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Gewaltfreie Kommunikation – mehr als „nur“ GFK

„Wenn ich nach Hause komme, höre ich die Musik aus deinem Zimmer sehr deutlich in der Küche. Das finde ich echt anstrengend, weil ich nach Feierabend ein paar Minuten in Ruhe sitzen und Kaffee trinken will. Wär das o.k., wenn du die Musik dann für’n Moment leiser machst?

Der 6. Oktober 2018 war der „Tag der gewaltfreien Kommunikation“. Als Konzept entwickelt wurde die GFK vor rund 20 Jahren von Marshall Rosenberg. GFK kann kein Allheilmittel sein, um destruktiven Streit zu verhindern. Ein wichtiges Instrument und eine Grundlage für eigene Weiterentwicklungen ist sie aber noch heute.

Marshall Bertram Rosenberg (1934–2015) war ein US-amerikanischer Psychologe. Sein Konzept der Nonviolent Communication entwickelte der klinische Psychologe ab den 1960er-Jahren, vor allem im Zusammenhang mit der Überwindung der Rassentrennung in den USA. Basis der GFK ist Empathie: Je offener ein Mensch für seine eigenen Gefühle ist, desto eher ist er in der Lage, die Gefühle (und daraus folgend die Bedürfnisse und Wünsche) eines anderen zu verstehen und entsprechend zu reagieren. Einfach gesagt: Wer echte Empathie in der Kommunikation zulässt, nimmt die Gefühle des Gegenübers wahr und vermeidet damit verbale Auseinandersetzungen, die in der Sackgasse oder der Unterdrückung eines „Partners“ enden.

Nach Auffassung Marshall Rosenbergs bargen seine Methoden nichts wirklich Neues; vielmehr gelte es, sich an das zu erinnern, was in den meisten Kulturen schon seit Jahrhunderten bekannt sei. Gleichwohl werden seine Methoden international in den verschiedensten Zusammenhängen genutzt – von geschäftlichen Verhandlungen über die Familientherapie bis zur Deeskalation in internationalen Konfliktsituationen.

Wer gewaltfreie Kommunikation aber auf die Vermeidung aggressiver Worte und den Einsatz eines sanften Tons reduziert, tappt in die Falle. Denn (nicht nur) die verbale Kommunikation entwickelt sich. Am eindrucksvollsten ist das bei der jeweiligen Jugendsprache zu beobachten. Tonfall, Wortwahl, Körpersprache können auf einen Erwachsenen provozierend oder sogar aggressiv wirken, auch wenn das keineswegs in der Absicht des Jugendlichen liegt.

Ungebrochen hilfreich ist aber das Prinzip der GFK: Grundlage für Marshall Rosenberg war die Empathie: Der Mensch sei an einer empathischen Kommunikation interessiert, denn sie erzeugt – auf beiden Seiten – das Gefühl, verstanden zu werden. Darum setzt die GFK den Schwerpunkt auf die Gefühle und Bedürfnisse, die hinter dem Tun (oder Nichttun) stecken. Wer nach diesem Prinzip gewaltfrei kommunizieren will, beschreibt eine Situation zunächst, ohne sie zu bewerten: Das Gegenüber soll quasi über die gleiche „Datengrundlage“ verfügen wie man selbst. Nun wird das Gefühl benannt, direkt folgend das daraus resultierende Bedürfnis und zum Abschluss eine Bitte. Zum Beispiel: „Wenn ich nach Hause komme, höre ich die Musik aus deinem Zimmer sehr deutlich in der Küche. Das finde ich echt anstrengend, weil ich nach Feierabend ein paar Minuten in Ruhe sitzen und Kaffee trinken will. Wär das o.k., wenn du die Musik dann für’n Moment leiser machst?“

Funktionieren kann die GFK aber nur, wenn beide Seiten in der Lage und willens sind, sich darauf einzulassen. So kamen z. B. in den späten 1980er- und frühen 1990er- Jahren viele männliche Jugendliche und junge Männer aus der ehemaligen Sowjetunion mit der in Deutschland schon damals üblichen partnerschaftlichen Kommunikation in Jugendhäusern schlecht zurecht. Vielfach waren sie das Recht des Stärkeren und die „Befehlsgewalt“ des Vaters gewohnt. Wer nun „ungebremst“ auf besonders einfühlsame Kommunikation setzte, erlebte nicht selten eine negative Überraschung: Geduld, Nachsicht und Erklärungsversuche wurden vielfach als Schwäche angesehen – das fing beim Betreuer im Jugendhaus an und endete bei der Polizei. Es dauerte eine Zeit, bis die jungen Männer partnerschaftliche Kommunikation richtig (einzu)schätzen lernten. Ähnlich ist die Situation auch jetzt mit vielen jungen Männern aus z. B. Syrien, dem Irak oder Afghanistan: Paradoxerweise führt gerade ein Ansatz wie der der GFK häufi g zu Missverständnissen. Motto: Wer bei der Durchsetzung seiner Interessen nicht von vornherein Macht demonstriert, ist schwach und verliert damit das Recht auf eine Verhandlungslösung.

Viele Heilpraktiker für Psychotherapie, psychologische Berater und freie Psychotherapeuten arbeiten mit traumatisierten Jugendlichen aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens. Ein breites Betätigungsfeld ergibt sich aber auch und gerade bei jungen Männern, die – ohne ersichtliche psychische Beeinträchtigungen erlitten zu haben – „nur“ geflüchtet sind. Ihnen jenseits der Sprachkompetenz zu helfen, adäquat zu kommunizieren, kann schwerwiegende Konflikte in der Zukunft vermeiden. Wichtig ist aber auch, Kinder zu erreichen, die – Flüchtlinge oder nicht – in Familien mit aggressiven Kommunikationsstrategien aufwachsen. So entstand bereits 1994 vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien mit Unterstützung von UNICEF ein Buch zum Erlernen gewaltfreier Kommunikation in Kindergärten und Schulen nach Rosenbergs Methode.

Jens HeckmannJens Heckmann
Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit/Unternehmenskommunikation

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