen Dasein rauben emotionale Wärme und Geborgenheit. Man fühlt sich schutzlos, hilflos, nutzlos, was wiederum die Gedanken kreisen lässt. Ein Vata erhöhender Teufelskreislauf.
Die Massage enthielt Elemente mit antagonistischen (entgegengesetzten) Qualitäten: Das Begleiten auf dem Weg von der Umkleidekabine sowie das Assistieren beim Duschen gaben ihr zu erkennen: Es kümmert sich jemand um mich, ich bin doch nicht alleine. Die Massage mit warmem Öl wurde betont langsam und behutsam mit flachen Händen am ganzen Körper ausgeübt, somit vollflächiger Kontakt, eine liebevolle, entspannende Ganzkörperberührung nach all den Jahren der Berührungslosigkeit.
Zur menschlichen Wärme kam die angenehme Wärme des Öls hinzu. Die Ernährungsumstellung tat ihr Übriges: Vata war wieder im Lot. Die Inkontinenz verschwand. Damit diese nicht zurückkam, musste sie sich an einige Empfehlungen halten, doch damit hatte sie kein Problem. Minimaler Aufwand, maximaler Erfolg.
Bei der Schweizer Karrierefrau war es nicht anders. Zwar war sie altersmäßig noch nicht im Vata-Bereich und bekam aufgrund ihres attraktiven Erscheinens sicher genug Körperkontakt, aber die Bewegung wurde durch äußere Umstände ausgelöst: Termine, Telefonate, schnelles Fahren in ihrem Flitzer, unregelmäßige Essens- und Schlafzeiten und dergleichen. Vata war dermaßen gestört, dass selbst die beste Akupunktursitzung kaum etwas bewirkt hatte.
Am Kurort wurde ihre Bewegungsdynamik drastisch heruntergeschraubt. Kein Autofahren, keine Terminhetzerei, vernünftiges, ausgewogenes Essen, tägliche Vata reduzierende Anwendungen, Spaziergänge, langsames Schwimmen im Thermalwasser, was keine hektischen, schnellen Bewegungen zuließ, all das reduzierte ihre innere Bewegungsenergetik sofort. Vata normalisierte sich. Ein Ergebnis, dass laut ihren Aussagen keine Therapie zuvor erreicht hatte.
Ein Skeptiker mag einwenden, dass die Frau lediglich Stress hatte, und die Kur sie davon befreit habe. Doch das träfe nicht auf die alte Dame zu, die mit Sicherheit kein stressiges Umfeld hatte oder einer hektischen Arbeit nachging. Und was die sportliche Schweizerin betrifft, hätte das Problem beim Verlassen des Kurortes oder spätestens beim Eintauchen in die gewohnte Arbeitswelt erneut auftauchen müssen, was es aber nicht tat. Abgesehen davon ist Stress nichts anderes als unkoordinierte, nervliche (bzw. neurologische) Regung in Extremform; innere Unruhe und chaotisches Denken – also Bewegung – ausgelöst durch Vata.
Wenn dieses windige Vata aller vedischen und orientalischen Lehren zufolge schlichtweg Bewegungsenergetik ist, dann muss Stress wie jede andere Form von Nervosität, innerer Unruhe und extremer Gedankentätigkeit Ausdruck dieser gestörten Vata- Energetik sein. Meine Resultate, nämlich dass durch gezielte Anti-Vata-Maßnahmen die Störungen mitsamt Symptomatik dauerhaft verschwanden, lieferte mir zudem den indirekten Beweis – für meine These wie auch für die Existenz von Vata selbst. Von da an hatte ich keine Zweifel mehr.
Im Laufe der Zeit kamen viele Klienten mit den verschiedensten Vata-Störungen zu mir, darunter auch solche, die sich keine ayurvedischen Anwendungen leisten konnten, denn die waren, da personal- und zeitintensiv, relativ teuer. Aufgrund der Erfolge und Empfehlungen wäre es ein Leichtes gewesen, jedem Vata-Kandidaten eine Ayurveda-Kur zu verkaufen, doch dieses Geschäftsdenken lag mir nicht. Einem armen alten Rentner die letzten Euro aus der Tasche zu ziehen und sich an seinem Problem zu bereichern, ist unethisch.
Ich versuchte also herauszufinden, ob man Vata unabhängig von Ayurveda harmonisieren kann. Schließlich behaupteten die großen Lehrmeister im alten Indien, dass Ayurveda jede Form einer bioenergetischen Harmonisierung erlaube, egal mit welchen Mitteln. Diese müssen somit nicht unbedingt indischen Ursprungs sein.
Zugegebenermaßen wurden viele Vata-Gestörte zu meinen Versuchskaninchen. Ich schaute mir genau ihr Umfeld an, ihren Alltag, ihre familiäre Situation und Arbeit, einfach alles, um dann individuell ein Anti- Vata-Programm zu entwickeln, das völlig abseits aller klassisch indischen Traditionen lag. Die Erfolge waren faszinierend. Von Fall zu Fall wuchsen meine Erfahrungen wie auch meine Bereitschaft, alternative Vata-Programme zu entwickeln. Heimische Kräutertees, die nur die Hälfte von indischen Tees kosteten, Fuß- und Wannenbädern, die meine Versuchskaninchen alle zwei Tage ausprobieren und über die sie Bericht erstatten mussten, gehörten zum Standardprogramm.
Selbstverständlich musste die Quelle der Störung beziehungsweise der Verursacher der Vata-Erhöhung gefunden werden, und man hatte sich an eine Anti-Vata-Diät zu halten. All das zusammen brachte den gewünschten Erfolg, manchmal sogar zum Nulltarif für die Betroffenen. Viele Geheilte empfahlen uns weiter, sodass der Kreis immer größer wurde. Warum ich trotz dieser sehr befriedigenden Arbeit das Ayurveda-Center nicht fortführte, hatte private Gründe. Ohne Praxisaufgabe wäre mein Buch nicht entstanden, da ich auf Umwegen einige wichtige Erfahrungen machen musste.
Meine Erkenntnisse wandte ich später an einheimischen und ausländischen Patienten in Sri Lanka und Indien, danach in Nord-Thailand an, wo viele Japaner leben. Dank meines elfjährigen Aufenthaltes in Japan konnte ich in ihrer Sprache mit ihnen sprechen. Doch egal welcher Nationalität die Betroffenen waren, Vata reagierte überall gleich: es folgte einem universellen Gesetz, das ich Schritt für Schritt schematisierte und anderen Therapeuten in Kursen vermittelte, denn ohne Methodik sind Diagnose und Therapie schwer erlernbar. Außerdem läuft man auch im Osten nicht mehr ohne Weiteres einem Guru nach. Die Menschen sind weltweit kritischer geworden, was auch gut ist. Darum basieren meine Ausbildungen wie auch das Buch nicht auf Thesen und Quellen Dritter, da diese Irrtümern unterliegen könnten. Meine Erkenntnisse beruhen auf eigenen Erfahrungen, die kraft plausibler Naturgesetze für jeden nachvollziehbar und rekonstruierbar sind.
Zurück zur Theorie
Ohne Vata würde nichts in Bewegung geraten, kein Baum wachsen, kein Fisch im Wasser schwimmen, keine Geburt stattfinden. Alles würde stillstehen, wie in einem Vakuum. Die Erklärung hierfür liegt partiell darin, dass die Erde selbst ja ein Produkt der Bewegungsenergie ist, also intergalaktischer Umläufe, Drehungen um die eigene Achse usw., angefangen bei der Urknall-Theorie (extreme Geschwindigkeit).
Feinstofflich und auf die menschliche Psyche bezogen, wäre ohne Bewegungsenergetik weder Denken noch Träumen möglich. Wir müssen daher vor Vata keine Angst haben. Außerdem verhilft diese Kraft zu kreativem Denken, Intuition, Verständnis spiritueller Themen, geistiger Flexibilität usw. Wer etwas mehr davon hat als der Durchschnitt, sollte sich freuen und es nicht drastisch reduzieren, wie es von der Ayurveda-Industrie propagiert wird.
Erst eine Zunahme weit über dem individuellen Normwert über längere Zeit führt zu diversen Erkrankungen, da sich Vata dann Schwachstellen in der Körper-Geist-Einheit sucht, körperlich wie psychisch. Vata kann durch äußere Faktoren wie Stress, soziale Konflikte, Verluste, Trennungen, Traumata, Mobbing, Orientierungs- oder Identifikationsverlust, Lärm, Unruhe, Sorgen etc. provoziert werden, was dann das komplette Nervensystem belastet. Vata-Erhöhungen führen fast immer multiple Symptome im Schlepptau, die man bei rechtzeitiger Erkennung schnell ausgleichen kann. Erst bei Nichteingreifen bzw. Nichtbehandlung kommt es zu ernsten Erkrankungen.
Vata zu reduzieren, nur weil man laut irgendeinem Buch oder Fragebogen ein Vata-Typ zu sein scheint, ist absurd. Ein Vata-Typ kann nämlich durchaus Überfunktionen anderer Bio-Energien erleiden, und muss diese dann ausgleichen – nicht sein Vata.
Das i-Tüpfelchen: Während die Ayurveda-Industrie dem Vata-gestörten Westler Therapien indischen Ursprungs suggeriert, sagen die Originaltexte kein Wort hierüber. Im Gegenteil: Alle Texte sagen eindeutig, man soll das verwenden, einnehmen und konsumieren, was in der Heimat wächst.
So gibt es die Anekdote, wonach der berühmte Ayurveda-Meister Caraka seine Schüler als Endprüfung in die Wälder schickt mit der Aufgabe, sie mögen alles mitbringen, was nicht ayurvedisch angewendet werden kann. Einige brachten Hölzer, Steine, Erde mit, andere Körbe voll mit normalem Gras, Insekten usw., wovon sie sicher waren, dass es niemals therapeutische Verwendung findet. Nur ein Schüler kam nach Mitternacht als Letzter zurück, müde und traurig. Es fiel vor dem Meister auf die Knie und entschuldigte sich, nichts gefunden zu haben, alles sei irgendwie verwendbar. Er bestand als Einziger die Prüfung.
Vata entstammt den Elementen Wind und Äther und besitzt daher Eigenschaften wie leicht, luftig, kalt und trocken. Eine Überfunktion lässt sich wunderbar durch Speisen mit antagonistischen Qualitäten erzielen, also schwer, gehaltvoll, warm und befeuchtend. Wer permanent unter Stress leidet (Ausdruck von erhöhtem Vata), sollte statt einer trockenen Pizza die Spaghetti Bolognese wählen und statt einer kalten Beilage die Minestrone. Beispiele, anhand europäischer Kost Vata zu reduzieren, würden ein ganzes Buch füllen.
Gleiches gilt für Therapien. Ein warmes Vollbad ist wie eine Garantie zum Vata-Abbau, und damit auch für einen besseren Schlaf. Man muss nur wissen, mit welchen Badezusätzen. Natürlich ist Derartiges weniger beeindruckend und exotisch als eine Synchron-Massage oder ein Stirnguss, wovon letztendlich die Ayurveda-Industrie profitiert, aber dennoch effektiv ... und wesentlich günstiger. Wasser ist schwerer als Luft, warm und befeuchtend, also genau den Vata-Eigenschaften entgegengesetzt. Wenn Sie dazu noch entspannende Musik auflegen, haben Sie ein perfektes Anti-Vata- Programm zum Nulltarif.
Es geht jedoch nicht um kleine Tipps und Annehmlichkeiten, sondern um das konsequente Ausgleichen einer gestörten Bio- Energie, was der Patient selbst zu Hause umsetzen kann. Hier sehe ich ein immenses Potenzial für psychologische Berater wie für Heilpraktiker, die in ihrer Praxis keine aufwendigen Therapien durchführen können, sondern stattdessen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten wollen. Dies würde übrigens voll dem Geist von Ayurveda entsprechen.
Sich diese Beratung mitsamt Anti-Vata-Programm und einem Diätplan honorieren zu lassen, ist völlig in Ordnung, wobei ein Gebührennachlass bei finanziell Notleidenden selbstverständlich sein sollte.
Nie war die Zahl verhaltensgestörter, depressiver, gestresster und psychosomatisch Kranker so hoch wie heute. Gemäß einer Studie werden nur 50 % der psychogen gestörten Kinder vom Hausarzt erkannt, die andere Hälfte werde fehldiagnostiziert, da es an Kompetenz, Aus- und Weiterbildung seitens der medizinischen Berufe fehle (FH Erfurt, Sozialwesen, Prof. Dr. Wolf Wagner). Die hohen Abgaben sog. Psychopharmaka bestätigen die Problematik auf ihre Art. Psychologen und Ärzte sind oftmals überfordert, auch, weil das intensive Befassen mit einem Fall den verfügbaren Zeitrahmen sprengen würde – warten doch schon sechs andere Patienten draußen. Hier sehe ich eine nie dagewesene Chance für psychologische Berater und Heilpraktiker, die es sich zur Aufgabe machen, Menschen ganzheitlich zu helfen.
„Ganzheitlich“ geht jedoch über das Abfragen etwaiger Probleme im beruflichen oder privaten Bereich hinaus und muss stets den wahren Verursacher entlarven. Das Herauslesen von Vata-Störungen während der Anamnese und deren gezieltes Ausgleichen hat sich dabei als unschätzbare Hilfe erwiesen, die in der Therapie keine Alternative hat. VFP-Mitglieder erhalten 10 % Rabatt bei Direktbestellung des Buches: www.artha.de
Prof. Manfred Krames
Experte für ayurvedische Medizin und Lebenskunst.