Homosexualität ist keine Krankheit und nicht therapiebedürftig
Erst 1990 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten gestrichen. In Deutschland sind angebliche Behandlungen gegen Homosexualität nach wie vor erlaubt. Das will Gesundheitsminister Spahn ändern und die sog. Konversionstherapien per Gesetz verbieten lassen.
Es ist gerade mal 30 Jahre her, dass die WHO Homosexualität aus dem Katalog psychischer Krankheiten gestrichen hat. Nichtsdestotrotz gibt es weiterhin Menschen, die Homosexualität wider aller wissenschaftlichen Erkenntnisse als Krankheit bewerten und wegtherapieren möchten. Allen voran Vertreter (immer m/w) christlich-evangelikaler Kirchen. Sie sind der Auffassung, die gleichgeschlechtliche Liebe sei eine psychische Erkrankung und deshalb heilbar.
Bis heute wird mit Pseudotherapien, die darauf zielen, Homosexuelle zu Heterosexuellen zu machen, Kasse gemacht. „Homosexualität ist keine Krankheit und nicht therapiebedürftig“, so wird Minister Spahn jüngst zitiert. Er will die sog. Konversionstherapien für Homosexuelle noch 2019 verbieten. Der Minister hat daher erste Treffen mit Politikern, Wissenschaftlern und Betroffenen initiiert. Institutionen aus dem Ausland, die mit gesetzlichen Verboten bereits Erfahrungen gesammelt hätten, nahmen ebenfalls an dem Austausch teil. Die Kommission wird fachlich von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld begleitet. Die nach dem Arzt, Sexualforscher und Mitbegründer der ersten deutschen Homosexuellenbewegung (1868-1935) benannte Stiftung will der Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen entgegenwirken.
Schwulsein ist unmoralisch!
Im 19. und 20. Jahrhundert endete der Geschlechtsverkehr für viele homosexuelle Männer im Gefängnis. Im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 wurde der Akt als „widernatürliche Unzucht“ defi niert. Der Psychiater Richard von Krafft-Ebing attestierte Männern, die Männer liebten, in seinem bekanntesten Werk „Psychopathia sexualis“ eine neuropsychopathische Störung. In der NS-Zeit wird die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen mit dem „Homosexuellen“-Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches radikalisiert. Und auch nach dem Ende des Dritten Reiches wurden Homosexuelle weiterhin verfolgt. Der § 175 blieb in der Bundesrepublik im Strafgesetz stehen. Allerdings mit einer neuen Begründung: Die Gesellschaft sollte im christlichen Sinne sittsam sein. Schwulsein galt weiterhin als unmoralisch. Erst 1994 strich der Deutsche Bundestag den § 175 aus dem Strafgesetzbuch. Die Gleichstellung mit Heterosexuellen ist aber heute immer noch lange nicht erreicht, wenn es um gesellschaftliche Anerkennung und gleichberechtigte Teilhabe geht, und viele Vorurteile halten sich hartnäckiger denn je.
Schon vor Jahrzehnten hat die Wissenschaft belegt, dass Homosexualität weder eine Entwicklungsstörung noch eine Erkrankung ist. Menschliche Sexualität ist angeboren. Niemand hat die Wahl, welches Geschlecht er oder sie begehrt. Homosexualität ist so „normal“ wie Heterosexualität. Oder wie Spahn gegenüber der „tageszeitung“ sagte: „Ich sage immer, der liebe Gott wird sich was dabei gedacht haben“.
Die politische Debatte um das Thema wird bereits seit Längerem geführt. 2017 stellten etwa die Grünen eine Anfrage an die Bundesregierung zu dem Thema, 2018 auch die Linksfraktion. Ein Verbot der Therapien kam bislang aber noch nicht zur Sprache.
Konversionstherapien werden kaum öffentlich beworben. Es ist unklar, wie viele Anbieter es in Deutschland gibt und wie viele Personen mit einer Konversionstherapie behandelt werden. Was aber auf der Hand liegt ist, dass solcherart Therapien psychische Leiden nach sich ziehen.
Klar ist auch, dass Homosexuelle häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen sind als die Allgemeinbevölkerung. Das belegen internationale Studien. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit homo- oder bisexueller Orientierung besteht sogar eine dreifach höhere Suizidrate.
Allerdings sind diese psychischen Störungen unabhängig von der Homosexualität zu diagnostizieren und zu behandeln. Vielmehr ist das erhöhte Risiko für psychische Erkrankung auf direkt oder indirekt erfahrene Diskriminierung zurückzuführen. Selbstentwertung oder starke Schuld- und Schamgefühle spielen eine Rolle.
Wer in Zeiten, in denen das Umpolen von Links- auf Rechtshänder als Körperverletzung gilt, Homos auf Heteros umpolen will, der produziert Ängste und Depressionen.
„Homo- und Bisexuelle sind permanent damit konfrontiert, dass sie allgegenwärtigen Normen nicht entsprechen. Die Formen von Diskriminierung sind vielfältig und reichen von Zuschreibungen von Stereotypen und Vorurteilen bis hin zu offenen homophoben Übergriffen und Verfolgungen wie psychische Gewaltanwendung bis hin zu körperlichen Übergriffen“, sagt Dr. Lieselotte Mahler von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Diese direkt oder indirekt erfahrene Diskriminierung geht mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen einher.“
Mit dem eigens gegründeten Fachreferat setzt sich die DGPPN deshalb aktiv für den Abbau von Vorurteilen gegenüber Homosexuellen ein. Ziel ist es, psychische Folgeerkrankungen aufgrund vor Stigmatisierung vorzubeugen. Das Referat „Sexuelle Orientierungen und Identitäten in Psychiatrie und Psychotherapie“ der DGPPN setzt deshalb auf Aufklärung und fördert wissenschaftliche Untersuchungen.
Manche mögen Minister Spahn Symbolpolitik vorhalten, doch der Vorstoß ist richtig, denn dass Konversionstherapien überhaupt erlaubt sind, sagt viel über den Stand von Schwulen und Lesben aus. Und so kann man nur hoffen, dass die Debatte um das Verbot ein weiterer Vorstoß ist, Vorurteile gegen homosexuelle Menschen abzubauen.
Ela Windels
Sozialpsychologin, Journalistin, Kommunikationstrainerin,
Autorin, Dozentin an der Paracelsus Schule Hannover