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Fallstudie: Hypnotherapeutische Behandlung mit der Selbstorganisatorischen Autosystemhypnose

nach Götz Renartz

©Aliaksei LaswichSarah, ledig, 25 Jahre, besuchte im Frühling 2012 das erste Mal meine Praxis, mit dem Ziel, sich selber mehr zu vertrauen, sich wohler zu fühlen und sich nicht immer vor sich selbst und anderen schlecht zu machen.

In der Zeit unserer Zusammenarbeit absolvierte Sarah eine Ausbildung zur Physiotherapeutin, bei der bald die Zwischenprüfung anstand, vor der sie große Angst hatte. Sie lebte wieder bei ihren Eltern (Vater und Stiefmutter), die sie finanziell bei ihrer Ausbildung unterstützten.

Im Alter von 2,5 Jahren war sie von ihrer Mutter in die Familie des Vaters abgegeben worden, wo sie sich immer benachteiligt fühlte gegenüber ihren drei wesentlich älteren Halbgeschwistern. Mit drei Jahren ging sie in den Kindergarten und wurde vorzeitig eingeschult, da ihre Stiefmutter (Lehrerin) berufstätig war. In der Schule war sie zunächst relativ schlecht, verbesserte sich aber mit der Zeit und machte in einer Gesamtschule (in der auch ihre Stiefmutter tätig war) den Abschluss der 10. Klasse.

Anschließend schloss sie eine 2,5-jährige Ausbildung zur Bankkauffrau erfolgreich ab. Nach dieser Ausbildung hoffte sie, einen sicheren Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten zu bekommen und finanziell unabhängig von den Eltern zu werden (insbesondere von der Stiefmutter, mit der sie viele Auseinandersetzungen hatte). Schon bald stellte sie fest, dass ihr diese Tätigkeit keinen Spaß machte. Neben ihrer Ausbildung besuchte sie häufig Discos, hatte wechselnde Partner und konsumierte immer mehr Alkohol und Drogen. Nach Beendigung der Ausbildung versuchte sie bei einem vierwöchigen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik ihre Abhängigkeit von Alkohol und Drogen unter Kontrolle zu bringen. Anschließend übernahm sie eine Tätigkeit als Bankkauffrau bei einer Sparkasse und bezog ihre erste eigene Wohnung.

Sie war viel auf Partys, konsumierte wieder mehr Alkohol und Drogen, tat Dinge, weil sie „cool“ waren, fühlte sich dabei aber sehr „uncool“. Sie suchte und fand eine neue ärztliche Therapeutin, die ihr Antidepressiva verschrieb. Nach einigen Monaten landete sie an einem Abend, an den sie sich nicht erinnern kann, per Zwangseinweisung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in dem sie drei Monate stationär behandelt wurde.

Da sie nun keinen Job und keine eigene Wohnung mehr hatte und nicht wusste, was sie weiterhin tun wollte, verbrachte sie ein Jahr bei Freunden in Australien. Anschließend zog sie wieder in die Wohnung der Eltern.

Nach einer Orientierungsphase von drei Monaten begann sie mit der Ausbildung zur Physiotherapeutin, die ihr viel Spaß macht, bei der nun aber bald die Zwischenprüfung ansteht, vor der sie große Angst hat. Obwohl ihr klar ist, dass sie leicht in die Abhängigkeit von Alkohol und Drogen zurückfallen kann, ist sie stolz darauf, diese nun nicht mehr exzessiv zu konsumieren.

Die erste Sitzung bestand ausschließlich in einem Gespräch zur Kontaktaufnahme und zum Kennenlernen. Zu Beginn der zweiten Sitzung arbeiteten wir mit der Autosystemhypnose. Bei dieser Hypnoseform wird das Bewusstsein (BW) nie ganz ausgeschaltet. Zusätzlich zum BW wird Kontakt zum Unbewussten (UB) aufgenommen. Die Therapie findet im aufrechten Sitzen statt. Dabei ist es wichtig, immer auf den Kontakt mit den Füßen zum Boden und mit dem Körper zur Sitzfläche und Rückenlehne zu achten.

Ich führte sie zunächst mit geschlossenen Augen in einer langen Entspannungsreise durch ihren Körper. Ähnliche Entspannungsreisen hatte Sarah auch schon in anderer Form während ihrer Klinikaufenthalte kennengelernt, aber nie für sich selbst genutzt.

Bevor es mithilfe der Autosystemhypnose möglich ist, zusammen mit der Patientin an ihren Problemen und deren Lösung zu arbeiten, erläutere ich ihr, dass ich Kontakt mit ihrem UB über ihre Hände aufnehme. Dabei nimmt die Patientin ihre Hände in die Vorhalte vor den Körper (Häschenstellung) und eine Hand wird als „Ja-Hand“ und die andere als „Nein-Hand“ festgelegt. Nun stelle ich an das UB-Fragen, die es mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann, indem sich eine der beiden Hände ganz von selbst nach unten bewegt. Das Ganze wird bei der Autosystemhypnose als „ideomotorische Befragung“ bezeichnet. Durch die Ideomotorik bestätigte das UB, dass Sarah mithilfe von Hypnose an ihren Themen arbeiten könne.

Im Anschluss bearbeiteten wir die Sicherheitsfragen, die u.a. eruieren, ob es eine Spaltung in eine Oberflächen- und eine Tiefenperson gibt, ob es Einschränkungen gibt, die eine erfolgreiche Arbeit mit der Selbstorganisatorischen Autosystemhypnose behindern können und ob mithilfe der Hypnose ihre Probleme gelöst werden können ohne Rückfall und Symptomverschiebung. Das UB bestätigte, dass keine weiteren Einschränkungen vorlagen, die die Arbeit mit Hypnose beeinträchtigen könnten.

Dann wandte ich bei meiner Patientin die „Silerlek-Methode“ an, mit der eine Ziel- und Zukunftsorientierung möglich ist und die von Götz Renartz entwickelt wurde. Dabei geht die Patientin in Gedanken in die Zukunft und stellt sich vor, dass sie ihr Ziel, das sie mithilfe der Therapie erreichen möchte, bereits erreicht hat (dabei kann sich die Patientin mit allen Sinnen vorstellen, wie sie sich dann fühlen wird). Anschließend wird eine Hand festgelegt, die ganz von selbst zum Kopf geht. Und wenn sie den Kopf erreicht hat, weiß das Bewusstsein (BW), welche Farbe zum Erreichen dieses Ziels passt (= Erkenntnishypnose wieder mit der ideomotorischen Befragung). Die Farbe wird nun als Ziel- und Entwicklungsfarbe geankert, indem sich die Patientin in diese einhüllt und sich vorstellt, dass die Farbe in jede Faser ihres Körpers eindringt.

Anschließend kann ihr in einer weiteren Erkenntnishypnose bewusst werden, was sie selbst tun kann, um einen ersten Schritt zum Erreichen ihres Ziels zu tun. Wenn dies nicht möglich ist, wird ein völlig unbewusster Schritt eingeleitet, der sie darin unterstützt, einen ersten unbewussten Schritt in Richtung ihres Ziels zu machen. Dies ist mit der „Rossi-Methode“ (von Götz Renartz) möglich. Dabei hält die Patientin ihre Hände in „Betstellung“ vor den Körper (die Handflächen berühren sich leicht) und die Therapeutin suggeriert ihr, dass die Hände ganz von selbst auseinandergehen und wenn sie stehen bleiben, die Trance so tief ist, dass ein völlig unbewusster Schritt eingeleitet werden kann, der die Patientin mithilfe des UB darin unterstützt, ihr Ziel zu erreichen.

Dann wird der Patientin suggeriert, dass die Hände ganz allein zusammengehen und wenn sie sich berühren, der erste unbewusste Schritt eingeleitet ist. Dies führt bei der Patientin zu einem wohligen Gefühl von Ruhe und Erleichterung.

In der folgenden Sitzung berichtet Sarah dann häufig über Veränderungen, die vorgegangen sind, an die sie nie dachte und die sie kaum für möglich hielt. Später hüllt sich die Patientin aus ihrer Ziel- und Entwicklungsfarbe aus und wird aufgefordert, diese auch zu Hause für sich selbst zu nutzen. Am Ende jeder Sitzung wird sie von mir ermuntert, sich innerlich beim UB für seine Unterstützung zu bedanken und Abschied zu nehmen, in der Gewissheit, dass es ihr immer zur Seite steht.

Mit „Silerlek“ stellte Sarah sich eine schöne Zukunft vor, in der sie sich wohlfühlt, die wir in einem „leuchtendem Gelb“ als Ziel- und Entwicklungsfarbe ankerten. Bei der Frage nach dem ersten Schritt war keine Erkenntnis möglich und wir leiteten mit „Rossi“ einen UB-Schritt ein, der Sarah darin unterstützt, sich mehr und mehr in Richtung ihres Ziels zu orientieren und Sicherheit zu finden.

In fünf weiteren Sitzungen mit der Selbstorganisatorischen Autosystemhypnose nach Götz Renartz arbeiteten wir hauptsächlich auf der „Zauberwiese“ (eine weitere Methode, die Götz Renartz entwickelte). Dabei lernte sie ihre weise Frau, ihr inneres Kind und als Freunde und Helfer einen lustigen Hund und eine männliche Puppe kennen.

Sarah beschäftigte sich auf der Zauberwiese in verschiedenen Situationen mit ihren Stärken und Schwächen, begegnete ihrer leiblichen Mutter und der Stiefmutter und konnte den Beziehungen zu ihnen, die insbesondere durch Hilflosigkeit, Wut und Ärger geprägt waren, einen neuen Stellenwert einräumen. Sie nutzte die Helfer-Instanzen von der Zauberwiese sowie die Farbe für ihre persönliche Entwicklung – auch zur Selbsthypnose zu Hause. Der Patientin wurde immer deutlicher, wie stark sie sich von der Bewertung anderer abhängig macht, und sie suchte nach Wegen, mehr auf sich selbst und ihre Intuition zu vertrauen.

In der siebten und letzten Sitzung fand sie ihren Lösungsteil, der ein Turm mit Rundumblick ist, den sie auch später bei der Selbsthypnose nutzen kann. Bei Therapieabschluss wirkte die Patientin sehr viel aufgeschlossener und zuversichtlicher, was ihre eigenen Fähigkeiten und ihre Entwicklung betrifft. Sie hatte die Zwischenprüfung in der Ausbildung zur Physiotherapie noch während unserer therapeutischen Arbeit erfolgreich abgelegt.

Inzwischen hat sie auch wieder Kontakt zu einer ehemaligen Freundin aufgenommen, was ihr richtig guttut und womit sie sich wohlfühlt. Sie möchte auch weiterhin die Farbe „leuchtend gelb“ und die Zauberwiese zur Selbsthypnose nutzen. Wie zuvor vereinbart, endete damit die Hypnosetherapie, wobei Sarah sich vorstellen konnte, sich zu melden, wenn sie weitere Unterstützung und Hilfe braucht, um kurzfristig einen Termin zu vereinbaren. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Die Behandlung erstreckte sich über drei Monate mit insgesamt sieben Sitzungen.

Anmerkung: Ich bin mir sicher, dass wir als Heilpraktiker für Psychotherapie in der therapeutischen Arbeit neben klassischen Therapiemethoden die Möglichkeit zum Einsatz von zusätzlichen, alternativen Methoden haben (im Gegensatz zu den von den Krankenkassen zugelassenen Therapeuten) und damit unseren Patienten neue Perspektiven eröffnen, neue Wege zu finden und zu gehen, um für sich selbst in relativ kurzer Zeit Lösungen zu finden.

Margarete Rodenbach-StadlerMargarete Rodenbach-Stadler
Dipl.-Päd., Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Praxis in Düsseldorf, Dozentin.

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